Michael Cölius wurde am 7. Sept. 1492 zu Döbeln im Meissenschen geboren. Sein Vater, Paulus Czöles, ein nicht unbemittelter Bäcker, und seine Mutter, Hedwig, waren wegen ihrer Gottesfurcht und Rechtschaffenheit geschätzt. Früh zur Schule angehalten zeigte Michael bald grosse Lust und Anlage zu den Wissenschaften. Schon 1509 sandten ihn die Ältern auf Anrathen seiner Lehrer auf die Universität zu Leipzig, wo er vorzüglich unter Laurentius Höllwig drittehalb Jahr fleissig studirte und 1511 das Baccalaureat erwarb. Schon im folgenden Jahre wurde er Lehrer an der Schule zu Döbeln; 1513 folgte er einem Rufe nach Rochlitz, wo er 1514 zum Rector aufstieg und mehre ausgezeichnete Schüler bildete, vor allen Mathesius, den nachmaligen Joachimsthaler Prediger, Apianus, den Mathematiker und Johannes Walther, den Tonkünstler. 1518 wurde er zu Merseburg ordinirt und um Michaelis zu Krimmitschau als Prediger angestellt, aber von dort schon nach einem halben Jahre zum Prädicanten in seine Vaterstadt berufen. Gleich darauf lernte er Luther’s Schriften kennen. Er las sie als eifriger Papist und kämpfte im Geiste mit allen Waffen gegen ihre grundstürzenden Angriffe. „Er hat sich“ – sagt Cyriacus Spangenberg in der Leichenrede – „im Anfang gleich als ein Regenwurm gewunden, ehe er sich das Papstthums und der Dinge, so menschlicher Vernunft wohlgefallen, hat entschlagen können und sich zu Dem begeben mögen, davon menschliche Vernunft Weniger, denn Nichts weiss.“ Aber die Wahrheit wurde ihm zu stark, zumal als die ausführliche Nachricht von der Leipziger Disputation und der heroischen Verantwortung Luther’s in Worms zu ihm drang. 1522 hatte er sich innerlich für das Evangelium entschieden, zog nach Wittenberg, hörte Luther und die Reformatoren, brach noch in demselben Jahre auch äusserlich mit dem Papstthume und verheirathete sich mit Christine Merseburg, der Tochter eines Bürgers zu Rochlitz.
Im folgenden Jahre wurde er von dem Herrn Friedrich von Salhausen zum Prediger nach Pensau in Böhmen berufen. Hier predigte er das reine Evangelium mit grosser Kraft, zur Freude der Gläubigen, zum Verdruss der Papisten. Am dritten Advent 1523 fand sich in seiner Kirche der römische Legat und Dompropst Ernst von Schleinitz ein. „Als nun in der Predigt der päpstlichen Pfaffen Pracht, Hoffahrt und Übermuth, dessgleichen der Gräuel des Messopfers gerühret worden, hat der Thumpropst für Zorn und Grimm gleich als ein besessener Mensch, ja wie der Teufel selbst, mit zitternder Stimme zu schreien angefangen: Es ist nicht wahr, erlogen ist’s Alles, was der Pfarrer redet, glaubt ihm nicht, er ist ein Bube, ein Verführer, ein Abtrünniger von der römischen Kirche, u.s.w. Und ist darauf mit grossem Gepolter zur Kirche hinausgestürzt, mit Stürmen und vielen Dräuworten, die zum Theil nicht vergebens gewesen; denn von dem Tage an ist Herrn Michael heftig und auf mancherlei Weise zugesetzt worden, bis man ihn endlich gar hinweggejagt und in’s Elend gebracht“ (Spangenberg in der Lebensbeschreibung Cölii). Cölius hatte sich in ein verborgenes Kämmerlein zugleich mit seinen Büchern zurückgezogen. Nur sein Küster, den er mit Wohlthaten überhäuft, war in das Geheimniss gezogen. Der Treulose verrieth ihn. Mitten im Winter, am 25. Januar 1525, entzog sich Cölius durch die Flucht der ausgebrochenen Verfolgung, irrete umher von Ort zu Ort und fand endlich in Lausort eine kümmerliche bleibende Stätte. Von hier aus wurde er gegen Ende des Jahres auf Luther’s Empfehlung von dem Grafen Albrecht von Mansfeld zum Hofprediger daselbst berufen. 1542 ernannten ihn die anderen Grafen zum Dekan auf dem Schlosse und nach Martin Seligmann’s Tode 1548 auch zum Pfarrherrn im Thale Mansfeld.
In der schwierigen Stellung eines Hofpredigers benahm sich Cölius mit besonnenem Freimuth. in weltliche Angelegenheiten mischte er sich nicht ein, aber um Rath befragt ertheilte er Anfangs oft bitter, zuletzt aber gut befundenen Bescheid.
Der heiligen Wissenschaft blieb er von ganzer Seele ergeben. Vorzüglich studirte er Luther’s Genesis. Brentz’ Commentar zu den Büchern Samuelis und die Magdeburger Centurien, so weit sie vorlagen. Mit dem Studium ersterer beiden Schriften wechselte er regelmässig ab. Auch ging er zu seiner Stärkung jeden Sonnabend nach Eisleben, um Joh. Agricola’s Bibellectionen anzuhören, so lange dieser dem lutherschen Lehrbegriffe treu blieb.
Mit Luther stand Cölius in der innigsten Gemeinschaft. Vor Allem beweis’t dies Luther’s Lebensende, das Cölius erleichterte. Er wurde von ihm in den letzten Tagen immer zugleich mit Jonas genannt; z.B. in den Aussprüchen: „Mein Herr sagt. Ich will sie auferwecken am jüngsten Tage. Und er wird dann also sagen: Dr. Martine, Dr. Jona, Herr Michael Cöli, kommt herfür! Und er wird uns Alle bei unserm Namen nennen, wie der Herr Christus im Johanne sagt: Und er rufet sie bei Namen. Wohlan, seid unerschrocken!“ – „Dr. Jonas und Herr Michael, betet für unsern Herrn Gott und sein Evangelium, dass es ihm wohl gehe; denn das Concilium zu Trident und der leidige Papst zürnen hart mit ihm.“ „Doctor Jonas und Herr Michael, ich bin hier zu Eisleben getauft, wie, wenn ich hie bleiben sollte?“ Auch hielt Cölius die zweite Predigt über der Leiche Luther’s zu Eisleben und ist mit Jonas Verfasser der Schrift „vom christlichen Abschied des ehrwürdigen Herrn D. Martini Luther’s.“
Fest und unwandelbar hat Cölius die Lehre Luther’s nicht nur gegen die Papisten, sondern auch gegen die Interimisten, Antinomisten, Majoristen und Sacramentsschwärmer vertheidigt. Er kämpfte mit grosser Freudigkeit und Wirksamkeit mitten im Schmerz über die Unwahrheit.
Im J. 1551 wurde Cölius durch den Tod seiner frommen Gattinn, die ihm drei Söhne und drei Töchter geboren hatte, tief betrübt. Doch hat sich „der gute Mann das Jahr hernach überreden lassen (ungeachtet, dass er nunmehr kein Jüngling), ein gar junges Mägdlein, eines Bürgers Tochter von Freiberg, im Mansfeldschen Frauenzimmer erzogen, zu ehelichen, welches, ob es wohl an ihm selbst nicht unchristlich, auch besser, denn es gemeiniglich pflegt, gerathen, doch unweislich gethan war, wie er denn selbst bekannt hat, dass Solches seine grösste Thorheit gewesen, die er begangen hätte, damit an ihm, wie er sagte, das gemeine Sprichwort auch wahr würde: Alter hilft vor Thorheit nicht. Doch weil das Jawort hinweggegeben war, hat er demselben nachkommen wollen, und solche Ehe auf dem Schloss Schraplau, da ich ihm die Brautpredigt gethan, vollzogen und sieben Jahr in solchem seinen andern Ehestande gelebt, aber keine Kinder gezeuget“ (Spangenberg a.a.O.).
Cölius starb „sanft und still in Christo“ am 13. Decbr. 1559.
Seine Predigten sind durch ihren ächt evangelischen Inhalt, erbaulichen Ton und durch klare Anordnung ausgezeichnet. Sie schliessen sich in der Regel ganz an den Text, den sie jedoch erst disponiren. Sie zerfallen hiernach in markirte Theile, als deren zusammenfassende Einheit der Text betrachtet wird. Doch finden sich auch Predigten, die nicht nach den Theilen des Textes, sondern nach denen eines obersten Gesichtspunktes gegliedert sind, mithin thematisch-synthetisch genannt werden können. Aber auch diese dringen tief in die Gedanken des Textes ein. Seine Gabe, über Psalmen zu predigen, wird besonders hervorgehoben. Auch sind von ihm gedruckte Homilieen über einzelne Psalmen vorhanden, die durch Gedankenfülle, Anmuth und musterhafte Disposition zu den besten homiletischen Arbeiten der Reformationszeit gehören, aber zur Mittheilung wegen übergrosser Länge ungeeignet sind.
Cölius’ wichtigste Schriften (darunter besonders Psalmenauslegungen, Gebete, Hochzeit-, Tauf-, Passions- und Leichenpredigten sammt 18 Streitschriften) sind nach dem Tode gesammelt und herausgegeben, unter dem Titel: Des ehrwürdigen Herrn Michael Coelii christliche und nützliche Auslegungen, Predigten und Schriften, gemeiner Christenheit zu Dienst zusammengebracht durch M. Cyriacum Spangenberg. Strassburg 1565. fol.
Quelle: Historia des ehrwürdigen Herrn Michael Cölii, beschrieben durch M. Cyr. Spangenberg (zu finden vor der Ausgabe seiner Werke). Vgl. auch die Leichenpredigt von demselben, daselbst am Schlusse.
Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters, in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten dargestellt von Wilhelm Beste, Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig Leipzig, Verlag von Gustav Mayer. 1856