Wie der Kirchenvater Chrysostomus durch die fromme Antusa, die als junge Witwe ganz der Erziehung ihres Sohres sich widmete, zuerst zum lebendigen Christenthum geführt wurde, so auch der Kirchenvater Augustinus durch seine fromme Mutter Monika. Diese, um’s Jahr 332 nach Christi Geburt geboren, hatte christliche und fromme Eltern, verdankte aber, mehr noch als diesen, einer alten gottesfürchtigen Magd ihre erste fromme Erziehung. Leicht hätte ihr in den Jugendjahren die Aufgabe, den Wein aus dem Keller herauf zu holen, zum verderblichen Fallstrick werden können, aber die Zurechtweisung jener Magd rief sie noch zu rechter Zeit von dem gefährlichen Irrwege zurück. Als sie erwachsen war, wurde sie von ihren Eltern an einen heidnischen Mann, den Rathsherrn Patricius in Tagaste, verheirathet; er fand an ihr eine Ehegattin, die ihrem Christenthum durch Gehorsam, Sanftmuth und Gefälligkeit Ehre machte. Anfange ließ sich die Mutter des Patricius durch das Geschwätz der Mägde gegen ihre Schwiegertochter Monika einnehmen, allein diese betrug sich so sanft, so sorgfältig und ehrerbietig gegen sie, daß die Mißverständnisse bald ein Ende nahmen, und die herzlichste Freundschaft zu Stande kam. Mit der Zeit gewann sie auch ihren Mann für das Christenthum, so daß er sich im Jahr 370 unter die Katechumenen aufnehmen und 371 taufen ließ; bald hernach starb er. Monika hatte ihm zwei Söhne und eine Tochter geboren. Nichts lag ihr mehr an, als diese ihrem Heilande zuzuführen, daher ließ sie namentlich den Aurelius Augustinus gleich nach seiner Geburt im Jahr 354 unter die Katechumenen aufnehmen; aber sie mußte über dreißig Jahre harren, bis er durch die heilige Taufe der Christengemeinde einverleibt ward. Der damals noch heidnische Vater ließ zwar dem Sohne eine sorgfältige Erziehung geben, aber sein Augenmerk war dabei nicht das, aus ihm einen Christen, sondern einen gelehrten und berühmten Mann, der ein glänzendes Glück in der Welt machen könne, zu bilden, und es gelang ihm in vollem Maße, die Flamme des Ehrgeizes bei dem hochstrebenden begabten Jüngling anzufachen. Bald ward er auch durch schlechte Gesellschaft auf der Schule zu Karthago zu allerhand jugendlichen Ausschweifungen verführt, und der verblendete Vater kümmerte sich darüber so wenig, daß er einmal in der Trunkenheit sein Wohlgefallen über die Ausschweifungen des Sohnes aussprach. Das mußte für Monika eine um so tiefere Kränkung sein, da bei ihr die Eindrücke der Taufe, die sie erst vor Kurzem empfangen hatte, noch neu waren. Sie erschrak über den Zustand ihres Sohnes, und hatte nicht eher Ruhe, als bis sie Gelegenheit gefunden, mit ihm darüber zu reden. Sie warnte ihn auf’s Ernstlichste vor dem gefahrvollen Abwege des Lasters, allein er verachtete ihre Warnung, als die Rede eines schwachen unwissenden Weibes, die nicht wisse, daß die Jugend vertoben müsse.
Nach einiger Zeit starb der Vater, und Augustinus bekam durch eine Schrift Cicero’s eine ernstere Richtung. Er fragte ernstlich nach Wahrheit und Weisheit, wandte sich auch für eine Zeit lang zur heiligen Schrift, konnte ihr aber noch keinen Geschmack abgewinnen, und ging endlich zu der Sekte der Manichäer über. Ein neuer Schmerz für die gute Mutter! Sie grämte sich tief darüber, flehte für ihren Sohn bei Tag und bei Nacht, ermahnte ihn mit vielen und heißen Thränen, den bessern Weg zu erwählen, wollte aber, da alle ihre Erinnerungen vergeblich schienen, nach Tit. 3, 10. nicht mehr mit ihm zusammenleben, obgleich ihr Herz mit innigster Liebe an ihm hing. Nachdem ihr jedoch im Traum ein Jüngling in glänzender Gestalt erschienen war, und ihr gesagt hatte: „Wo du stehst, steht auch er,“ so faßte sie wieder neuen Muth, sagte es dem Augustinus mit großer Herzensbewegung und nahm ihn wieder in ihr Haus und an ihren Tisch auf. Sie verdoppelte jetzt ihre Gebete für den irrenden Sohn, und erhielt von einem Bischof, den sie bat, er möchte doch denselben zurückzubringen suchen, die merkwürdige, nachher durch den Erfolg bestätigte Antwort: „Laß ihn für jetzt, bete für ihn zum HErrn, so wird er von selbst durch das Lesen der heiligen Schrift gewahr werden, wie groß sein Irrthum sei und dessen Gottlosigkeit. So wahr Du lebest, es ist nicht möglich, daß das Kind so vieler Thränen verloren geht.“ Auch dieses sagte sie dem Sohne wieder, und wenn er gleich für jetzt sich noch nicht entschieden zum Guten wandte, so ließen ihm doch ihre Worte einen tiefen Stachel im Herzen zurück. Ehe die Frucht hievon offenbar wurde, mußte Monika noch einen bittern Schmerz erfahren. Augustinus rüstete sich zu einer Reise nach Italien, und da sie ihn zurück halten wollte, bestieg er heimlich ein Schiff. Trauernd stand sie am Ufer, und sah, zu Gott aus der Tiefe ihres Herzens seufzend, dem Schiffe nach, das den ungehorsamen Sohn nach Rom führte.
Nach einiger Zeit hörte sie, er sei in Mailand, und der fromme Erzbischof Ambrosius habe ihn dahin gebracht, daß er sich wieder unter die Katechumenen aufnehmen ließ. Da kann sie es nicht mehr länger in Afrika aushalten; in freudigem Glaubensmuth besteigt sie ein Schiff und bleibt so unerschüttert bei den gefährlichsten Stürmen des Meeres, daß sie auch noch ihre Mitschiffenden zu trösten vermag. Sie kommt eben im rechten Augenblicke in Mailand an. Der gewaltige Kampf, der in ihrem Sohne gährte, hatte ihn an den Rand der Verzweiflung geführt, aber ihre mütterlichen Bitten und Ermahnungen beschwichtigten den Sturm seiner Seele, und zu Anfang der Fasten 387 hatte sie die Freude, ihn unter den Täuflingen zu erblicken, welche auf Ostern durch die Hände des Ambrosius das Bad der Wiedergeburt empfangen sollten. Nach empfangener Taufe wollte er mit ihr nach Afrika zurückkehren. In heiliger Freude, das Ziel ihrer sehnsuchtsvollen Wünsche erreicht zu sehen, machte sie die eifrige Dienerin der ganzen Reisegesellschaft. Als sie in Ostia angekommen waren, stand sie voll ernster Betrachtungen allein mit ihrem Sohne an einem Fenster; da brach sie endlich das Stillschweigen und sagte: „Sohn, was mich betrifft, so hat nichts mehr einen Reiz für mich in diesem Leben. Was ich hier noch machen soll, und warum ich hier noch bin, weiß ich nicht, da keine Erdenhoffnung mir übrig ist. Eines war’s, weswegen ich in diesem Leben noch etwas zu verweilen wünschte: daß ich dich als rechtgläubigen Christen sähe, ehe ich sterbe. Ueber meine Erwartung hat mir Gott dies gewährt, da ich dich nun als Seinen Diener sehe, der alles Erdenglück verachtet. Was mache ich ferner hier?“ Etliche Tage darauf erkrankte sie und fiel in Ohnmacht. Ihre Söhne Augustinus und Navigius eilten herbei. Bald kehrte ihr das Bewußtsein zurück; sie schaute umher und fragte: „Wo war ich?“ Traurig standen die Söhne vor ihr. „Werdet ihr hier eure Mutter begraben?“ fragte sie. Augustinus schwieg und hielt die Thränen zurück. Navigius äußerte den Wunsch, daß sie nicht hier, sondern in Afrika sterben möchte, welches, wie er sagte, besser wäre. Als Monika dies hörte, warf sie auf ihn einen bekümmerten. Blick des Mißvergnügens und sagte: „Begrabet meinen Leib, wo ihr wollt, und seit meinetwegen ohne Sorgen. Ehedem wünschte ich wohl, neben meinem Manne in Afrika begraben zu werden, aber jetzt glaube ich, nichts ist fern von Gott, und ich fürchte nicht, daß Er am Ende der Tage nicht wissen werde, wo Er mich auferwecken wolle.“ Sie verschied am neunten Tage der Krankheit, und heftiger Schmerz ergriff Augustinus und seinen Bruder; doch hielten sie die Thränen zurück, weil es ihnen ungeziemend schien, Seufzer und Thränen einer Seele nachzusenden, von deren Seligkeit sie gewiß waren.