Unmittelbarer als die beiden Reformatorenfrauen griff in das Triebwerk der Reformation eine Frau aus dem Bayernland ein, Argula von Grumbach, geborene von Stauff; geboren um das Jahr 1492. Ihr Vater, Bernhardin von Stauff, zeichnete sich dadurch vor den meisten seiner Standesgenossen aus, dass er schon vor dem Erscheinen der Lutherischen Übersetzung fleißig in der Bibel las und seiner zwanzigjährigen Tochter eine deutsche Bibel schenkte, mit der Aufforderung, in derselben, dem Gebote des Herrn gemäß, zu suchen. Kein Wunder also, dass die Grundsätze der Reformation in dieser Familie frühe Eingang fanden. Argula verlor ihre Eltern fünf Tage nach einander. Ein Bruder ihres Vetters nahm sich der verlassenen, vermögenslosen Jungfrau an. Auch der Herzog Wilhelm von Bayern tröstete sie und versprach ihr, nicht bloß ihr wohlwollender Landesfürst, sondern auch ihr Vater zu sein. Sie wurde Hoffräulein und verheiratete sich 1516 mit einem fränkischen Edelmanne, Freiherrn von Grumbach. Mit inniger Freude hörte sie von Luthers Auftreten gegen die Missbräuche in der Kirche. Sie las mit Begeisterung die Schriften des kühnen Mannes und wurde in Folge davon eine entschiedene Anhängerin desselben. Auch verhehlte sie ihre religiösen Ansichten vor keinem Menschen. Ja, sie fand bald Veranlassung, offen mit denselben hervorzutreten.
1523 wurde ein junger Magister, Arsacius Seehofer, zu Ingolstadt in den Kerker geworfen und durch Drohungen – man stellte ihm den Feuertod in Aussicht – zum Widerruf genötigt, worauf man ihn in ein Kloster steckte. Er entkam und nahm zu Luther seine Zuflucht. Vor ihm bekannte er seine Schwachheit mit dem Ausdrucke tiefer Reue.
Als Argula von dem Verfahren gegen den jungen Mann hörte, war sie bald entschlossen, ein Wort zu Gunsten desselben zu sprechen: Sie schrieb an die Universität Ingolstadt in einer Weise, dass man ihren Mut und ihre religiöse Einsicht bewundern muss. Einige Stellen aus diesem Schreiben mögen das Gesagte erläutern und bestätigen: „Ich finde einen Spruch, Matth. am 10., der also lautet: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater“, und Luk. 10: Wer sich meiner schämet und meiner Worte, dessen werde ich mich wieder schämen.“ Solche Worte, von Gott selbst geredet, sind mir allezeit vor Augen; denn es wird weder Mann noch Frau darinnen ausgeschlossen. Aus diesem werde ich gedrungen Euch zu schreiben. Denn Ezechiel sagt am 33.: Siehst du sündigen deinen Bruder, so strafe ihn, oder ich will sein Blut fordern von deinen Händen. Ach Gott! wie werdet Ihr bestehen mit Eurer hohen Schule, dass Ihr so töricht und gewaltig handelt wider Gottes Wort und mit Gewalt zwingt, das heilige Evangelium zu verleugnen, wie Ihr dem Arsacius Seehofer getan habt! usw.“ Weiter heißt es: Ich bitte Euch und begehre Antwort, ob Ihr meint, dass ich irre. Denn Hieronymus hat sich nicht geschämt und zu den Weibern geschrieben gar viel, als zu Paula, Eustachia usw. Ja, Christus selbst hat sich nicht geschämt, sondern gepredigt Maria Magdalena, der Frau an dem Brunnen. Ich scheue mich nicht, vor Euch zu kommen und Euch zu hören, auch mit Euch zu reden. Und ob es gleich dazukäme, davor Gott sei! dass Luther widerriefe, soll es mir nichts zu schaffen geben. Ich baue nicht auf sein, noch eines Menschen Wort, sondern auf Christum selbst, welchen die Bauleute haben verworfen und der zum Eckstein geworden ist.“
Eine Abschrift dieses Briefes schickte sie zwei Monate später mit einem besonderen Sendschreiben an den Rat von Ingolstadt. In diesem Schreiben heißt es: „Und wenn sie mich gleich mordeten, so geschehe, wie Gott will. So ich gestorben bin, so ist doch Gottes Wort nicht vertilgt. Ich achte auch dafür, so ich die Gnade hätte, den Tod um seines Namens willen zu leiden, würden viele Herzen dadurch erweckt; ja, wenn ich allein stürbe, würden tausend Weiber wider sie schreiben; denn ihrer sind viele, die belesener und geschickter sind, denn ich.“
Selbst an den Herzog Wilhelm wendet sie sich, ihn zu ermahnen, dass eine christliche Obrigkeit bei dem Worte Gottes bleiben und solches aus christlicher Pflicht zur Hand haben solle. „Denn kein Mensch Gewalt hat, das Wort Gottes zu verbieten, allein das Wort Gottes soll und muss alle Dinge regieren. Ich bitte Euch um Gottes willen, nicht allein der Ingolstädter Wort zu glauben, sondern vorher die Geister nach göttlicher Schrift zu prüfen. Es ist nicht genug, zu sagen: Ich glaube, was meine Eltern geglaubt haben,“ wir müssen an Gott und nicht an unsere Eltern glauben.“
Der Kanzler Eck wurde über dieses Alles um so mehr erbittert, da er erfahren hatte, dass Argula die Einwohner von Dietfurt durch öffentliche Reden für den evangelischen Glauben zu gewinnen suche. Er forderte deshalb den Herzog auf, den Mann Argulas seines Dienstes zu entlassen, und ihm unter Androhung schwerer Strafen zu befehlen, dass er seiner Frau solches Schreiben nicht mehr gestatte.
Ein Magister, Johannes von Landshut genannt, verfasste ein Spottgedicht auf die Frau Argula, die so sehr aller weiblichen Zucht vergessen, dass sie ihren Herrn und Fürsten zu einem neuen Glauben hat verführen wollen, und sich zu unterstehen, eine ganze hohe Schule zu bestrafen und zu beschimpfen. Es heißt am Schlusse:
Willt du aber mit Ehren bestehen,
So stell ab dein Mut und Gutdunkel,
Und spinn davor an der Kunkel,
Oder strick Hauben und wirke Borten;
Ein Weib soll nicht mit Gottes Worten
Stolzieren und die Männer lehren,
Sondern mit Magdalenen zuhören.
Argula antwortete dem Magister in einem längeren Gedichte; sie forderte denselben auf, öffentlich mit ihr in Ingolstadt zu streiten; sie wolle sich fröhlich stellen. Hierauf verteidigte sie das Recht der Ungelehrten, das durch die Apostel verkündigte Evangelium zu treiben und zu verfechten. Das Beispiel einer Judith, Deborah und Jael sei ein Beweis, dass auch Weiber für Gott streiten dürften.
Darum zürnet nicht so hart,
Ob Gott jetzt auch wieder Weiber schaffen,
Die Eure Hoffart müssen strafen.
Macht, dass Ihr gar nicht würdig seid,
Dass ein Gelehrter mit Euch streit.
Am Schlusse heißt es:
Weh Euch, die Ihr jetzt sonder lacht,
Ihr werdet klagend und weinend gemacht,
Ihr Lästerer Gottes, wie wird euer Leben,
So ganz und gar vor Gott zu nichte,
Wenn ihr kommt vor das streng Gerichte
Am sechsten Lukas da bestimmt,
Darum lasst ab und seid besinnt;
Auf diesmal nehmt genug daran,
Bis er hervortritt auf den Plan.
Von Bileams Eselin nimm zu gut
Mein lieber Johannes von Landshut!
Dr. Eck schickte ihr auf die Aufforderung, mit ihr zu streiten, einen Spinnrocken und eine Spindel.
Der Herzog Wilhelm war über die kühne Frau erzürnt und folgte darum der an ihn gerichteten Aufforderung um so bereitwilliger. Argulas Gatte erhielt seinen Abschied. Sie selbst aber wurde in ihrem Glauben nicht wankend gemacht, auch, da ihre Verwandten ihren Unwillen gegen sie äußerten. Sie schrieb an ihren Vetter, den Statthalter Adam von Torring zu Neuburg: „Man hat mir gesagt, man wolle meinem jungen Herrn das Amt nehmen; kann ich ja nicht dafür; denn ich habe vorher Alles wohl bedacht; habe mich daran gesetzt, Alles zu verlieren, ja Leib und Leben; Gott steht mir bei.“
Sie ging noch weiter in ihrem Eifer für die Reformation. Sie schrieb an den Kurfürsten von Sachsen und an andere Fürsten: sie möchten sich des Evangelii treulich annehmen. Auch mit Luther trat sie 1524 in einen Briefwechsel, und dieser gedenkt ihrer öfters in ehrenvoller Weise; er nennt sie die „sehr gottselige Frau“ und schrieb 1524 an Spalatin: „Ich schicke Dir hiermit das Schreiben der Argula, der Jüngerin Christi, damit Du es sehen und Dich freuen mögest über eine sündige Tochter Adams, welche umkehrt und sein Kind wird.“
1530, während des Augsburger Reichstags, besuchte Argula Luther auf dem Schlosse Coburg. Auch an Spalatin schrieb sie: „Fürchtet Euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns, ohne uns angefangen hat, der wird sie auch wohl beschützen. Er schläft nicht, der Israel behütet; die Sache ist sein.“ Und dieses schrieb sie, da sie schon Witwe geworden und ihr Gottvertrauen durch mancherlei Prüfungen auf die Probe gestellt worden war. Dasselbe wurde nicht erschüttert. „Meine Kindlein,“ schrieb sie, „wird der Herr schon versorgen und speisen mit den Vögeln in der Luft, auch bekleiden mit den Lilien auf dem Felde. Er hat es gesagt; Er kann nicht lügen.“
Über ihre letzten Schicksale ist wenig bekannt. Nur so viel wissen wir, dass sie, als in Bayern die Verfolgung immer heftiger wurde und Mancher wegen seines evangelischen Glaubens den Scheiterhaufen besteigen musste, aus ihrem Vaterland verwiesen wurde. Sie starb 1554 zu Zeyligheim in Franken mit der Gesinnung, die sie in folgenden Worten ausgesprochen hat: „Man heißt mich Lutherisch; ich bin es nicht; ich bin im Namen Christi getauft, den bekenne ich; aber ich bekenne, dass ihn Martinus auch als ein treuer Christ bekennt.“
Auch andere Frauen zeigten sich bereit, das Evangelium mit biblischen und anderen Gründen zu verteidigen, z. B. Maria von Heringen und ihre Schwester Engel von Hagen, von denen Spangenberg in seinem „Adelsspiegel“, und Lobwasser in seiner „Hochwürdigen Gesellschaft gelehrter Frauenzimmer“ berichtet, wie sie mit den gelehrtesten Theologen über Luthers Lehre gestritten und dieselben mit ihren eigenen Worten gefangen hatte. Zu Eger forderte Katharina Junker die Theologen zu einer öffentlichen Disputation heraus; sie verteidigte ihre Ansichten mit Einsicht und Mut.