Der Frühling des Jahres 1559 war herangekommen; Heinrich II. regierte in Frankreich, Catharina von Medicis, sein Weib, welche sich einen so großen Namen in der Hölle gemacht hat durch das Blutbad in der Bartholomäusnacht, war seine Rathgeberin. Nebenbei beherrschte ihn auch die berüchtigte Diana von Poitiers, die frühere Maitresse seines Vaters. In dieser fluchwürdigen, sittenschänderischen Zeit blühte im Stillen die reformirte Kirche auf in der lieblichsten Reinheit und dem heiligsten Ernste. Ueberall hörte man damals von Mord und Scheiterhaufen der Gläubigen; doch im Geheim versammelten sich jetzt aus allen Theilen Frankreichs Abgeordnete der Reformirten in Paris zu einer Synode, um ihr erstes Glaubensbekenntniß aufzusetzen. Um dieselbe Zeit war auch das Pariser Parlament zusammengetreten und berathschlagte über die Mittel die lutherische Ketzerei zu tilgen. Es war viel Uneinigkeit unter den Rathsherrn; manche Herzen waren schon für die evangelische Wahrheit gewonnen. Nach vielem Hin- und Herreden war die größere Anzahl dafür, sich für die Duldung auszusprechen. Da ergrimmten die Anhänger der alten Kirche, wie heut noch, wenn sie von der Duldsamkeit gegen Protestanten hören. Sie erlangten von dem Könige, daß er selbst den Sitzungen des Parlaments beiwohnte. Am 10. Juni erschien er. Es war zugleich eine Zeit der größten weltlichen Frivolität. Die Sitzung des Parlamentes mußte in einem Kloster der Augustiner abgehalten werden, weil der König den Parlamentssaal festlich schmücken ließ, um dort die Hochzeit seiner Tochter Elisabeth mit Philipp von Spanien, und seiner Schwester Margaretha mit dem Herzoge von Savoyen zu feiern. Eine Rennbahn für ein großes Turnier wurde so eben mitten in Paris eingerichtet. Wir sehen nun den König in den Saal des Parlaments eintreten, begleitet von den Guisen, welche alle die päpstliche Partei fanatisch hielten; unter ihnen der bekannte ritterliche Franz von Guise, und sein Bruder, der schlaue Cardinal von Lothringen. Der König will, daß die Rathsherrn ihre Meinung frei aussprechen. Da erhob sich einer unter ihnen und dankte Gott, daß der König gekommen sei die große Angelegenheit des Herrn Jesu Christi zu hören, welche Fürsten vor Allen zu vertheidigen hätten. Er hält nicht zurück, und spricht mit der Freiheit, welche der heilige Geist ihm eingab. „Furchtbare Frevel gegen Gott“, sagt er, „Meineid, Ehebruch, werden nicht nur geduldet; sondern man reizt dazu an durch schändliche Zügellosigkeit (diese Worte gingen nicht nur auf die Großen, sondern auf den König selbst), während man die verurtheilt, welche die Frevel von Rom aufdecken; und wahrlich es ist nicht ein leichtes Ding, diejenigen zu verdammen, welche mitten in den Flammen den Namen Jesu Christi bekennen.“ Dies war Anna du Bourg. Da steht der König tief bewegt auf, geht bei Seite, und hört den Rath der Cardinäle, verläßt das Zimmer, und giebt dem Offizier, der die Wache hatte, Grafen Mongommeri den Befehl, jenen kecken Mann und einige andere in die Bastille zu werfen. Es war das erste Mal, daß die unverletzlichen Räthe in ihrer Person gekränkt wurden. Ein neues scharfes Edict wird gegen die Reformirten erlassen; sie sollen in allen Provinzen verfolgt und ausgerottet werden, und die Richter gestraft, wenn sie nicht mit großem Ernst verfahren. Die reformirten Kirchen blieben im Gebet; der König aber schwur, er wolle mit seinen eignen Augen jenen Ketzer brennen sehen.
Wer war nun dieser treue und wahrhaftige Zeuge, den wir als einen Bruder in Christo begrüßen? Hier, was die Geschichte von ihm aufbewahrt hat. Er war eine jener höhern Naturen, welche in großen Zeiten den Ausschlag geben, wenn viele zittern und zagen. Von edler Herkunft, aus der Auvergne gebürtig, Neffe des Kanzlers von Frankreich, durch Kenntnisse und Rechtlichkeit abgezeichnet, ein berühmter Jurist, nicht ein kalter Verstandesmensch hatte er ein Gemüth, welches Zartheit und Innigkeit mit verwegenem Muth verband. Sobald die Wahrheit es verlangte, achtete er nicht mehr Ehre der Welt, Stand, Würden; die ganze Welt war ihm Staub, und Christus seine höhere Liebe. Aus seinem ganzen Wesen leuchten Bildung und höherer Sinn hervor, ein Ernst wie wir ihn in Frankreich zuweilen finden im Gegensatz zur großen Frivolität; er hatte die Versammlungen der Reformirten besucht und sich ganz dem Dienste des Herrn hingegeben, jetzt war er 38 Jahre alt. Ob ein Weib und Kinder mit Liebe und Stolz auf ihn blickten, wird uns nicht gesagt, doch tiefes und zartes Gefühl verband ihn mit vielen Gerechten. In dem Kerker wurde er hart gehalten bei Wasser und Brod, der Rohheit Preis gegeben; oft steckte man ihn in einen eisernen Käsig. Doch aus jenem düstern Orte des Jammers erhob sich eine Stimme, man hörte die Töne einer Laute, du Bourg sang die Psalmen, welche er oft in der Gemeinde der Gläubigen angestimmt hatte, und deren Melodien aus einer besseren Welt des Trostes und der Liebe herausgehört worden sind. Da mag er oft jenen lieblichen Psalm, welcher so ganz seinem Seelenzustande entsprach, gesungen haben: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott, wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue! Meine Thränen sind meine Speise Tag und Nacht, wenn man zu mir spricht, wo ist nun dein Gott? Gern möchte ich wallen mit den Vielen zum Hause des Herrn mit Frohlocken. Alle deine Welten gehen über mich; aber was betrübst du dich, meine Seele, und bist unruhig in mir? Harre auf Gott.“ (42. Psalm.)((Die Melodie dieses Psalmes wird in ganz Deutschland gesungen unter der Benennung! Freu‘ dich sehr, o meine Seele!)) Doch während er dort lag, wurde nicht weit davon in der Straße St. Antoine das berühmte Turnier gefeiert. Der König glänzte durch seine Geschicklichkeit. An einem Tage konnte er sich gar nicht vom Kampfplatz trennen, und reichte zum Schluß die Lanze dem Grafen Montgomerie, demselben, der du Bourg gefangen geführt hatte. Dieser lief bekanntlich so unglücklich gegen ihn an, daß die Lanze brach, und die Splitter tief in das Auge des Königs drangen. Er wankte, fiel, und starb nach einigen Tagen in großen Schmerzen (10. Juli). Dies war das Auge, welches den Zeugen der Wahrheit brennen sehen wollte. Er starb in dem Hause, welches für das Fest geschmückt war. Da sah man eine Paradedecke, welche die Bekehrung Pauli darstellte mit den Worten: „Saulus, warum verfolgst du mich?“
Man versuchte Vieles um du Bourg zu befreien; eine Bittschrift erging an die Königin. Andere Versuche der Befreiung wies er zurück; sein Prozeß wurde rasch betrieben, weil der Pfalzgraf Otto Abgeordnete sandte, den berühmten Juristen für Heidelberg zu gewinnen. Da gab der Cardinal von Guise Befehl, ihn schnell vor ihrer Ankunft zu richten. Die Verhöre fanden in der Bastille statt. Wir entnehmen nur einige Worte aus den Acten. Als man den Gefangenen fragte, worauf er seinen Glauben gründe, antwortete er: „Auf das reine Wort Gottes, auf die Propheten und Evangelien. Hierin steht Alles was Noth thut für unser Heil; große Lästerung ist es zu sagen, daß die Apostel uns nicht den ganzen vollen Rath Gottes offenbart haben, da sie alle Erkenntniß von Jesus Christus durch den heiligen Geist empfingen in den Sachen, die sich auf unser Heil beziehen. Die Kirche hat durchaus keine Macht, als wenn sie mit der reinen Lehre übereinstimmt. Die Kirchenversammlungen widersprechen sich untereinander; nur zwei Sacramente nehme ich an. Die Messe ist eine Verunstaltung des Abendmahls, da Christus es uns unter beiderlei Gestalt gereicht hat und gesagt: Trinket Alle aus dem Kelche, und daß die, welche zum Gedächtniß des Todes und der Leiden Christi sein Fleisch essen und sein Blut trinken, das ewige Leben empfangen werden. Hat Christus uns nun nicht sein Fleisch, sondern auch sein Blut zur Nahrung unserer Seele geben wollen, so ist es ein großer Frevel das Sacrament zu ändern.“ Wo sind Sie in die Beichte gegangen? fragte man ihn: „Ich beichte im Gebet meinem Gotte, zuletzt habe ich am Sonnabend vor Ostern das Abendmahl in der Versammlung der Gläubigen gefeiert, in derselben Form wie Christus es eingesetzt hat. Nicht aber will ich den Ort und die Stunde bezeichnen, noch wer jene sind, oder den Prediger nennen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Ja, ich würde den Gott, den ich als Zeugen anrufe, beleidigen, wenn ich es thäte, aber daß es in Paris gewesen, und zur Tageszeit, das kann ich sagen.“
Das Gericht, der Bischof von Paris an der Spitze, verdammte ihn hierauf als Ketzer. Auf seine Appellation an das Parlament wurde keine Rücksicht genommen. Die Kirche zu Paris fand er Gelegenheit wissen zu lassen: „Er fühle sich so durch Gottes Gnade gestärkt, das er seine Todesstunde mit vieler Freude erwarte.“ Sein Tod wurde bis zum 21. December verschoben. Da setzte er sein Glaubensbekenntniß im Einzelnen auf. Aus dem Eingang entnehmen wir nur folgende Worte: „Da es Gott gefallen hat, daß ich mein Zeugniß noch schriftlich aufsetzen kann, will ich, daß es meinem Prozesse beigefügt werde, damit ich danach freigesprochen oder verdammet werde. Ich erkläre euch hiemit, daß ich ein Christ bin (wie jener frühere Märtyrer, welcher den römischen Richtern nichts anders antworten wollte, als, ich bin ein Christ), und leben und sterben will um die Lehre meines treuen Gottes zu halten, seines einzigen Sohnes, unsers Erlösers und Mittlers und seines h. Geistes, der vom Vater und Sohn ausgeht. Der Mensch rein erschaffen hat den Willen und die Macht zum Guten verloren, so Gott ihm nicht wiederum Gnade giebt. Seiner Sünde wegen ist er zum ewigen Tode verdammt, Christus aber von dem Vater erwählt, ist in die Welt gesendet, ihm das ewige Leben zu bringen.“ Die Folge des Bekenntnisses verbreitet sich über das Wort Gottes, und erhebt sich gegen den Irrthum der katholischen Kirche mit ungemeiner Kraft und Klarheit.
Aber da der Herr verzog zu kommen, suchten mitleidige Freunde das zu erlangen, was seine Feinde nicht konnten. Sie bemühten sich die Seele des Märtyrers, die nicht von Stein war, wankend zu machen und ihre Liebe fand einige Augenblicke Gehör. An einem Tage, wo er schwach war, veranlaßten sie ihn, ein gemildertes Bekenntniß aufzusetzen, welches ihn sogleich gerettet haben würde. Doch sobald die reformirte Gemeinde von Paris dies erfuhr, schrieb sie an ihn und der wackre Prediger Marlorat bat ihn, bei seinem ersten herrlichen Zeugniß zu bleiben. Mehrere, sagten sie, würden abfallen, wenn sie seine Schwäche sähen; durch seinen Tod aber würden Viele zur Begeisterung angefeuert werden. Er selbst war schon durch sein Gewissen gemahnt, kehrte augenblicklich zu seinem früheren Bekenntnisse zurück, und richtete an die reformirte Kirche ein treffliches Schreiben. Jetzt fühlte er sich wieder frei und stark, in seiner rechten Atmosphäre, und freute sich mehr und mehr, als sein Ende herannahte. Er gehörte zu jenen heldenmüthigen Streitern Gottes, die sprechen können: „Ist unsere Stunde gekommen, so laßt uns ritterlich sterben um unserer Brüder willen und nicht lassen unsre Ehre zu Schanden werden.“ Endlich am 21. December, nachdem er wiederum feierlich erklärt, er wolle leben und sterben in seinem Bekenntnisse, las man ihm den Richterspruch vor, nach welchem er lebendig verbrannt werden sollte. Calvin sagte in einem Schreiben: Da habe er die Knie gebeugt und Gott gedankt, daß er ihn einer so großen Ehre würdige, für die Vertheidigung der ewigen Wahrheit zu sterben. Vier Stunden lang erwartete er freudig seinen Tod. Mehrere von seinen Richtern konnten sich nicht enthalten zu äußern: o wie glücklich ist jener, für das Evangelium zu sterben! und als man sie fragte, warum sie ihn verurtheilt? wuschen sie ihre Hände wie Pilatus und entschuldigten sich mit dem Willen des Königs. Hier das glückselige Ende dieses Zeugen. Nachdem er Gott gedankt für diesen schönen Tag, de n er so lange erwartet, bat er Ihn, seinen Richtern zu vergeben, welche ihn nach ihrem Gewissen gerichtet, nicht aber nach der Weisheit Gottes. Jetzt gab er ihnen zu verstehen, daß es der verführerische Geist der Lüge sei, Botschafter der Hölle, welcher ihn angeklagt habe, seitdem er ihn verlassen. „Auf diesen habt ihr leichtsinnig gehört, und verurtheilt die Kinder des Gottes, den wir im Geist und in der Wahrheit anbeten, vor welchem kein Ansehen der Person gilt, und außer welchem kein Heil ist. Diesem, der euch den Krieg erklärt, müßt ihr jetzt Gehör geben. Werden wir es den Menschen erlauben, unsere Erlösung und das Blut des Herrn mit Füßen zu treten? sollen wir unserm Könige nicht gehorchen, der da will, daß wir Ihn jetzt in der Zeit der Noth vertheidigen? Wie, wird die Furcht uns wankend machen, daß wir nicht verwegen, ja unüberwindlich seien? Für Gott sein heißt wahrlich nicht gegen seinen König hier auf Erden kämpfen. Meine Herren, wenn Sie Gottes Schwert führen zur Rache gegen die Uebelthäter, merken Sie wohl, ich bitte Sie, mit welchem Rechte Sie uns verdammen, welch‘ ein Nebel wir gethan, und entscheiden Sie vor Allem, ob es recht sei, Ihnen mehr, als Gott zu gehorchen? Sind Sie so bezaubert und trunken aus dem Kelche des Teufels, daß Sie lüstern sein liebliches Gift anstatt der Arznei herunter schlucken? Sind Sie es nicht, welche das arme Volk zur Sünde verleiten, da Sie es von dem rechten Dienste Gottes ablenken? Und wenn Sie auf die Achtung der Menschen mehr als auf Gott sehen, welch‘ einen Ruf erwerben Sie sich bei so vielen trefflichen Fürsten! Sie, die Sie so viele Gerechte einkerkern lassen auf Befehl Ihres rothen Phalaris? Grausamer Tyrann! daß dein unglückseliger Tod doch unsern Seufzern ein Ende gemacht hätte. Nach seinem Willen geben Sie unsere Leiber so vielen Folterqualen hin, daß Sie selbst von Mitleid ergriffen sind. Ich sehe Einige von ihnen weinen; warum weinen Sie? Wenn nicht, weil Sie Ihr Gewissen belastet fühlen, und weil Unser jammervolles Geschrei Ihre Krokodillaugen zum Mitleid Zwingt? So erfahren Sie es denn, wie Ihr Gewissen durch Gottes Gericht verfolgt wird; die Verurtheilten aber freuen sich des Scheiterhaufens, und nichts scheint ihnen gluckseliger, als der Tod in den Flammen, die Qualen erschrecken sie nicht, die Schmähungen machen sie nicht schwach, denn der Tod krönt uns mit Ruhm. Was kann ich darüber trauern, wenn ich am Galgen gehängt werde! Mit Freuden umfasse ich, o Herr, mein Gott, jenes Wort, welches du auf die Lippen eines treuen Märtyrers gelegt hast: daß zwiefach groß die Verdammniß dessen sein wird, der die Lehre des Herrn verläugnet, zwiefach seine Strafe, weil er Verräther gewesen ist an deinem Sohne, und die Menschen betrogen hat. Nein, nein, meine Herren, keiner wird uns je trennen von Christus, was uns auch für Schlingen gelegt werden, und was für Leiden wir auch an unseren Leibern dulden müssen. Wir wissen, daß wir schon längst der Schlachtbank geweiht sind, wie die Lämmer dem Opfertode; mag man uns also abtödten, mag man uns zertreten, darum werden die, welche für den Herrn sterben, nicht weniger leben; ja, wir werden mit einander auferstehen. Komme was da wolle, ich bin ein Christ, ja ich bin ein Christ; schreien werde ich es noch lauter, wenn ich nun zur Verherrlichung meines Herrn Jesu Christi sterbe; und was warte ich noch: greif zu, Henker, schleppe mich hin zum Galgen.“ Noch ein Mal fing er an mit größerer Gewalt zu reden, so daß den Richtern die Augen übergingen, und rief: „sie möchten ihn immerhin zum Tode schicken, denn er habe ja in Christus allein erkannt Gerechtigkeit, Gnade, Heiligung, Verdienst, Fürsprache, Rechtfertigung und Heil. Für die Lehre des Evangeliums will ich sterben. Höret auf mit Euren Scheiterhaufen, und kehret um zum Herrn mit büßenden Herzen, damit Eure Sünden getilgt werden. Der Arge lasse ab von seinem bösen Wege und seinen frevelnden Gedanken, und bekehre sich zu dem Herrn, so wird Er sich seiner erbarmen. Lebet denn in ihm, Ihr Richter! – und ich, ich gehe in de n Tod.“ Nun wurde er nach der Gewohnheit auf einem Karren nach dem Gröveplatz geführt, von vierhundert Soldaten begleitet, weil man die Bewegungen des Volkes fürchtete. Dort sah man, bemerkt Calvin, daß er so ruhig seine Kleider auszog, als ob es zum Schlafen ging. „Mein Gott, sprach er zum Volke, meine Freunde, ich bin nicht hier, als ein Dieb oder ein Mörder, sondern um des Evangeliums willen.“ – Als der Henker ihm den Strick um den Hals warf, äußerte er, es sei dies nicht nöthig, da er im Feuer, wie es der Gebrauch sei, verbrennen solle, doch er wurde aus besonderer Gnade zuvor erdrosselt und dann zu Asche verbrannt. Sterbend hörte man ihn noch die Worte beten: „Mein Gott, verlasse mich nicht, damit ich Dich nicht verlasse“, und der Geschichtsschreiber Mezerai bemerkt: daß der Tod dieses ausgezeichneten Mannes mehr Eindruck machte, als hundert Prediger mit ihren Reden. Es war so viel Würde, Unerschrockenheit und Adel in seinem Benehmen, daß er Bewunderer auf beiden Seiten zählte. Wo so etwas geschieht, da wird das Feuer des heiligen Geistes weithin entzündet, gleichwie Stephanus Tod einen Eindruck auf Saulus machte, dem er nicht zu widerstreben vermochte. In diesen Tagen wurde das schöne Bekenntniß der französisch-reformirten Kirche aufgesetzt, welches zwei Jahre darauf durch den Staat anerkannt werden mußte, und drei Jahrhunderte die Einheit dieser Kirche bildete und ihre Krone war. Ehre sei dem Andenken dieses Helden. Er gehört zu denen, welche die Lilien von Frankreich, jenes alte und hohe Sinnbild des Adels und der Reinheit, verstanden und verherrlichten; er konnte sich sagen: Wenn Gott also dies Gras kleidet, welches heute blüht, und morgen verdorrt, wie viel mehr wird er für dich sorgen und deine Kirche mit Reinheit und Hoheit kleiden!
Jetzt sind jene Lilien von Frankreich mit Blut befleckt, in den Staub getreten, und wer wird sie wieder pflegen? Die Kämpfer der Vorzeit sehen traurig auf die Stätte ihrer Ehre herab, und wer kann zweifeln, daß die größten Leiden über jenes Land kommen mußten, weil das unschuldige Blut so vieler Heiligen zu dem Himmel aufschreit l Der Zeugen-Geist ergriff nun auch die höheren Klassen der Gesellschaft in Frankreich. Die Huguenotten siegten. Wer zählt die, welche dort oben angethan sind mit weißen Kleidern! und wer wird dieses Kampfes würdig erfunden werden in unserer Zeit? Wer wird der erste Glaubensheld unter uns sein? Du, der du mit Gebet diese Erzählung liesest und nicht zweifelst an des Herrn Macht, der dein schwaches Herz kräftig machen kann in der Wahrheit und unbesiegbar durch seine Liebe. –
Löwen, laßt euch wiederfinden
Wie im ersten Christenthum,
Die nichts konnte überwinden;
Seht nur an ihr Märterthum,
Wie in Lieb sie glühten.
Wie sie Feuer sprühten.
Daß sich vor der Sterbelust
Selbst der Satan fürchten mußt.
(Geschrieben 1850.) P. Henry in Berlin