Jan Hus

Jan Hus

Da die böhmisch-mährische Kirche durch Gottes Wunderhand ihr Dasein dem Zeugniß der Wahrheit verdankt, welches Johannes Huß mit dem Märtyrertod versiegelt hat, so ist es billig, daß wir seine ganze Geschichte im Zusammenhang und besonders betrachten. Johannes Huß, von seinem Geburtsort Hussinetz also genannt, der Sohn armer, unbekannter Eltern, wurde den 6. July 1373 geboren. Als ihn seine Mutter nach Prag auf die hohe Schule führte, nahm sie eine Gans und einen Kuchen mit, um dem Rektor damit ein Geschenk zu machen. Unterwegs aber machte sich die Gans los und floh davon. Die Mutter, darüber tief bekümmert, fiel siebenmal auf die Kniee nieder und bat Gott, er möchte selbst der Vater und Rektor des Waisen sein, weil sie dem Rektor in Prag nichts mehr geben könne als einen Kuchen. Die Erzählungen der Märtyrer-Geschichten, besonders die Legende des Laurentius, der auf einem Feuer-Rost gebraten wurde, machten viel Eindruck auf ihn, daß er selbst den Versuch machte und den Finger ins Feuer steckte, ob er eine solche Marter würde aushalten können. Er wurde bald öffentlicher Lehrer der Theologie an der Universität. Und als eine Kapelle, die Bethlehems-Kapelle genannt, erbaut wurde, damit darin das Evangelium böhmisch gepredigt würde, welches bisher nur im Verborgenen geschah, wurde Huß dazu berufen. Zugleich wählte ihn die Königin, eine geb. Herzogin von Baiern, zu ihrem Beichtvater, wodurch er sich viel Gunst bei Hof erwarb. In allen Aemtern zeichnete er sich durch Kenntniß der Schrift, Beredsamkeit, durch Ernst, strenge Sitten und Frömmigkeit aus. Er griff die Laster des Hofes und Volkes unerbittlich an; selbst Geistliche rühmten von ihm, daß der Geist Gottes durch ihn rede. Nachdem Wiklefs Schriften und Lehren verdammt und bei Strafe des Feuers verboten wurde, sie zu verbreiten, so vertheidigte Huß dieselben, und nannte Wiklef in seinen Predigten einen heiligen Mann, rügte öffentlich und ohne Ansehen der Person die Laster der Geistlichen, drang auf Verbesserung der Kirche und Zurückführung der Geistlichen zur Ursprünglichen Bestimmung ihres Standes. Er erblickte, wie Wiklef, in dem römischen Stuhl und seinen blinden Anhängern das Reich des Antichrists, dem man furchtlos mit Darangabe des Lebens entgegentreten müsse. Er berief sich auf die heilige Schrift und alle Kirchenlehrer. Nur der ist ein Ketzer, sagte er, der der Schrift widerspricht, und auch einen solchen muß man erst eines Besseren überzeugen, ehe man ihn verdammt.

Huß brachte es mit seinem Freunde Hieronimus dahin, daß den Böhmen auf der Universität drei Stimmen zugesichert wurden, und den Deutschen, die bisher drei hatten, nur eine einzige gelassen wurde. Deswegen verließen mehrere tausend deutsche Studirende die Stadt. Huß wurde zwar Rector, aber um dieser Sache willen sehr verhaßt bei den Deutschen und Pragern. Es wurde ihm von dem Erzbischofe Sbineck das Predigen untersagt. Huß gehorchte Gott mehr als den Menschen. Sbineck ließ über 200 Bände von Wiklefs Schriften in seinem Palaste verbrennen, worüber das Volk den unwissenden Erzbischof durch Spottlieder verlachte, z. B. „Sbineck greift auch die Ketzer an, Er, der kaum buchstabiren kann; läßt ihre Schriften schon verbrennen, eh‘ er ein Wort hat lesen können.“ Huß erklärte sich gegen das thörichte Verfahren des Erzbischofs, und wurde deswegen beim Pabst als Ketzer angeklagt und nach Rom gefordert. Huß ging aber selbst nicht dahin, sondern schickte seinen Anwalt; der aber wurde gefangen gesetzt, Huß als Ketzer excommunizirt und der Ort seines Aufenthalts mit Interdikt belegt (d. i. alle Kirchen geschlossen und aller Gottesdienst und Sakramente verboten). Huß, vom König geschützt, appellirte an eine Kirchenversammlung und fuhr fort Wiklefs Lehren und Schriften zu vertheidigen. Da nun der Pabst Johann 21. einen Kreuzzug ausschrieb, Allen vollkommenen Ablaß versprach, die ihm im Kriege gegen seine 2 Gegenpäbste und den König von Neapel beistehen würden, so eiferte Huß dagegen. Allein das Interdikt wurde vollzogen und Huß mußte weichen. Aber nun predigte er in Städten und Dörfern und auf dem Felde, so daß die Wahrheit nur um so mehr ausgebreitet wurde, welches immer die Frucht der Verfolgung ist. 1414 wurde er vor die Kirchenversammlung zu Constanz geladen, und erhielt zur Hin- und Herreise einen kaiserlichen Geleitsbrief. Huß war bereit zu erscheinen und machte sein Vorhaben durch öffentliche Briefe bekannt, die er in lateinischer, deutscher und böhmischer Sprache an alle Thüren der Kirchen, Stifter und Klöster anschlagen ließ, und worin er Alles aufforderte, ihn des Irrthums zu überweisen. Seine Freunde aber ermahnte er, der Wahrheit treu und im Glauben standhaft zu sein und fleißig für ihn zu beten, denn er erwartete gleich nichts als Leiden und den Märtyrertod. In allen Städten und Dörfern, durch die ihn sein Weg führte, lief das Volk häufig zusammen, um ihn zu sehen. Aller Orten wurde er freundlich empfangen und bewirthet, angehört und bewundert. Als er in Constanz ankam, empfing ihn der Pabst höflich und sagte: Wenn Huß meinen Bruder erwürgt hätte, so soll ihm nichts widerfahren, so lang er in Kostnitz ist. Er hob sogar den Bann wider ihn auf. Allein seine Feinde aus Prag verklagten ihn, er habe die Layen gegen die Geistlichkeit aufgehetzt, ihnen die zeitlichen Güter zu nehmen, und sich gegen die Kirchengewalt empört, das Abendmahl unter beiden Gestalten eingeführt, welches er doch erst von Constanz aus billigte.

Und nun wurde er, gegen den kaiserlichen Sicherheitsbrief, unter dem Vorwande, man sei nicht schuldig Ketzern Wort zu halten, in ein garstiges Gefängniß geworfen, in welchem er in eine schwere Krankheit fiel. Da träumte ihm: als hätte er an die Mauer der Bethlehems-Kirche das Bild Jesu Christi gemalt, welches aber von einem fremden Manne gleich wieder ausgelöscht wurde; darauf sah er geschicktere Maler herbeikommen, die das Bild wieder herstellten und schöner ausmalten, und welches nun die Bischöfe und Priester auf alle Weise aber vergeblich auszulöschen suchten. Die Deutung ist nicht schwer zu machen. In seiner Gefangenschaft schrieb er auch fleißig an seine Freunde in Böhmen und ermahnte sie um der Leiden Christi willen, bei der erkannten Wahrheit zu beharren und für ihn zu beten, daß ihn Gott zum Märtyrertod mächtig stärken wolle. Ueber ein halbes Jahr ließ man ihn im Kerker schmachten, endlich wurde er der Kirchenversammlung vorgestellt, aber vor dem Tumulte und Geschrei der Kläger und Richter konnte er nicht zum Worte kommen, sondern wurde, wenn er den Mund aufthat, gleich mit Lästerungen und Spottreden überschrieen – von den sogenannten heiligen Vätern. Er berief sich auf die Bibel, und auf diese wollte sich das Concilium nicht einlassen, sondern verlangte von ihm unbedingten Widerruf seiner Lehre. Er wollte aber lieber sich verbrennen lassen, als widerrufen, was er als göttliche Wahrheit erkannte. Sein treuer Freund, der edle Böhme, Baron v. Chlum, den ihm der Kaiser nebst anderen zum Begleiter mitgegeben hatte, verließ ihn nicht, sondern reichte ihm vor der ganzen Kirchenversammlung die Hand und rief ihm zu: „Lieber, frommer Magister! Seid ihr schuldig, so schämt euch nicht, zu widerrufen. Seid ihr aber unschuldig, so handelt nicht gegen Gott und Gewissen. Seid getrost, lasset euch lieber das Leben als die Wahrheit nehmen.“ – Bei dieser Rede seines Freundes gingen dem Huß die Augen über und er antwortete mit sanfter Stimme: „Würdiger Mann, Gott ist mein Zeuge, gern will ich widerrufen, wenn ich aus göttlicher Schrift eines Besseren belehrt werde.“ Da ihm nun die Bischöfe dieses als Stolz auslegten, daß er weiser sein wolle als die ganze Kirchenversammlung, so erwiderte er: „Gebt mir den allergeringsten Menschen, der mir die Wahrheit besser auslegt, so will ich es gern von ihm annehmen.“ Den folgenden Tag versammelte sich das ganze Concilium in der Domkirche; der Kaiser erschien mit den Reichsfürsten und der ganzen Ritterschaft und setzte sich auf seinem Stuhl mit goldener Krone; an einer Seite stand der Chur. Pfalzgraf mit dem Reichsapfel, auf der andern der Burggraf von Nürnberg mit dem Schwert, und neben den Cardinälen, Erz- und Bischöfen, Prälaten, Mönchen und Doctoren eine unzählige Menge Volks. Der Erzbischof von Gnesen hielt die Messe, und dann wurde Huß, der bis dahin draußen im Vorhof warten mußte, vorgeführt, auf einen erhabenen Ort gestellt, damit ihn Jedermann sehen könnte; darauf stieg der Bischof von Lodi auf die Kanzel und forderte den Kaiser auf, die Ketzereien zu zerstören, besonders den hier stehenden, verstockten und verpestenden Ketzer rc. Huß lag indeß auf seinen Knieen und befahl sich Gott zum Sterben. Darauf wurden die Ketzersätze aus seinen Schriften vorgelesen. Huß wollte antworten, aber ein Cardinal hieß ihn schweigen. Huß wollte wieder reden, aber man gebot den Soldaten und Schergen, ihn nicht reden zu lassen. Da hob er seine Hände gen Himmel und sagte: „ich bitte euch um des allmächtigen Gottes willen, ihr wollet doch unbeschwert meine Antwort hören, um mich nur bei den Umstehenden zu rechtfertigen.“ Da es ihm abgeschlagen wurde, fiel er mit gen Himmel gerichteten Augen auf die Knie nieder und empfahl seine Sache Gott mit lauter Stimme. Darauf las ein Bischof das Urtheil – daß erst seine Schriften verbrannt, und er als schädlicher Ketzer und böser, halsstarriger Mensch, seines Priesteramtes entsetzt, degradirt und entweiht werden sollte. Der Ausspruch wurde sogleich vollzogen, 7 Bischöfe führten Huß zu einem Tische, kleideten ihn als Priester an und vermahnten ihn noch einmal, zu widerrufen. Huß aber sprach mit großer Bewegung vom Gerüst herab zum Volk, daß er vor Gott stehe, und könne mit Widerruf der Wahrheit nicht sein Gewissen verletzen und seinen Herrn im Himmel schmähen und lästern, denn er habe das nicht gelehrt, was sie ihn beschuldigten. „Steig herab!“ riefen die Bischöfe, „steig herab vom Gerüst!“ und nun fingen sie an ihn zu entweihen. Der Erzbischof von Mailand und der Bischof von Besançon nahmen ihm den Kelch mit den Worten: O du verfluchter Judas! – wir nehmen dir den Kelch, in welchem das Blut Jesu Christi geopfert wird, du bist sein nicht werth. Huß antwortete mit lauter Stimme: Ich aber setze meine Hoffnung auf den Herrn Jesum Christum, um welches Namens willen ich dieses leide, und glaube gewiß, daß er den Kelch des Heils nicht von mir nehmen, sondern daß ich ihn noch heute in seinem Reiche trinken werde. Hierauf nahmen ihm die andern Bischöfe die übrigen Priesterkleider ab, jedes mit obigem Fluch. Nun kamen sie aber in heftigen Streit, ob man ihm die Tonsur, d. i. die geschorene Platte, auf dem Haupte mit einem Scheermesser oder einer Scheere zerstören sollte. Huß sah dabei den Kaiser an und sagte: Sonderbar! grausam sind sie alle, nur in der Art und Weise sind sie nicht einig. Endlich wurden ihm die Finger mit einem Messer abgeschabt, um ihm das Salböl und den unauslöschlichen Priester-Charakter zu nehmen. Dann setzten sie ihm eine fast Ellenhohe, papierne, mit Teufeln bemalte Krone auf, mit der Umschrift: Erzketzer. Huß, da er sie sah, tröstete sich mit der Dornenkrone Christi. Die Bischöfe aber setzten hinzu: Jetzt übergeben wir deine Seele dem Teufel in der Hölle. Aber ich, erwiederte Huß, befehle dieselbe meinem gütigen Herrn Jesu Christo. Nun wandten sich die Bischöfe zum Kaiser und sagten: das heilige Concilium überantwortet jetzt Johann Hußen, der in der Kirche kein Amt mehr hat, der weltlichen Gewalt und dem Gericht. Der Kaiser stand auf, übergab ihn dem Pfalzgrafen, dieser dem Vogt von Constanz mit dem Befehl: Nehmet diesen M. Huß und verbrennt ihn als einen Ketzer. Der Vogt übergab ihn dem Scharfrichter und seinen Knechten und befahl ausdrücklich, ihm seine Kleider nicht auszuziehen, noch ihm Gürtel, Geld, Messer oder was er bei sich trüge, abzunehmen, sondern ihn sammt allem, was er an sich habe, zu verbrennen. So wurde er hingeführt zum Scheiterhaufen – zwei Henker voraus und zwei hinten nach, begleitet von 800 Gewappneten, außer den Fürsten und Herren. Der Zulauf des Volkes war so groß, daß man fürchtete, die Brücke möchte brechen. Sein Hingang war erbaulich und fröhlich. Als er seine Bücher verbrennen sah, lächelte er.

Das Volk, das seine Reden und Gebete hörte, erbaute sich sehr an ihm. Angekommen aus dem Richtplatz, fiel er auf seine Knie, hob seine Augen auf und betete laut und freudig den 31. und 51. Psalm, besonders den Vers: In deine Hände befehle ich meinen Geist, – du hast mich rc. Als die Mütze herabfiel, und man sie ihm wieder aufsetzte, damit er mit den Teufeln, seinen Herren, verbrannt würde, wie sie sagten, so lächelte er, und betete für seine Feinde. Dann wurde er dreimal um den Holzstoß herumgeführt, während er fortfuhr gegen das Volk seine Unschuld zu bezeugen. Nachdem er noch Abschied von seinen Wächtern genommen, ihnen gedankt und bezeugt hatte, daß er fest glaube, heute noch mit seinem Heiland im Paradiese zu sein: griffen ihn die Henker und banden ihn an ein Brett mit 5 Stricken, über den Füßen, unter und über den Knieen, mitten um den Leib und unter den Armen, und mit einer Kette um den Hals. Man legte nun rund um ihn, bis an seinen Mund, Reißig und Stroh, und indem er ein Bäuerlein Holz zutragen sah, lächelte er und sagte: Sancta simplicitas, heilige Einfalt! Ehe angezündet ward, ritten der Pfalzgraf und Reichsmarschall noch einmal an ihn heran und ermahnten ihn, er wolle sein Heil bedenken und widerrufen. Da fing Huß mit lauter Stimme, aus dem Holzhaufen zu rufen an: „Ich rufe Gott zum Zeugen, daß ich das, was sie mir durch falsche Zeugen aufbürden, nicht gelehrt oder geschrieben habe, sondern ich habe alle meine Lehren und Schriften dahin gerichtet, daß ich die Menschen von der Sünde abwenden und zu Gott führen möge. Die Wahrheiten, die ich gelehrt, geschrieben und ausgebreitet habe, als die mit Gottes Wort übereinstimmen, will ich halten und heute mit meinem Tode versiegeln.“ Sie schlugen in die Hände und eilten davon. Die Henker zündeten an. Huß aber, da die Lohe an ihn schlug, fang wiederholt mit lauter Stimme: Christe, du Lamm Gottes, erbarme dich meiner! Da er aber das Dritte mal anfangen wollte, trieb der Wind den Rauch und die Flammen ihm gerade ins Gesicht und benahm ihm die Sprache. Doch sah man noch sein Haupt und seine Lippen betend einige Minuten sich bewegen, und er war todt. Seine Asche wurde in den Rhein geworfen, damit seinen Freunden kein Stäubchen von ihm übrig bliebe und die letzte Spur von ihm vertilgt würde. Aber seine Freunde sangen nachher: Die Asche will nicht lassen ab, sie staubt in allen Landen; hier hilft kein Feuer, Loch, Grub‘ noch Grab, sie macht den Feind zu Schanden rc.

 

Johannes Evangelista Gossner

Gossner, Johannes
Die böhmischen Märtyrer und Auswanderer
Eine 800jährige Verfolgungs-Geschichte
der Kirche in der Kirche
Der Böhmischen Gemeinde in Berlin
zu ihrer
hundertjährigen Jubelfeier
am
Sonntag Jubilate 1837
gewidmet
von ihrem Seelsorger
Johannes Gossner.
Berlin.
Gedruckt und zu haben bei Julius Sittenfeld,
Burg-Straße No. 25.