Coligny und die Huguenotten.

Es giebt nichts Merkwürdigeres, als die Geschichte der Sekten- und Partei-Namen. Der Zufall entscheidet über dieselben, Vorurtheile rufen sie hervor und die Gewohnheit giebt ihnen ihre Weihe. So wurden die Jünger des Gekreuzigten Nazarener genannt von den Juden, welche Nazareth für die Geburtsstadt Jesu ausgaben, und Christen von den Lateinern, welche den Namen Christus als Eigennamen betrachteten: seitdem haben die Jahrhunderte zu einem Ehrennamen gestempelt was ursprünglich nur Ausdruck der Verachtung und des Hohnes war. Noch zu unserer Zeit hat der segensreiche Einfluß einiger frommen Engländer, deren Gott sich bediente, um die reformirte Kirche Frankreichs zu neuem Leben zu erwecken, den Namen Methodisten denjenigen gegeben, welche unter uns die Ueberlieferungen und Lehren der herrlichen Kirche behüten, die als Mutter und Tochter unzähliger Märtyrer dasteht.

Unsere Väter sind jenem gemeinsamen Schicksal nicht entgangen. Man nannte sie nacheinander Lutheraner, Protestanten, Sacramentirer – und der Ursprung dieser Bezeichnungen ist nicht schwer zu entdecken -, bis die Wuth ihrer Feinde sich endlich bei dem Namen Huguenotten beruhigte, der noch jetzt beim Volke in Frankreich für eine große Beleidigung gilt. Der Ursprung dieses Namens ist auf 3 Arten erklärt worden: die einen halten ihn für eine Umbildung des deutschen Worts „Eidgenossen“, das ich meinen Lesern nicht erst zu deuten brauche; andre leiten ihn von Hugon ab, welchen der Volksaberglaube zu Tours sich als einen Spukgeist oder Gespenst vorstellte, der Nachts durch die Straßen der Stadt zu schweifen pflegte. Die verfolgten Reformirten hielten nächtliche Versammlungen, welche der fanatisirte Haufe mit denen verglich, deren Anstifter König Hugon war. Andre endlich meinen, daß die bekannte Anhänglichkeit der Protestanten an die Familie Hugo Capets, der Patriotismus, welcher sie stets antrieb, die einheimischen Könige gegen fremden Einfluß und Herrschaft zu vertheidigen, ihren Römischen, Lothringischen, Spanischen Gegnern durch den Geist, den Ehrgeiz und die Sitten einen Spottnamen eingab, welchen die unparteiische Geschichte heute als einen Ehrentitel und als ein offenes Geständniß ihrer blutigen Verfolger ansieht.

Wie dem auch sei, die Nachkommen jener Helden, welche zu Tausenden gefallen sind gegen ihren Willen auf dem Schlachtfelde, mit frohem Muth auf dem Schaffot, brauchen nicht zu erröthen weder ihres Namens noch ihrer Thaten wegen. Alle Verleumdungen, welche durch die neueren Untersuchungen nach einander zerstört werden, haben nicht vermocht jene doppelte Thatsache auszulöschen, daß sie in Sachen der Religion die aufrichtigsten Christen, in Sachen der Politik die besten Franzosen waren. Ich schätze mich glücklich ihr Gedächtniß ehren zu können, mitten unter den Deutschen, unseren älteren Brüdern, welche die politischen Umstände mehr als uns begünstigen. Und wenn ich auch eine unbekannte Stimme vernehmen lasse, bin ich doch gewiß mit Wohlwollen angehört zu werden, und bedaure nur, daß diesem kurzen Bericht so enge Grenzen gesteckt sind.

Indessen wird dieser Uebelstand weniger gewichtig sein als man wohl glauben könnte. Coligny schildern heißt nichts anderes als den Huguenotten-Charakter in seinem vollendetsten persönlichen Ausdruck darstellen. Franzose, Edelmann, Staatsmann, Familienvater, Krieger, Gläubiger zugleich, vereinigte er in sich alle Tugenden, alle Gaben, alles Mißgeschick seiner Partei. Es fehlte ihm, um ein vollkommener Huguenot zu sein, weder die traurige Nothwendigkeit des Bürgerkrieges, noch die Einsicht, welche seiner Zeit voraneilte, noch jener unbezwingbare Muth, noch der Märtyrerruhm, welcher der Reformation nützlicher war als seine herrlichen Waffenthaten.

Caspar von Chatillon, Graf von Coligny wurde geboren am 16. Februar 1518. Er war der Sohn des Marschall von Chatillon, und von Louise von Montmorency, und Bruder des Cardinal Odel von Chatillon, der das heilige Abendmahl nach Huguenotten-Weise im bischöflichen Palast feiern ließ, sich im rothen Priesterrock verehelichte, und durch Gift starb 1571. Ein andrer Bruder von Coligny, Franz d’Andelot war eben so tapfer, noch kühner vielleicht, aber kein so vollendeter Held wie unser Coligny, dessen glänzende Eigenschaften an seiner Seite die seltensten Verdienste verdunkeln. Der Rächer Coligny’s in diesen traurigen Kriegen war sein Sohn Franz von Chatillon, der lange genug lebte, um sich Waffenruhm zu erkämpfen, nicht genug um den seines Vaters zu erreichen.

Sehr früh bei Hofe durch seinen Onkel den Connetable vorgestellt, gewann Coligny zum ersten Freund seiner Jugend Franz von Lothringen, später Herzog von Guise, der sein hartnäckiger und gehässiger Gegner werden sollte. Er wurde nach einander Lieutenant unter dem Herzog von Orleans, Obrist-Lieutenant der französischen Armee (1547), General-Lieutenant (1550), Gouverneur von Paris und Ile de France (1551) und endlich Admiral (1552). Nur mit diesem letzten Titel nennt ihn die Geschichte. Durch einen Bruch der Verträge mit Spanien begann Heinrich II. einen Krieg, den Coligny’s Heldenmuth nicht vor dem Unglück bewahren konnte, welches immer mit dem Eidbruch verbunden ist. Der Verlust der Schlacht von St. Quentin führte Coligny in die Gefangenschaft, er ward im Schloß Gand eingeschlossen; aber Gott wollte, daß die unfreiwillige Muße des Helden für ihn eine Quelle höherer Einsicht würde. Im Gefängniß las er die Schriften der Reformirten, und besonders die Bibel, welche ihm ein sicheres Urtheil verschaffte über römische Rechtgläubigkeit. Der Friede von Chateau Cambresis gab ihm die Freiheit wieder und kettete ihn für immer an die Sache der französischen Reformation. Damals war er 40 Jahr alt. Die Reinheit seiner Sitten, der Ernst seines Charakters, sein unerschütterlicher Glaube, seine erprobte Klugheit, die ihn nur einmal verließ, wo seine große Seele nicht an ein hinterlistiges Bubenstück glauben wollte, alles bezeichnete ihn als den Führer der Protestanten, und gab ihm einen Einfluß, auf den Conde eifersüchtig war. Dennoch diente er seinem Vaterlande während der Regierung Franz II. ohne im Dienste des Glaubens seinen Degen zu ziehen. Aber nach vielen Intriguen, widersprechenden Edikten, einer gescheiterten Verschwörung, nachdem ohnmächtige oder von dem verderblichen Einfluß der Guisen beherrschte Reichsstände vergeblich getagt hatten, wurde Coligny gezwungen trotz seines Patriotismus die Waffen zu ergreifen. Wenn man sich die Ränke, die Meutereien, die Verbrechen jener blutigen Epoche vergegenwärtigt, so wird man nicht umhin können, den Admiral freizusprechen, der genöthigt war sich gegen Feinde zu vertheidigen, die als Feinde Frankreichs und des Königs da standen, ehe sie noch die Verfolger der Reformation und Coligny’s wurden. Und doch faßte der Admiral diesen traurigen Entschluß nicht ohne Widerstreben. Oder vielmehr er gab dem hartnäckigeren und nicht selten praktischeren und heller sehenden Geist der Frauen nach. Charlotte von Laval, seine fromme und entschiedene Gemahlin, stellte ihm vor, daß man entweder zu jenem Aeußersten schreiten oder – die Religion verrathen müsse. „Ich beschwöre Euch im Namen Gottes, sagte sie ihm, uns nicht fernerhin zu hintergehen: sonst werde ich gegen Euch zeugen in seinem Gericht.“ Carl IX. hatte eben den Thron bestiegen. Coligny vom protestantischen Bund zum General-Lieutenant ernannt unter dem Befehl Conde’s, aber seinen militairischen Gaben nach weit über allen, verwarf zuerst im Rath den Vorschlag, die deutschen und englischen Protestanten um Hülfe anzurufen; er wünschte, daß die Franzosen selbst ihre ärgerlichen Zwistigkeiten beilegen sollten. Er mußte sich einer andern Ansicht unterordnen. Von diesem Augenblicke an stand er mit Herz und Hand unter der Fahne der Reformation, deren unerschütterlicher, wenn auch nicht immer unbesiegter Vorkämpfer er gewesen ist.

Zu einer Erzählung der Großthaten des protestantischen Helden fehlt uns der Raum; wir werden das hervorheben, was ihn und seine Brüder, die Huguenotten, besonders charakterisirt. Unnöthig scheint es uns Coligny wegen des Mordes rechtfertigen zu wollen, zu dem Fanatismus und Rachsucht den Poltrot gegen die Person des Herzogs von Guise trieben. Ein Wort des Admirals rettet sein Gedächtniß besser als alle Vertheidigungen, die er selbst über diesen Gegenstand niederschrieb. Als er selbst von der kupfernen Kugel erreicht wurde, die ihm den Finger zerschmetterte, von jener Kugel aus der Büchse des Königsmörders Maureval, der ihm seit drei Tagen in dem Hause eines Domherrn aufgelauert hatte, sagte er nach der Amputation nichts weiter, als: „Ich habe keine anderen Feinde als die Herren von Guise; dennoch möchte ich nicht behaupten, daß sie diesen Streich ausgeführt.“ Wer kann glauben, daß ein des Argwohns so unfähiger Mann fähig gewesen wäre, seine Hände in einen Mord zu tauchen?

Fortwährend erneuerten Mordversuchen ausgesetzt, unter ungestümen Drohungen der Verhaftnehmung, hörte Coligny nicht auf nach der unglücklichen Schlacht von Dreux zu unterhandeln, in der festen Zuversicht, daß er nichts unternähme gegen König und Reich, sondern nur Gewissensfreiheit fordere. Im Augenblick, wo er Chartres belagerte, erhielt er die Nachricht, daß seine Frau in den letzten Zügen liege. Er eilte mit geschickten Aerzten zu ihr; aber die Anstrengungen der Kunst waren vergebens: die thatenkräftige Frau unterlag am 7. März 1568, und ließ den Admiral zurück in tiefem Kummer über seinen schmerzlichen Verlust. Die Krankheit, welche sie dem Tode überlieferte, hatte sich Charlotte von Laval durch die Pflege zugezogen, die sie den Kriegern im Hospitale zu Orleans widmete. Coligny auf dem Rückzuge nach Chatillon, wird bald genöthigt, mit Conde sich nach La Rochelle zu flüchten. Nach der unheilvollen Schlacht bei Jarnac setzte er, im Begriff, mit den deutschen Hülfstruppen zusammenzustoßen, sein jüngst wieder aufgefundnes und veröffentlichtes Testament auf, in welchem er sich zum lautersten Glauben bekennt und Anordnungen trifft für die Erziehung seiner Kinder.

Fortwährend ein Opfer seiner Unterhandlungen mit einem entsittlichten Hofe, immer furchtbar, wenn er kämpft, wird er nicht müde zu kämpfen und zu unterhandeln. Er richtet an den König die rührendsten Vorstellungen, um in ihn zu dringen, daß er endlich den Martern seiner huguenottischen Unterthanen ein Ziel setze. Denn die verschiedenen Gerichtshöfe des Reichs errichten, selbst während der Zeiten des von oben gebotenen Einhalts, welchen der Friede und trügerische Versprechungen den unglücklichen Protestanten verschafften, Scheiterhaufen in allen Städten Frankreichs.

Ein Parlaments-Schluß vom 13. September 1569 erklärt endlich Coligny für vogelfrei, und verspricht 50.000 Thaler Gold dem, der ihn überliefert lebend oder todt. Der Admiral, der so eben bei der vergeblichen Belagerung von Poitiers, damals der größten Stadt in Frankreich nach Paris, Wunder der Tapferkeit und der Geschicklichkeit vollbracht hatte, ergreift wiederum die Waffen. Halbtodt wird er vom Schlachtfeld in den Ebenen von Assais aufgehoben. Während er sich auf seiner Tragbahre wegbringen läßt, wird neben ihm ein alter Edelmann Namens l’Estrange getragen. Dieser beugt sich zu ihm herüber und sagt wie zum Abschiedsgruße: „Wahrlich! Gott ist doch sehr sanftmüthig.“ Rührende Worte, welche die Frömmigkeit bezeugen, von der jene unerschrocknen Krieger beseelt waren.

Wir nahen uns der Katastrophe, welche das Leben des christlichen Helden auf so ruhmvolle Weise endet. Kaum hergestellt von einer heftigen Krankheit, die ihn zu St. Etienne überfiel (1570), marschirte der Admiral auf Paris los, und nach einem Wechsel von Unglücksfällen im Einzelnen, von Erfolg im Ganzen, bedroht er die Hauptstadt, Catharina von Medicis und die Guisen. Der Hof, anmaßend nach dem Siege und schwach nach dem Unglück, unterzeichnet endlich den Frieden (8. August 1570) gegen den Willen des päpstlichen Nuntius so wie gegen den des spanischen Gesandten. Coligny, der die Königin Mutter kennt, zieht sich nach La Rochelle zurück, wo er der siebenten Nationalsynode unter Leitung Theodors von Beza beiwohnt (2. bis 11. April 1571). Aber bald giebt er, des Bürgerkrieges überdrüssig, mehr durch seine großmüthige Seele als durch Catharinen’s grobe List getäuscht, seinem gewöhnlichen Grundsatz nach, „daß es besser sei, Ein Mal zu sterben, als sich fortwährend um sein Leben ängstigen zu müssen.“ Er geht nach Paris zu Carl IX., der, so jung er war, doch schon genügend unterrichtet worden, um heucheln zu können. Der König nennt ihn seinen Vater, umarmt ihn, schwört, auf seinen Rath hören zu wollen, und sagt ihm mit einer teuflischen Höflichkeit: „Wir halten Sie jetzt; Sie sollen nicht von uns loskommen, wann es Ihnen beliebt.“ Man unterhält Coligny mit dem beabsichtigten Feldzug nach Flandern. Freitag, den 22. August, wird er nach dem Louvre gerufen. Auf dem Heimwege verwundet ihn Maurevel: eine Kugel zermalmt ihm den Zeigefinger der rechten Hand, eine andre streift ihm den linken Ellenbogen. Der Brand ergreift schnell die durch das oxidirte Kupfer vergifteten Wunden. Ambrosius Pars, der berühmte Wundarzt, nimmt den verwundeten Finger ab; aber das schlechte Werkzeug, dessen er sich bedient, zwingt ihn drei Mal von neuem anzusetzen. Die Umstehenden, Heinrich von Navarra, der Prinz von Conde, Larochefoucault lassen ihren Thränen freien Lauf. Coligny stets gefaßt, sagt ihnen: „Meine Freunde, weßhalb weint ihr? Ich schätze mich überaus glücklich, um des Namens Gottes willen verwundet worden zu sein.“ Darauf wendet er sich zum Prediger Merlin und sagt: „Laßt uns beten zum Herrn unserm Gott, daß er uns verleihe die Gabe der Beständigkeit.“

Wie nun der fromme Merlin gebetet hat, schüttet auch der Held seine Seele aus vor dem Herzen des Herrn, weihet sich seinem Dienst und bekennt, daß er bereit sei, für Gott zu leben, wie in ihm zu sterben. Darauf neigt er sich zum Ohr eines seiner Diener und befiehlt, dem Merlin für die Armen der Kirche zu Paris hundert Thaler Gold auszuzahlen. Auch Carl IX. besucht den Admiral und sagt ihm bei seiner Anrede: „Mein Vater! Sie haben die Wunde und ich den ewigen Schmerz.“ Und mit gräßlichen Flüchen schwur er Rache zu nehmen wegen dieses feigen Meuchelmords. Statt der Antwort begnügte sich Coligny, ihm einige Ratschlage in Bezug auf den Flandrischen Feldzug zu ertheilen. Einige Stunden später gab der König das Signal der St. Bartholomäus-Nacht (24. August 1572). – Das Opfer war eben so edel und heilig als die Henker feige und grausam. Kurz vor Tagesanbruch weckte die Sturmglocke und der Lärm der Guiseschen Kavallerie den Admiral. Er läßt sich von Merlin das Gebet halten und gebietet all‘ den Seinen, zu entfliehen, mit der Erklärung, daß er seit lange zum Sterben bereit sei. Schon hatte man den Mördern, welche im Namen des Königs Eingang verlangten, das Thor des Palastes geöffnet; die Wachen waren niedergestoßen worden. Bald ist die Thür des Zimmers erbrochen, aber Behme selbst erzittert vor dem großen Mann, den er bleich und majestätisch wie einen Schemen sich gegenübersieht. „Junger Mann, sagt Coligny, Du stürzest Dich auf einen Verwundeten und auf einen Greis – übrigens vermagst Du nichts abzukürzen.“ Da bohrt ihm Behme das Brecheisen in den Leib, mit dem er die Thür des Zimmers erbrochen hatte. Der greise Edelmann fällt, indem er einige Worte der Klage murmelt, empört, daß er nicht wenigstens wie ein Mann getödtet worden sei. Die Mörder richten wiederholte Schläge auf sein Haupt, und da sie die Stimme des Herzogs von Guise vernehmen, der unten zu Pferde hielt: „Behme, bist Du fertig?“ werfen sie den Leichnam zum Fenster hinaus. Guise und der Herzog von Angouleme erkennen ihn, sobald sie sein mit Blut bedecktes Gesicht abgetrocknet. Sie gehen beide davon, nachdem sie ihm einen Fußtritt in’s Gesicht gegeben. Der Leichnam wurde in dem blutigen Koth von Paris umhergeschleppt; das Haupt, vom Rumpf getrennt und einbalsamirt, durch die Guisen nach Rom geschickt.

Einige Jahre darauf wurde der Leichnam dieses selben Herzogs von Guise von Heinrich III. mit Füßen getreten; und als eines Tages Catharina von Medicis dem Sohn des Märtyrers in den Gallerieen des Louvre begegnete, sagte sie zu ihm, erstaunt über seinen stolzen Wuchs: „Du gleichst Deinem Vater.“- „Gott verleihe mir diese Gnade!“ antwortete der junge Chatillon.

Man fragt sich, wie mit solchen Männern Frankreich nicht für die Reformation hat gewonnen werden können. Mehrere Ursachen haben zusammengewirkt, um den Sieg des Katholicismus herbeizuführen. Sicherlich haben der unglückliche Erfolg der protestantischen Waffen, die Treulosigkeit der Italienerin Catharina, der Ehrgeiz der Lothringer, die Wühlereien von Rom und Spanien eine große Rolle gespielt bei diesen Ereignissen. Aber vielleicht findet sich die Hauptursache in dem von Natur wenig religiösen Geist der Franzosen und in ihren gleichmacherischen und demokratischen Gelüsten. Rabelais und Montaigne stellen den französischen Geist besser dar, als der große Calvin. Die Huguenotten waren unpopulär gerade wegen ihrer Keuschheit und Frömmigkeit. Frankreich liebt mehr die Messe, die zu nichts verpflichtet, als die Laster und Leichtsinn niederschmetternde Bußpredigt der Calvinisten. Außerdem schritt das Land mächtig vor zur politischen Einheit und socialen Gleichheit. Ludwig XI., Richelieu, Mazarin, Ludwig XIV., Napoleon mähten alle Ungleichheiten nieder. Nun aber ist die Reformation als eine Appellation an das Bewußtsein des Einzelnen die Vertheidigerin der Freiheit, welche sie immer aufrecht erhalten hat gegen die falsche zur Knechtschaft führende Gleichmacherei. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die französische Revolution, die nach dem Walten der Vorsehung die Huguenotten gerächt hat an den mit ihrem Blut befleckten Königen und Priestern, weit entfernt, eine Folge der Reformation zu sein. Sie liegt auf einem ganz anderen Gebiet. In Frankreich ist der Protestantismus gefallen mit einem Adel, dessen ruhmvoller Vertreter Coligny war und der, wenn er sich ganz mit der Reinheit und Strenge des Glaubens durchdrungen hätte, die starke Schutzmauer einer beschränkten Monarchie, einer auf Theilung der Gewalten gegründeten Freiheit, einer lebendigen und geistigen Religion bleiben konnte. Es war zu früh oder zu spät für die Nation Ludwigs des Heiligen, als die Stimme der Reformatoren das christliche Bewußtsein zu neuem Leben rief.

(Geschrieben 1856.) Louis Rognon in Montpellier, später in Paris