Girolamo Savonarola

Girolamo Savonarola

Hieronymus Savonarola.

In der Vorrede zu Savonarolas Auslegung des 51. Psalms sagt Luther: „Obwohl an den Füßen dieses heiligen Mannes noch etwas von dem Kot menschlicher Theologie1Die Scholastik. haftet, so hat er dennoch es ausgesprochen und behauptet, wie aller Ruhm der Werke so gar nichts vor Gott und wie nötig der alleinige und gründliche Glaube im Gericht und Tod sei, ohne alle Werke, darauf man sich verlassen könne. Er erlitt den Tod, weil er Rom, den Abgrund alles Verderbens, reinigen wollte. Aber siehe, er lebt und sein Gedächtnis ist im Segen. Christus kanonisiert ihn durch uns, sollten gleich die Päpste und Papisten miteinander darüber zerbersten.“ Und dann, wenn auch lang vergessen, ist das Gedächtnis Savonarolas seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts wieder bei uns aufgelebt, und seit Meister Rietschel seine Gestalt als eines Vorläufers des Reformation auf seinem Lutherdenkmal verewigt hat, lebt sein Name im Bewusstsein des evangelischen Volks als der eines evangelischen Glaubenshelden. Andrerseits hatten ihn aber unterdessen die Römischen, trotz ihres Todesurteils, wieder für sich in Anspruch genommen, nicht bloß als schwachen, sondern als einen der vorzüglichsten Söhne ihrer Kirche. Ja, nicht bloß im Kloster San Marco ist der Heiligenschein um sein Bildnis erhalten, den ihm der Pinsel Fra Bartolomeos sofort nach dem Märtyrertod verlieh, die Papisten haben ihn doch auch beinahe kanonisiert: ein Papst (Benedikt XIV.) erklärt ihn im Heiligenregister der Heiligsprechung für würdig, gegenüber dem früheren Urteil ging es zwar nicht gut an, diese wirklich zu vollziehen, aber man hat doch einen seiner begeistertsten Anhänger, Philippo Neri, zum Heiligen gemacht. Was Wunder, wenn auch, je nach dem Standpunkte, die Beurteilung des großen Mannes so verschieden ausfällt, dass man ihn bald für einen Heiligen, bald für einen Reformator, bald für einen ehrgeizigen Politiker, einen Betrüger, einen in Selbsttäuschung Befangenen, einen Wahnsinnigen hält. Besonders stehen die gleichzeitigen Chronisten und Schriftsteller unter dem Einfluss ihrer jeweiligen politischen und religiösen Stellung, und wer sich nur auf ihre Berichte verlässt, wird je nach Wahl der Berichte ein anderes Urteil erhalten2Daher behandeln ihn Bayle und Buddeus mit Verachtung, Rastrelli mit Hass, dagegen der Dominicaner Barsanti mit wundergläubiger Begeisterung.. Unserem Landsmann Rudelbach, wenn man ihm auch mancherlei Irrtum nachweisen kann, gebührt das Verdienst, nicht bloß die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt und der Theologen auf die großartige Erscheinung Savonarolas wieder hingelenkt, sondern vor allem ihn aus sich selbst und seinen Werken, insbesondere auch aus seinen Predigten beurteilt zu haben (1835). Neben Rudelbach sind, von ihm angeregt, der Franzose Perrens (1855) und der Italiener Villari (1859) die Hauptrepräsentanten der gegenwärtigen Anschauungen über Savonarola. Rudelbach sieht in ihm den Märtyrer des Protestantismus (zugleich einen Propheten nach Art Joachims und der h. Brigitta), weswegen er sich von Villari sagen muss, dass er die Gedanken Savonarolas in das Prokrustesbett seiner eigenen Tendenz zwänge, Villari betrachtet ihn als den glänzendsten Vertreter der Renaissance (?!) und sucht ihn zugleich als treuen Katholiken zu reklamieren, was aber nicht ohne Zwang und Windungen abgeht. Perrens urteilt: „Er war demnach ein geschickter Politiker, und obgleich er uns nicht das Musterbild eines vollkommenen Christen darstellt, so kann man doch hinzufügen, dass, einige Charakterschwächen und einige Verirrung bei seinem Auftreten abgerechnet, er ein treuer Schüler des Evangeliums war.“ Wir werden indirekt diese verschiedenen Urteile mit prüfen, wenn wir Savonarolas Anschauung nach seinen Predigten kennen lernen3Die Auswahl der nachfolgenden Sammlung ist daher hauptsächlich in Rücksicht auf diesen Zweck getroffen. Soweit dies im engen Rahmen möglich, sollte Savonarola nicht bloß in verschiedenen Momenten seines Lebens, bei Behandlung verschiedener Gebiete, in seiner Art der Darstellung, sondern auch nach seiner Lehre gezeigt werden..

Wir werden da nicht bloß bewegt von dem ergreifenden Drama dieses Lebens, sondern wir stehen bewundernd vor dieser einzigartigen Gestalt: wir sehen einen Propheten, gotterfüllt und Zornesblitze schleudernd wie die Propheten des alten Bundes, – einen Volksredner, mit seiner Beredsamkeit Volk und Staat lenkend, wie die Redner der Alten, ein Demosthenes, ein Cicero, dem in der christlichen Kirche höchstens Chrysostomus vergleichbar, – wir sehen einen Reformator, der das Morgenrot einer neuen Zeit ahnt und an seinem Teil beiträgt, zu zertrümmern, was morsch und faul ist, wir sehen das Alles an einem Prediger, der Gottes Wort wieder verkündigt, der auch hierin einzigartig in seiner Zeit dasteht und auch für die Predigt der Kirche reformatorische Bedeutung hat.

Girolamo Savonarola4Savonarola ist die richtige italienische Betonung, über die man bei uns manchmal Zweifel trifft. ward am 21. September 1452 zu Ferrara geboren, wo sein Großvater als Arzt am dortigen Hofe in großem Ansehen stand. Auch er ward zum Studium der Medizin bestimmt, erhielt die erste Ausbildung von dem Großvater, die Einführung in die Philosophie, d. h. in die Scholastik von seinem Vater. Seine Mutter bildete aber auch später noch seine einzige Vertraute, der er sein Herz ausschüttete. Das Leben und Treiben an dem üppigen Hofe widerte ihn bald an, er zog sich in die Einsamkeit zurück, um sich von dem mystischen Element in der Scholastik des Thomas Aquinas erfassen zu lassen und – die Bibel zu lesen. Von seiner Stimmung gibt besonders das Gedicht de ruina mundi Zeugnis:

„Ich sehe umgestürzt die ganze Welt,
Und hoffnungslos vernichtet
Jedwede Jugend, jede schöne Sitte;
Kein lebend Licht find‘ ich,
Ja keinen, der sich seiner Laster schämt.“

1475 ist er bei Gelegenheit einer großen Festlichkeit verschwunden und in das Dominikanerkloster zu Bologna getreten; noch am Tage seines Eintritts schrieb er einen herzbewegenden Brief an seinen Vater, die Verzeihung der Seinen zu erflehen. Er wollte im Kloster nur die niedrigsten Dinge verrichten, ein Leben der Buße führen und nicht, wie er sagt und wie es allgemein geschah, von Aristoteles in der Welt zu Aristoteles im Kloster übergehen. Allein er war zu Anderem ersehen. Sieben Jahre blieb er in Bologna, betend, sich kasteiend und die Bibel lesend, die er fast auswendig konnte. Immer mehr wurden seine Oberen auf seine Gaben aufmerksam und man beauftragte ihn mit dem Unterricht der Novizen; widerwillig, aber gehorsam kehrte er zu den Scholastikern zurück. Schon aber kam sein Schmerz über das Verderben der Kirche in dem Gedicht de ruina ecclesiae zum Ausdruck. Vor der Üppigkeit der Welt war er geflohen, Üppigkeit fand er an seinem Zufluchtsort selbst, und in Rom übertrafen seit Pius II. Tod die heiligen Väter die schlimmsten Fürsten an Lasterhaftigkeit. Ein Sixtus IV., ein Innozenz VIII. haben jedenfalls zu Savonarolas Charakterentwicklung und zu seinem Abscheu vor den verdorbenen Würdenträgern beigetragen, der dann wider den Letzteren und den unerreichten Alexander VI., Borgia, zum Ausbruch kam. Bald ward er vom Lehrstuhl auf die Kanzel befohlen und 1482 zunächst in seine Vaterstadt gesandt, aber der Prophet galt auch hier nichts im Vaterlande. Oder lag das an dem Propheten selbst? Durch einen Krieg, in den der Papst fast ganz Italien gestürzt hatte, ward Savonarola nach Florenz vertrieben, wo er in das Kloster San Marco eintrat, aber auch hier fand der neue Bruder wenig Anklang. Der junge Mönch mit dem alten Sinn, der gefurchten Stirn und den Flammenaugen, mit der tonlosen Stimme und den eckigen Gebärden hatte wenig Anziehendes, zumal er seine Predigten vortrug wie Lektionen, und weder durch gemeinen Gassenjargon die Menge zu ergötzen, noch durch Kokettieren mit heidnischem Unglauben und Brillieren mit Zitaten aus dem Alten die Gebildeten zu interessieren verstand. Im Gegenteil, er predigte heftig gegen die Laster, verachtete die Dichter und Philosophen und schien kein anderes Buch zu kennen als das schlechte Latein der Bibel. Das war nichts für die Stadt des üppigen Lebens und der wiederauflebenden klassischen Bildung; seine Zuhörer wurden immer weniger, 1483 hatte er in der Kirche San Lorenzo nicht mehr als 25. Alles lief zu den Predigten des Mariano de Gennazzano, des Günstlings der Medici, der den Schöngeistern durch seine glänzende Rhetorik, seinen gewählten Satzbau, seinen harmonischen Tonfall gefiel und mit dem Lorenzo von Medici sich gern in gelehrte Dispute einließ. Savonarola wollte das Predigen ganz aufgeben; da führten ihn seine Wanderjahre weiter.

Er ward 1484-85 für die Fastenpredigten nach dem kleinen Städtchen San Geminiano geschickt, wo er, in den Bergen von Siena verborgen, sich freier entwickelte; dort stellte er zum ersten Mal die drei Sätze auf: Die Kirche wird gezüchtigt werden und dann erneuert und zwar bald. Schon vernimmt er in seinem innigen Gebetsverkehr mit Gott direkte Antworten und Offenbarungen, die den Charakter der Vision tragen; die Geschichte des alttestamentlichen Volks und der Propheten, sowie der Apokalypse geben ihm zu seinen Bußpredigten und seinen Zukunftsbildern gleicherweise Anhalt an der Schrift. Voll und ganz brach seine innere Gewalt durch die äußeren Hemmnisse 1486 zu Brescia hindurch, wo er die Gestalten der 24 Ältesten der Apokalypse so gewaltig zu den Brescianern reden ließ, dass sein Name schon in ganz Italien genannt wird. Wieder nach Florenz zurückgekehrt, predigte er dort zunächst nicht, sondern legte erst in einer Zelle vor einem kleinen Kreis Auserwählter die Apokalypse aus; der Kreis wuchs, man zog unter den Rosenstrauch im Garten von San Marco, bis er schließlich auf vieles Bitten eines Sonnabends erklärte: „Morgen werden wir in der Kirche sprechen und das soll Lektion und Predigt zugleich sein.“

Der 1. August 14905Diese und andere Zeitangaben findet man oft unrichtig, so bei Rudelbach, Rothe, Schaff. Es beruht dies auf einer Nichtbeachtung des Unterschieds der alten florentinischen Zeitrechnung von der allgemeinen. sah die Kirche von San Marco erfüllt von einer neugierigen Menge, zum ersten Mal ertönten hier seine drei Sätze, seine Stimme erschallte schier übermenschlich – und ganz Florenz sprach von ihm und seinen Predigten. Die Gläubigen fanden in seinem biblischen Standpunkt ersehnte Speise, die Menge ward durch seinen ernsten Bußton von Schauern ergriffen, die Gebildeten auch disputierten über ihn, obwohl sie, wie es in der heidnischen Bildung der Zeit lag, gegen ihn waren. Aus letzterem Grunde schrieb er, um zu zeigen, dass auch er philosophische Bildung habe und vielleicht um die Gebildeten an sich zu ziehen, philosophische Schriften6„Grundriss der Philosophie“. „Logik“. „Moral“. „Über die Einteilung und den Rang der Wissenschaften“. „Auch hierin neu, erkennt er keine andere Autorität an, als die eigene Erfahrung und schreitet so vom Bekannten zum Unbekannten fort. Villari bezeichnet ihn als Campanellas Vorläufer und Quell., zugleich aber auch religiöse Schriften moralischen Inhalts.7Über die Demut, das Gebet, die Liebe zu Jesu Christo und das Leben der Witwen. Alle diese Schriften sollten dazu dienen, seine Predigt zu unterstützen, sie sind meist aus einem augenblicklichen Impuls schnell hingeworfen, wie er dann auch später die Zeiten, da er wenig oder gar nicht predigte, dazu benutzte, auf diese Weise zu seiner Gemeinde in einer Art von Hirtenbriefen zu reden.8Außer einer Anzahl Schriftauslegungen und Episteln meist apologetischen Inhalts sind seine bedeutendsten und gelesensten Schriften: Das Kompendium der Offenbarungen, Der Dialog über die prophetische Wahrheit, Von der Einfachheit des christlichen Lebens und Der Triumph des Kreuzes.

Das Hauptgewicht legte er selbst aber immer auf seine Predigt, durch die er so gewaltig wirkte, dass er bald der geistige Führer und Herr von Florenz war, dass ganz Italien, ja Europa auf ihn lauschte und selbst der Sultan sich seine Predigten übersetzen ließ. Die Klosterkirche von San Marco langte nicht mehr zu, so zog man seit den Fasten 1491 in den Dom; die Menge strömte so herzu, dass auch dort der Platz nicht langte und an den Seiten Emporen gebaut werden mussten. Von weither kamen sie, an besonderen Tagen ganze Pilgerkarawanen, und es bildete sich die Sitte, dass die Bürger jenen Fremdlingen entgegengingen, sie begrüßten, erquickten und in ihre Häuser luden. Das Volk fühlte, hier war Einer, der nicht bloß aus Zorn über seine Sünden es um diese strafte, sondern ein Jünger im Geiste des Herrn, von dem es heißt „ihn jammerte des Volks“, der in der Liebe dieses Herrn um die verlornen Seelen warb. Dabei reißt auch die Glut seiner Phantasie die Menge fort und seine Drohungen kommender Strafen übten auf die Gemüter eine magische Gewalt aus.

Zunächst führte ihn nun seine Predigt wider das heidnische Wesen in Leben und Bildung in einen Kampf auf Leben und Tod mit den Herren der Stadt, dem Hause Medici: die Üppigkeit und Freude am heidnischen Altertum, die diese dem Leben der ganzen Stadt aufprägten, betrachtete er als das Haupthindernis einer dauernden Umkehr des Volks. Lorenzo der Prächtige suchte den Mönch erst durch Drohungen einzuschüchtern, vergebens; er besuchte, als Savonarola Prior geworden war, die Messe in San Marco und machte dem Kloster Geschenke, Savonarola machte bittere Bemerkungen darüber in der Predigt und schenkte das Geld den Armen. Weder machte er Lorenzo, dem Neuerbauer des Klosters, den üblichen Besuch, als er Prior ward, noch begrüßte er ihn, wenn derselbe selbst in den Garten des Klosters kam und ihn erwartete. Obwohl der Prinzipe erzürnt auf ihn war, musste er doch die Charakterfestigkeit achten und als er zum Sterben kam, ließ er „den einzigen echten Mönch, den er kannte“ rufen, ihm die Absolution zu erteilen, da ihm sonst noch niemand die Wahrheit zu sagen gewagt habe. Lorenzos Nachfolger, Pietro Medici, war wohl ein eleganter Kavalier, aber unfähig das Werk seiner Väter aufrecht zu erhalten. Er unterstützte gegen sein eigenes Interesse Savonarolas Gesuch an den Papst um Selbständigmachung des Klosters von San Marco aus der lombardischen Kongregation, Savonarola wollte dadurch dem entgehen, dass er wieder, wie 1493, wenn er missliebig wurde, zur Predigt fortgeschickt werden konnte; die Klöster von Toskana schlossen sich San Marco zu einer neuen Kongregation an, deren Generalvikar Savonarola wurde. Das Volk von Florenz und besonders ein Teil des Adels sehnten sich zurück nach der Republik, schon unter Pietros Großvater, Cosimo, war ein Ausstand ausgebrochen; als Pietro in seiner Unsicherheit sich im November 1494 Karl VIII. von Frankreich in die Arme warf, brach der Aufstand in hellen Flammen aus und die Republik ward proklamiert. Freilich blieb ein Teil der Bürgerpartei, die besonders Savonarola anhingen, im Herzen mediceisch und ein großer Teil des republikanischen Adels hasste diesen wegen seiner Sittenstrenge, so dass seine politischen Gesinnungsgenossen oft seine erbittertsten Feinde waren. Dies erklärt auch, wie es möglich war, dass schon nach wenigen Jahren der Rat von Florenz Savonarola selbst verurteilte. Jetzt aber brauchten sie ihn dringend. Er hielt das Volk in Zucht, gab überall guten Rat, wenn er befragt wurde, so auch bei Aufstellung der neuen Verfassung, deren erster Paragraph nur über Savonarolas Kanzel geschrieben stand: „Jesus Christus, König von Florenz.“ Als Karl VIII., der auch nach dem Regierungswechsel „Beschützer von Florenz“ blieb, trotz der mit Capponi geschlossenen Verträge durch das einquartierte Heer die Stadt schwer bedrohte, war es Savonarola, der durch sein persönliches Einschreiten Hilfe brachte9Die Notizen in seinen Predigten, die für seine Geschichte von Bedeutung sind, sind noch nicht genügend beachtet.. Überhaupt hat dieser irdische Beschützer, auf den Savonarola für die Kirche große Hoffnungen gesetzt, und das Bündnis mit ihm der Stadt viel Kummer gebracht; auch die auf ihn gesetzte Hoffnung, dass er den Papst absetzen werde, hat er nicht erfüllt, sondern mit demselben paktiert. Darum erfüllte sich die angekündigte Strafe an ihm. Als Savonarola am 28. Dez. 1496 der bedrängten Stadt einen besonderen Gnadenbeweis verheißen, vertrieb der Wind schon am andern Tag die feindliche Flotte und trieb die erhoffte Zufuhr in den Hafen von Livorno herein. Solche und ähnliche Zeichen, dass Gott mit ihm sei, machten die Angriffe seiner Feinde in und außer der Stadt wirkungslos, Volk und Rat von Florenz standen treu zu ihm auch in dem erbitterten Kampf gegen Rom.

Der Papst erkannte allmählich den gefährlichen Feind, der ihm in dem sittenstrengen Mönch erwachsen war, er ermahnte ihn freundlich, bot ihm den Kardinalshut an, bis er ihm schließlich bei Strafe der Exkommunikation das Predigen verbot. Savonarola predigte (1495) trotzdem in bedrängter Zeit noch einige Male, schrieb an Kaiser und König wegen Berufung eines Konzils wider den Papst, so dass dessen Zorn in hellen Flammen ausbrach. Dann schwieg Savonarola, betend, sich prüfend und erwägend, ob seine Predigt notwendig sei oder nicht. Unterdessen hatte auch die Signoria10(im Mittelalter) höchste Behörde der italienischen Stadtstaaten für ihn doch die Erlaubnis zum Predigen wieder erwirkt und er benutzte nun die Fastenzeit 1496 besonders, sich Rom gegenüber zu rechtfertigen, Buße zu predigen, und die schon begonnene Sittenreform zur Vollendung zu bringen. Zum wütenden Ärger des üppigen Adels hatte er es schon in der Zeit des Predigtverbots verstanden, der Stadt und ihrem Leben durch die „Reform der Kinder“11Bis zum 18. Jahre, wo die florentinische Jugend erst das Gewand der Erwachsenen bekam. Wir haben das fanciulli daher meist entsprechender mit „Jugend“ übersetzt. ein ganz anderes Gepräge zu geben, das besonders in der sonst so frivolen, ja obszönen Karnevalszeit zum Ausdruck kam. Man vergleiche seine eigene Schilderung in der 1. Fastenpredigt 1496. Durch die Jugend ließ er Spiele, unsittliche Bücher, Bilder usw. sammeln und nach feierlicher Prozession verbrennen (vgl. seine Ermahnung an die Jugend). Der Hass seiner Feinde war schon so groß, dass ihn bei seinem ersten Wiederauftreten der Rat durch eine Wache geleiten ließ, die Zahl der Gegner wuchs und am Himmelfahrtsfest 1497 störten sie den Gottesdienst so, dass Savonarola nicht zu Ende predigen konnte und mit genauer Not der Ermordung in der Kirche entging. In Folge seiner immer schärferen Angriffe gegen Rom, erfolgte nun die endgültige Exkommunikation Mai 1497, die nicht nur den eifersüchtigen Franziskanern in Florenz eine willkommene Handhabe gab, sondern auch zur Folge hatte, dass die Frechheit sich wider den einst so Gefeierten breit machte und binnen Monatsfrist das unsittliche Leben in Florenz aufblühte, wie kaum zur Zeit der Medici. Trauernd zog er sich zu seinen Klosterbrüdern zurück, bis die Not der Stadt seine Anhänger immer dringender mit der Bitte werden ließ, dass er das Volk stärke und tröste. Er tat es, obwohl im Bann, und predigte von Septuagesimä 1498 ab wieder mit unerhörter Kühnheit und mit dem Gefühl des nahen Endes.12In eben dieser Predigt von Septuagesimä, den 11. Febr. 1498 (Predigten über den Exodus I) sagt er: Die ganze Theologie, alle kanonischen und bürgerlichen Gesetze, alle Zeremonien der Kirche sind um der christlichen Liebe willen verordnet, und die ganze Welt ist von Gott zur Liebe geschaffen. Wer also etwas gegen die christliche Liebe gebietet, die das A und O unseres Gesetzes ist, anathema sit, der sei von Gott exkommuniziert. Und wenn es ein Engel sagte, alle Heiligen und die Jungfrau Maria (was natürlich nicht möglich ist) anathema sit. Wenn ein Gesetz, ein Kanon, ein Konzil es sagte, anathema sit. Und wenn irgend ein Papst dem, was ich hier sage, je widersprochen hat, so sei er exkommuniziert! Ja, Bürger und Frauen, wir müssen alle bereit sein, für diese Wahrheit zu sterben. Ich wende mich zu dir, o Herr, du bist für die Wahrheit gestorben. Ich bitte dich, nur für sie lass mich sterben, zum Heil deiner Auserwählten und dieses Volks. Als eine ihm feindlich gesinnte Signoria gewählt ward, die, vom Papst gedrängt und bedroht, ihn am 17. März 1498 ersuchte, das Predigen einzustellen, hielt er am folgenden Tag noch eine Predigt mit dem Bewusstsein, dass es seine letzte sei. Noch einmal redete er zum Volk bei der Feuerprobe auf dem Marktplatz. Von den Franziskanern, nicht von ihm provoziert, sollte dieselbe die Wahrheit seiner Lehre oder der Behauptungen seiner Gegner erweisen, indem je ein Franziskaner und ein Dominikaner zwischen brennenden Holzstößen hindurchging. Sein Schüler Domenico war voll Begeisterung bereit, die Franziskaner aber wollten nun nicht und suchten die Sache durch nichtige Dispute über Formalitäten hinzuziehen, bis am Abend ein Befehl der Signoria das Nachhausegehen befahl. Die Enttäuschung des wundergierigen Volkes machte sich in einer grenzenlosen Wut Luft, die sich über dem unschuldigen Haupte Savonarolas entlud. Das Kloster ward gestürmt, Savonarola ward in den Kerker geschleppt und, ohne dass man bei aller Mühe einen Scheingrund fand, vom geistlichen und weltlichen Gericht zum Feuertod verurteilt. In den schweren Tagen vor seinem Tode hat er im Kerker jene herrlichen, gebetsartigen Meditationen über den 51. und 31. Psalm geschrieben, die unseren Luther bewogen, ihn als evangelischen Glaubenshelden zu „kanonisieren“. Ruhig und ergeben, nachdem er mit den gleichzeitig verurteilten Brüdern Domenico und Silvester das Abendmahl genossen, beschritt er den Scheiterhaufen, dem Bischof, der in seiner Verwirrung sagte: Ich scheide dich von der streitenden und triumphierenden Kirche!“ antwortend: „Von der streitenden, nicht der triumphierenden, denn das kannst du nicht!“ mit solchem Tone, dass es den Umstehenden unvergesslich blieb. Meist trauernd stand dasselbe Volk umher, das erst so wütend schien, sie hofften bis zuletzt ein Wunder. Sein Andenken blieb; er war auch noch im Tode lange der geistige Führer von Florenz, wie auch politisch die streitenden Parteien sich über seiner Asche die Hand reichten, so dass es lange dauerte, ehe die Medici und der Papst dort wieder zur Herrschaft gelangten.

Girolamo Savonarola

Girolamo Savonarola

Hieronymus Savonarola, geboren zu Ferrara 1452, eine glühende Seele, entlief im vierzehnten Jahre in’s Dominikanerkloster zu Bologna, lehrte später dort Physik und Metaphysik, und nach Florenz berufen, wo er Prior von St. Marcus wurde, erhob er sich mit donnernden Predigten wider die Verderbniss seiner Zeit. Er zerriss die glänzende Decke der antiken Bildung, mit welcher Fürsten und Prälaten die Unsittlichkeit ihres Lebens und Staatswesens umhüllten. Als die Medizäer vertrieben wurden, trat Savonarola an die Spitze der Radikalen. Die deutschen Fürsten rief er auf zur Kirchenreformation, indem er das Pabstthum für ganz verrottet erklärte. Selbst aber begann er sogleich in Florenz, predigend und organisirend, getragen von der Volksgunst, zu arbeiten an der Herstellung einer evangelisch-demokratischen Republik. Als ihn aber der Pabst excommunicirte und die Mönche, erbittert durch seine sittenstrengen Neuerungen, gegen ihn predigten, schlug plötzlich der Sinn des Volkes um. Eine Versammlung von Geistlichen unter Vorsitz von zwei päbstlichen Abgeordneten nahm ihn in’s Verhör und auf die Folter, und er wurde im Jahre 1498 öffentlich erwürgt und verbrannt.

Historische und biographische Erläuterungen zu
Wilhelm von Kaulbach's
Zeitalter der Reformation
von Franz Löher
Stuttgart
Verlag von Friedrich Bruckmann
1863
Girolamo Savonarola

Hieronymus Savonarola

Die römische Kirche hat in der Zeit ihrer Macht unternommen, die Reiche dieser Welt zu beherrschen und das Haupt der Fürsten zu beugen. Daher auch derjenige, der das Verderben dieser Kirche kannte und eine edlere Gestalt der Kirche im Herzen trug, versucht sein konnte, mit derselben mächtigen Hand die Kirche wie den Staat zu reformiren.

Hieronymus Savonarola, geboren zu Ferrara am 21. Sept. 1452, war nach dem Vorbilde seines Großvaters, eines hochangesehenen Arztes an der Universität Padua und am Hofe des Herzogs von Este, zu einer stattlichen weltlichen Bahn bestimmt. Der Jüngling entfloh aus dem väterlichen Hause. Ein Brief aus Bologna meldet, daß er eingetreten ist in’s Dominicanerkloster, die Armuth hat er zu seiner Braut erwählt, den Leib will er dran geben, die unsterbliche Seele zu retten, der Vater möge die Mutter trösten, beider Segen mit ihm sein, immer will er für ihre Seelen beten. Als Grund nennt er das Verderben der Welt, insbesondre Italiens, „es bleibt uns nichts übrig, als zu klagen und die Hoffnung eines besseren Jenseits festzuhalten.“ Der Bettelorden der Dominicaner hatte damals ein reichliches Theil an den Ehren und Reichthümern der Kirche; Savonarola gedachte nur als dienender Bruder dem Kloster anzugehören, etwa beschäftigt die Kutten zu nähen, oder den Garten zu bestellen, damit er nicht aus der Aristokratie der Welt in die Aristokratie des Klosters gerathe. Er hat vierzehn Jahre ein stilles Klosterleben geführt, nach dem Gebote seiner Obern mit theologischen Studien beschäftigt, auch zuweilen als Fastenprediger versandt, da versetzten ihn die Obern nach Florenz in das Kloster des heiligen Marcus, um die jüngern Brüder zu unterrichten.

Florenz war damals eine betriebsame reiche Stadt, welche den größten Theil von Mittelitalien beherrschte, dem Rechte nach seit Jahrhunderten eine Republik, deren Staatsämter sogar durch’s Loos vertheilt wurden, aber eine Kaufmannsfamilie, die Mediceer, war durch unermeßlichen, wohlbenutzten Reichthum zur höchsten Gewalt gelangt, nun bereits als ein Erbe seines Großvaters regierte das Haupt dieser Familie, Lorenzo der Erlauchte, wie ein unbeschränkter Fürst die Republik, umgeben von allem Glanze der Kunst und Wissenschaft.

Savonarola, der heimisch war unter den Propheten des A. Testaments und voll der Zukunft, begann in der Klosterkirche am 1. August 1489 die Geheimnisse der Offenbarung Johannis auszulegen. Sein Grundgedanke ist: die Kirche Gottes muß erneut werden, vorher wird Gott mit schwerer Geißel Italien züchtigen, beides wird bald geschehen. Die Erneuerung der Kirche, an die er glaubt, ist eine sittlich religiöse, daß jedes Kirchenamt auf seine fromme Bestimmung zurückgeführt, durch den überflüssigen Reichthum der Kirche die Noth der Armen gelindert werde, jedermann Buße thue und der heilige Geist wieder die Gemeinde regiere. Daher seine Weissagung auf die Reformation zur Bußpredigt wurde. Er hat nicht daran gedacht irgend eine Glaubenssatzung seiner Kirche umzustoßen, aber sich vertiefend in die heilige Schrift hat er gepredigt, daß sie uns hinführe zu Christo, nicht zu den Heiligen; daß, wenn Christus dich nicht absolvirt, was hilft dir alle andre Absolution! daß nicht aus den äußerlichen Werken das Heil komme, sondern aus der Hingabe des Herzens an den Erlöser, aus dem Glauben. Er selbst hat bemerkt, als er vormals von den spitzfindigen Lehren menschlicher Weisheit predigte, da gefiel er einer ungeduldigen und zerstreuten Versammlung: als er sich zur Majestät der heiligen Schrift wandte, da hat er die Herzen der Menschen erschüttert, und wie der sehnsuchtsvolle Glaube an eine Wiedergeburt der Kirche sich seiner bemächtigte, erstanden ihm selber bis dahin ungekannte Kräfte des Geistes und der Rede. Die Klosterkirche wurde bald zu eng, und in die weiten Hallen des Domes mußte man Gerüste bauen, um die Menge des Volks zu fassen, das in der Sonntagsnacht auch vom Gebirge herabzog, um das Brot des Lebens hier zu suchen.

Ein Jahr nach seiner Ankunft wurde Savonarola zum Prior des Klosters gewählt. Man erinnerte ihn an die Sitte sich und das Kloster dem Staatsoberhaupte zu empfehlen. Er antwortete: „Hat mich Gott oder Lorenzo zu diesem Amt erwählt? Laßt uns das Kloster der Gnade des Höchsten empfehlen!“ Lorenzo ließ eine reiche Summe Goldes in die Casse des Klosters werfen. Bei der Eröffnung schied Savonarola das kleine Geld vom Golde, und sprach zu den Mönchen: „Jenes reicht aus für unser Bedürfniß, dieses tragt zu den Armenpflegern der Stadt, daß sie es vertheilen.“ Seine Strafpredigt richtete sich oft gegen Lorenzo, in dessen Palast er den Quell der Weltlust und Gottentfremdung fand, der sich über die Stadt ergossen habe. Als angesehene Bürger ihn ermahnten, um des öffentlichen Friedens und des Klosters willen von dieser rücksichtslosen Predigtweise abzustehen, erwiedert er: daß er gegen die Laster predige, wie es in der alten Kirche Sitte gewesen. „Sagt Lorenzo, daß er Buße thue.“ Und als sie hinwiesen auf die ihm drohende Landesverweisung, entgegnet er: „Was kümmert mich das! Aber Lorenzo mag wissen: er ist der erste Bürger des Staats, ich ein Fremder, ein armer Mönch, doch ich werde bleiben, und er davon gehen müssen.“

Die Rede erfüllte sich rasch, und wohl anders, als sie gemeint war. Lorenzo lag auf seinem Sterbebette, manche ungerechte That lastete auf seiner Seele, er schickte nach dem Prior des Marcusklosters, denn nie hab‘ er einen wahren Mönch gesehn als diesen, bei ihm sucht er das Wort der göttlichen Erbarmung. Savonarola setzte drei Bedingungen, unter denen er ihm die Vergebung seiner Sünden verkündigen dürfe. Vorerst, daß er einen lebendigen Glauben habe, Gott wolle ihm vergeben. Lorenzo antwortete: „Ich glaube also.“ Sodann, daß er alles ungerecht Erworbene wiedererstatte, seinen Kindern werde soviel übrig bleiben als Bürgern zieme. Nach einigem Bedenken sprach Lorenzo: „Auch das will ich thun.“ Zum letzten, daß er die Freiheit von Florenz und die volksthümliche Verfassung wiederherstelle. Da wandte sich Lorenzo ab, und der Mönch verließ ihn.

Nach Lorenzos Ableben erbte sein Erstgeborner, Pietro, seine Macht, aber nicht seine Weisheit, um unter den Formen der Freiheit den Staat zu regieren. Wenn Savonarola von dem Gerichte Gottes redete, das über Italien hereinbrechen werde, sprach er auch: „Das Schwert des Herrn kommt über die Erde und rasch!“ und von einem großen Könige, der über die Berge kommen werde, um die Tyrannen Italiens zu züchtigen und die Kirche mit dem Degen zu reformiren. Er hat noch in einer Zeit tiefen Friedens so gepredigt, im Sommer 1494 zog der König von Frankreich Karl VIII. mit einem mächtigen Heere über die Alpen, um Neapel als sein Erbe und die Oberherrschaft über Italien zu erobern. Indem diese neue Macht in Italien alles Bestehende in Ungewißheit stellte, erhob sich das Volk von Florenz und vertrieb seinen jungen Fürsten. An der Spitze einer Gesandtschaft an Karl VIII. begrüßte ihn Savonarola als den von Gott gesandten König um Italien und die Kirche zu erneuen. Er soll die Hochmüthigen von ihrem Stuhle stoßen und die Demüthigen erheben, aber im Dienste einer höhern Sache als einer bloß zeitlichen Eroberung Barmherzigkeit üben, insbesondre gegen Florenz, dann wird der ihm Sieg geben, der am Kreuzesstamme den Sieg für ihn errungen. Der König empfing den Mönch als seinen Propheten und überließ den Florentinern die Anordnung ihres Staats. Savonarola berief das Volk in den Dom, er sagt Großes von der Monarchie, aber die besondern Verhältnisse von Florenz fordern ein Volksregiment. Gott allein will der König sein von Florenz, wie er der König von Israel war, und zu Samuel sprach, als sie einen irdischen König wollten, hat dieses Volk denn mich verworfen? Bisher habe man geschwankt zwischen den Anmaßungen Einzelner und der Zügellosigkeit des Volks. Fortan solle der Staat gegründet werden auf Gottesfurcht und Gemeinsinn, ein Gottesstaat. In diesem Sinne wurde die Republik eingerichtet, die höchste Gewalt in der Volksversammlung der erbgeseßnen Bürgerschaft, aus ihr gingen durch Wahl und Loos die Behörden hervor im raschen Monatswechsel.

Savonarola mischte sich nicht in die Einzelheiten der Verwaltung, er verstehe das nicht, aber der Staat hing von seinen Rathschlägen ab. Auch seiner Gesinnung fernstehende Zeitgenossen sprechen mit Bewunderung von seiner sittlichen Macht, wie unrechtmäßiges Gut herausgegeben wurde, Todfeinde einander in die Arme fielen, und eine wunderbare Liebe des irdischen wie des überirdischen Vaterlandes die Menschen ergriff. Spiel und Tanz hatten ein Ende, auch auf dem Lande verstummten die Volks- und Liebeslieder, man hörte nur noch geistliche Gesänge. In der Fastnacht wurden allerlei weltliche Dinge, die jedermann freiwillig hergab, Karten, Würfel, Frauenschmuck, verführerische Bücher und Bilder, unter ihnen Werke von unschätzbarem Kunstwerth, im feierlichen Gepränge verbrannt.

Savonarola ward vom Propheten der Reformation zum Reformator, noch in streng katholischer Gesinnung. Er schärfte vielmehr die Klosterregel, und weil ihm die Prachtgebäude seines Klosters zu weltlich sind, auch die Menge der Eintretenden neue Räume fordert, legt er den Grund eines neuen Marcusklosters, das armselig werden soll wie der Stall zu Bethlehem. Was er allein gern hatte von den Gütern der Erde, Bücher und Bilder der Heiligen, das gab er weg. Aber wie Florenz ihm nur der Gottesheerd war, von welchem die heilige Flamme zur Wiedergeburt der Kirche ausgehn sollte, so mußte seine Strafpredigt gegen das entartete Priesterthum sich vor allem gegen die neue Babel richten, wo damals von allen heiligen Vätern, welche die Kirche gehabt hat, der Verworfenste regierte, Alexander VI. Savonarola schrieb auch an die Könige der abendländischen Christenheit, daß sie, statt das Greuel und Siechthum anzubeten, das auf dem erhabenen Stuhle Sanct Peters sitze, der kein Priester, ja nicht ein Christ sei und nicht an den allmächtigen Gott glaube, ein frei christlich Concilium versammeln sollten zur Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern; der König von Frankreich war nicht abgeneigt darauf einzugehen. Ein solcher Brief fiel in die Hand des Papstes, der hierauf im October 1496 ein Gebot erließ: Savonarola, der Zukünftiges verkündet und dadurch Zwietracht angestiftet habe, der ohne kirchliche Bestätigung behaupte, er fei von Gott gesandt und rede mit Gott, soll bis zum Ausgange der über ihn verhängten Untersuchung sich des Predigens enthalten, bei Strafe des Bannes.

Savonarola antwortete: daß Zukünftiges zu wissen nicht verboten sei, Gott rede mit wem er wolle, doch habe er sich nie für einen Propheten ausgegeben. Man möge anzeigen, worin er geirrt habe, und er wolle gehorsam der Kirche widerrufen. Aber der heilige Vater selbst möge nicht länger säumen das Heil seiner Seele zu bedenken. Eine Zeitlang hat er das Predigen eingestellt, dann hob er wieder an, denn die Kanzel war sein Thron. Bereits ist seine Macht bedroht. Die durch ihn verletzte weltliche Bildung und Freude war ergrimmt über das Narrenregiment des Mönchs. Die Anhänger des vertriebenen fürstlichen Hauses regten sich wieder. Alle Staaten Italiens hatten sich gegen Karl VIII. vereinigt und ihn über die Alpen zurückgeworfen, nur Florenz war noch durch seinen Propheten festgehalten an dem Bunde mit Frankreich, zum Aergerniß von ganz Italien. Die Franciscaner in Florenz hielten den von ihnen beneideten Dominicanern vor: ein Kriegsmann Gottes flicht sich nicht in weltliche Händel. Als der Papst vom Schwanken der Volksgunst hörte, schnitt er Savonarola ab vom Stamme der Kirche als ein verdorrtes Glied wegen hartnäckigen Ungehorsams und der Ketzerei verdächtig. Dieser erklärte ungerechten Bann für nichtig, vom irdischen Papste will er zum himmlischen sich wenden, d. h. zu Christo. Seinem irdischen Untergange sieht er entgegen. „Denn der Meister, der den Hammer führt, wenn er ihn gebraucht hat, wirft er ihn weg. So that er mit Jeremias, den er am Ende seiner Predigt steinigen ließ. Aber Mm wird dieses Feuer nicht löschen, und wird dieses gelöscht, so wird Gott ein andres anzünden, und es ist schon angezündet, nur daß sie es nicht wissen.“ Gerade die religiös aufgeregte Bevölkerung war jetzt genöthigt sich zu entscheiden zwischen ihrem Propheten und dem immer noch großen Ansehn der alten Kirchengewalt, welche allen Gottesdienst in Florenz stille zu legen drohte, wenn es nicht von dem Gebannten lasse.

Als die Menge noch hin und her schwankte, erbot sich ein Franciscaner gegen Savonarola zur Feuerprobe, zwar er werde dabei umkommen, doch auch sein Gegner, wenn sich nicht die Wahrheit seiner Weissagung durch ein Wunder erweise. Dieser nannte das Gott versuchen. Aber so oft vordem hat er gläubig versichert, wenn es nöthig sei, werde Gott auch durch ein Wunder die Wahrheit seiner Sache bekräftigen und ihn unversehrt selbst mitten durch’s Feuer führen, als daß er sich jetzt dem Drängen der Seinen entziehn konnte, denn seine Ordensbrüder, auch Frauen und Jungfrauen in Menge wollten die Probe für ihn bestehn. So wurde das Gottesurtheil beschlossen, das zwei Mönche beider Orden, die sich dazu erboten, wider einander bestehn sollten. Nach dem gerichtlich aufgesetzten Vertrage wollte der Dominicaner durch seine wunderbare Erhaltung diese Artikel erweisen: die Kirche bedarf einer Reformation; sie wird heimgesucht werden und nach der großen Heimsuchung wieder grünen; die Ungläubigen werden zum Evangelium bekehrt werden; Florenz wird heimgesucht werden und nach der Heimsuchung wieder blühen; dieses alles wird in unsern Tagen geschehn; der Bann wider Savonarola ist ungültig, die ihn nicht beachten sündigen nicht. Die beiden Gotteskämpfer sollten hart hinter einander einen engen Weg durch zwei brennende Scheiterhaufen gehn. Als die Stunde kam, erwartete das Volk in ungeheurer Spannung den Ausgang. Mochten beide Parteien sich vor dem Feuer fürchten, oder die Franciscaner auf diesen Erfolg gerechnet haben, über die Art, wie die Kämpfer durch die Flammen gehen sollten, in welcher Ordenskutte wegen etwanigen Schutzes durch Zaubermittel, ob mit dem Crucifixe, ob mit dem Leibe des Herrn? darüber wurden von beiden Seiten so viele Schwierigkeiten erhoben, daß über dem Gezänk Stunde für Stunde hinging, endlich am Abende kam ein Platzregen und die Staatsregierung gebot beiden Theilen nach Hause zu ziehn. Die ganze Last der getäuschten Erwartung des Volks, das sich um ein Wunder oder um ein furchtbares Schauspiel gebracht sah, fiel auf die Partei Savonarolas, denn nur sie hatte Wunderbares zu vertreten. An diesem Tage verließ das Volk seinen Propheten. Er wurde schon auf dem Heimwege verhöhnt, in der folgenden Nacht, am Palmensonntage, die Marcuskirche überfallen, Savonarola verhaftet, und seine Todfeinde bemächtigten sich der Regierung. Seine Geständnisse wurden öffentlich verlesen, nach denen seine Weissagung nicht aus göttlicher Eingebung, sondern aus Gründen der Vernunft und heiligen Schrift geschöpft, Ruhm vor der Welt und Herrschermacht sein einziger Zweck gewesen sei. Er war siebenmal während der heiligen Woche auf die Folter gespannt worden, und als er die Geständnisse als erzwungen zurücknehmen wollte, mit fortgesetzter Qual bedroht.

Die letzte Entscheidung wurde noch verzögert, weil der Papst eine Untersuchungscommission schicken wollte. Im Gefängnisse schrieb Savonarola eine Auslegung des 51. Psalms. Es ist die Stimme eines geängsteten Herzens, das seine mächtige Vergangenheit des Hochmuths beschuldigend zu Gott schreit, und die allgemeine Schuld der Menschheit mitfühlend im Gekreuzigten den Frieden findet. Luther, der dieses Büchlein von neuem in Druck gegeben hat, schrieb dazu: „das ist ein Exempel der evangelischen Lehre und christlichen Frömmigkeit. Denn hie siehst du ihn einhertreten nicht als einen Predigermönch im Vertrauen auf sein Gelübde, Mönchskutte, Messen und die guten Werke seines Ordens, sondern im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit als einen gemeinen Christen.“

Der päpstliche Bevollmächtigte verurtheilte Savonarola wegen Ketzerei, das weltliche Gericht nur im allgemeinen wegen erwiesener Schandthaten, mit ihm zwei seiner vertrauten Mönche. Als ihr Todesmorgen kam, der 23. Mai 1498, der Tag vor Himmelfahrt, hat er ihnen und sich selbst das heilige Abendmahl gereicht. Er gebot ihnen schweigend zu sterben, wie Christus, der weit unschuldiger gewesen, sich als ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ und seinen Mund nicht aufthat. Von sich hat er nur gesagt: „Mein Herr hat für meine Sünden sterben wollen, wie sollte ich nicht willig das arme Leben lassen für ihn.“ Er wurde in Mitten seiner beiden Todesgenossen gehängt, der Leib am Galgen verbrannt, die Asche in den Arno geworfen.

Die Spuren seiner Wirksamkeit sind früh verloschen. Dieses Vergebliche lag nicht bloß in seiner Vermischung von Reformation und Revolution, nicht zu früh gekommen, war er doch nach seiner Bestimmung bloß ein Vorläufer und ein Opfer. Sein Gedächtniß ist den Florentinern und seinem Orden heilig geblieben. Luther schrieb in jener Vorrede: „Der damalige Antichrist durfte sich Hoffnung machen das Andenken dieses so großen Mannes würde verlöschen, auch unter dem Fluch sein; aber siehe er lebt und sein Gedächtniß ist ein Segen. Christus spricht ihn heilig durch uns, sollten gleich die Päpste und Papisten mit einander darüber zerbersten.“

  1. Hase in Jena.

Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874