Simon Musäus (Meussel) wurde 1529, drei Tage vor Ostern, zu Vorscha, einem Dorfe bei Cotwitz an der märkischen Gränze, geboren. Seine Ältern, Simon und Hedwig, waren fromme und thätige Bauern. Doch zeichnete sich der Vater durch grosses Talent zu kunstreichen Arbeiten, vorzüglich zur Erfindung und Verfertigung mechanischer Instrumente, aus. Die Gaben seines Sohnes früh erkennend, sandte er ihn auf die vortreffliche Schule zu Cotwitz und im vierzehnten Lebensjahre auf die Universität zu Frankfurt an der Oder. Hier trieb er die sieben freien Künste, hörte Theologie bei Massilius, Politik bei Georg Sabinus, dem Schwiegersohn Melanchthon’s, und Medicin bei Arian. 1545 ging er nach Wittenberg, wo er den Unterricht Luther’s und Melanchthon’s genoss. Letzterer empfahl ihn 1547 zum Lehrer der griechischen Sprache nach Nürnberg. Hier leitete Simon zugleich die Erziehung der Kinder eines Rathsherrn aus dem vornehmen Geschlechte der Tucher. Auch predigte er oft mit grossem Beifall. Schon 1549 wurde er zum Pfarrer nach Fürstenwalde in der Mark berufen. Doch wusste der Bischof von Lebus, ein heftiger Feind des Evangeliums, bereits 1551 seine Dimission zu erwirken. 1552 ging Musäus als Pfarrer nach Crosen an der Oder. Als aber hier die Obrigkeit für weniges Geld ganze Dörfer um Crosen aufkaufte, die armen Einwohner ausziehen hiess und zur Anlegung neuer Wohnungen und Fischteiche an anderen Orten mit Frohndiensten belastete, erhob Musäus seine warnende und drohende Stimme. Darüber mit den Angesehenen der Stadt verfeindet und von ihnen verfolgt, musste er zum zweiten Male in’s Exil gehen. Doch wurde er noch in demselben Jahre an Eobanus Hessus Stelle zum Pastor an die Elisabethskirche zu Breslau berufen. Hier wirkte er in Segen und mit grosser Freudigkeit, bis sein Eifern gegen den Papismus, in’s Besondere seine Weigerung, in dem Liebe „erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ anstatt „des Papst und Türken Mord,“ „des Teufels und Türken Mord“ singen zu lassen, ihm auf’s neue die Absetzung zuzog (1558). Bald darauf erfolgte seine Anstellung zum Superintendenten in Gotha. Nicht nur seine dortigen Gemeindeglieder, sondern auch die ihm untergeordneten Prediger waren ihm sehr ergeben. Die Pastoren auf dem Lande versäumten bei ihm in der Woche keine Predigt. Die Fürsten von Sachsen beehrten ihn mit der einträglichen Propstei zu Eisfeld in Franken. 1560 ging M. nach Jena, von wo aus er schon in Breslau das theologische Doctordiplom empfangen hatte, zur Professur. Sofort wurde er in die Strigelschen Streitigkeiten verwickelt. Auf dem zu Weimar im August zwischen Flacius und Strigel abgehaltenen Colloquium führte er den Vorsitz. Die Extravaganzen der Flaciusschen Partei stimmten den Herzog Johann Friedrich milder gegen den Strigelschen Synergismus. Er verjagte deshalb mit den hyperorthodoxen Professoren und Predigern zugleich die orthodoxen, unter ihnen auch Musäus, der sich nach Bremen wandte und die dortige Superintendentur übernahm. Als jedoch daselbst der Calvinismus siegte, musste M. mit Gefahr seines Lebens die Stadt verlassen (1562). Bald darauf wurde er Superintendent in Schwerin, 1565 aber zu Gera. Hier copulierte er (am 4. Febr. 1568) seine älteste Tochter Barbara mit D. Tilemann Heshusius, vollendete seine evangelische und epistolische Postille und wehrte in einer bündigen Declaration den Verdacht des Flacianismus von sich ab. Doch brachte ihn seine Eifer gegen die Sectirer in den Ruf der Zanksucht, und die Fürsten von Reuss entschlossen sich, aus Furcht vor der Ungnade des Churfürsten August von Sachsen, ihn zu entlassen. Hierauf folgte er einem Rufe zum Superintendenten nach Thoren (1568). Bald jedoch fand er an dem Bischofe von Thoren, vorzüglich in Folge seine Katechismuserklärung, einen erbitterten Feind, welcher den König von Polen bewog, den Rath zu Thoren mit Musäus’ Dimission zu beauftragen. Johann Wilhelm, der Gründer der Universität Jena und der Beschützer der lutherschen Orthodoxie, berief ihn 1570 nach Coburg. Als aber nach seinem Tode Churfürst August die vormundschaftliche Regierung übernahm (1573), wurde Musäus mit allen Geistlichen und Professoren, welche den luthersch-philippistischen Consensus verwarfen, abgesetzt. Der Statthalter von Coburg, der ihn verehrte, versah ihn mit Reisegeld und liess ihn in seinem Wagen bis nach Erfurt fahren. Hierauf lebte M. eine Zeitlang in Braunschweig, wo er seine Tochter Maria an M. Daniel Hofmann, den späteren berühmten Professor zu Helmstedt, verheirathete. Von Braunschweig lud ihn ein Herr von Ummendorf auf sein Gut bei Magdeburg ein. Dort genoss er mit Weib und Kind einer freundlichen Herberge, bis er eine neue Anstellung zu Soest in Westphalen erhielt. „Daselbsten ist er nicht lange gewesen, von desswegen, dass er sein Strafamt und christlichen Eifer über und wider die im Schwange gehenden Sünden, der ich der löblichen Stadt zu Ehren schweige, nicht konnte Amts und Gewissens halber unterlassen, und weil fast die Vornehmsten der Stadt im Regimente sassen, Einer dem Andern zum Gefallen die öffentlichen Laster dissimulirten, welche ihm ein gross Herzleid und Verhinderung seines Amtes war, ist er unter dem Schein, man könnte eine ganze gemeine Bürgerschaft aus Besorgung allerlei Auflaufs und Gefahr nicht also im Zaume halten, wie es wohl Gottes Wort und das Strafamt erforderte, von E. E. Rathe dimittirt worden, dass also an diesem Orte das liebe Strafamt und Gesetze Gottes keinen Locum gehabt, und hat man in Vocatione sich nicht vermuthet, dass man an seiner Person einen solchen Johannem Baptistam haben würde, der dem Herodi durfte in Faciem sagen: Es ist nicht recht, dass du deines Bruders Weib habest; darum musste er auch den Kopf verlieren.“ (Joh. Musäus.) Seine letzte Stelle fand M. 1580 im Thale Mansfeld. Er trug Viel dazu bei, die dortige, von den flacianischen Streitigkeiten zerrüttete Gemeinde zur Einfalt des lutherschen Katechismus zurückzuführen, starb aber schon am 11. Juli 1582, „in wahrer Anrufung des eingeborenen Sohnes Jesu Christi.“ Er liegt in der Pfarrkirche zu Mansfeld begraben. Die Leichenpredigt hielt ihm Hieronymus Mencel.
Musäus hat zehn Exile ausgestanden und an keinem Orte länger als drei Jahre fungirt.
M.’s Predigten sind textestief, frisch und bilderreich. Sie theilen den Text in einzelne Lehrpunkte und endigen immer mit der „Summa des Evangelii (oder der Epistel) in’s Gebet verfasset.“
Schriften: Predigten vom heil. Abendmahle. Ursel. 1558. Melancholischer Teufel. Jena 1572. 8. Sententia de peccato originis, quod non sit substantia. Jen. 1572. 4. Catechismus. Francof. 1575. fol. Postilla, das ist, Auslegung der Episteln und Evangelien. Frankf. a. M. 1579. fol. Auslegung des ersten Buches Mosis. Magdeb. 1595. fol. 8. Curriculum vitae Simonis Musaei in der Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen. Jahrg. 1720. S. 571 ff., verfasst vom unterschriebenen: „Johannes Musaeus, Filius Senior B. Doctoris Musaei, cui Aeta parentis erant cognita, ad intensas preces filii sui Johannis Musaei junioris, pastoris in Langenwiesen, memoriae ergo composuit.“ Zeumeri Vitae profess. Jen. p. 40.
Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856