Christian David wurde am 31. Dez. 1690 zu Senftleben in Mähren geboren. In der katholischen Religion erzogen, zeigte er sich zuerst als einen großen Eiferer für dieselbe. Doch fand er in ihren Ceremonien bald keine Ruhe mehr. In seiner Jugend hütete er Kühe und Schafe; später erlernte er das Zimmerhandwerk, und kam bei dieser Gelegenheit mit evangelisch Gesinnten zusammen, die ihm Bilderdienst, Wallfahrten u. dergl. m. als Menschengebot darstellten. Das erschütterte seinen Glauben an die Satzungen seiner Väter. Um diese Zeit wurden jene Evangelischen wegen ihrer Zusammenkünfte und Bücher in einem Keller gefangen gesetzt. Ihr Tag und Nacht anhaltendes Singen und Beten zu Gott machte einen tiefen Eindruck auf ihn; er hatte aber, wie er sich ausdrückt, keinen Begriff von der Sache. Als er nun auch den Ernst und Eifer der Juden im Gesetz und Gottesdienste wahrnahm, wurde er an der christlichen Religion ganz irre, und wußte nicht, ob der Eifer der Katholiken, oder derer im Gefängnisse, oder der Juden der rechte wäre. Endlich kam er in den Besitz einer Bibel, und indem er das Alte und Neue Testament verglich, wurden seine Zweifel besiegt, und er lernte es glauben, daß Jesus der verheißene Messias sei. Seitdem las er am liebsten in der Bibel, und wenn er von der Arbeit noch so ermüdet war, sie stärkte und erquickte ihn wieder.
Da er zu gleicher Zeit einsah, daß die Lehre der evangelischen Kirche die Lehre der h. Schrift sei, ging er nach Ungarn, um zu derselben überzutreten. Als er zum ersten Mal den Gesang einer evangelischen Gemeinde hörte, war er außer sich vor Freude. Aber die Lutheraner in Ungarn fürchteten, wenn sie ihn aufnähmen, sich schwere Strafe zuzuziehen. Und da ihm auch von der katholischen Geistlichkeit nachgestellt wurde, so begab er sich nach Berlin. Hier bekannte er sich zur lutherischen Religion, und ging zum h. Abendmahl. Was er aber zu finden gedacht hatte, fand er nicht, sondern er traf überall gottloses Wesen. Er sah zu seiner großen Betrübniß, daß man nicht einmal ohne Spott dem Christenthum gemäß leben könnte. Er hatte verschiedene harte Krankheiten auszustehen, in denen er Gott neue Treue gelobte. In Görlitz kam er mit mehreren rechten Kindern Gottes zusammen, so mit dem dortigen Pastor Schäfer. Und hier fühlte er sich gedrungen, seine evangelisch gesinnten Landsleute zu besuchen, um ihnen seine seligen Erfahrungen mitzutheilen, und den Weg Gottes weiter auszulegen.
Er ging also im Jahre 1717 wieder nach Mähren, und verkündigte Jesum. Nach einem halben Jahre wiederholte er seine Reise, wurde aber durch eine ansteckende Krankheit an seinem Vorhaben gehindert. Bei seiner Rückkehr in Görzlitz wurde er wieder bis zum Tode krank. Er wurde an allen Gliedern gelähmt; nur die rechte Hand konnte er noch gebrauchen, sonst vermochte er sich nicht zu bewegen. Als er genesen war, zog er wieder nach Mähren, und erzählte, was Gott ihm an seinem Leibe und an seiner Seele für Barmherzigkeit gethan hätte. Die Brüder in Mähren beschlossen auszuwandern, und baten ihn, ihnen einen Ort anzuweisen, wo christliche Leute wären, und wo sie nach ihrem Glauben leben könnten. Als er deswegen nach Görlitz zurückkam, wurde er mit dem Grafen Zinzendorf bekannt, der ihnen Aufnahme auf seinen Gütern versprach. Eilends kehrte er nach Mähren zurück, und brachte den Brüdern die frohe Botschaft. Darüber wurden sie hoch erfreut, brachen, obgleich der Feind ihnen große Hindernisse in den Weg legte, auf, und gelangten unter Gottes Beistand nach Herrnhut. Hier bauten sie nun am Hutberge im Jahre 1722 das erste Haus. Es war am 17. Juny, als Christian David seine Axt in den ersten Baum schlug mit den glaubensmuthigen Worten: „Hier hat der Vogel sein Haus gefunden, und die Schwalbe ihr Nest, nämlich deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott!“
Christian David beschäftigte sich so eifrig mit dem Wohle seiner mährischen Glaubensgenossen, daß er einmal im Jahre 1723, als er im Hause des Grafen zu Berthelsdorf arbeitete, sein Werkzeug liegen ließ, und ohne Hut 40 Meilen weit nach Mähren ging, um Leute zu holen. Im nämlichen Jahr gelobte er um die Adventszeit abermals, bei Gelegenheit einer schweren Niederkunft seiner Frau, eine solche Wanderschaft nach Mähren. Er hielt mächtige Reden über Matth. 5 und veranlaßte dadurch eine große Bewegung. Im Ganzen ist er 11 oder 12 mal in Mähren gewesen, und oft in der augenscheinlichsten Gefahr von den ihn aufsuchenden Gerichtsdienern nicht gesehen, und sonst auf’s wunderbarste bewahrt worden. In Herrnhut wurde er zum Aeltesten gewählt. Noch einmal im Jahre 1749 besuchte Christian David Grönland, und baute in den 14 Tagen seines Aufenthaltes den Grönländern ein Provianthaus, und den Missionaren drei Stuben. Er vergoß Freudenthränen über die selige Veränderung, die der Herr dort geschafft, und darüber, daß die Gnade sich an so manchem Herzen des versunkenen Volkes so herrlich bewiesen hatte. Im August ging er mit Friedrich Böhnisch nach Pennsylvanien, und half an dem Familienhause in Nazareth bauen. Im November kehrte er nach England zurück, und besuchte alle Gemeinen in Deutschland. Zuletzt wohnte er in Herrnhut, und schrieb noch manchen herrlichen Brief, bis ihn am 29. Januar 1754 seine letzte Krankheit so schnell überfiel, daß er aus der Conferenz weggehen und sich auf sein Bett legen mußte. Er starb am 3. Febr. 1751.
Doch wir kehren nach Grönland zurück.
Das Jahr 1754 ist wegen seiner vielen Sterbefälle merkwürdig, indem 60 Getaufte ohne die ungetauften Glieder durch eine ansteckende Krankheit in die Ewigkeit versetzt wurden. Da mehrere der besten Erwerber und Hausväter gestorben waren, so geriethen viele Wittwen und Waisen in’s äußerste Elend. Aber durch Vertheilung derselben unter andere Familien und durch vorsichtige Unterstützung wurden sie so versorgt, daß Niemand Mangel litt. Indeß waren so viele Einwohner hinzugekommen, und so viele getauft worden, daß am Schlusse des Jahres die Gemeinde sich eher vermehrt, als vermindert hatte. Am Ende 1757 betrug die Anzahl der Getauften 400.
Die Brüder wurden indeß von den Heiden der Umgegend dringend gebeten, zu ihnen zu kommen. Besonders geschah dies von den Einwohnern der Fischer-Fjorde, ungefähr 18 Meilen südlich von Neuherrnhut. In Folge dessen zog Stach mit 32 Grönländern zu ihnen, und nannte den Ort Lichtenfels. Die Heiden aus der Umgegend kamen fleißig zu ihm, meist in der Absicht, das Evangelium zu hören; viele zogen auch ganz zu ihm. Er hatte hier gleichfalls mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen, bis er zu Anfang 1760 die erste Familie von vier Personen taufen konnte. Von da an vermehrte sich die Gemeinde zusehends, und nach einigen Jahren bestand sie schon aus 200 Seelen.
Die durch einige schreckliche Träume bewirkte Erweckung und darauf erfolgte gründliche Bekehrung des berühmten Angekoks Immenak, hatte die Folge, daß im Jahre 1768 Neuherrnhut mit 80 neuen Einwohnern vermehrt wurde. Merkwürdig ist, was die Brüder von der Tochter Immenak’s erzählen: „Sie war durch ihres Vaters Reden gerührt worden, und mit ihm hergekommen, sich zu bekehren. Aber den Sommer über waren die Rührungen durch die Zerstreuungen erloschen. Den ersten November ging sie mit einer getauften Wittwe hinaus, Beeren einzusammeln. Als sie auf dem Felde einige Mägdlein fand, fing sie an, über sie und ihre Taufe zu spotten. Die Wittwe bestrafte sie und sagte: „Weißt du auch, daß dich der Heiland dafür strafen kann?“ „Ei erwiederte sie lachend, er mag mich strafen!“ Als sie nach Hause kam, wurde sie von heftigen Leibschmerzen befallen. Nun sagte die Wittwe zu ihr: „Denkst Du daran, was du auf dem Felde gesagt hast?“ „Ach ja, antwortete sie, dies ist die Strafe, die ich so leichtsinnig verlangt habe; gehe aber gleich zu den Lehrern, und bitte sie, zu mir zu kommen!“ Als wir zu ihr kamen, bat sie flehentlich um die Taufe. Man hielt ihr vor, daß man noch nie vernommen, daß ihr um den Heiland zu thun sei. Sie antwortete: „Ja, ich weiß und bekenne es; aber nun ist es mir ganz anders zu Muthe. Ich verlange von Herzen nach der Taufe, damit ich von Sünden abgewaschen werde. Ich bitte nur bald zu machen, denn ich sterbe, und ohne Jesu Blut gehe ich verloren!“ Wir waren verlegen. Aber wir sahen unsern barmherzigen Herrn an, der alles, was von Herzen nach ihm verlangt, gleich annimmt, und er gab uns Freudigkeit, sie zu taufen. Einige Schwestern wachten die Nacht bei ihr, und sangen ihr Verse. Gegen Morgen rief sie aus: „Nun wirds lichte!“ und verschied.
Im Jahre 1771 bestand die Gemeinde in Neuherrnhut aus 531, die in Lichtenfels aus 323 grönländischen Einwohnern. In diesem Jahre verließ Matthäus Stach Grönland auf immer. Er beschloß seine Lebensjahre zu Bethabara in Nordamerika. Den Geschwistern daselbst war er durch seinen lautern Wandel, seine Geduld und Heiterkeit in seinen körperlichen Leiden, ein Vorbild, bis ihn der Herr am 21. Dezember 1787 in sein himmlisches Reich abrief.
Johann Beck blieb bis zu seinem Tode in Grönland. Im Jahre 1736 hatte er Rosina Stach, Schwester von Matthäus, geheirathet. „Meine liebe Rosina, fragte er sie vor der Verlobung, gedenkst Du auch in Grönland auszuhalten, wenn Hunger und Kummer, Verfolgung und Ungemach und Noth aller Art über uns kommen sollte, und willst Du mir zur Bekehrung der Heiden auf allerlei Weise förderlich seyn?“ Erst nachdem sie mit einem freudigen Ja geantwortet hatte, gab er ihr seine Hand. Fünf Söhne und vier Töchter waren die Frucht ihrer Ehe. – Im Jahre 1770 hatte er die Freude, seine zwei ältesten Söhne, Johann Ludwig und Jakob in Neuherrnhut zu bewillkommnen. „Ach, rief er aus, nun will ich gern sterben, da mein Gebet erhört ist, und ich etliche meiner Kinder hier auf meinem Posten angestellt sehe! Herr Jesu, so wie ich dir alle meine Kinder von Mutterleibe an zum Eigenthum übergeben habe, so sollst Du sie auch ferner behalten. Ach bereite sie völlig zu deinem Dienste zu!“
Am 19. März 1777 ging er ein zu seines Herrn Freude. In der Nacht des 19. um zwei Uhr ließ er sich, sein nahes Ende vermuthend, den Segen zu seiner Heimfahrt erhteilen, wobei er selbst sein graues, ehrwürdiges Haupt entblößte. „Ach Herr Jesu, hörte man ihn zuweilen seufzen, stärke meine schwache Hülle, und erleichtere meine Schmerzen! Jedoch, was sind meine Schmerzen gegen die deinigen? Was hast du für Marter und Angst um meinetwillen ausgestanden?“ Um vier Uhr nahm der Herr seinen treuen Knecht in die ewige Ruhe.