Luther, Martin – Die Artikel, warumb die zween christliche Augustiner Münch zu Brüssel verbrannt sind

sampt einem Sendbrief D. Mart. Luth. an die Christen in Holland und Brabant.

Wittenb. 1523.

Allen lieben Brudern in Christo, so in Holland, Brabant und Flandern sind, sampt allen Gläubigen in Christo, Gnade und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesu Christo.

Lob und Dank sei dem Vater aller Barmherzigkeit, der uns zu dieser Zeit wiederumb sehen lässt sein wunderbares Licht, wilchs bisher umb unser Sund willen verborgen gewest, uns der gräulichen Gewalt der Finsterniss hat lassen unterworfen sein, und so schmählich irren, und dem Antichrist dienen.

Aber nu ist die Zeit wiederkommen, dass wir der Torteltauben Stimm horen, und die Blumen aufgehen in unserm Land. Wilcher Freud, mein Liebsten, ihr nicht alleine theilhaftig, sondern die Furnehmisten worden seid, an wilchen wir solche Freude und Wonne erlebt haben.

Denn euch ists fur aller Welt geben, das Evangelii nicht alleine zu horen, und Christum zu erkennen; sondern auch die Ersten zu sein, die umb Christus willen Schand und Schaden, Angst und Noth, Gefängniss und Fährlichkeit leiden, und nu so voller Frucht und Stärk worden, dass ihrs auch mit eigenem Blut begossen und bekräftigt habt;

da bei euch die zwei edle Kleinod Christi, Hinricus und Johannes, zu Brussel ihr Leben gering geacht haben, auf dass Christus mit seinem Wort gepreiset wurde.

O wie verächtlich sind die zwo Seelen hingericht, aber wie herrlich und in ewiger Freuden werden sie mit Christo wiederkommen, und recht richten diejenigen, von denen sie itzt mit Unrecht gericht sind.

Ach wie gar ein geringe Ding ists, von der Welt geschändet und getodtet werden, denen, so do wissen, dass ihr Blut kostlich, und ihr Tod theur ist fur Gottis Augen, wie die Psalmen singen.

Was ist die Welt gegen Gott? Wilch eine Lust und Freud haben alle Engel gesehen an diesen zwo Seelen? Wie gerne wird das Feur zu ihrem ewigen Leben von diesem sundlichen Leben, von dieser Schmach zur ewigen Herrlichkeit geholfen haben?

Gott gelobt, und in Ewigkeit gebenedeiet, dass wir erlebt haben rechte Heilige und wahrhaftige Märterer sehen und horen, die wir bisher so viel falscher Heiligen erhebt und angebetet haben.

Wir hieroben sind noch bisher nicht würdig gewesen, Christo in ein solchs theures werthes Opfer zu werden; wiewohl unser Gelieder viel nicht ohn Verfolgung gewesen, und noch sind.

Darumb, mein Allerliebsten, seid getrost und frohlich in Christo, und lasst uns danken seinen grossen Zeichen und Wundern, so er angefangen hat unter uns zu thun.

14 Er hat uns da frisch neue Exempel seines Lebens furgebildet. Nu ists Zeit, dass das Reich Gottis nicht in Worten, sondern in der Kraft stehe.

15Hie lehret sichs, was da gesagt sei: Seid frohlich in Trubsal. Es ist ein kleine Zeit (spricht Jesaias Kap. 54), dass ich dich verlasse; aber mit ewiger Barmherzigkeit will ich dich aufnehmen.

Und der 91. Psalm v. 14. 15.: Ich bin (spricht Gott), mit ihm in Trubsal: ich will ihn erretten, und will ihn zu Ehren setzen; denn er hat meinen Namen erkannt.

Weil wir denn die gegenwärtige Trubsal sehen, trostliche Verheissunge haben, so lasst uns unser Herz erneuen, guts Muths sein, und mit Freuden dem Herrn uns schlachten lassen.

Er hats gesagt, er wird nicht lügen: Auch die Haar auf eurem Haupt sind alle gezählet.

Und obwohl die Widersacher diese Heiligen werden Hussitisch, Wigleffisch und Lutherisch ausschreien, und sich ihres Mords ruhmen, soll uns nicht wundern, sondern deste mehr stärken; denn Christus Kreuz muss Lästerer haben.

Aber unser Richter ist nicht ferne, der wird ein ander Urtheil fällen; das wissen wir, und sinds gewiss.

Bittet fur uns, lieben Bruder, und unter nander, auf dass wir die treue Hand einer dem andern reichen, und alle in einem Geist an unserm Häupt Jesu Christo halten, der euch mit Gnaden stärke und vollbereite zu Ehren seinem heiligen Namen, dem sei Preis, Lob und Dank bei euch und allen Creaturen in Ewigkeit, Amen.

E. W.

Mart. Luther. D.

XXV.

Ein Lied von den zween Märterern Christi, zu Brüssel von den Sophisten von Löven verbrannt.

Geschehen am 1. Juli 1523.

Ein neues Lied wir heben an,
Das walt Gott, unser Herre,
Zu singen, was Gott hat gethan
Zu seinem Lob und Ehre.
Zu Brüssel in dem Niederland
Wohl durch zween junge Knaben
Hat er sein Wundermacht bekannt,
Die er mit seinen Gaben
So reichlich hat gezieret.

Der Erst recht wohl Johannes heisst,
So reich an Gottes Hulden;
Sein Bruder Heinrich nach dem Geist,
Ein rechter Christ ohn Schulden.
Von dieser Welt gescheiden sind,
Sie han die Kron erworben,
Recht wie die frommen Gottes Kind
Für sein Wort sind gestorben,
Sein Märtrer sind sie worden.

Der alte Feind sie fangen liess,
Erschreckt sie lang mit Dräuen;
Das Wort Gotts man sie leuken hiess,
Mit List auch wollt sie täuben.
Von Löven der Sophisten viel,
Mit ihrer Kunst verloren,
Versammlet er zu diesem Spiel.
Der Geist sie macht zu Thoren.
Sie konnten nichts gewinnen.

Sie sungen süss, sie sungen saur,
Versuchten manche Listen,
Die Knaben stunden wie ein Maur
Verachten die Sophisten.
Den alten Feind das sehr verdross,
Dass er war überwunden
Von solchen Jungen, er so gross:
Er ward voll Zorn von Stunden,
Gedacht, sie zu verbrennen.

Sie raubten ihn das Klosterkleid,
Die Weih sie ihn auch nahmen;
Die Knaben waren dess bereit,
Sie sprachen frölich Amen.
Sie dankten ihrem Vater Gott,
Dass sie los sollten werden
Des Teufels Larven, Spiel und Spott,
Darin durch falsche Berden
Die Welt er gar betreuget.

Da schickt Gott durch sein Gnad also,
Dass sie recht Priester worden,
Sich selbs ihm mussten opfern da
Und gehn im Christenorden,
Der Welt ganz abgestorben sein,
Die Heuchelei ablegen,
Zum Himmel kommen frei und rein,
Die Möncherei ausfegen
Und Menschentand hie lassen.

Man schrieb ihn für ein Brieflein klein,
Das hiess man sie selbs lesen.
Die Stück sie zeichten alle drein,
Was ihr Glaub war gewesen.
Der höchste Irrthum dieser war:
Man muss allein Gott glauben,
Der Mensch leugt und treugt immerdar,
Dem soll man nicht vertrauen.
Dess mussten sie verbrennen.

Zwei grosse Feur sie zündten an,
Die Knaben sie her brachten.
Es nahm gross Wunder Jedermann,
Dass sie solch Pein verachten.
Mit Freuden sie sich gaben drein
Mit Gottes Lob und Singen.
Der Muth ward den Sophisten klein
Für diesen neuen Dingen,
Dass sich Gott liess so merken.

Der Schimpf sie nun gereuet hat,
Sie wolltens gern schön machen.
Sie thun nicht rühmen sich der That,
Sie bergen fast die Sachen.
Die Schand im Herzen beisset sie
Und klagens ihrn Genossen,
Doch kann der Geist nicht schweigen hie:
Des Habels Blut vergossen,
Es muss den Kain melden.

Die Aschen will nicht lassen ab,
Sie stäubt in allen Landen.
Hie hilft kein Bach, Loch, Grub noch Grab
Sie macht den Feind zu Schanden.
Die er im Leben durch den Mord
Zu schweigen hat gedrungen,
Die muss er todt an allem Ort
Mit aller Stimm und Zungen
Gar fröhlich lassen singen.

Noch lassen sie ihr Lügen nicht,
Den grossen Mord zu schmücken.
Sie geben für ein falsch Gedicht,
Ihr Gwissen thut sie drücken.
Die Heiligen Gotts auch nach dem Tod
Von ihn gelästert werden,
Sie sagen: in der letzten Noth
Die Knaben noch auf Erden
Sich solln haben umkehret.

Die lass man lügen immerhin,
Sie habens keinen Frommen.
Wir sollen danken Gott darin,
Sein Wort ist wiederkommen.
Der Sommer ist hart für der Thür,
Der Winter ist vergangen,
Die zarte Blümlin gehn herfür:
Der das hat angefangen,
Der wird es wohl vollenden.
Amen.

Zitiert nach der Erlanger Ausgabe