Elisabeth, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg.

Elisabeth, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg.

geb. 1510. gest. 1559.

Joachim I. war noch ein Jüngling von 16 Jahren, als er im Jahre 1499 Kurfürst von Brandenburg wur-de. Nach Geist und Körper ausgezeichnet, gelehrt wie nicht leicht ein Fürstensohn, den Künstlern hold, mit den ersten Männern seiner Zeit in geistigem Verkehre, der lateinischen, französischen und italienischen Sprache mächtig, ein Freund der Heilkunde, in der Geschichte und Sternfunde wohl er-fahren, dem Kaiser und Papste unwandelbar treu anhängend war er ein ebenso gefährlicher als ent-schiedener Gegner der Reformation. Es verdross ihn, dass das Wittenberger Mönchlein ins Innerste des Glaubens gehende Neuerungen machte, während er selber durch eine Kirchenversammlung den auch von ihm erkannten tiefen äußeren kirchlichen Schäden abgeholfen sehen wollte. So verbot er die Lutherische Bibelübersetzung und legte evangelische Prediger in Ketten.

Seine treffliche Gemahlin, Elisabeth, eine dänische Königstochter gebar ihm zwei Söhne und drei Töchter. Elisabeth, die jüngste, im Jahre 1510 geboren, verband sich 1525 mit Herzog Erich dem Älte-ren von Calenberg-Göttingen. Erich war ein hochgesinnter tapferer Kriegsmann von Jugend auf, hatte als Jüngling das heilige Grab besucht, gegen die Osmanen gekämpft und mit dem Kaiser Maximilian einen Freundschaftsbund auf Tod und Leben geschlossen. Er verstand die neue Zeit so wenig als sein Kaiser und Freund, in dessen Burg zu Wien er häufiger war als auf seinen Schlössern zu Münden und Neustadt. Doch war er der ritterliche Mann, welcher Luthern (1521), als er zu Worms vor Kaiser und Reich gestanden, eine silberne Kanne mit Einbecker Bier zur Erquickung bringen ließ, und dem Luther nach getanem Trunke wünschte: „Wie heute Herzog Erich meiner gedacht, also gedenke seiner unser Herr Christus in seinem letzten Kampf.“ Im Jahre 1497 hatte er sich erstmals vermählt mit Katharina, der Witwe des Erzherzogs Sigismund von Österreich, die 1524 starb. Schon 55 Jahre alt, aber kindlich an Geist und jugendfrisch an Körper, führte er im Juli 1525 die fünfzehnjährige Markgräfin von Bran-denburg heim. Die heitere, junge Fürstin nahm sich alsbald mit seltener Besonnenheit des fürstlichen Haushalts und selbst eines Teils der Regierungsgeschäfte mit sicherer Hand an, denn das umständli-che Amtsleben war dem alten lebensfrischen Degen, der kurz zu reden und derb dreinzuschlagen gewohnt war, im Grunde der Seele zuwider. So übergab er die Geschäfte gerne der klugen Frau, machte sie zur alleinigen Mitwisserin seiner geheimen Sorgen, klagte ihr seine Schulden, verschwieg ihr überhaupt nichts, schrieb ihr unter Anderem durch einen reitenden Boten den Sieg über die Wie-dertäufer zu Münster, sann, selbst wenn körperliche Schwäche ihn plagte, heimlich auf eine kleine Freude, die er der züchtigen Hausfrau bereiten könnte, sei’s mit schöner Leinwand, sei’s mit einem Seidengewande, sei’s mit dreißig Kronen zu Neujahr, die er vom Feldlager aus mit freundlichem Dan-ke entgegenzunehmen bittet.

Die kränkelnde Elisabeth erkannte auch mit warmem Danke die zärtliche Fürsorge des Fürsten, der sich bereit erklärte, Tag und Nacht zu reiten, um, falls ihr Unwohlsein nicht gehoben werde, ihr in Treuen beizustehen. Sie bittet ihn, in der Nähe zu bleiben, ihr einige Erquickung mit Pomeranzen und Feldhühnern zu senden, und schreibt mit zitternder Hand an das Ende des in die Feder gesagten Brie-fes: „Lieber Herr, seid zufrieden mit unserer Krankheit; es ist Gottes Will und ist besser auf den Leib gelegt als auf die Seele. Wenn Gottes Wille bei uns wäre, so ist’s Alles gut! Gott sei Dank, dass ich mit Geduld solches freiwillig annehmen und leiden mag; es wird nach diesem bösen Leben aber gut wer-den der ewigen Seligkeit; dazu helf mir Gott, Amen!“

So war ihr Sinn zu Gott gestellt und in solchem Sinne war sie die umsichtige, sorgsame Hausfrau und Landesmutter. Eine Menge von untergeordneten Geschäften im Haushalt erledigte sie selbst. Die höchste Ordnung beobachtete sie in ihren Ausgaben; jeder Gesindelohn, jeder Ankauf, jedes unge-wöhnliche Geschenk verzeichnete sie in ihrem Hausbuche. Da lesen wir, wie Mägde zu drei, vier, sie-ben Gulden angenommen werden; da ergehen nach Frankfurt, Antwerpen, Augsburg, Berlin ihre Aufträge für Tuch, Gewürz und Geschirr. Gleichzeitig versäumte sie nicht, nach der Sitte jener Tage die freie Zeit sich mit feinen Stickereien zu kürzen, wozu sie bei ihren Freundinnen um Übersendung „etli-cher Muster“ anhält. In allen ihren Briefen zeigt sich die hochgebildete Frau, die mit leichtem, schar-fem Auge Verhältnisse zu durchschauen und zu ordnen versteht.

Kein Wunder, dass der alternde Erich die Landessorgen ihr ganz überließ. Sie verspricht auch, die Steuer des Landes mit dem Amtmann zu ordnen, sei sie schon schwach, so wolle sie sich doch beflei-ßigen, dass Seine Liebden sehen möge, wie gut sie es meine. Andere Fürsten wandten sich gerne an sie, und der Landgraf Philipp von Hessen bat sie unter Anderem auch um gütige Vermittlung zwi-schen dem Herzog und den wegen verweigerter freier Ausübung des evangelischen Glaubens aufrüh-rerisch gewordenen Bürgern der Stadt Hannover.

In dieser Stadt nämlich hatte seit 1524 die lutherische Lehre gewaltigen Anhang unter den freien Bür-gern und ebenso gewaltigen Widerstand bei Rat und Geistlichkeit gefunden. Jeder, bei dem ein deut-sches oder lateinisches Buch von Luther gefunden wurde, verfiel in schwere Geldbuße oder Verban-nung aus der Stadt. Dafür machte sich des Volkes Unwille in Spott und Gewalttat Luft. Nicht ohne Gefahr legte der Herzog. persönlich den Unfrieden bei, indem er fromme gottesfürchtige Prediger, das Lesen der heiligen Schrift und Singen deutscher Psalmen gestattete, doch so, dass in der äußerli-chen Ordnung der Kirche nichts gestört werde. Als aber auch diese Bewilligungen nicht treu gehalten, noch viel weniger das Abendmahl in beiderlei Gestalt, die Taufe in deutscher Sprache und der Ehe-stand der Geistlichen zugestanden wurde, kam es zu argem Aufruhr; der Rat musste abdanken, die Pfaffen mussten fliehen und kaum wurde das entzügelte Volk, das schon alle Obrigkeit, Steuer und Abgabe hinter sich, das gemeinsame Teilen der Güter vor sich glaubte, durch einen neu gewählten Rat gebändigt. Gegen Erichs Zorn, der die Zufuhr abschnitt, schützte Herzog Ernst von Lüneburg, Luthers Freund, die Stadt; derselbe empfahl ihr auch wie der Stadt Braunschweig die Kirchenordnung seines Generalsuperintendenten Urban Regius, so wie den Eintritt in den schmalkaldischen Bund (1534). Am meisten suchte aber Elisabeth den über die vermaledeite Sektiererei ergrimmten Fürsten zu be-sänftigen, wie sie schon früher immer so gern ihre milde Fürsprache für die Unterdrückten einlegte.

Als ihm in der Nacht nach Laurentius, 10. August 1528, ein eilender Bote die freudige Meldung tat, es sei ein junger Landesfürst geboren, hieß er voll Jubel dem Neugebornen zu Ehren das begonnene Schloss in der Nähe Erichsburg, ritt spornstreichs gen Münden, fand Mutter und Knäblein in Gottes Hut und schickte ansehnliche Botschaft an König Ferdinand nach Böhmen, ihn zum Paten zu laden. Noch war der festliche Tag nicht erschienen, als Elisabeth, dem Zuge ihres Herzens folgend, etlichen Gefangenen vom Herzog die Freiheit erbat. Unter diesen befand sich ein Geistlicher, Georg Stenne-berg, der, weil er zu Ellierode das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gereicht hatte, in der Nacht auf-gegriffen und 21 Wochen lang ins Verließ geworfen worden war. Erich willfahrte den Bitten und gab zugleich alle Gefangenen im Fürstentum frei.

Indessen war durch König Christian II. von Dänemark, welcher Krone und Reich aufgebend nach Ber-lin flüchtete, die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg mit dem lutherischen Glauben bekannt ge-worden. Aus Furcht vor ihrem Gemahl nahm sie nur heimlich das heilige Abendmahl in beiderlei Ge-stalt. Als es dennoch und zwar durch die Tochter Elisabeth ihm verraten wurde, kannte er in seinem Zorn keine Grenzen mehr und wollte sie allen Ernstes lebendig einmauern lassen. Unterstützt von ihrem Bruder Christian floh sie, nur von einer Kammer-Magd und einem Edelmann begleitet, auf ei-nem gedungenen Bauernwagen zu ihrem Oheim, Kurfürst Johann von Sachsen, den 24. März 1528. Dieser räumte ihr das Schloss Lichtenberg ein und da lebte sie in tiefster Abgeschiedenheit, nur mit Gebet und Lesen der Schrift beschäftigt, in brieflichem Verkehre mit Luther, in dessen Haus sie einst drei Monate zugebracht, um sich im Worte Gottes unterrichten zu lassen. Joachim I. betrachtete sie ohne irgend ein Zeichen des Schmerzens als für ihn tot und blieb auf dem Augsburger Reichstage 1530 und zu Regensburg 1532 der erbittertste Todfeind der Protestanten, gegen die er dem Kaiser ohne Weiteres die Waffen zu ergreifen riet. Doch erlaubte er seinen Kindern je und je einen Besuch bei der Mutter, wie denn unsre Elisabeth noch 1534 bei ihr war, und sich beim Kurfürsten von Sach-sen über Luthers heftige Sprache gegen ihren Oheim, den Kardinal Albrecht von Mainz beschwerte. Joachim I. starb 1535, nachdem vorher seine Söhne ihm schriftlich ihr festes Beharren am katholi-schen Glauben hatten versprechen müssen. Erst 1546 konnte die Kurfürstin Elisabeth nach Branden-burg heimkehren, um in stiller Einsamkeit zu Spandau kummervoll zu leben. Die Tochter Elisabeth übrigens versäumte ihre kindliche Liebe nicht und bat bei Joachim II. um Erleichterung der kümmerli-chen Lage ihrer Mutter, die 1555 starb.

Joachim II., streng katholisch erzogen, war doch zu geistvoll und zu sehr ergriffen durch den Übertritt seiner Mutter, als dass er nicht durch Lesen und Nachdenken sich ein eigenes Urteil hätte schaffen und sofort die Beweggründe seiner Mutter begreifen sollen. Nach seinem Regierungsantritte wurde er vom Landgrafen Philipp von Hessen aufgefordert, von der Erkenntnis und Ehre Gottes sich nicht ab-wendig machen zu lassen durch kaiserliche Huld, und so ließ er es wenigstens geschehen, dass hin und her in seinem Lande evangelische Prediger aufkamen. Schon 1538 trat sein Bruder, Markgraf Johann von Küstrin zu Wittenberg dem lutherischen Glauben bei. Am 1. Nov. 1539 empfing nun auch der Kurfürst mit seiner Familie, dem Hofe und dem Landadel aus den Händen des Mathias von Jagom, Bischofs von Brandenburg im Dom zu Cöln an der Spree das Abendmahl unter beiderlei Ge-stalt.

Im Gemüte unserer Elisabeth hatte gewiss von ihrer geliebten Mutter her das Licht des Evangeliums zu dämmern begonnen, die Städte Hannover, Göttingen und Braunschweig hatten den Scheffel vom Leuchter hinweggetan, ein Besuch ihres eben übergetretenen Bruders Johann scheint das Letzte zu ihrem Entschlusse getan zu haben. Am Sonntag Judica 1538 ließ sie sich mit einigen ihrer Jungfern und Mägden durch Konrad Brecht, Pfarrherrn zu Groß-Schnehen das Abendmahl nach lutherischer Weise reichen.

Erich lag gerade im Felde, er wurde wohl „stutzig“, aber er zürnte nicht, als er bei seiner Heimkehr das Geschehene erfuhr. Er war müde und alt, traute seiner Gemahlin das Beste zu, blieb zwar seinem Kaiser und seiner Kirche treu, fand aber nunmehr eine gewaltsame Bekämpfung der neuen Lehre weder vor Gott noch Menschen angenehm. Elisabeth erbat sich vom Landgrafen Philipp von Hessen den Antonius Corvinus, Pfarrherrn zu Witzenhausen, um von demselben Nachtmahl und weitern Unterricht zu empfangen in der Wahrheit, die sie nimmermehr verleugnen werde, ob sie sich auch auf Verfolgung gefasst mache, in der übrigens Gott ihr Helfer und der Landgraf ihr Berater sein werde.

Eben war Erich reisefertig unter das Schlosstor getreten, als man ihm die Ankunft des „Ketzers“ von Witzenhausen meldete. „Weil uns die Frau in unserm Glauben nicht hindert, so wollen wir auch sie in ihrem Glauben ungehindert und unbetrübt lassen.“ Mit diesen Worten bestieg der alte Herr sein Ross, das ihn zum Reichstag nach Hagenau im Elsass tragen sollte. Hatte nun Elisabeth früher mit ganzer Seele dem Glauben des Vaters angehangen, so umfasste sie jetzt mit der nämlichen Innigkeit die von Corvinus ihr ausgelegte Schrift. Nur sah sie die Aufgabe ihres Lebens aufs Bestimmteste darin, dass sie das Werk der Reformation auf dem Wege freundlicher Beratung fördere. Damit wusste die an Liebe zu Gott und Menschen reiche Frau ihre Pflichten gegen den Gatten und die mit ihm erzeugten vier Kinder aufs Beste zu vereinigen. Der Landgraf von Hessen und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen standen ihr treu zur Seite.

Am 26. Juli 1540 ereilte den siebzigjährigen Erich der Tod zu Hagenau. In seinem Vermächtnisse hatte er Elisabeth, den Landgrafen Philipp und den erprobten Kanzler Jakob Reinhard als Vormünder des jungen Erich II. bezeichnet. Aber nun wollte Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel als nächster Anverwandter die Vormundschaft an sich reißen. Durch diesen eigensinnigen, unsteten Mann, diesen grimmigen Anhänger des Papsttums würde das in der Stille begonnene Werk der Re-formation zertrümmert worden sein, so beschloss Elisabeth, ermutigt durch ihre protestantischen Freunde, dem Ungestüm Heinrichs mit weiblicher Sanftmut zu begegnen und seinen Drohungen ihr gutes Recht entgegenzusehen. Es kam ihr freilich darob eine schwere Zeit.

Vor Allem erdrückten sie fast die Schulden, in die ihr gutmütiger ritterlicher Gemahl sich verstrickt hatte. Als Elisabeth durch weise Sparsamkeit, die manchem Junker ungelegen kam, den Haushalt zu heben sich befliss, da drängten die verbrieften Forderungen auf Befriedigung. Alle weibliche Würde und Milde musste sie zusammennehmen, um die Stürme zu beschwichtigen. Selbst die Leiche ihres Gatten aus der Herberge im fernen Hagenau zu lösen war unmöglich, bis durch eine neue Steuer jeder Untertan zur Zahlung des sechzehnten Pfennigs seines Vermögens angehalten war, wodurch das Landvolk zur Verzweiflung die Bürger selbst zu den Waffen getrieben wurden und Elisabeth fliehen musste. Erst im September 1541 wurde die Leiche ihres Herrn nach Münden gebracht. Aber die kläg-lichsten Verlegenheiten nahmen noch lange kein Ende.

Inmitten dieser mannigfachen Sorgen verlor Elisabeth den Gegenstand ihres tätigsten Strebens, die Begründung der evangelischen Lehre in ihrem Lande keinen Augenblick aus dem Auge. Der größere Teil der Städte teilte ihre Gesinnungen, der Landadel war gewonnen, Klosterleute und Prälaten muss-ten mit Behutsamkeit der neuen Lehre entgegengeführt werden. Melanchthon war voll Freude und Lob darüber und versprach, für die Fürstin eine eigene Schrift „über die christliche Witwe“ abzufas-sen. Corvinus gab öffentliches Zeugnis, mit welch evangelischem Gemüte und höchstem Fleiße sie ihre Kinder, Hofgesinde und Untertanen ohne Unterlass zur Gottseligkeit beredet habe. Melanchthon schreibt an seinen Freund, Burkard Mithob, den Amtsgenossen des Corvinus in Münden: „Es werden etliche Königinnen der Kirche Näherin und Säugammen sein, unter welche auch billig gezählt wird die fürtreffliche Heldin Fürstin Elisabeth von Braunschweig. Es ist aber ein gar lieblicher Name einer Am-men, welche der mütterlichen Liebe am nächsten ist, und wird durch dies Wörtlein Amme und mit Milch speisen eine liebliche, holdselige Regierung bedeutet, wie diese Fürstin ihre Kirche aus mütterli-chem Herzen sanft und lieblich mit dem Evangelio speiset, mehret und regieret. Das sind wahrhaft fürstliche und Gott wohlgefällige Werke.“ Ein Landeskind von ihr, der Magister Just Waldhausen, ward von Luther der gnädigen Frau aufs Angelegentlichste als ein feiner, gelehrter, frommer Mensch zu Dienst Gottes in der Stadt Hameln empfohlen.

Um dem, mit leiser, aber sicherer Hand begründeten Gebäude einen festen Halt zu geben, ließ Elisa-beth durch Corvin und seine Freunde 1542 die treffliche mündensche Kirchenordnung ausarbeiten, deren erste Ausgabe das Bildnis der Fürstin mit ihrem Wahlspruche: „Alles in Ehren kann Niemand verkehren“ ziert. Elisabeth sagt darin ausdrücklich, ob sie wohl wisse, worin das wahre Christentum bestehe, habe sie doch um der Schwachen willen viele Zeremonien beibehalten; die lateinischen Ge-sänge nur mit vielen deutschen Liedern untermischt, das Messgewand und die Lichter beim heiligen Abendmahl nicht verstoßen und die üblichen Fasttage noch gelten lassen. Wer das Fasten noch halte, werde hoffentlich von dem, der es schwinden lasse, keinen Verdruss erdulden. So spricht sich überall mehr der mütterliche Rat der Frau als das Gebot der Landesfürstin aus. Sie selbst besuchte Kirchen und Klöster des Landes, einzelnen Klosterleuten, die sich jeder Neuerung mit Starrsinn widersetzten, gebot sie 1543 ihre Glaubensbücher ohne Verzug nach Münden zu übersenden, damit sie die schädli-chen ausscheide, solche aber, die zu einem gottseligen Wandel und Haltung fürstlicher Ordnung dien-ten, zurückschicke. Neben diesen Kirchen-Visitationen ordnete sie alle zwei Jahre zwei Kirchentage, im Frühling und Herbste, an, wozu sie den armen Predigern die Kosten vergütete und im Schlosse das Essen reichen ließ.

Im Jahre 1545 erließ sie folgenden christlichen Sendbrief an ihre Untertanen: „In diesen schweren Läufen sorgen wir für euch ohne Unterlass wie eine getreue Mutter. Es lässt sich ansehen, als wolle Gott Deutschland mit einem schweren Kriege heimsuchen, wenn man da Gott nicht zum Freunde, sondern wider sich hat, da helfen weder Festung, noch Mauern, noch einige Rüstung. Deshalb müs-sen wir uns zur Buße und Besserung wenden, und wollt ihr, ob wir wohl ein schwach Werkzeug Gottes und Weibsbild sind, meine Ermahnung nicht verachten. – Wir können wohl erkennen,“ so redet sie die kleinen Städte und die Bauerschaft an, „dass euch die Bürde, so ihr traget, schwer genug wird. Es wird’s auch Gott richten an jenem Tage und Zeugnis geben, wie wir allezeit ein mütterliches Mitleid mit euch getragen und, wollte Gott, es stünde unseres freundlich lieben Sohnes Gelegenheit also, dass man euch gar nicht beschweren dürfte. Denn so ihr verderben werdet, so wird unser lieber Sohn, euer Landesherr, auch verderben.“

Es war ein schwer Regiment, durch den leidenschaftlichen Heinrich von Braunschweig fortwährend verbittert und gestört; mit Tränen hatte Elisabeth die Vormundschaft angetreten, nur der Glaube ließ sie nicht unter der Last der verwickelten Geschäfte erliegen, welche von den Landständen der schwa-chen Frau eher mutwillig erschwert als erleichtert wurden. Als durch plötzliche Todesfälle im Schlosse zu Münden die Furcht vor einer pestartigen Krankheit sich erhob und Elisabeth, nachdem sie ihre Kinder geflüchtet, mutig im Schlosse blieb, schrieb sie an den Landgrafen von Hessen: „Es sollen E. L. in ganzer Wahrheit glauben, dass wir mannigfache Trübsal und Anfechtung erdulden, und wenn wir uns nicht mit Gottes Wort und sonderlich dem Spruche Tobiä: „Weil du Gott lieb warst, so musste es so sein“ trösteten, so möchte es uns allzu schwer werden. Weil aber der Herr nur den züchtigt, den er lieb hat, so wollen wir ihn anrufen, dass er uns gnädiglich Geduld schenke.“

Der junge Erich war bei seines Vaters Tode 12 Jahre alt. Seitdem leitete Elisabeth dessen Erziehung. Sie sorgte nicht bloß für einen erfahrenen Hofmeister und Lehrer, sondern in mütterlicher Treue wachte und betete sie für den Sohn, auf dem ihre und des Landes Hoffnung stand. Er sollte ein frommer, Gott und seine fürstliche Ehre liebender Landesherr werden. Die noch jugendliche Elisabeth war durch ihre Erfahrungen frühe gereift und beurteilte mit weiblichem Scharfblicke Menschen und Verhältnisse. Sie hatte gelernt, durch Liebe die Menschen zu gewinnen und zu fesseln, dieses Weges sollte sich auch ihr Sohn bedienen und um Alles nicht dem gegen Gott und Menschen trotzenden Heinrich nachstreben. Mit Freudigkeit gedachte sie des Gelingens, mit dem ihr Gott das bisherige Re-formationswerk gekrönt, nicht ihren Mühen, dem Herrn verdankte sie es und auf ihn warf sie auch die Erziehung ihres Sohnes.

Im Jahr 1545 schrieb sie mit eigener Hand für denselben eine christliche Unterweisung nieder, welche ganz in ihr großes Herz hineinblicken lässt.

„Ich schreibe dieses nieder,“ sagt sie am Eingange, „um dich zu erinnern, dein Vertrauen nicht auf Menschen zu setzen, sondern allein auf Gott dich zu stützen und seine Gebote zu halten; denn wenn du Gottes Wort fürchtest, so wird er dir gnädiglich beistehen. Solches merke mit Fleiß und bedenke, dass ich es dir, als meinem lieben Kinde, sage, das ich vor ewigem und zeitlichem Verderben behütet sehen möchte. Deshalb hab ich mit eigner Hand dies Büchlein geschrieben, vom Anfang bis zum End und wolltest du es nicht verachten, sondern seine Worte im Sinn und Gemüte behalten.“ „Ich begeh-re und bitte von dir mit höchstem Fleiß und mütterlicher Treue, du wollest vor allen Dingen dir Gottes Wort befohlen sein lassen, denn ein wahrer Gottesdienst besteht darin, dass man des Herrn Wort wisse und tue. Aber Gottes Willen kann man nicht wissen, ohne sein Wort gern zu hören; das muss in allen Sachen unser Lehrmeister sein; im Glauben müssen wir es auffassen und also ins Werk überge-hen lassen. Das sei dein höchster Dank gegen Gott und mich, dass du nicht allein für deine Person seine Gebote haltest, sondern dich auch als Hüter derselben betrachtest, dass deine Untertanen nicht von ihnen lassen, dass du dem falschen Gottesdienst wehrest und die Übertreter der Worte des Herrn strafest. Darin lass dir einen sonderlichen Eifer und ein feuriges Herz befohlen sein. Es ist wohl wahr, dass des Menschen eigenes Herz nicht ausreicht zur Treue gegen Gott; nur wenn der Glaube in sein Herz dringt, fühlt er sich dazu geschickt. Weil aber ohne Glauben nichts gefördert wird, denn allein die Sünde, so wisse, dass kein geringes Ding um denselben ist.“

Dann zu einzelnen Zweigen der Verwaltung übergehend, rät Elisabeth, der Kirche ihre Güter nicht zu entziehen. Am passendsten werde es sein, einzelne spärlich besuchte Klöster aufzuheben, und aus ihnen Schulen für Knaben oder Maidlein und arme Jungfern vom Adel und Bürger bilden zu lassen, oder Witwen und Waisen darin zu beherbergen und aus ihren Mitteln arme Jünglinge zu unterstützen und Siechhäuser zu bessern. Seine alten, frommen Diener möge er nicht in Armut versinken lassen; für Kranke und Gebrechliche redlich Sorge tragen, denn, „wenn wir Christen sein wollen, so will sich auch gebühren, dass unsere Liebe gegen den Nächsten so groß sei, dass wir keinen Bettler unter uns dulden. Deshalb, mein Sohn, lass dich der Liebe nicht durch Tätigkeit entführen, schließ Herz und Hand den Armen nimmer zu, denn Gott hat einen fröhlichen Geber lieb und hat dich als einen Schaff-ner über seine Güter gesetzt. Darum teile sie treulich, doch mit Klugheit aus, damit du dem, der sie dir befohlen hat, gute Rechnung ablegst. Es will dir auch gebühren in deinem fürstlichen Amte wacker zu sein, damit alle Gerichte mit tüchtigen und erfahrenen Leuten bestellt werden und der Arme sowohl wie der Reiche ein göttlich gleichmäßig Recht habe, denn es ist gar ein arm elend Ding, wo kein Recht im Land ist; und was die weltlichen Fürsten in diesem Fall versäumen, wird Gott mit großem Ernst aus ihren Händen fordern, weil solch Gericht und Recht nicht ihr, sondern des Herrn ist. Es fordert auch dein fürstlich Amt, dass du zuweilen armer Leute Sache in eigener Person hörest, und wollest der Rede eingedenk sein, die mir mein freundlich herzlieber Herr und Vater, der hochgeborene Fürst von Brandenburg löblichen Gedächtnisses, aus hohem fürstlichem Verstand tat: Es sollte kein Fürst regie-ren, er wüsste denn zuvor die Kaiserrechte.“„ Ich ermahne dich auch, du wollest Gott kindlicher Weise fürchten und sein Wort deine getreusten Räte sein lassen. Denn die höchste Weisheit ist Gott! Da-rum, mein Sohn, gib ihm die Ehre und bete, dass er dir seine Weisheit mitteilen wolle, damit du, was zu deiner Regierung erforderlich, klüglich anheben und vollenden mögest. Deshalb halte dich nicht für klug noch verachte frommer, weiser Leute Rat, sondern besprich dich mit gottseligen, aufrichtigen, ehrlichen Leuten. Vor allem aber hüte dich vor Schmeichlern, die nur reden, wie du gerne hörst, suche vielmehr allezeit den höchsten Rat bei Gott und seinem Worte. Lass zwischen dir und Gott den höchs-ten Bund sein und begib dich sonst in keine Einigung, denn sie wird selten gehalten, und kämest du hinein, so würde man von dir wohl Treue fordern, aber gegen dich sie in Vergessenheit stellen. Wenn du aber mit Gott wohl stehst, so kannst du Teufel und Menschen trotzen. Ist Er deine feste Burg, so werden deine Feinde weidlich anlaufen.“

„Desgleichen ermahne und bitte ich dich, du wollest als ein christlicher Fürst auf dem Wege des Herrn in aller Unschuld wandeln und deinen armen Untertanen wohl vorstehen, nicht allein, indem du ihnen Gottes Wort verschaffst, sondern auch darin, dass du ihre Bürde so viel immer möglich linderst; so wird dir Gott ein glückselig Regiment verleihen.“

Vor geizigen Amtleuten, die weder Gott noch Menschen fürchten, und alles was sie können mit Recht und Unrecht an sich krahen, solle er sich ängstlich hüten. „Sei den armen Leuten nicht strenge oder stolz, sondern höre sie, nicht als ein Fürst, sondern als ein Vater mit aller Sanftmut, damit du sie nicht blöde machest und ihr Herz sich von dir abwende. Nimm ihre Bitten gnädig an, wo sie recht haben, da hilf ihnen ernstlich, und wo sie unrecht, da weise sie fein freundlich und mit Gelindigkeit ab.“ Sein Lebelang, schließt sie, möge er die Diener des göttlichen Wortes ehren, die treuen Beamten seines Vaters nicht darben lassen und als ein frommer Fürst des Reichs für des Landes innere Ruhe und Si-cherheit wachen. „Lieber Herr,“ heißt es endlich, „nachdem ich nun mit großer Mühe und Arbeit dies Buch zum Ende gebracht und abgehandelt, so will ich dir hiermit solches zugestellt haben, mit freundlicher Bitte, du wollest es kindlicher Weise von mir annehmen und als eine Einleitung zur Gott-seligkeit, beide in geistlichen und weltlichen Sachen, zum Eingange deines fürstlichen Regiments dir befohlen sein lassen und als ein Erbbuch bei dem Fürstentum behalten. Denn ich habe solchen Fleiß hieran gewandt, dass ich nicht zweifle, wo du dem also mit Gottes Hilfe nachkommen wirst, du wer-dest wohl ein christlicher Fürst vor Gott und der Welt sein und bleiben.“

Aber wie schmerzlich täuschte sie sich in ihrer mütterlichen Hoffnung! Luther schon, den sie (1544) auf einer Reise nach Sachsen in Wittenberg an ihre Tafel zog, ahnte das Schlimmste, ihm entging die schlummernde Leidenschaft Erichs nicht, er sah ihn schon einst von den Verführungen der kaiserli-chen Partei umstrickt, es jammerte ihn die arme Mutter so wie das junge fürstliche Blut; und mit aller Kraft und Wärme bat er den Corvinus, doppelt wachsam den Jüngling vor Gefahren zu hüten.

Im Jahre 1545 vermählte sich Erich zu Münden mit Sidonie, Tochter des Herzogs Heinrich von Sach-sen, einer Schwester des Kurfürsten Moritz. Im nämlichen Jahre wurde er für mündig erklärt. Das Jahr darauf trat die sechsunddreißigjährige Elisabeth auf ihrem eigenen Schlosse zu Münden mit dem evangelischen Grafen Poppo von Henneberg in eine zweite Ehe.

Der achtzehnjährige Erich II., kaum der mütterlichen Vormundschaft entlassen, überließ sich unge-stüm seinem Zuge in die Ferne. Der Kaiser lockte ihn an sich; mit Tränen warnte die Mutter, mit Sorge mahnten die Stände ab, er ließ sich nicht halten; doch genoss er vor der Abreise noch das heilige Abendmahl mit der ganzen Gemeinde, und vor dem Altare schwur der Jüngling, „Alles was er zwi-schen Wams und Busen habe, für die Wahrheit der evangelischen Lehre dranzusetzen.“ Aber was die Stände gefürchtet hatten, geschah. Der Kaiser übermochte ihn und sandte ihn gegen die protestanti-schen Seestädte ins Feld. Geschlagen floh Erich (1547) nach Halle, ritt von da zurückkehrend an Münden vorüber, wo er eine schuldlose Jugend verlebt hatte; nur ein flüchtiges Schreiben richtete er von der Erichsburg aus an die trauernde Mutter, er war von ihr und der stillen bescheidenen Sidonie durch seine veränderte Glaubensrichtung innerlich auf immer geschieden.

Was die Mutter mühsam gepflanzt, zerstörte er mit frecher Hand. Überall auf dem flachen Lande hieß er die evangelischen Prediger mit katholischen Priestern vertauschen; die Klöster hielten wieder ihre Messen, die Städte vertrieben ihre Geistlichen, auch Corvin wurde auf dem Kalenberge in harte Ban-de gelegt, dass die Kraft seines Lebens dahinsank. Nur Elisabeth war in dieser schweren Zeit die Stütze der Bedrängten und Verfolgten.

Erich verband sich selbst mit dem Todfeinde seiner Mutter, dem Herzog Heinrich von Wolfenbüttel, der nun auch jede Rücksicht, jede Höflichkeit gegen Elisabeth aus den Augen setzte. Erich trieb sich dazu meist in der Fremde herum und gab auch seiner Gattin kaum eine kurze Nachricht von seinem Befinden.

Die Herzogin, vom Kummer über den verlornen Sohn, der Eid- und Pflicht-vergessen in fernen Län-dern nach Genüssen schwärmte, vom Kummer über das zertrümmerte Werk der Reformation, über die Strenge gegen die von ihr berufenen Diener des Werkes, über die unwürdige Behandlung von Seiten Heinrichs niedergedrückt, wandte sich leider! – an den mit ihr verwandten, überall gefürchte-ten, tollkühnen Markgraf Albrecht von Brandenburg-Culmbach, der dem lutherischen Glauben zwar eifrig zugetan war und selbst Verfasser des schönen Kirchenliedes ist: „Was mein Gott will, Gescheh‘ allzeit“ -; sie lud ihn zu einer Zusammenkunft mit Erich II.

Sie hatte richtig gerechnet. Das gebietende sichere Wesen Albrechts machte auf Jenen einen solchen Eindruck, dass er sich mit ihm gegen den treulosen Vetter von Wolfenbüttel verband, in Folge davon alle früher erlassenen harten Verordnungen gegen die evangelische Lehre zurücknahm und des Lan-des Regierung wieder seiner Mutter übertrug.

Jetzt erwachte die alte Tätigkeit in der edlen Frau. Überall griff sie fördernd ein, die verwaisten Kirchen wurden erprobten Männern übergeben; Goldketten, Silbergeschirr und Kleinodien versetzte sie, um ihren Sohn gegen den Erbfeind Heinrich zu unterstützen. Da ward der Markgraf den 9. Juli 1553 bei Sievershausen von Heinrich und dem sterbenden Kurfürsten Moritz von Sachsen aufs Haupt geschla-gen, und Elisabeth sah ihre Rechnung auf eines Menschen Hilfe durchstrichen, ihre letzte Hoffnung zertrümmert. Der Herzog Heinrich hatte in der Schlacht zwei blühende Söhne verloren, sein Ingrimm wälzte sich nun gegen den treulosen Vetter Erich, sein Herz dürstete nach Rache gegen Elisabeth. Er nahm jenem Land und Leute, dieser ihre Güter weg. Kummervoll lebte Elisabeth mit ihrem Gemahl in Hannover, wo sie wehmütig ihres reizenden Schlosses zu Münden gedachte, in welcher Stadt sie so viel Liebe gesät, Segen gestiftet und unter Anderem das Hospital St. Crucis in ein Armenhaus umge-wandelt hatte, in welchem „zwölf lahme, blinde, sehr gebrechliche und notdürftige Arme“ Aufnahme fanden. Der liebevollen Vermittlung Sidoniens gelang es zwar, das gute Vernehmen zwischen Erich II. und Heinrich 1553 im November endlich herzustellen, doch blieb Elisabeth ihrer Einkünfte beraubt und lebte gleich einer Verbannten in Hannover.

Ihre Lage war trostlos. Einst die gefeierte Gemahlin des vielvermögenden, vom Kaiser bevorzugten Fürsten, heiter, lebensfroh, die Seele eines prachtliebenden, kleinen Hofes, sah sie sich jetzt da, wo sie früher geherrscht hatte, als „ein arm Weibsbild“ behandelt, wie es doch bei ehrlichen Deutschen nimmer gehört, ja wäre es schier bei Türken genug und zu viel, „dermaßen mit edlen Frauen zu han-deln“ so schreibt sie an den Bischof von Würzburg und Bamberg, auch an den Rat der Stadt Nürnberg um Hilfe und Fürbitte. Heinrich achtete nicht der Fürsprache und bat sich aus, sie solle ihn „unange-tastet lassen mit falschen Beschuldigungen, die nichts mehr sind als Worte und Widergeplapper, wie sie dem weiblichen Geschlechte eigen zu sein pflegen.“ Auch des Fürwortes ihrer brandenburgischen Brüder Joachim II. und Johann achtete er nicht. Sie hätte ihr weibliches Wesen bedenken und sich in Kriegshändel nicht mischen sollen, so brauchte sie jetzt nicht des Gegenspiels gewärtig zu sein.“ Dass eigentlich die Wiedereinführung des augsburgischen Glaubensbekenntnisses in den Fürstentümern Erichs II. seinen ganzen Zorn gegen die verlassene Frau auflodern ließ, das wollte er nicht offen sagen. Selbst König Ferdinand bat seinen Bruder, den Kaiser Karl V., vergeblich aufs Inständigste, gegen Eli-sabeth gerecht zu sein und sie in ihr Wittum wieder einzusetzen. Heinrich und Erich II. schädigten und eroberten fortwährend das Gebiet Albrechts von Culmbach; mit Lust wurde von dem Wolfenbüttler Wolfe die Gelegenheit ergriffen, die Dörfer und Schlösser des alten, allgemein im Reiche geachteten, ihm immer befreundeten Grafen Wilhelm von Henneberg in Rauch aufgehen zu lassen, nur weil er der Vater Poppos, des Gemahls der Elisabeth, war. Erich, der unnatürliche Sohn, konnte endlich nur durch ein ernstes Schreiben zu einiger Nachgiebigkeit und Gerechtigkeit bewogen werden. Heinrich aber ließ sich erst durch vielfache Vermittlung in Güte zur Güte lenken. Durch bittere Erfahrungen war er etwas weniger ungestüm geworden, es rührte ihn doch die bittere Not der Elisabeth, welche ganz verlassen, ohne Einkünfte mit ihrer Tochter Katharine, „dem armen verlassenen Fräulein,“ ihre Tage zu Hannover verweinte und im Herbste 1554 klagen musste: „seit drei Wochen haben wir kein Fleisch in unserer Küche gehabt und haben an Holz empfindlichen Mangel leiden müssen.“ Sie durfte ihm sogar 1555 mit einem Bittschreiben nahen: „Zwei Jahre haben wir hier in Hannover im Elende verlebt und das Angst und Bettelbrot brechen müssen; sie wolle ja gern mit Jedermann, vielmehr mit E. L. Freund-schaft haben und erhalten. E. L. wollen sich hierinnen christlich und freundlich erweisen, dessen wol-len wir uns vertrösten.“

Einiges von ihrem Leibgedinge scheint er nun ihr gegeben zu haben, das volle Wittum erhielt sie nie. So konnte sie nun doch die dringendsten Schulden bezahlen und ehrlich Hannover verlassen. Auf dem letzten Kirchentage, der dort während ihrer Anwesenheit gehalten worden war, hatte sie noch die versammelten Geistlichen gebeten, mit Kraft und Treue ihrem Amte vorzustehen und für sie zu Gott um Gnade zu flehen. Schmerzlich war der Abschied von der Stätte ihres Elends. Dankbar für die Liebe, welche ihr die dortige Bürgerschaft bewiesen, verehrte sie dem Altare der St. Georgskirche Kelch und Hostienteller zum Andenken. Dann segnete sie zum letzten Mal die treue Stadt. Vor ihrem Wagen ritt ihr jüngstes liebliches Kind, das arme Fräulein Katharine, als sie gen Süden weiter zog.

Seit der Mitte des Jahres 1555 lebte sie mit ihrem Gemahle Poppo auf dessen hennebergischen Besit-zungen. An ihrem Leben nagte der Schmerz um den verlorenen Sohn. Mit unwiderstehlicher Sehn-sucht gedachte sie der schönen Tage von Münden. Der alte Graf Wilhelm erfreute sich wohl der frommen Schwiegertochter und verschrieb ihr Schloss, Flecken und Amt Ilmenau als Leibgedinge, aber ihr Herz blieb traurig bis zu ihrem Tode. Die letzte Tücke übte Erich II. an seiner Mutter, als er oh-ne ihre Einwilligung eingeholt zu haben, ihre jüngste Tochter Katharine mit dem katholischen Oberst-burggrafen in Böhmen, Wilhelm von Rosenberg, verlobte und nach der zu Münden vollzogenen Ver-mählung sofort nach Böhmen ziehen ließ. Nun war jeder Versuch, sie zu beruhigen, umsonst. Mit Herzeleid musste sie, ihrer Kinder beraubt, in die Grube fahren. Sie starb am 25. Mai 1558 auf Schloss Ilmenau. Ihre Leiche wurde in der Prämonstratenser-Abtei Verra beigesetzt. Hart am Altare der Klos-terkirche deckt ein unscheinbarer Stein ihre Hülle, während Erich II. in der Kapelle zu Schleusingen ein prunkendes Denkmal errichten ließ für die misshandelte Mutter, deren Herz im Schmerz um ihn ge-brochen war.