Das südasiatische Wunderland, seit Jahrtausenden Gegenstand neugieriger Einbildung, Schooß der Fabeln, Ziel religiöser Eroberungen und andrer Unternehmungen – Ostindien, von dem alle andere Indien genannt sind, war soeben aus dem Seewege den Europäern zugänglich geworden, als die Reformation der Kirche durch das Evangelium zu Stande kam. Noch dauerte es lange Zeit ehe die Mission des Evangeliums an dortigen Küsten landen konnte. Erst mußten evangelische Völker, See- und Handelsmächte, mußten Holländer, Engelländer, Dänen die indischen Meere beschissen, hier und da eine Insel oder das festländische Ufer mit Niederlassungen besetzen; auch dann noch währte es, wenigstens was das eigentliche Ostindien betrifft, eine gute Weile, bis diese Europäer gegen die dort eingetauschten Güter das Beste, was sie daheim hatten, einführten. Als aber der Dänen-König, Friedrich IV., wirklich den ihm als Kronprinzen von Lütken aus Berlin erweckten menschenfreundlichen Gedanken wieder aufnahm, seine heidnischen Unterthanen auf der Küste Chyromandel mit der Botschaft des Heils zu versehen, und zugleich für die angrenzenden Völker etwas anzubahnen, ward kein Däne noch ein Holländer oder Engelländer zum Manne der Ausführung gewählt, sondern einem Deutschen, einem Sachsen, Ziegen balg mit dem apostolischen Vornamen Bartholomäus, war es vom Herrn verliehn, Bahnbrecher der evangelischen Mission für Ostindien zu werden. Seine Mitarbeiter und die mehrsten seiner Nachfolger im Laufe des 18. Jahrhunderts, den größten Chr. Fr. Schwarz (gest. 1798) nicht ausgenommen, waren von derselben natürlichen und geistlichen Abkunft; denn die meisten Fäden des angesponnenen Missionswerkes liefen damals auf die Männer zurück, welche in der Kirche nach dem Reiche Gottes gesucht und alle treibenden Gedanken der Verkündigung des Heils wieder aufgeweckt hatten, auf Spener und Francke. Vor dem Ersten Theile der seit 1708 erschienenen und später zusammengestellten Berichte der Königl. Dänischen Ostindischen Missionarien findet sich die Abbildung eines Geistlichen, der in den feinen und doch überaus kräftigen und muthigen Zügen seines Angesichts viel deutlicher als durch den pröbstlichen Anzug, was er gewesen, ankündigt. Die Unterschrift heißt: Bartholomaeus Ziegenbalg, Misnensis Saxo, ecclesiae ex Indis collectae Praepositus, B. Z., aus dem Meißnischen, Probst einer indischen Kirche.
Da er ein Erster in der Art und Ausführung seines Berufes wurde, so verdient es desto mehr Beachtung, daß seine ganze Jugendgeschichte schon recht absichtlich von oben her auf Ordination zum Missionar angelegt erscheinen kann. Geboren den 24. Juni a. St. 1683 zu Pulsnitz in der Oberlausitz und sehr bald Waise mußte Bartholomäus schon als Kind von solchen Eltern, wie sie ihm geworden waren, den Eindruck tiefen christlichen Ernstes empfangen haben. Hatte der Vater sich seinen Sarg bei Lebzeiten zimmern und aufstellen lassen, und gab, der Rettung wegen als Kranker während der Drangsal einer Feuersbrunst dareingelegt alsbald den Geist auf; hatte die Mutter den an ihrem Sterbelager stehenden Kindern von einem Schatze geredet, welchen sie hinterlasse, und damit die Hausbibel gemeint, in der sich kein Blatt finde, das nicht von ihren Thränen befeuchtet worden; war endlich die älteste Schwester, die den Knaben aufzog, von ähnlicher Gesinnung: so läßt sich desto eher begreifen, was über ihn berichtet wird, daß ein Verlangen, dem Herrn zu dienen, schon seine frühe Jugend erfüllte. Oft und gern ging er in’s Freie und stieg auf die Höhen, warf sich zum Gebete nieder und flehte um Weisheit. Der Wissenschaft wegen, mit welcher er ebenfalls frühe scheint großen Ernst gemacht zu haben, mußte er gelehrte Schulen besuchen. Camenz, Görlitz, Berlin haben ihn auf Halle vorbereitet, wo er im J. 1703 das Studium begann. Alles aber, was wir an dem Knaben und Jünglinge während seines Schulweges wahrnehmen, erscheint weniger wie Vorbereitung auf Halle als wie Vorbereitung auf Trankebar, seinen nachmaligen Missionsposten. Verhöhnt der frommen Lebensweise wegen von den Altersgenossen in dem Grade, daß es ihm nach und nach unerträglich dünkte, fand er an einem reiferen gleichgesinnten Mitschüler noch zu rechter Zeit Beistand; denn dieser lehrte ihn, Alles über sich ergehen zu lassen. Andre Anfechtungen hatte er allein mit dem Herrn zu bestehen, nachdem der menschliche Schutzgeist von seiner Seite gegangen war; nämlich bei fortgesetztem Studium der h. Schrift war ihm theils sein eignes natürliches Verderben, theils die Ausartung des damaligen Lehrstandes in so abschreckender Gestalt vor die Seele getreten, daß er an dem gewählten Berufe verzagte. Fast ein Jahr hindurch hatte er mit Schwermuth und den falschen Hülfen zu kämpfen, welche man dagegen aufbot; bis ihn der Herr von diesem Uebel ganz von innen heraus genesen ließ. Jetzt mußte er so schließen: gerade, weil der Verfall des geistlichen Standes so groß ist, geziemt es dir destomehr und nicht destoweniger diesem Berufe dich ganz zu ergeben. Der Jüngling konnte sich nicht lange bedenken, welchem Rather er sich eines gründlichen Verfahrens wegen anzuschließen habe. Damals gab es einen Studenten-Vater in Deutschland, einen Helfer und Führer christlich angeregter Jünglinge wie kaum vor ihm oder nach ihm einen andern; an den Professor der Theologie zu Halle August Herman n Francke wandte sich der Gymnasiast, und nicht vergebens. Francke leitete ihn nach Berlin; dort im Friedrichsgymnasium unter den pflegenden Händen des frommen und geistreichen Rectors Dr. Lange fand sich der Boden, in welchem die immer noch zarte Pflanze gedeihen und zu ihrer Blüthe und Frucht auswachsen konnte. Und doch war noch eine schwere Vorprüfung zu bestehen. Dasselbe Unterleibsleiden, welches in späterer Entwickelung die Tage seines dennoch reichen Lebens so schmerzlich verkürzte, war Ursache, daß er noch einmal nahe daran war, den geistlichen Beruf mit einem andern zu vertauschen. Er gedachte Landmann zu werden. Säemann mit Thränen ist er auch wirklich geworden und hat auch mit Freuden geerntet. Seine Freunde wußten ihn von Berlin und Halle aus vor zu schnellem Entschluß zu bewahren, und Francke vermochte es seine Bedenken abermals zu heben; man verschaffte ihm zu Merseburg und Erfurt Anstellungen, wo die Unterrichtsarbeiten mit erholenden Reisen wechseln durften. Und wie mußte nun wohl der zwanzigjährige Jüngling, der die akademischen Studien nicht einmal ganz vollendet hatte, bei persönlicher Bekanntschaft dem unbefangenen Kennerauge des Halle’schen Meisters erschienen sein, wenn dieser im Stande war, ihn dem Könige von Dänemark, der unerwarteter und noch unerhörter Weise einen ersten Boten des Evangeliums für die Tamulen von Halle verlangte, vor allen Andern mit Zuversicht zu empfehlen? Was Ziegenbalg betrifft, so willigte er nach einigem Widerstande herzlich ein. Neben ihm wurde der Mecklenburger Heinrich Plütschau dazu ausersehn, denn der Herr liebt je zwei auszusenden. Aufmunterungen für solchen Beruf gab es zu dieser Zeit, wenn sie nicht im reinen vollen christlichen Gedanken lagen – keine. Von Erfolgen evangelischer Heiden-Mission wußte man nicht. Die übrigen Missionen des Dänen-Königs und die Sendungen der Brüdergemeine waren künftige. Was ein halb Jahrhundert früher der Neu-Engelländer John Eliot, der berühmte Pfarrer von Rorbury b. Boston für die nordamerikanischen Heiden unternommen und ausgeführt hatte, wurde in Deutschland erst einige Jahre nach Ziegenbalg’s Tode bekannter. Unsere Anfänger mußten daher einen vom Heerde der gläubigen Liebe und der Schriftgelehrsamkeit zum Himmelreich, wie er in Halle bestand, reichlich genährten Brand im Herzen tragen, wenn sie die Kalte aushalten wollten, mit welcher die damalige Kirchenwelt und Theologie ihr Beginnen aufnahm. Von einer berühmten Universität her gab man ihnen den Namen Schwärmer, unberufene Apostel, mit auf den Weg; insgemein galten sie für Narren, und in Kopenhagen, von woher doch der Ruf gekommen, wurde, vom Könige, vom Rathgeber desselben in diesen Sachen, dem Dr. Lütken, und einigen stillen Freunden abgesehen, wenigstens die Vergeblichkeit und Unfruchtbarkeit des Unternehmens vor den Ohren des berufenen Paares mit Härte ausgesprochen. Zu der Zeit war es ein anderer Entschluß als heute das Vaterland und Europa zu verlassen und mit dem fabelhaften Indien zu vertauschen. Ziegenbalg ließ es sich damals schon sagen und sagte es sich selbst, wiederholte es dann noch öfter, es müsse genügen, wenn auch nur Eines Heiden Seele dadurch gerettet würde.
Sie segelten dann am 29. November 1705 nach dem Lande ab, das der Herr ihnen zeigen sollte, und kamen nach Aufenthalt am Cap der guten Hoffnung, wo der Anblick der Hottentotten (denen noch lange kein Schmidt, kein v. d. Kemp kommen sollte) sie eher ermuthigte als niederschlug, nach sieben Monaten Reise bei der Dänisch-ostindischen Niederlassung in Trankebar (Tarangen badi) an. Sie hatten eine stürmische und dennoch glückliche, fröhliche Reise hinter sich; Ziegenbalg beschreibt im Briefe vom Cap aus den Reichthum der Erscheinungen auf dem Meere und kündigt eine Schrift über die Zusammenstimmung der Natur- und Gnadenwunder Gottes an, welche er während der Fahrt verfaßt. Voll Verlangen nach den Heiden blickten sie nun auf die vor ihnen liegende Stadt, Ursprünglich gehörte der ehemals kleine Flecken zu dem der Mongolischen Herrschaft zinspflichtigen Fürstenthume Tanschur. Die Dänen hatten ihn des Handels wegen im J, 1620 käuflich erworben, mit Mauern und Castell versehen und rechneten etwa noch 27 Dörfer in der Nachbarschaft zu ihrem Gebiete. Da regierten die dänischen Handelsherren und der Commandant Kassius eine Bevölkerung von Nord-Europäischen Weißen, halbweißen Portugiesen, Muhamedanern und eine Mehrzahl von tamulischen Hindu’s, welche alle in ihrer Weise in Kirchen, Moscheen, Pagoden Gott verehrten. Die Aufnahme, welche unsere Boten bei ihren europäischen Landsleuten fanden, war im Grunde keine; dagegen gab sich die Anziehungskraft, welche sie und die schwarzbraunen Malabaren auf einander übten, sofort zu erkennen. Daß sie Boten des heimischen Königs waren, hatte noch nicht viel zu bedeuten; Colonieen lagen dem Mutterlande damals noch ferner als jetzt, königliche Befehle verloren an Kraft, ehe sie ihre Bestimmung erreichten. Ein äußerliches Staatskirchenthum genossen die Dänen zu Trankebar so gut als die Holländer am Cap. Mehr verlangte man nicht. Einen Verkehrs-Artikel aus dem Christenthume zu machen, schien, dieses Unternehmen im reinsten und ernstlichsten Sinne genommen, auch den deutschen Kaufleuten gar zu bedenklich, welche doch vor Allen sich hätten der Ankunft dieser Missionarien freuen können. Was aber die Malabaren betrifft, so scheint es, sie wurden in demselben Grade, in welchem ihnen das Christenthum durch die Christen verächtlich geworden, zumal durch Ziegenbalgs Persönlichkeit, schon ehe er noch in ihrer Sprache sein apostolisches Gemüth offenbaren konnte, höchlich erbauet. In der That ist dieser Mann, den Jahren nach noch sehr ein Jüngling, nur nach Trankebar gekommen, um da als in seinem rechten Lebenselemente sich zu bewegen. Von Stund an wird er, was er auch bleibt, die Seele des ganzen Unternehmens, ohne sich über seine nächsten Mitarbeiter, Plütschau und dann Gründeler, zu erheben; vielmehr wird die innige Brüderlichkeit, welche sie untereinander in Leid und Freude vor dem Herrn und vor den Menschen zusammenhält, ein Bestandtheil der Erbauung, welche sie Christen und Heiden gewähren, Ziegenbalgs hohe natürliche und geistliche Gaben treten nun ins Licht; das recht ausgewählte Rüstzeug läßt sich nicht allein am großen Gebets- und Glaubensmuthe den sich aufthürmenden Hindernissen gegenüber, und nicht nur an der bewundernswerthen Sprachengabe und Schriftgelehrsamkeit, welche ihm zu Gebote steht, erkennen, sondern an vielen andern unschätzbar wichtigen Eigenschaften eines den Nachkommen zum Vorbilde gesetzten Heidenboten. Welches kühne, tapfere Vordringen, und doch so viel Mäßigung und Besonnenheit! Welche Schlangenklugheit bei so großer Einfalt und Wahrhaftigkeit! Die tiefbewußte göttliche Ueberlegenheit der Lehre und des Kreuzes Christi verbunden mit der herzlichsten Liebe zu den elenden Heiden macht ihn eben so ungeduldig, ihnen an’s Herz zu fassen, ihnen ihr Verderben ganz aufzudecken, als erfindsam, sie wie der erste aller Heiden-Apostel mit ihren eignen Waffen zu schlagen.
Bei solchen Gaben und Gesinnungen mußte der Erfolg seiner Sendung zur Hälfte schon verbürgt sein, wenn Ziegenbalg das Hinderniß der fremden Volkssprache überwunden hatte. Anfangs schien es, die portugiesische Sprache werde hinreichen, um einen Verkehr mit den Heiden zu gewinnen, denn sie hatte, wie fast sämmtliche Seestädte Ostindiens auch Trankebar inne, auch machte es schon Mühe genug, sich in ihren Besitz zu setzen, da die Missionare nur etwas Dänisch vom Schiffe mitbrachten: allein der unermeßliche Vortheil, den es giebt, dem Volke in seiner Sprache zuzureden, mußte einleuchten. Schon im September des ersten Missionsjahres legten sich Beide auf das tamulische oder malabarische; nach acht Monaten hatte die außerordentliche Betriebsamkeit und Gabe Ziegenbalg’s unterstützt von einigen günstigen Umständen persönlicher Bekanntschaft schon gesiegt. Bald durfte er sich in Briefen an Berliner Freunde das Zeugniß geben, er sehe es kommen, daß er sich darin so frei, wie in seiner Muttersprache bewegen werde. Nicht genug, daß dies an sich schon an den weißen Fremdling heranzog, denn man wird bald gewahr, daß ihm das Land und jedes Ruhehaus auf Reisen der Sprache wegen offen steht; er vermag nun auch, was er so eifrig thut, dies in Wissenschaft und Kunst weitgediehene Volk in seinen angeerbten Meinungen ganz auszufinden, die Brammen mit braminischer Gelehrsamkeit zu beschämen und ihnen all‘ ihre Widersprüche urkundlich aufzudecken; das meiste noch ist, daß er jetzt viel vollkommener als es den Katholiken gelungen war, die Bibel tamulisch reden machen, und zumal seit eine Presse für tamulische und portugiesische Schrift von Europa herüber gekommen ist und der mühsamen Abschreiberei ein Ende gemacht hat, ein malabarisches Schriftwesen begründen kann, welches den evangelischen Unterricht und Gottesdienst hinreichend unterstützt. Die Heiden lasen nun bald Luthers Katechismus, lernten evangelische Kirchengesänge, hörten die Dänische Liturgie (von welcher Ziegenbalg, um den Deutschen Kirchenmännern, die ihn der Neuerung verdächtigten, den Mund zu stopfen, nicht ablies) in ihrer Sprache. Dabei ging selbst die europäische Wissenschaft von der Sprache und Bildung Ostindiens nicht leer aus. Aber wie viel hatte Ziegenbalg Bücher von seinem erspartem Gehalte ankaufen, abschreiben, lesen und wiederlesen müssen, während doch schon seinen Tag viele Lehramtspflichten besetzt hielten, ehe er konnte eine tamulische Sprachlehre, zwei tamulische Wörterbücher, eins von 40.000, eins von 20.000 Wörtern, und dergleichen mehreres zu Stande bringen; unangesehn, daß es ihm Pein machte, den Schmutz einer so unzüchtigen Litteratur, als die indische war, zu durchwaden. Man kannte damals im germanischen Europa die innern ostindischen Zustände fast gar nicht; in Widerspruch mit dem spätern Wahne, die Quellen aller göttlichen und menschlichen Weisheit seien dort zu suchen, dachten sich die Deutschen bei dem Namen der Hindu’s kaum etwas anders als eben irgend ein Heidenthum ohne Staat und Wissenschaft. Ziegenbalg verfaßte viele Schriften in der Absicht, seinen Landsleuten eine Borstellung von dem Bildungsgrade und Bildungselende der Indier beizubringen, und dadurch Aufmerksamkeit, Mitleid und Mitwirkung zu erregen. Nicht weniger wünschte er für die nachfolgenden Boten des Evangeliums den Weg der Vorschule zu verkürzen.
Unterdessen hatte die Mission, ehe die Sprachen erlernt waren, ihre Thätigkeit begonnen. Man empfing Besuch in der gemietheten Wohnung von Muhamedanern und Tamulen, man hielt auch Umgänge, indem etwas Portugiesisch und Dolmetschung die Verständigung hergaben. Dabei leistete Modaliappa, wie ihn die ersten Berichte schreiben, ein heruntergekommener Reicher von fürstlicher Abkunft Dienste, ein Mann, der mit ebenso großer Sehnsucht und Wißbegierde nun an die Missionare sich anhing, wie zuvor an jede Spur europäischer Bildung. Mit dem Fortschritt in der Kenntniß und Uebung der Sprachen erweiterte und vervielfältigte sich der Arbeitskreis, nachdem im ersten Jahre fünf Heiden, im folgenden vierzig für das Christenthum gewonnen und getauft worden waren, außerordentlich. Zum innersten Heerde der Mission diente die häusliche Betstunde, welche die Arbeiter zu ihrer Erquickung alltäglich hielten, und eine andre, zu welcher sie Hausgenossen und Freunde zuließen. Angeregte Deutsche drängten sich dazu, und fast scheint es, der dänische Befehlshaber habe die Mission Ziegenbalgs von den Heiden ablenken und auf die deutschen Einwohner beschranken wollen, als er sie einlud in der Zionskirche, die der Dänen-Gemeine gehörte, einen regelmäßigen deutschen Gottesdienst zu halten. Denn Hindu’s gingen sicher in keine europäische Kirche, und in der Missionswohnung den deutschen Gottesdienst zu halten, war nicht gestattet worden. Sogern nun sich die Missionare dazu hergaben, so wenig ließen sie sich abhalten an der Heiden-Gemeine zu bauen, welche der Sprache wegen in allen Classen und Stufen des Unterrichts, in Predigt und Gottesdienst eine zwiefache, eine portugiesische und eine tamulische werden mußte. Nach und nach hatten sie zwei geräumige Wohnungen erworben, und ein Kirchlein erbauet, und einen Dienst am Worte mit Kinder-Unterricht in drei Sprachen, mit portugiesischen und tamulischen Katechumenen-Unterrichte, mit öffentlichen Katechisationen und dreifachem Predigtgottesdienste angerichtet, ohne daß sie aufhörten unter den Heiden in der Stadt und aus Dörfern mit der Botschaft des Heiles einherzugehen und dabei christliche Schriftchen auszutheilen. Dieses Werk erforderte, wie Ziegenbalg in Briefen bekennt, zu Zeiten übernatürliche Darreichung von Kraft, hatte aber auch einen sichtbaren Segen, zunächst den, daß sie wirklich mit allen Religionen, Nationen und Sprachen der Einwohnerschaft in Berührung kamen. Denn sogar die Katholiken und Muhamedaner wurden an den Fenstern und Thüren der Jerusalemskirche ihre Zuhörer und sie verfehlten nicht die Vorträge auch darauf einzurichten. Sie thaten keine Wunder in der Weise des h. Xavier, aber der Herr wirkte durch die Hände ihrer betenden Treue und Selbstverläugnung große Wunder, selbst in den Augen der Widersacher. Denn woher kamen ihnen die Mittel Häuser und Gärten zu kaufen, Kirchen zu bauen, und was viel mehr sagen wollte, den Unterhalt für alle die Kinder, Schüler, Katecheten und Lehrer, Diener und Dienerinnen, eine stets wachsende Missionsfamilie, aufzubringen? Die Heiden, die dem Herrn zufielen, verloren in der Regel ihre vorige Nahrung. Was sich die Missionarien von selbst verboten haben würden, Geld von den Heiden zu nehmen, war ihnen durch ihre Instruction verboten. Als ihr Gehalt waren 200 Thlr. ausgesetzt, eine Summe, die ihnen durch Schuld übelgesinnter Behörden oft nicht zeitig ausgezahlt wurde; auch die vom Könige später bewilligten Zuschüsse für das Missionswerk von Trankebar kamen nicht regelmäßig an und fehlten noch, als man die Kirche baute, so daß die Widersacher eines so eitlen Unternehmens spotteten. Zuweilen war des Morgens kaum ein Fano (zwei Groschen) im Hause, und man wollte doch leben. Allein in der christlichen Schule, aus welcher Ziegenbalg herkam, galt der vornehmlich von den Erfahrungen Aug. H. Francke’s abgeleitete Lehrsatz, bei einem Nothwerk der Liebe zu Ehren des Herrn, könne man, sich selbst nur der Opferfreudigkeit bewußt geworden, sagen, Sorge du, und entweder mit einem Nichts anfangen oder mit wenig Broten an die Speisung von Tausenden gehen. In der That füllte der Herr in einer langen Reihe von Beispielen, die in den Tagebüchern verzeichnet stehen, jeden Mangel aus und bekannte sich zu den oft gemachten Schulden. Erwartete Schiffe, Briefe, Gelder blieben aus, ganz unerwartete trafen ein und schütteten Thau des Trostes auf das schmachtende Land. Eine Wunderhülfe veranlaßt die andre. Denn jemehr man sich in England, in Berlin, Halle und Kopenhagen von dem Segen überzeugt, den die Missionare bei bitterster Armuth und Verlegenheit gehabt, desto angelegentlicher wird dort für Trankebar gesammelt. Aber auch Trostbriefe ohne Geld, jubelnde und mahnende Bezeugungen der Theilnahme von Europa her, vor allen die Schreiben der Gesellschaft zur Fortpflanzung der christlichen Erkenntnis, und der apostolische Sendbrief Francke’s an die neue christliche Gemeine aus den Heiden gereichten den zuweilen ermatteten Kräften zur Hebung. Aller nur irgend Empfänglichen in Deutschland hatte sich, wie aus diesen Schriften, welche uns heute noch vorliegen, erhellet, ein geistliches Entzücken auf die Nachrichten von der ostindischen Misston bemächtigt, und wie verhielt es sich nun mit der verdächtigenden These des gelehrten Magisters, der Mammonsdienst der Ostindienfahrer habe neuerdings einige sogenannte Apostel nach sich gezogen? Die Anfechtungen des Werkes (wie die Mission vorzugsweise genannt wird) trafen immer zunächst Ziegenbalg, wiewohl die Berichte in den meisten Fällen den Namen erschwiegen. Am Bekanntesten ist, daß er gerade als er die tamulische Uebersetzung des N. T. begonnen hatte, auf Befehl des dänischen Commandanten verhaftet und auf dem Castelle eingekerkert wurde, mit dem ausdrücklichen Verbote, im Uebersetzungswerke nicht fortzufahren. Die Beweggründe, die den Befehlshaber bestimmten, eine dem königlichen Willen und der Gerechtigkeit zuwiderlaufende Maaßregel zu ergreifen, bleiben in Dunkel gehüllt, weil Zartheit und Versöhnlichkeit die ersten Berichterstatter abgehalten hat alles herauszusagen. Die Hände des Gebundenen ruheten nicht, Ziegenbalg schrieb im Gefängnisse zwei Aufsätze, den einen über den allgemeinen Christenstand, den andern über den christlichen Lehrstand. Und was das wichtigste ist, er selbst machte sich durch den Gehorsam gegen die ungerechte Obrigkeit, durch die unbestechliche Zeugnißtreue, welche er dem Commandanten gegenüber im Briefwechsel behauptete, vornehmlich durch die rührende Versöhnung des Mannes, jenes Standes, dessen Pflichten und Rechte er beschrieben hatte, nur noch würdiger. Mit der Gefangenschaft endigten noch keineswegs die Mißhelligkeiten und bösartigen Hinderungen, welche die Mission von jener Seite her zu bestehen hatte, so ernstliche Schutzbefehle auch von Zeit zu Zeit von Kopenhagen angekommen waren. Die Mission hatte Stationen ihres Schulwesens auf einigen Dörfern angelegt; aber allem Ansehn nach geschah es im Einverständnisse mit den Behörden, daß heidnische Haufen den Bau hinderten oder wieder zerstörten. Um dennoch die erworbenen Grundstücke zu nutzen, führten die muthigen Missionare ihre Schulkinder hinaus, hielten im Freien Unterrichtsstunden mit ihnen und die dadurch angezogenen Heiden hörten zu.
Indessen hatte sich der Ruf von der tamulischen Predigt des Evangeliums und von der Person des Predigers in Trankebar im Reiche Tanschur und nach andern Richtungen hin verbreitet. Die seit Jahren verfolgten Katholiken jenes Landes kamen zu Ziegenbalg, Trost und Zuflucht bei ihm zu suchen. Letztre konnte er leider nicht gewähren. So aber wie er seinen Beruf fühlte, nämlich das Evangelium als ein verordneter Diener des Herrn soweit wie möglich den Ohren und Herzen der betrogenen Heiden nahe zu bringen, und wo möglich auch die träge Gewissensruhe der Führer des Volks aufzustören, trieb ihn der Geist über die Grenzen des dänischen Gebietes. Folgen wir ihm da. Diese kleinen oder größern Unternehmungen und Reisen lassen ihn am meisten sehen wie er ist. Ziegenbalg wagte sich zeitig gleichsam ‚als Kundschafter nach Tanschur, ohne das durch Zollstätten gegen Fremde abgesperrte Land Zeit seines Lebens für die Mission erobern zu können. In südlicher Richtung hatte er nur eine Tagreise nach Negapatam, einem holländischen Hauptsitze, und dahin haben ihn bei freundlichem Verhältnisse mit den holländischen Herren mehrere Reisen geführt. Auf den Zwischenorten wurde hin und her mit den Heiden verhandelt. Eine viel ergiebigere Verbindung knüpfte sich zwischen Trankebar und der Stadt und dem Gebiete von Madras. Dort gab es engelländische Ansiedelung, auf Neben- und Zwischenpuncten auch holländische. Seit nun die dänischen Missionare, insonderheit Ziegenbalg den Sprachschlüssel zur Aufschließung indischer Herzen errungen hatte, und dieß in England bekannt worden war, ruhete die genannte Gesellschaft für Fortpflanzung der Erkenntniß Christi nicht, bis sie auf dem viel weiteren und offneren engelländischen Gebiete Ostindiens eine Nachfolge auf der Spur der Mission von Trankebar bei Predigern und Freunden des Evangeliums erweckt hatte. Dazu gehörte die persönliche Gegenwart Ziegenbalgs, und dieser war nicht ein Mann, der lange auf sich warten ließ. Hier und von hier aus hat er zu verschiedenen Zeiten Katholiken, Armeniern und Heiden, besonders vielen auf tamulische Predigt gespannten heidnischen Haufen unter Verbreitung biblischer und andrer Schriften Christum verkündet. Von hier aus ist er auch ins Mongolische eingedrungen, hat sich auf den dem h. Thomas geweihten Bergen aufgehalten, und von da manchen Brief nach Europa datirt. Außerhalb der Stadt Trankebar erscheint er in weißem Gewande, überhaupt indisch gekleidet und mit Reise-Dienerschaft, geht nicht leicht ein sogenanntes Ruhe-Haus vorüber, am wenigsten die bei den Götzentempeln versammelten Volkshaufen; oft sucht er die Stätten, wo er Braminen (die Männer vom religiös privilegirten Geschlechte, welche aus dem Gehirn des weltschaffenden Gottes Brama entsprossen sind) zu finden hofft, absichtlich auf. Nicht nur die Volkssprache, in der er Gespräche mit allen Classen an eine zufällig vorliegende Sache anknüpft, und der Ruf von einer neuen Religion, der ihm vorangehet, verschafft ihm durchgehends offne Ohren, sondern auch die gründliche, die Braminen übertreffende Erkenntniß des abgöttischen Zustandes und Volksglaubens, welchen er straft, und die furchtlose Geradheit im Fragen oder Antworten, womit er es thut, setzen in Erstaunen. Durchweg fühlt er sich als einen hier auftretenden Priester des wahren lebendigen Gottes, und verlangt in dieser seiner Eigenschaft offene Thür und Anerkennung. Ziegenbalg hatte zu Trankebar zeitig muhamedanische Besuche empfangen; so war ihm bekannt geworden, daß nicht sehr fern ein Einsiedler, angeblich Sprößling der Familie Muhameds wohne, den die Anhänger dieser Religion beinahe anbeteten. Bald machte sich der Missionar auf, ihn zu besuchen. Er wird angenommen, aber er soll – und diesen Anspruch macht der Heilige selbst, auch noch bei wiederholten Besuchen – Diener und Sonnenschirm zurücklassen, vornehmlich seine Schuhe ausziehen, sogar der König von Tanschur thue das, hier sei heiliges Land. Aber nichts von dem Allen; es gezieme wohl Gott, ist Ziegenbalgs Antwort, dem Moses dergleichen zu gebieten, aber ihnen nicht, am wenigsten könne ein Priester Gottes dem Muhamed eine solche Ehre erweisen. Das Murren wird beschwichtigt und ehe man sich es versieht, sitzt der Apostel des Evangeliums schon zur Seite des in Sammt und Gold gekleideten Heiligen, Dieser will sich rächen und legt dem Missionar wunderliche Fragen vor. Ziegenbalg beantwortet ihm ohne Zögern alles, geht aber endlich selbst ins Fragen über. Es frage sich, was denn Heiligkeit sei, wenn man ein Heiliger sein wolle. Der unwissende muß nach und nach verstummen und nun den Weg zur Heiligkeit und Seligkeit sich predigen lassen, aber sie scheiden dennoch in Freundschaft. Auf einer Reise nach Negspatam durch das Gebiet von Tanschur wird der Missionar an einer Zollstätte angehalten. Die Brahminen zahlen keinen Zoll, wie vielmehr, schließt Z., muß ein Priester des wahren Gottes zollfrei reisen dürfen. Im Gegentheil, antworten die Zöllner, ein Verführer des Volkes sollte doppelt zahlen müssen. Nachdem sie aber seine Predigt ausgehalten, lassen sie ihn dennoch frei passiren. Ein andres Mal nähert er sich einem Haufen Heiden, welche um eine Pagode versammelt sind, ohne sein Haupt zu entblößen; Volk und Brahminen stürmen auf ihn ein und fordern, daß er dem Gotte die schuldige Ehrfurcht erweise. Er verwahrt sich aber feierlich gegen das Vorgeben, dieser Götze sei Gott und irgend einer Ehrenbezeugung würdig; der Ausgang ist ein Zweifeln auf Seiten des Volkes, eine Beschämung der Brahminen, und ein Muhamedaner, der eben gegenwärtig ist, tritt seinen Ausführungen gegen die Heiden ausdrücklich bei. Von Madras aus war Ziegenbalg auf seinen apostolischen Wegen in eine entlegne Stadt vorgedrungen, welche unter einem muhamedanischen Oberen stand. Kaum hatte er vor einer großen gespannten Versammlung seine Verkündigung begonnen, als schon Warnungen von der Obrigkeit eintrafen, die seine Freiheit und sein Leben bedroheten; erst aber nach beendigter Predigt nahm Ziegenbalg seinen offnen freien Rückzug durch Markt und Straßen, ohne daß jemand Hand an ihn legte. Gemeiniglich war das in der Sprache der Heiden abgefaßte Schreiben, welches die Missionare von Trankebar an das indische Volk gerichtet, seiner Ankunft schon vorausgegangen. Ziegenbalg hielt damit nicht zurück; sandte es an Fürsten und Obrigkeiten, erstattete sogar damit die Neujahrs-Wünsche, welche ihm von ausgezeichneten Indiern in Trankebar dargebracht worden waren, obgleich die das Land drückende Abgötterei darin aufgedeckt und die Ermahnung, der jetzt für Indien angebrochnen Heilszeit wahrzunehmen, mit allem möglichen Nachdruck ausgesprochen war. Zuerst hatte ein holländischer Herr zu Negapatam den Missionar mit einer großen dazu eingeladenen Anzahl von Brahminen in Gemeinschaft zu einem Religionsgespräch versetzt. Von daher datirte ein fortgesetzter reicher Briefwechsel zwischen ihm und den indischen Gelehrten, der noch vor uns liegt. Vornehmlich aber die aufbehaltenen Auszüge aus seinen gelegentlichen Unterredungen auf Reisen beweisen die ausgezeichnete Gabe des deutschen Predigers, das Geschäft der Ueberführung schnell und kräftig auszuüben. Redet man ihm von dem großen Umfange, in welchem die Religion Muhameds oder die indische herrsche, so fragt er, ob es ihre Meinung sei, daß in irgend einem Volke die Zahl der Guten die Zahl der Bösen überwiege, oder etwa das umgekehrte^ und so drängt er sie bald zu dem Geständnisse, auf die Zahl komme es in Sachen der Wahrheit und des Gewissens nicht an. Unzählige räumten alles mögliche ein, nur nicht, daß der Hindu während des jetzigen Welt-Zeitalters geistige Kraft zur Sinnesanderung genug besitze, dieses müsse erst vorübergehen; allein er hielt ihnen ausführlich vor: Jetzt sei die angenehme Zeit und das Jahr des Heils eben gekommen, und da man allezeit während dieser Zeit sterbe, so sei auch allezeit für der Seelen Seligkeit zu sorgen. Die Brahminen wenigstens wollten nie zugestehen, daß ihnen die Einheit des unsichtbaren Gottes fremd sei, nur vergegenwärtige er sich vielfach und dieß sei nothwendig, wenn er verehrt werden wolle von sinnlichen Menschen. Von jedem solchen Versuche der Rechtfertigung des abgöttischen Dienstes nimmt Ziegenbalg in neuer Wendung Anlaß, die Kenntniß der indischen Götter, Fabeln, Ceremonieen und Gesetze, die er sich erworben, an ihrem Schaamgefühl zu erproben; denn da diese Götter nach ihren Thaten beurtheilt, schlechter und unreiner als die Menschen seien, so lasse sich schließen, ob und welch ein einiger Gott sich in ihnen vergegenwärtige. Ein letzter Vorwand pflegte zu sein, jede Nation bedürfe und habe ihre eigne Religion, wogegen der Bote Gottes ausführte, es gebe aber alles, was zur Religion am meisten gehöre, nur in der Einzahl, Gott, Menschheit, Welt, Erlösung, rc.; und wenn sie nun geltend machten, es fehle auch in ihrer Mitte nicht an Leuten, welche nur für die andre Welt lebten, Heilige, Enthaltsame, Einsiedler, und diese seien von den Christen kaum zu unterscheiden, so verstand er es trefflich ihnen zu zeigen, daß man eben nur für diese Welt recht tauglich und gut durch himmlische Gesinnung werde. Zwar zählte die Gemeine aus den Heiden, als Ziegenbalg im J. 1714 nach Europa reiste, nur einige Hundert, aber die Zahl der Katechumenen wuchs von Jahr zu Jahr, und in einem weiteren Sinne waren seine Katechumenen schon nicht mehr zu zählen, nämlich diejenigen, welche ausdrücklich sich es gelobten, christlich zu leben ohne die Nationalsitte brechen zu wollen und zu können.
Viele Gründe bewogen ihn im achten Jahre seiner Mission das Mutterland derselben zu besuchen, der hauptsächlichste bestand in der Hoffnung, durch persönliches Erscheinen in kürzerer Zeit und kräftiger die Widersacher des Werkes zu belehren und ihm neue Freundschaft und Hülfe zu gewinnen. Jetzt bereuete der Commandant sein Verhalten, erbat sich und erhielt eine Acte der Amnestie. Nachdem Ziegenbalg dem ausgezeichnetsten der Mitarbeiter, Gründler, die Gemeine übergeben, schiffte er sich unter dem Geleite der Christen und Heiden am 26. October 1714 ein und kam den 1. Juni d. s. J. zu Bergen in Norwegen an. Unterwegs hatte er die tamulische Sprachlehre vollendet. Aber wie ganz anders begrüßt und entläßt man ihn jetzt an allen Orten, wo er eintrifft. In Kopenhagen findet er das Missionscollegium eingerichtet. Mit großen Ehren nimmt ihn Friedrich IV. in seinem Kriegslager vor Stralsund auf und ernennt ihn zum Probste der ostindischen Mission. Bald besucht er Halle und darf Franken wiedersehen. Zu Merseburg verheirathet er sich mit seiner ehemaligen Schülerin, Dorothea Salzmann, die sich mit dem Tagebuche der Rückreise nach Indien, welches sie geführt und wir heute noch mit Erbauung lesen, ein Zeugniß ausgestellt, daß sie des Mannes würdig gewesen. Ueber Holland, wo Ziegenbalg den dritten schweren Krankheitsfall noch glücklich bestehet, geht er nach England, wo ihm König und Erzbischof Ehre erweisen und von Neuem ihre Unterstützung zusagen. Vom 4. März 1716 an finden wir ihn wieder auf dem Schiffe, und am 10. August d. J. heißen ihn die Heiden, zu denen er sich zurückgesehnt, im Hafen von Madras mit lauter Freude willkommen. Hier widmet er sich eine Zeit lang als Rathgeber des Predigers Stevenson einer engelländischen, schon vorbereiteten Mission, und erfreut sich dann des unter der Leitung seines treuen Freundes in allen Stücken geförderten Werkes zu Trankebar. Eine neue Kirche ist im Baue begriffen. Ein neuer Commandant ist der Mission ganz zugethan. Noch sind ihm aber nur drei Jahre gegeben, den Weg des Apostels wieder anzutreten und in der vorigen Weise fortzusetzen. Was beide, Gründler und Ziegenbalg, sich vor dem Herrn gelobt, zu bleiben bis zum Abschied von der Welt, geht bald in Erfüllung. Der erste im Abscheiden wird der bei weitem jüngere und unentbehrlichere; denn in Ziegenbalg wollte der Herr unter anderm auch ein Beispiel davon aufstellen, wieviel ein ihm treuer Knecht, der wenig Zeit hat, dennoch auszurichten und wenn nicht auszurichten, doch anzubahnen vermag. Seit Einweihung der neuen Kirche (Octob. 1718) zog er sich allmählig auf häusliche Arbeit zurück, ermannte sich noch einmal zum Predigen, und ergab sich dann ins Sterbelager. Ueber manchem schönen Bekenntnisse bestand er seinen Kampf, ließ sich am 23. Febr. 1719, nachdem er geäußert, daß es ihm so hell vor den Augen werde als sähe er die Sonne, das Lied: Jesus meine Zuversicht, mit Clavierbegleitung singen, und gab kurz darauf – im 35. Jahre seines Alters – den Geist auf.
C. I. Nitzsch in Berlin.