Georg Strigenitz

Georg Strigenitz, ein Sohn des Tuchmachers und Rathsmitgliedes, nachmaligen Stadtrichters Paul Strigenitz zu Meissen, war dasselbst am 9. Febr. 1548 geboren. Er besuchte zuerst die Stadtschule seiner Vaterstadt, seit seinem vierzehnten Jahre aber fünf Jahre lang die dortige, unter Georg Fabricius, Hiob Magdeburger, Peter Thomäus und Wolfgang Figulus blühende Fürstenschule. Von den Predigern zu Meissen wirkten besonders Alexius Prätorius und Caspar Eberhart anregend und belebend auf ihn ein. Prätorius’ Psalmenpredigten schrieb er in der Kirche eifrig nach und trug sie sauber in einen Folioband ein, der noch jetzt auf der Bibliothek zu Annaberg vorhanden sein soll. Eberhart, der später nach Wittenberg ging, würdigte den Jüngling seiner Freundschaft und berieth ihn segensreich bei theologischen Vorstudien. Paul Striegnitz starb 1564, und Georg ging drei Jahre darauf mit geringen Geldmitteln, aber guten Kenntnissen und vortrefflichen Zeugnissen nach Leipzig. Dort wurde es ihm möglich, durch Unterricht, den er ertheilte, und mit Hülfe von Stipendien fünf und ein halbes Jahr zu studiren. 1572 am 4. März reis’te er nach Wittenberg und promovirte daselbst zum Magister. „So viel aber seine vocationes zu Schul- und Kirchendiensten belanget, ist es mit denselben alle Zeit legitimo modo, ohne all sein Vorwissen, Rennen und Laufen zugegangen, wie die Epistel zu den Hebräern am 5. Cap. auch fein redet: Niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott, gleich wie der Aaron – welches er ihm auch die ganze Zeit seines Lebens, sonderlich in vielen Widerwärtigkeiten, die ihm zugestossen, einen Trost hat sein lassen, daher auch Sirach vermahnet am 10. Capitel: Mein Kind, in Widerwärtigkeiten sei getrost und trotze auf dein Amt.“ (Kirchbach). Nachdem er seit Michaelis 1572 ein halbes Jahr lang den Rectorat zu Döbeln verwaltet hatte, folgte er Ostern 1573 einem Rufe zum Pfarradjuncten nach Wolkenstein. Als er vom Consistorium zu Meissen ordinirt war, entliess ihn Eberhart mit den Worten: „Ziehet hin, betet fleissig und studirt fleissig; Ihr müsst doch einmal einen Hofprediger abgeben!“ Diese Weissagung traf ein. Strigenitz wurde 1581 vom Churfürsten August, dem Vormunde der Herzöge Friedrich Wilhelm und Johann von Weimar, zum Hofprediger und Assessor des churfürstlichen Consistoriums zu Weimar berufen. Die ihm 1584 angebotene dortige Superintendentur schlug er aus. Auch folgte er nur ungern einer Vocation zum Prediger und Superintendenten nach Jena i. J. 1587. „Ich kenne einen Menschen“ – so sagt er in seinen Predigten von der Vocation des Jeremias S. 18. – „der war Hofprediger an eines löblichen Fürsten Hofe ausserhalb dieses Landes und sollte sich zur Zeit auf Befehl und Begehren der hohen Obrigkeit zu einem Pfarrherrn und Superintendenten auf die Universität desselben Landes gebrauchen und bestellen lassen. Solcher Vocation weigerte er sich lange und bat unterthänigst dafür. Dieses kam dem Landesfürsten etwas befremdlich für, und er fragte seiner Kammerräthe einen, was er wohl möchte für Ursachen und Bedenken haben, dass er solche Vocation nicht annehmen wolle? Da antwortete der Kammerrath darauf und sagte: Gnädigster Fürst und Herr, ich kann den Hofprediger darum nicht verdenken, dass er sich so weigert; denn es gemahnet mich eben, als wenn man eine Katze nehme und würfe sie in einen Graben, da viel grimmiger Löwen innen wären, die würden ihr bald die Freude vertreiben und Feierabend geben. Er weiss, der Prediger, wie es ihm allbereit gegangen ist, und siehet, dass ihrer viele des Orts sind, die ihm feind und aufsätzig und ihm heftig werden zusetzen; derwegen ist er nicht zu verdenken, dass er in solche Vocation nicht bald willigen will.“ Doch fand St. in Jena neben vielen Feinden auch entschiedene Freunde. Zu ihnen gehörte D. Mylius, der Denen gegenüber, die St.’s Predigten um ihrer Einfalt willen verachteten, mit Begeisterung bekannte, „er sei nimmer aus seinen Predigten gegangen, er habe denn etwas Sonderliches gelernt.“ 1590 übernahm St. ein Pfarramt und die Superintendentur zu Orlamünde, von wo er aber schon 1593 zum Hofprediger und Consistorialassessor nach Meissen berufen wurde. Hier wirkte er, wie wohl unter harten Kämpfen mit den Calvinisten in grossem Segen und reicher Befriedigung bis an seinen am 16. Mai 1603 erfolgten Tod. Gottes Wort, Gebet und Sacramente erleichterte ihm sein letztes Krankenlager. Besonders tröstete er sich mit dem Spruche 1. Thess. 5,9.10: Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christ, der für uns gestorben ist, auf dass wir, wir wachen oder schlafen, zugleich mit ihm leben sollen. Diese Worte wurden auch auf das Kreuz an seinem Grabe geschrieben. Der Grabstein enthält sein Familienwappen: eine Taube mit einer Schlange umgeben, hindeutend auf seinen Wahlspruch: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Zugleich findet sich dasselbst folgende von ihm selbst in seiner letzten Krankheit verfertigte Grabschrift:

Angelus. Defunctus.

A. Hör’, lieber Mann, was ich dir sag
Und antwort’ mir auf meine Frag:
Wer bist du, und wie heissest du,
Der du da liegst in deiner Ruh’?

D. Ich bin und heiss Gregorius,
Mit Zunam’ Strigenicius,
Der Christum über dreissig Jahr
Öffentlich gelehrt, hell und klar,
Wie Solches ihr’ Vielen wohlbekannt
In Thüringen und Meissnerland:
Zu Wolkenstein im Städtlein klein,
Zu Weimar am sächsischen Hofe rein,
Zu Jena auf der Universität,
Die mir allda viel Gutes thät,
Desgleichen auch zu Orlamund
Und dann zuletzt in diesem Grund.

A. Was machst du hie im freien Feld?

D. Ich warte auf den theuern Held,
Der alle Todten wird wecken auf
Und die Seinen bringen zu Hauf,
Wenn er wird kommen zu Gericht,
Die Frommen und die Bösewicht.
Da will ich auch zum Himmel fahr’n
Und daselbst meine Zung’ nicht spar’n,
Sondern Gott loben in Ewigkeit,
Die heilige Dreifaltigkeit.

A. Ei, so schlaf wohl in deinem Heil,
Bis anbrech’ das ewige Theil.
Amen.

Seine Gattin Anna, eine Tochter des Bürgermeisters zu Döbeln, Barthel Zimmermann, mit welcher er sich zu Döbeln am 7. Juni 1573 verheirathet hatte, unterstützte ihn in seiner Wirksamkeit mit frommem Wesen und Wandel und gebar ihm zehn Kinder, von denen zwei Töchter früh verstarben. Von den Söhnen ist Gregorius 1635 als Prediger zu Hohenstein heimgegangen, Paulus Stadtrichter in Meissen geworden; von den Töchtern Sophia an den Superintendenten Willisch zu Eckardsberga, Anna an den Diaconus zu Wittenberg, spätern Condjutor zu Braunschweig, Johann Kauffmann verheirathet. Wie ämsig und christlich Strigenitz diese seine Kinder erzog, hebt Kirchbach’s Leichenpredigt mit folgenden Worten hervor: „Wie treulich und väterlich hat er euch in euren Kinderjahren den heiligen Katechismus des seligen Mannes Gottes, Herrn D. Luther’s, gelehrt, selbst fleissig fürgesprochen und mit euch täglich nach Tisch geübt, dadurch ihr in euerm Christenthum aufgewachsen und in Erkenntniss eures Herrn Jesu Christi, welchen ihr in der Taufe angezogen, zugenommen habt! Wie hat er angehalten, dass ihr daneben viel gottseliger, christlicher Gebetlein, Sprüche und Psalmen gelernt und sonst zu euern Studiis euch fleissig gefördert, dass Viele vom Adel, eure Condiscipuli und eure lieben praeceptores alle, so wie fremde Leute Zeugen sein können! Wie liess er’s ihm auch so sehr nöthig angelegen sein, zuvörderst mit seinem andächtigen Gebet zu Gott im Himmel, dass ihr alle Zeit nach seinem Tode der rechten, wahren, reinen, christlichen Lehre in der Augsburgischen Confession und Concordienbuche erkläret, möchtet zugethan sein und bleiben! Darum hat er einen Jeden unter euch neben seiner schönen, grossen, unverdächtigen, gedruckten und geschriebenen Liberey, seine selbst ausgegangenen christlichen Schriften und Bücher etlichfältig schön in Gold binden und als zum höchsten, fürnehmsten Schatze beisetzen lassen, wie ihr es also, als euer bestes und schönstes Erbtheil, finden werdet.“

Str.’s Predigten sind gedankenreich, aber dabei im hohen Grade populär. Ihre zuweilen rücksichtslose Schärfe fand nicht immer Beifall. Dahin deutet folgende Anekdote:

„Als er seine Predigten vom Gewissen zu Weimar gethan, und auch nicht Jedermann an seiner Lauterkeit und Wahrheit Gefallen haben wollen, begiebt sich’s, dass, nachdem er seine letzte Predigt von diesem Inhalte verrichtet, er desselbigen Tages seinen Diener abfertigt zu einem vornehmen Hofrath, Etwas bei ihm zu werben. Derselbige fragt des Herrn Strigenitii Diener also: Ist euer Herr schier mit seiner Conscientia hinaus? Der Diener antwortete: Heute ist die letzte Predigt davon geschehen, und die Predigten werden alle zum Druck gerichtet werden. Ei Lieber, spricht der Hofrath, wem wird er solch Buch zuschreiben? Der Diener sagte: So Viel ich mich bedünken lasse, so wird er’s Ew. Ehrenvesten zuschreiben. Er schreibe es dem Teufel zu und nicht mir! sagte der Hofrath wieder.“ (Zedler).

Die Methode besteht in der Behandlung des Textes nach einzelnen Lehrpunkten.

Str. hat eine erstaunliche Anzahl von Predigten herausgegeben und zum Druck hinterlassen, z.B. Sechs Predigten von der Vocation, Confirmation und Bestallung des Propheten Jeremias über Jer. 1 (4-10). Leipz. 1594. 4. Iter Emahuanticum, 21 Predigten. Jena 1587. 4. Der süsse Jesus Christus, oder acht schöne Weihnachtspredigten aus dem alten deutschen Liede: Ein Kindelein so löblich. Jena 1590. Ossa rediviva, das ist, die wunderbarliche und ganz tröstliche Geschichte von den dürren Todtenbeinen, die der Prophet Ezechiel im weiten Felde hat sehen liegen, in 21 Predigten. Leipz. 1593. 4. („darin hat er den Artikel unseres christlichen Glaubens von der Auferstehung der Todten ausführlich erkläret, welches Buch ihm so lieb und angenehm gewesen, dass er auch vor sieben Jahren in seiner grossen Krankheit dasselbe schön in Gold hat einbinden lassen und begehret, dass man’s ihm mit in’s Grab geben sollte, welches nunmehr geschehen.“ Kirchbach in der Leichenpredigt). Jonas, das ist, Auslegung der wunderbaren und doch ganz lehrhaftigen und trostreichen Historien von dem Propheten Jona in 122 Predigten. Leipz. 1593. fol. Conscientia, das ist, bericht vom Gewissen des Menschen über Jonas 1 (5.6.), in ein und dreissig Predigten. Jena 1596. 4. Das Neue vom Jahre. Sechs Predigten. Leipz. 1609. 4. Infanticidium Bethlehemiticum. Neun Predigten von dem greulichen Blutbade und erbärmlichen Niederlage der Kinder zu Bethlehem. Leipz. 1611. 4. Von des Herrn Christi Pferde. Adventspredigten. Leipz. 1614. 4. Laqueus Aucupis. Das ist, sechs Adventspredigten vom Fallstrick. Leipz. 1614. 4. Schul- und Kinderpostilla, das ist, neun Schulpredigten. Leipz. 1615. 4. Postilla evangelica, oder Auslegung aller Sonn- und Festtags-Evangelien und Episteln. Leipz. 1617. 3 Bde. fol.

8. Leichpredigt bei dem Begräbniss des weiland Ehrwürdigen cet. M. Gregorii Strigenicii, durch Paulum Kirchbach. Leipz. 1620. 4. Zedler, Universal-Lexicon. Leipz. u. Halle 1744. Bd. 40. S. 977.

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856