Wenn man die Stadt Rom durch das gen Mittag gelegene Thor von San Sebastiano verläßt, so betritt man bald die mächtigen Pflastersteine der Appischen Straße. Vor mehr als zweitausend Jahren gebaut, führte sie einst den Apostel Paulus von Puteoli her über Forum Appii und Tres Tabernae (Apg. 28, 13. 15.) dem kaiserlichen Gerichtshofe zu. Denselben Weg rückwärts mögen die heiligen Pergamente gegangen sein, auf welche die Hand des Gebundenen in Christo frisch niedergeschrieben hatte, was ihn der Geist Gottes den Ephesern, Philippern und Kolossern zu sagen trieb. Diese jetzt uralte Straße wird auch die Gräberstraße genannt. Denn die heidnischen Römer schmückten sie mit zahlreichen Denkmälern ihrer Verstorbenen. Schritt für Schritt fand sie der Wandrer an der Heerstraße des irdischen Lebens, benachbart und doch vereinzelt. So forderte es die heidnische Sitte. Der Einzelne oder die Familie bestattete den Einzelnen und die Familie. Keine kirchliche Gemeinschaft versammelte die Leiber der Todten, welchen auch im Leben nur der Staat und das Haus, nicht die Religion, zu einem Bande gesellschaftlicher Gliederung geworden war. Aber verborgen im Schoße der Erde, tief unter dem marmornen Pompe der Herren dieser Welt, baute sich eine Kirche derer, welche sprachen: „Als die Sterbenden, und siehe, wir leben.“ (2 Kor. 6, 9.)
Die Römer hatten schon früh angefangen, unterhalb der Ackerkruste und des Weidegrases dem Sande nachzugraben, welcher ihren Bauten die bewunderte Festigkeit gibt. Noch heut stehen die Mauern Aurelians. Solcher Sandgruben, Arenen oder Katakomben genannt, zogen sich namentlich viele unter der Appischen Straße hin. Hier bargen sich von Zeit zu Zeit die verfolgten Christen, als die Kaiser gegen sie zu wüthen anfingen. Auch die Leichen derer, welche ihr Bekenntniß zum Erlöser triumphierend mit dem Tode besiegelt hatten, wurden heimlich von den Ihrigen in diese dunklen Schlupfwinkel gebracht, damit ihre Nähe das Andenken und ihr Andenken den Glauben der Betenden lebendig erhalte. Um sie versammelte man bald die stiller gestorbenen Brüder; denn der Eine Glaube an den Einen Herrn verband sie zu Einer Gemeinschaft der Heiligen. Auch wenn die gedrückte Christenheit einmal für einige Jahre aufathmen konnte, suchte sie gern diese geweihten Stätten, und erweiterte sie dann durch regelmäßigere und höhere Gänge. Solche Arbeit ließ namentlich der Bischof Calixtus oder Callistus ums Jahr 222 verrichten. Mit ernster Rührung wandelt man noch jetzt Stunden weit zwischen Gebeinen und Grabsteinen durch die unterirdischen Stockwerke, Gänge und Capellen des Coemeterium des Callistus.
Zwar nicht der Genannte selbst, aber viele seiner Nachfolger sind hier beigesetzt. Unter ihnen Fabianus.
Nachdem die Bischöfe Pontianus sechs Jahre und Anteros einen Monat lang der römischen Kirche vorgestanden und unter Maximin dem Thracier i. J. 236 den Märtyrertod erlitten hatten, versammelte sich die Gemeine, um sich einen neuen Hirten zu wählen. Nun war mit Andern auch ein Mann, Namens Fabianus, vom Lande in die Stadt gezogen, welcher sich bisher durch nichts bekannt gemacht hatte, als durch die fromme Liebe, mit welcher er für Bestattung der gestorbenen Gläubigen Sorge zu tragen pflegte. Er wohnte der Bischofswahl bei. Niemand dachte an ihn. Man nannte diesen oder jenen ausgezeichneten Mann. Da wurde durch einen äußeren Vorfall – die Sage erzählt, es habe sich ihm eine Taube auf das Haupt gesetzt – plötzlich die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Fabianus gelenkt. Das ganze Volk rief einmüthig, der heilige Geist selbst habe ihn zum Bischof bestimmt; führte ihn vor den Bischofsstuhl, und setzte ihn darauf.
Vierzehn Jahre lang konnte Fabianus des ihm anvertrauten Amtes warten. Nur Anfang und Ende desselben fiel in schwierige und gefährliche Zeiten, während die dazwischen liegende Regierung des Kaiser Gordianus den Christen Ruhe, die des Philippus aus Arabien sogar Gunst gewährte. Letzteres war eine um so gnädigere Fügung Gottes, da in dieser Zeit die tausendjährige Jubelfeier der Gründung Roms mit verschwenderischen Spielen und Thiergefechten begangen wurde, welche sicherlich den Christen in der Stadt verderblich geworden wäre, wenn der Kaiser feindselige Gesinnungen gegen sie gehegt hätte. Schon sehr früh kam daher in der Kirche die wohlwollende Meinung auf, Philippus sei mit seinem jungen Sohne von Fabianus getauft worden. Soviel steht fest, daß dieser Kaiser ebenso wie seine Gemahlin Severa von dem berühmten morgenländischen Kirchenlehrer Origenes Briefe empfangen hat. Auch an den Fabianus schrieb dieser ausgezeichnete Mann, um sich gegen gewisse Vorwürfe zu vertheidigen, welche die Reinheit seiner Kirchenlehre angriffen.
Die von fern her dem Fabianus erwiesene Ehre war durch seine kirchliche Sorgfalt um die Nähe eine wohlverdiente. Er trachtete auf mancherlei Weise der Gemeine förderlich zu sein. Wie er schon früher den christlichen Begräbnissen seine Hand geboten hatte, so benutzte er jetzt den Frieden, dessen die Kirche genoß, um den von Calixt angelegten Kirchhof in den Katakomben geräumiger zu machen. Manch bescheidenes aber vom Herrn selbst geheiligtes Kämmerleinskirchlein wölbte sich über den Gräbern der Blutzeugen. Unter den Lebenden waren es besonders die Armen, deren er sich annahm. Seit alter Zeit her herrschte die Gewohnheit, nach dem Vorbilde der ersten Gemeine zu Jerusalem auch in Rom gerade sieben Diakonen anzustellen. Diese hatten neben ihrem ursprünglichen Geschäfte der Armenpflege nach und nach andere Obliegenheiten überkommen, wodurch jenes fast verdrängt wurde, oder doch aufhörte, Hauptzweck zu sein. Schon im vorhergehenden Jahrhundert soll ihnen als „den sieben Augen des Einen Steines,“ (Zach. 3,9.) eine gewisse Begleitung und Beaufsichtigung der bischöflichen Predigt zugewiesen worden sein. Fabianus hob ihre eigentliche Bestimmung wieder mehr hervor. Von den vierzehn Stadtbezirken Roms wies er ihnen je zwei zu, damit sie sich der Armen einzeln und regelmäßig annehmen könnten. Ferner brachte er eins der niederen Kirchenämter in eine festere Ordnung, nämlich das der Notarii. Diese waren die Schreiber der Kirche, welche unter Anderm auch die letzten Reden und Leiden der Märtyrer aufzuzeichnen hatten. Es mögen auch Schnellschreiber unter ihnen gewesen sein. Fabianus wies sie den sieben Unterdiakonen zur Beaufsichtigung zu. Freilich hat es Gott nicht gefallen, viel von dem, was sie als Augen- und Ohrenzeugen niedergeschrieben haben, auf uns kommen zu lassen. Denn in der letzten und erbittertsten Verfolgung, der des Diocletian, wurden ihre Schriften nebst vielen anderen, und zwar gerade jene mit vorzüglichem Eifer, den vom Christenhaß entzündeten Flammen übergeben.
Als nicht unwahrscheinlich mag erwähnt werden, daß Fabianus einige Missionare nach Gallien schickte. Aber sicherer als diese seine Thätigkeit zur Verbreitung der christlichen Lehre kennt die Geschichte seine Theilnahme an einer Vertheidigung ihrer Reinheit. In dieser Beziehung finden wir seinen Namen unter den Urhebern eines strengen Richterspruches. Ein Mann, Namens Privatus, trug Sätze vor, welche dem Evangelium von Christo Abbruch thaten, und machte sich auch andrer Fehltritte schuldig. Eine Versammlung von neunzig Bischöfen auf dem Lambesitanischen Concil, unter ihnen Fabianus, stieß ihn aus der Kirchengemeinschaft.
Wie wenig jedoch des Fabianus Mitwirken bei diesem Schritte der Zucht aus einem priesterlichen Wohlgefallen an gesetzlicher Strenge und Buchstäblichkeit hervorging, bewies er bei einer andern Gelegenheit. Ein gewisser Novatianus war in einer schweren Krankheit zum entschiedenen Glauben gekommen. Dem Tode nahe, ließ er sich taufen. Wider Erwarten genas er. Bald zeichnete er sich ebenso durch heiligen Wandel wie durch klare Erkenntniß aus. Dazu kam eine schöne Gabe, diese Erkenntniß auf gewinnende Weise mitzutheilen. Fabianus wünschte ihn daher zum Presbyter zu weihen. Jedoch ein im Allgemeinen nicht unweises Kirchengesetz stand entgegen. Die Synode zu Laodicea hatte verordnet, daß kein Clinicus d. H. auf dem Krankenbette Getaufter die Ordination empfangen dürfe. Die Kirche sollte dadurch vor solchen Hirten bewahrt bleiben, welche in übereiltem, unreifem Glauben, vielleicht sogar nur aus Todesfurcht, Christen geworden waren. Die römische Geistlichkeit, dem Novatianus abhold, berief sich auf den Wortlaut dieses Gesetzes. Jedoch Fabianus handelte nach dem Geiste desselben. Er wußte, daß Novatianus in wahrer Buße zum lebendigen Glauben an die Versöhnung durch den Sohn Gottes gekommen sei. Daher gab er ihm die Weihe.
Endlich nahte die Zeit, in welcher auch Fabianus mit seinen Blute den Weinberg tränken sollte, welchen sein treuer Fleiß im Auftrage des Herrn bebaut hatte. Denn der heilige Gott sah, daß viele Christen im äußeren Frieden fleischlich sicher wurden. Ihr erschlaffter Glaube bedurfte einer schmerzlich scharfen Erweckung. So hat der Bischof Cyprian von Karthago selbst seine Zeit verklagt. Der Haß und Zorn der Heiden begleitete das ruhige Wachsthum der Kirche mit steigender Bitterkeit. Tempel und Altäre der Götter wurden verlassen, das Ansehen der Priester sank. War es doch schon so weit gekommen, daß in Asien die siegesfrohen Christen an Heiligthümer der Götzen ihre zerstörende Hand legen konnten. Die seit Jahren im Stillen gährende Wuth brach zuerst in Aegypten los. Ein heidnischer Mann, der sich mit Zauberei und Wahrsagerei abgab, wiegelte das Volk von Alexandrien gegen die Christen auf. Als aber Kaiser Philippus im Jahre 249 gegen seinen empörerischen Feldherrn Decius gefallen war, und dieser den Thron bestiegen hatte, mußten dem neuen Herrscher alle Freunde und dankbaren Schützlinge seines Vorgängers, unter ihnen vornehmlich die Christen, verdächtig und verhaßt sein. Es erschien im Jahre 250 eine kaiserliche Verordnung, welche überallhin Entsetzen verbreitete und ein allgemeines Wehklagen der Christenheit hervorrief. Die Religion der Verfolgten sollte ganz unterdrückt werden. Eine strenge Untersuchung aller des Christenthums Verdächtigen wurde befohlen. Wer sich weigerte, die abgöttischen Ceremonien der römischen Staatsreligion zu verrichten, sollte durch Drohungen und endlich durch Martern zum Nachgeben gezwungen werden. Besonders haßte Decius die Bischöfe. Gegen diese wurde das härteste Verfahren vorgeschrieben. Nun begann der Abfall der Schwachen, die Grausamkeit wider die Standhaften. Man wendete den quälenden Block und die Schauer der feuchten Kerkerfinsterniß an. Hunger und rastlose Bergwerkarbeit, Flammen und ungelöschter Kalk, Wasser und Abgründe, Waffen und wilde Thiere wütheten gegen die Glieder des Leibes Christi, die treuen Bekenner. Es gab auch zu Rom etliche, die sich von dem Haupte lossagten, indem sie das Capitol oder den Palatinischen Hügel erstiegen, um auf die Altäre der Götter und Kaiser Weihrauch zu streuen. Fabianus wankte nicht. Er wurde ergriffen und enthauptet. Die Christen begruben seine Leiche in den nach Calixt genannten Grabhöhlen an der Appischen Straße. Die römische Geistlichkeit berichtete über den Glaubenssieg ihres Bischofs an viele seiner Brüder, unter anderen an den schon genannten Cyprian, der ihnen darüber Dank und Lob sagt. Mehrere Monate lang blieb unter den Stürmen, die der Feind erregte, der erledigte Bischofsstuhl unbesetzt. Aber das Beispiel des Fabianus wirkte ermunternd, wie das seiner Vorgänger. Die römische Kirche zählte damals weniger Abfällige zum Heidenthum, als manche ihrer Schwestern. Sie hat dies zum Theil dem Fabianus zu verdanken.
Sein Nachfolger Cornelius durfte i. J. 252 unter Gallus, Sixtus II. i. J. 258 unter Valerian den Tod der Zeugen sterben. Sie wurden in der Nähe des Fabianus bestattet.