„Alles ist euer; ihr aber seid Christi.“ Dieser apostolische Ausspruch gehört seiner vollen Bedeutung nach nur der evangelischen Kirche an, soweit sie lebt, und mit Werken und Tat ihrem Namen entspricht. Christi Magd allein, und Seinem Worte untertänig, ist sie aller anderen Gewalten Meisterin, und auch durch die kirchliche Tradition insoweit nur gebunden, als durch dieselbe ein Nachhall jenes Wortes hindurchtönt. Statt ihre Freiheit der Überlieferung preiszugeben, befreit sie vielmehr letztere von der Schlinggewächsumwucherung späterer Legendenbildung, und macht sie sich dienstbar, indem sie durch diese Entschränkung es ihr ermöglicht, als eine „Gehilfin ihrer Freude“, ihr Edelstes und Bestes ihr zuzutragen. Es geschieht ohne Grund, wenn die Kirche Roms eines ausschließlichen Anrechts an die Heiligen und Märtyrer des christlichen Altertums sich rühmt. Sie sind ebenso wohl unser, ob wir gleich manches Stück der prächtigen Gewandung, in die sie nachmals gekleidet wurden, jener belassen müssen; ja unser vorzugsweise, weil sie in ihrer reinen geschichtlichen Erscheinung in unserm kirchlichen Bewusstsein leben, und uns dienen, nicht aber wir ihnen.
Es war am 22. Januar des Jahres 304 nach Christo, als zu Saragossa in Spanien ein Jüngling in der Märtyrerkrone zu der Wolke jener Zeugen, deren die Welt nicht wert war, sich emporschwang, welchem der Name schon, den er bei seiner Taufe erhielt, die glorreiche Zukunft seines Lebensganges vorbedeutete. Vincentius, d. i. verdolmetscht der Sieghafte, hieß der jugendliche Held, dessen Glaubenstaten Augustinus schon mit gerührter und erhobener Seele vor versammelter Christengemeine verlesen hörte. Derselbe Kirchenvater meldet, es sei bereits zu seinen Zeiten der Name des Vincentius so weit in aller Welt gefeiert worden, als irgend ein Knie vor Christo sich gebeugt. Ja, angesehene Kirchen und Kapellen wurden an vielen Orten zum Gedächtnis des jungen Märtyrers mit dessen Namen geschmückt, und gepriesene Dichter, an ihrer Spitze der christliche Sängerkönig Aurelius Prudentius, sangen in begeisterten Hymnen sein Lob. Der Letztere beginnt ein Lied mit folgender Anrede an den Verklärten:
Blick segnend, sel’ger Märtyrer,
Auf deinen Siegestag herab,
Der einst den Preis des Blutes dir,
Den ew’gen Ehrenkranz dir gab!
Dich führte jauchzend dieser Tag,
Als du den Pein’ger und die Pein
Besiegt, aus Nacht und Finsternis
Zu Christo in den Himmel ein.
Nun strahlst du mit den Engeln dort
Im Lichtgewande hoch und hehr,
Das, mut’ger Zeuge, du gefärbt
In deines Blutes Purpurmeer.
Sprössling eines edlen Geschlechts, sein Vater, der Sohn eines angesehenen Konsuls, hieß Euticius, seine Mutter, eine Aragonierin, Enola, wurde Vincentius von Kindheit auf den Wissenschaften geweiht, und hatte durch eine freundliche Fügung Gottes, der sich ihn zu einem auserwählten Rüstzeug für sein Reich ersehen hatte, das große Glück, schon früh der bildenden Pflege des trefflichen Bischofs seiner Vaterstadt, des Valerius, überwiesen zu werden. Dieser erkannte bald die ausgezeichnete Begabung, wie die aufrichtige und tiefe Frömmigkeit des auch schon durch die Liebenswürdigkeit seiner äußeren Erscheinung sich Jedermann empfehlenden jungen Mannes; und nachdem er ihn zuerst zu seinem Diakon, dann gar zu seinem Archidiakons erhöht hatte, übertrug er, weil ihm, dem Bischof selbst, die Gabe der Rede minder zu Gebote stand, seinem jugendlichen Lieblinge und Gehilfen vorzugsweise den Dienst am Worte, und regte dadurch ihn an, um so eifriger die Gabe, die ihm Gott verliehen, in sich zu wecken und auszubilden, und der heiligen Betrachtung obzuliegen.
Zur damaligen Zeit stand der Stadt Saragossa und ihrem Gebiete als Bevollmächtigter des Kaisers Diocletian und seines Mitregenten Maximian, und als Diensteifriger Vertreter der widerchristlichen Gesinnungen dieser beiden Gewalthaber, ein Konsul vor, der sichs zur Aufgabe seines Ehrgeizes gestellt, mindestens so weit die Grenzen seines Verwaltungsbezirkes reichten, das Christentum mit Stumpf und Stiel auszurotten, und das Heidentum wieder zur Alleinherrschaft zu erheben. Dacianus hieß dieser Wüterich, der schon durch seine ganze äußere Erscheinung in Gestalt, Haltung, Stimme, Blick und Gebärde ein würdiges Werkzeug des alten Ur- und Erzfeindes der Christenheit in sich verratend, kein Mittel der Tücke und Grausamkeit verschmähte, um zu seinem Zwecke zu gelangen. So weit seine eiserne Hand reichte, ließ er die Bischöfe, Presbyter und andere Diener der Kirche Christi greifen, und pflegte sie erst dann vor seinen Richterstuhl zu laden, wenn er dieselben teils auf beschwerlichen im Geleite roher Zuchtknechte und unter erdrückenden Lasten zurückgelegten Wegen, teils durch Hunger, Kerkerhaft, Kettengerassel und wohl auch durch Folter ermüdet und entmutigt glaubte. Dass der Grimm dieses Menschen vornehmlich gegen den Valerius und dessen jungen Gehilfen entbrannte, wird Niemanden Wunder nehmen. Ragten doch diese Beiden an Bekenntnisfreudigkeit vor allen Anderen weithin strahlend hervor. Im Aufschauen zum Anfänger und Vollender des Glaubens ihres Sieges gewiss, dass, je bitterer der Kelch gewesen sei, den sie in frommer Hingebung geleert, um so überschwänglicher der ewige Sabbat sie erlaben werde. Im Verzuge des Kampfes und der Martern sahen sie nur eine Verkürzung ihrer Glorie und Seligkeit.
In der Person Dacians trat auch gegen sie die Hölle in die Schranken; und so entspann sich der denkwürdigsten Kämpfe einer, die je in der Welt durchstritten sind: ein Kampf, der insonderheit dem Vincentius die erwünschte Gelegenheit bot, seines Großes verheißenden Ehrennamens sich würdig zu erzeigen, und der durch Gottes wunderbare Lenkung zu einem augenfälligen Symbol und Vorbilde des großen weltgeschichtlichen Kampfes des Christusreiches mit dem Reiche der Finsternis überhaupt, und dessen endlichen Ausganges sich gestalten musste. Nachdem der grausame Richter seiner Gewohnheit gemäß auch jene beiden Heiligen nach Valencia hatte schleppen, und sie dort, um ihren Mut zu brechen, einer Menge der ausgesuchtesten Peinigungen überweisen lassen, ließ er sie endlich, aus Besorgnis, dass sie, bevor er die ihnen zugedachten bittersten Kelche reichen könnte, ihren Leiden erliegen möchten, vor sich führen. Wie groß aber war sein Erstaunen, als er sie, die er dem Tode schon nahe geglaubt, in einer Kraft und Lebensfrische vor sich erscheinen sah, als wären sie statt aus der Nacht des Kerkers und der Folterklausen, aus einem wundertätigen Bade emporgestiegen. Hoffend, durch Worte erheuchelten Wohlmeinens das erzielen zu können, was durch Härte nicht erreicht worden war, wendet er sich zuerst an den Bischof, sprechend: „Was beginnst du, Valerius? Unter dem Deckmantel der Religion wagst du gegen deine Fürsten und Gebieter dich aufzulehnen! Weißt du nicht, dass du durch Verachtung kaiserlicher Dekrete das Leben verwirkst? Die Beherrscher des Weltkreises wollen aber nicht, dass die Würde der alten von den Vätern überkommenen Religion durch neue nie erhörte Lehren verdunkelt werde, sondern befehlen euch, dass ihr widerruft, und zur Bezeugung eurer Umkehr den Göttern opfert. Gib meiner Mahnung Gehör, und folge deiner Herren Geheiß, und gehe als Bischof mit deinem Beispiel vorleuchtend deinen Untergebenen voran!“ – Dann, zu dem jungen Archidiakons sich wendend, fuhr er fort: „Und auch du, Vincenz, hervorragend wie durch den Adel deiner Geburt, so durch die Blüte deiner anmutsvollen Jugend, schone deiner, und neige zu deinem Heil meinem Rate dein Ohr! Entscheidet euch Beide in einer offenen unumwundenen Erklärung, ob ihr gehorsam zu hohen Ehren erhoben werden, oder halsstarrig widerstrebend in namenlosen Qualen enden wollt!“
So Dacian. Der Bischof, ein Mann von bewunderungswürdiger Einfachheit und Unschuld, und gelehrt zugleich, wie wenige, aber, wie schon bemerkt, wie weiland Moses „von schwerer Zunge“, schwieg zu des Richters Rede; ein Schweigen, welches sich unzweideutig als das Verstummen eines Opferlammes kund gab, das bereit sei, um Christi willen zur Schlachtbank zu gehen. Den Vincentius dagegen drängte es, dem Heiden Rede und Antwort zu stehen, und nachdem er sich hierzu von seinem geistlichen Vater, dem ehrwürdigen Valerius die Erlaubnis erbeten, sprach er, den Blick des Glaubens fest auf die Krone gerichtet, die er in der Rüstung seines himmlischen Königs sich zu erstreiten hoffte, nach Prudentius:
Dir seien deine Götter hold,
Du Toter magst der Toten hier,
Du magst verehren Holz und Stein,
Der Götzen Hoherpriester sein.
Wir beten nur, o Dacian,
Den Vater an, den Quell des Lichts,
Und Jesum Christum, seinen Sohn:
Denn eure Götter, sie sind nichts!
Dacian, schäumend vor Grimm, schreit: „Hinweg mit dem widerspenstigen Bischof! Als Verachter der kaiserlichen Erlasse wandre er ins Exil! Dieser jugendliche Rebell aber mit der frecheren Stirn sei schwereren Gerichten aufgespart!“ Er rufts, und führt dann, bei Prudentius, zu dem Jüngling fort:
Unglücklicher, was wagst du da?
Du trittst dem Recht der Götter, und
Der Fürsten frevelhaft zu nah!
Dem heilgen Recht, vor dem sich beugt
Das ganze menschliche Geschlecht!
Bedenkst du nicht, du junger Tor,
Dass nur der Tod den Frevel rächt?
Denn wisse, fest beschlossen ist’s:
Wofern du dem Altare nicht
Mit Kränzen und mit Weihrauch nahst,
So übt der Tod sein streng Gericht!
Hierauf Vincentius:
Wohlan, so brauche deine Macht!
Ich werde nun und nimmer tun,
Was dein Gebot mir zugedacht!
Vernimm, was unser Mund bekennt:
Der Vater ist und Christus Gott,
Des Zeugen sind und Knechte wir,
Und diesen Glauben tilgt kein Spott;
Ihn tilgt nicht Folter, Qual und Pein,
Nicht Kerkernacht und Eisenglut;
Ja auch der Tod nicht, denn auch ihn
Begrüßt ein Christ mit heiterm Mut.
Wohl wissen eure Götter auch,
Und fühlen’s tief, dass Christus lebt,
Und dass sein Reich in Eile naht,
Vor dem das Reich der Hölle bebt.
Sie, welche Christi Ruf und Macht
Verscheuchte aus der Herzen Grund;
Die Götter, die Dämonen sind,
Bekennen ihn mit lautem Mund!
Dies kühne Wort ertrug der Heide nicht. „Streckt,“ herrscht er, „den Lästerer auf die Folterbank, und schraubt ihm, soweit es ohne Gefahr für sein Leben geschehen mag, die Glieder auseinander. Zum Ruhm will er sich rechnen, was wir an Strafen ihm auferlegen. Wohlan, überliefert ihn den Henkern, dass sie seinen Mut erproben.“
Der schauerliche Befehl wird pünktlich vollzogen, die Folter wird in Bewegung gesetzt, dem Jüngling Glied um Glied verrenkt, und dann mit eisernen Klauen das Fleisch ihm von den Rippen gerissen, dass sein Blut in Strömen dahin fließt. Doch
Der Streiter Gottes lächelt drob,
Und schilt der Schergen blutge Hand,
Dass nicht noch tiefern Weg ins Fleisch
Ihr Folterstahl, der scharfe, fand.
Schon waren sie vom Foltern müd‘,
Doch um so froher ward der Held,
Des leuchtendem, verklärtem Blick
Sich Christus tröstend dargestellt.
„Wie?“ ruft Dacian, „noch lächeln kann dieser Bube? Ja, er unterfängt sich gar, die Quäler zu neuen Foltern herauszufordern? – Wohlan, sie sollen ihm werden! – Rastet, bis sein Blut sich kühlte, und seine Wunden zu vernarben begannen; und dann aufs neue ans Werk! Wir wollen sehen, wer zuletzt als Sieger auf dem Platz stehen wird! „ Prudentius erzählt:
Gesagt, getan! Von neuem dringt
Der Stahl ins Fleisch ihm tief hinein,
Und löst die schon versiegte Flut
Des Blutes mit erneuter Pein.
Und tückisch spricht mit Schlangenbiss
Der Prätor nun: „Wenn denn dein Wahn
So blind, dass du den Herrschersitz
Der Götter nicht willst rühren an;
So tue wenigstens mir kund:
Wo hast du jene Bücher, die
So bösen Samen ausgestreut?
Des Feuers Glut verzehre sie!“
Dies hört der Märtyrer und spricht:
„Dich selber trifft die Glut dereinst,
Mit welcher du die Schriften jetzt,
Die heilgen, zu verbrennen meinst.
Denn rächen wird das Flammenschwert
Die hehren Blätter, wenn sein Blitz
Die Zunge trifft, die sie so frech
Zu lästern wagt mit schnödem Witz.“
Bei diesen Worten des jungen Helden steigert sich der Grimm Dacians aufs äußerste. Bald ist er leichenblass, bald glühend rot vor Zorn. Die Augen rollen wie Feuerkugeln in seinem Haupte hin und her, und schäumend, zitternd, scheltend und drohend, erteilt er jetzt zur letzten und grausamsten Marter den Befehl. ,Zur Feuerfolter mit ihm!“ schreit der Wüterich. „Heil mir, dem Glücklichen!“ entgegnet Vincentius. „Je mehr der Schrecken, desto größer die Seligkeit!“ Lassen wir nun wieder den Dichter reden:
Zu diesem blutgen Opfer eilt
Der Märtyrer in schnellem Lauf;
Er kommt den Pein’gern selbst zuvor,
So richtet ihn sein Glaube auf.
Des Eisenbettes Rahmen sind
Mit scharfen Zähnen eingefasst,
Und Kohlen nähren stets die Glut,
Und gönnen nicht der Flamme Rast.
Doch steigt er frohen Muts hinauf,
Der Gottesmann, als ob er schon,
Die Krone tragend im Triumph,
Bestiege seinen Ehrenthron.
Das Salz den Kohlen aufgestreut,
Es sprüht und funkelt in die Höh,
Und heftet sich an seinen Leib,
Durchdringend ihn mit tiefstem Weh.
Er aber steht und regt sich nicht,
Als kenne nimmer er den Schmerz,
Und hebt denn Fesseln trägt die Hand
Den Blick nur betend himmelwärts.“
Dacian fragt die zurückkehrenden Söldner, was Vincentius jetzt sage und mache. Diese, todmüde und tief erschüttert, entgegnen, er habe mit heiterm Blick alle Marter ertragen, und entschlossener und freudiger noch, als zu Anfang, Christum bekannt. Da ruft der Konsul mit den Gebärden eines Verzweifelnden: „Wehe! wir sind überwunden!“ – „Doch Eins,“ fährt er fort, „bleibt noch übrig. Will die leibliche Qual allein erfolglos bleiben, so leide zugleich sein nicht zu bändigender Geist! Sucht irgendwo einen finsteren Ort, der ihn gänzlich vom Tage trenne. Undurchdringliche Nacht bedecke ihn daselbst. Streut ihm das Lager aus spitzigen Scherben, auf denen jede Wendung ihm frische Pein bereite. In dieser Klause verriegelt ihn, nachdem ihr seine Füße in einen Stock gelegt. Kein Mensch komme in seine Nähe, kein ermunterndes Wort bringe zu ihm hinab! Ihr aber belauscht von Zeit zu Zeit den Elenden, und tragt Sorge, dass, sobald er ermattet und zu erliegen beginnt, mir’s gemeldet werde!“
Dieser entsetzliche Befehl wird pünktlich ausgerichtet. Kaum aber, dass man den jungen Dulder in die neue Martergrube hinabgesenkt, da durchbricht urplötzlich ein himmlisches Licht die grausige Nacht; Kerzen, heller denn die Sonne, flammen in wunderbarem Glanze um ihn auf; der Holzblock löst sich gesprengt von seinen Füßen, und das Scherbenlager verwandelt sich in einen duftigen Blumenteppich. In Psalm und Lobgesang zu seinem Gott jauchzt der selig überraschte Kämpfer auf, und Engelstimmen rufen ihm zu: „Vincentius, unüberwindlicher, Er, für dessen Namen du so treu gestritten, hält die Krone für dich im Himmel schon bereit. Halte aus! bald wirst du unseren seligen Chören beigesellt, und dann preist du ihn, dessen Gnade dich zum Sieger machte, mit neuen Liedern!“ Welchen Anteil die heilige Dichtung an dieser Darstellung der wunderbaren Tröstungen und Hilfserfahrungen, die dem Vincentius in seiner Kerkernacht zu Teil geworden, auch immer haben mag, ihr Kern ist Wahrheit. Die Wächter, wie sie durch eine heimlich belassene Spalte das Wunder mit anschauen, und den Märtyrer Hymnen singend in seiner Grube auf- und niedergehen sehen, werden von diesem Schauspiel dergestalt überwältigt, dass sie, tief überzeugt von der Göttlichkeit des Evangeliums bald nachher dem Heidentum entsagen und selbst Christen werden. Aus der Nachbarschaft strömt die Menge der Gläubigen hinzu, und Vincentius begrüßt sie mit den Worten: „Freut euch! Den ihr in Qualen wimmernd glaubtet, der lobt den Herrn! Seine Bande sind gelöst, seine Kräfte wuchsen. Geht hin, und verkündet allen Herolden Christi, dass er in seinen treuen Knechten immer Sieger bleibt!“
Als die Kunde von diesen Vorgängen zu Dacianus gelangt, schlägt derselbe bestürzt die Hände zusammen, und bricht in den Ruf der Verzweiflung aus: „Wir sind besiegt!“ Dann nach einer Pause fährt er fort: „Bettet seinem Leibe auf sanftern Polstern, und verpflegt ihn. Ich will seine Glorie nicht dadurch noch erhöhen, dass ich ihn unter Qualen sterben lasse. Er erhole sich, und dann gebe man ihn neuen Martern preis!“ So der Heidenrichter. „Aber beschließt einen Rat,“ spricht der Herr „und werde nichts daraus!“ Während Dacian auf neue Foltern sinnt, denkt Christus an die Krönung seines Knechts. Der Märtyrer, von den frommen Händen der Heiligen auf ein weiches Polster ausgestreckt, gab bald in einem köstlichen Tod seinen Geist auf, und ging in die triumphierende Kirche. Die umstehenden Brüder bedeckten seinen Leib mit ihren Küssen, tauchten ihre Tüchlein in sein Blut, und hafteten in andächtiger Beschauung an den Wunden seines zerrissenen Körpers.
Als dem Dacian die Nachricht von dem Vorgegangenen überbracht wird, spricht er blass und zitternd vor Verdruss und Missmut: „Konnte ich den Lebendigen nicht bewältigen, so kühle sich meine Rache an dem Toten. Werft ihn unbegraben aufs Feld, dass die Tiere ihn zerfleischen!“ So geschiehts. Aber selbst die raubgierigen Bestien wandeln, wie durch eine geheime Ehrfurcht gebunden, an seinem Leichnam, ohne ihn zu berühren, still vorbei, und die Adler und Geier schlagen ihre Flügel über ihn weg. Da gerät Dacian vollends außer sich, und bricht in die Worte der Verzweiflung aus: „Wie, auch der Tote noch spottet meiner, und je heftiger ich ihn verfolge, desto mehr nur muss ich seine Verherrlichung fördern? – Wohlan! will die Erde seiner schonen, so verschlinge ihn das Meer! Verhüllt ihn in das Sterbekleid eines Vatermörders, und versenkt ihn, nachdem ihr ihn mit Steinen beladen, in den Ozean, wo er am tiefsten ist! Da mögen die Seeungetüme ihn fressen, und die Wogen sein Gedächtnis auf ewig begraben!“
Die Henker vollziehen auch dies, und stechen mit der heiligen Leiche in See. Und wie die Spitzen der Berge schon fern erbleichen und das Ufer ihren Blicken entwichen ist, schleudern sie ihren Toten in die brausende Meerestiefe hinab, und lenken dann zu Dacian zurück, froh, demselben endlich einmal, wie sie meinen, die Siegesbotschaft überbringen zu können. Aber auch diese Hoffnung erweist sich als eine eitle. Der versenkte Leichnam, den sie schon von den Seeungeheuern verschlungen wähnen, kommt ihnen, von den Wogen dem Ufer zugetragen, zuvor, wird, auch noch im Tode seinen Namen Vincentius behauptend, durch wunderbare göttliche Fügung von Glaubensbrüdern am einsamen Strand entdeckt, zuerst heimlich in einer kleinen Basilika begraben, später aber, als die Zahl der Christen gewachsen war und die Verfolgungen aufgehört hatten, mit feierlichem Gepränge unter dem Altare der Kirche zu Valencia beigesetzt. Hier ruhen seine Gebeine noch und mancher fromme Pilger tritt bis zur Stunde mit heiliger Ehrfurcht an sein Grab, und preist Gott, dessen Kraft in der Schwachheit armer Menschenkinder so mächtig sei.
Fr. W. Krummacher in Potsdam.