Anna Maria Gerhard.

Der berühmte Paul Gerhard, dem wir das Lied: „Befiehl du deine Wege“ und so viele andere geistliche Lieder verdanken, erhielt erst in seinem 45. Lebensjahre eine Anstellung zu Mittenwalde, 4 Meilen von Berlin. Er heiratete Anna Maria Berthold, die Tochter eines Advokaten zu Berlin. Wes Geistes Kind sie war, sehen wir aus ihren Aufzeichnungen in der Familienbibel, wovon wir Einiges mitteilen wollen.

Am Sonntage Kantate, den 19. Mai 1622, ward ich geboren. Es sei denn, dass Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch (Joh. 3,5.6.). Herr, zu mir komme dein Reich.

Am Dienstage, den 21. Mai, ward ich durch die Taufe meinem Herrn Jesu Christi zugeführt. Ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christum Jesum. Denn wie viel euerer getauft sind, die haben den Herrn Jesum angezogen (Gal. 3,26.27.). Herr, lass mich dein Kind sein!

Am 11. Febr. 1655. Der ehrwürdige Herr Probst Vehr segnet in meines Vaters Hause den Bund meines Herzens mit meinem lieben Paul Gerhardt ein. – Freut euch, seid vollkommen, tröstet euch, habt einerlei Sinn, seid friedsam, so wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein (2. Kor. 13,11.).

Am 14. Januar 1657. Unser Kind, Maria Elisabetha, stirbt, kaum acht Monate alt. Herr, warum nimmst du mir meiner Augen Lust und meines Herzens Freude? Doch ich will nicht klagen und weinen. Schlaf wohl, mein Kind, in deinem Ruhebettlein! Wenig und böse war die Zeit deines Lebens, du lieber, flüchtiger Gast auf Erden! Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! (Hiob 1,21.)

Am 12. Januar 1658. Unser zweites Kind, Anna Katharina, wird geboren. So hast du, Herr! die Wunden wieder geheilt, die du geschlagen hast. Ach! segne uns dies Kind, dass es dir wohlgefällig ist. Es ist vor eurem Vater im Himmel nicht der Wille, dass Jemand von diesen Kleinen verloren werde. (Matth. 18,24.)

Am 25. März 1659. Unsere Anna Katharina ist in ihr Ruhekämmerlein getragen. Ach, soll ich denn sein, wie Eine, die ihrer Kinder beraubt wird? Warum, Herr! züchtigst Du mich so sehr? Wie habe ich’s verschuldet, dass du auch diese Freude in Herzeleid verwandelst? Mein Gerhard tröstet mich: Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft! Ja wohl, es schläft, aber so, dass es die Mutterstimme nicht aufwecken kann. Ich weiß, Herr, du hast Macht, zu tun mit dem Deinen, was du willst, aber lass mich weinen und klagen. (Lasset die Kindlein zu mir kommen usw. Mark. 10,14.)

Ähnlich bei dem Verlust ihres dritten und ihres fünften Kindes; dieselbe Glaubenstreue bei sonstigen Heimsuchungen.

Am 6. Februar 1666. Mein lieber Herr ist heute seines Amtes entsetzt worden. Auch diese Prüfung noch! Meine Kraft ist schwach; aber der Herr weiß, wie viel ich noch tragen kann. Halte du aus, mein Gerhard! schäme dich des Evangelii von Christo nicht und lege immerdar ein gutes Zeugnis ab vor vielen Zeugen. Ich folge dir ins Elend, in die Wüste, in Not und Tod. Fürchte dich nicht vor denen, die wohl den Leib töten, aber die Seele nicht mögen töten. Bleibe treu, sieh nicht auf mich und unser Kind; ohne Gottes Willen fällt ja kein Sperling vom Dache – wir werden nicht Hungers sterben. Halt‘ aus, mein Gerhard! bis du gekommen bist zu dem Berge Zion, zu dem himmlischen Jerusalem, zu der Menge vieler Tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind usw. Gott segne dich, mein Gerhard! Jetzt fühle ich, wie groß du bist und wie gering ich bin, deine arme Magd.

Am 29. Februar 1668. Ein unheimlicher Hauch geht durch meine Glieder, der mich von hier erkältet. Es wird wohl der Bote sein, der mich abruft. Soll es also sein, Herr! so gib, dass ich die Schwachheit meines Herzens besiege. Dir befehle ich mein einziges Kind, das du mir armen, sündigen Magd aus großer Gnade gelassen hast. In deine Hände befehle ich Seele und Leib!

Ihre Todesahnung täuschte sie nicht. Bei ihrem Begräbnis bewies die allgemeine Teilnahme, welche große Liebe und Achtung sie bei ihren Mitbürgern genossen hatte.