Lazarus Spengler, geboren am 13. März 1479, stammte aus einem ehrbaren, schon von Kaiser Friedrich Barbarossa für wappenmäßig erklärten Geschlechte. Sein Vater war der Nürnberger Stadtschreiber Georg Spengler, seine Mutter Agnes, eine geborne Ulmerin, er selbst das 9te Kind, unter 21 leiblichen Geschwistern. Ein frühreifer Jüngling, konnte er, nachdem er seine Vorbildung in der Vaterstadt erhalten hatte, schon im 16ten Jahre die Universität Leipzig beziehen, wo er sich dem Studium der Rechte widmete. Ungefähr um dieselbe Zeit starb sein Vater und ließ der verwittweten Mutter eine Anzahl von unmündigen Kindern zurück. Was Lazarus als ein frommer Sohn und Bruder für diese seine Geschwister gethan, lassen die Worte seines Testaments vermuthen, „daß er viel großen Kostens, auch über seine jährliche Besoldung und Einkommen an dieselben gewendet habe.“
Von der Hochschule zurückgekehrt, trat er, um sich für die Geschäfte auszubilden, in die Rathskanzlei und ward, nachdem er die gewöhnlichen Vorstufen durchlaufen hatte, im I. 1507 zum wirklichen Rathsschreiber ernannt. Schon früher hatte er sich mit Ursula, Hans Sulmeisters hinterlassenen einzigen Tochter, ehelich verbunden und als würdiger Schwiegersohn gleichzeitig die an langjährigem Siechthum leidende Mutter derselben zu sich genommen.
Es war ein mühevolles Amt, welches er überkommen hatte. Als er am Abend seines Lebens auf seine lange beschwerliche Dienstzeit zurücksah, brach er in die Worte aus: „Ich habe für und für so übermäßig Arbeit gehabt, daß mich selbst verwundert, wie es möglich sei.“ Er war aber auch ein Rathsschreiber, der seines Gleichen suchte. Kaiser Maximilian, wird uns berichtet, habe ihn eines Tages zum „Geheimsecretarius“ verlangt, und in der That, er wäre für größere Verhältnisse wie geschaffen gewesen. Es kam unter Anderm vor, daß er zu gleicher Zeit sechs Schreibern in die Feder dictirte, ohne daß die Verschiedenheit der Gegenstände ihn im mindesten beirrt hätte. Und mit dieser Tüchtigkeit in den Geschäften verband er zugleich ein so scharfes Urtheil und einen so zuverlässigen Charakter, daß er bald zu einem Einflusse gelangt war, welcher weit über die engen Gränzen seiner Stellung hinausreichte. Eine um so größere Ehre für ihn, da unter den damaligen Vätern der Stadt Namen wie die eines Hieronymus Ebner, Kaspar Nützel, Christoph Scheurl und Hieronymus Baumgärtner geglänzt haben. Im I. 1516 wurde er unter die Genannten des größeren Raths aufgenommen; wirklicher Rathsherr war er, wenn auch nicht dem Namen, doch der That nach ohnehin schon gewesen. Mit Recht hat deßhalb ein alter Theolog das Wort Richter 5, 14: „Von Sebulon sind Regierer geworden durch die Schreibfeder“, auf ihn angewendet.
„Ein rechter Ausbund unter den weltlichen frommen Schreibern“, wie dieselbe Stimme ihn nennt, ist er aber erst von der Zeit an geworden, wo er den lebendigsten persönlichen Antheil an der kirchlichen Wiedergeburt seiner Vaterstadt und an dem Reformationswerke überhaupt zu nehmen anfing. Spengler gehört zu jenen Männern der ersten Liebe, welchen Luther bei Zeiten das Herz abgewonnen hatte; denn er ist der guten Sache des Evangeliums nicht nur schon im I. 1519 zugefallen, sondern er hat sich auch sofort in seinem Gewissen gedrungen gefühlt, dieselbe öffentlich zu vertheidigen. „Warum Dr. M. Luthers Lehre nicht als unchristlich verworfen, sondern vielmehr für christlich gehalten werden soll?“ so lautete der Titel einer Schutzschrift, welche er in demselben Jahre erscheinen ließ, und die in ganz kurzer Zeit fünfmal aufgelegt wurde. Er bekennt in derselben, „daß ihm sein Leben lang keine Lehre oder Predigt so stark in seine Vernunft eingegangen sei, als Luthers und seiner Nachfolger Lehre und Unterweisung.“ Sein Herz ist fröhlich, „daß es den rechten ordentlichen Weg zu Christo als der Grundfeste alles unsres Heils“ gefunden, und er wünscht nur, daß ihm auch gegeben werden möge, „alles sein Leben darnach zu reguliren.“ Noch sind zwar seine evangelischen Vorstellungen nicht ganz geklärt; er nennt noch immer St. Hieronymus „seinen heiligen Patron“; die Werke scheinen ihm noch neben dem Glauben zu stehen; auch läßt es ihn nicht unbewegt, daß Dr. Eck in einem unterm 15. October 1520 an den Rath gerichteten Requisitionsschreiben die gegen Luther und seine Anhänger erlassene päpstliche Bannbulle auch auf ihn und Wilibald Pirkheimer ausgedehnt wissen will, wofern sie nicht in aller Form widerrufen würden. Aber es hat eben auch bei ihm geheißen: „aus Glauben in Glauben“, und die Zeit sollte erst noch kommen, wo man das Bekenntniß aus seinem Munde vernahm: „Ein Christ ist schuldig, bei dem Wort seines Seligmachers also zu stehen und zu verharren, daß er darüber alle Verfolgung leiden und selbst Vergießung seines Bluts nicht scheuen soll.“
Zwei Thatsachen haben ohne Zweifel seine Glaubensreife beschleunigt: der Reichstag zu Worms (1521), welchem er als Gesandter der Reichsstadt beiwohnte, und die engere Verbindung, in welche er mit Wittenberg trat, als er ein Jahr später seinen ältesten Sohn in Begleitung Veit Dietrichs auf die dortige Universität sandte. Was er in Worms gesehen und gehört, das hat er in einem eigenhändigen, sehr eingehenden Rechenschaftsberichte niedergelegt. Dr. Martinus‘ Glaubensmuth hat mächtige Eindrücke in seinem Gemüthe zurückgelassen. „Luther“, sagt er, „hat sich in diesem Handel so tapfer, christlich und ehrbar gehalten, daß ich mein, die Romanisten und ihre Anhänger sollten viel tausend Gulden darum geben, daß sie ihn deß Orts nie erfordert, gesehen oder gehört hätten.“ Spengler hofft jetzt nichts mehr von „diesen päpstischen Heuchlern und Ohrenkraulern“, aber alles von „den Propheten, den heiligen Evangelien und dem heiligen Paulus, uns durch Luthern gepredigt.“ So kehrt er zurück. Er ist jetzt selbst im Glauben erstarkt: darum kann er auch seine Brüder stärken. Und unberechenbar ist fürwahr der Einfluß gewesen, welchen er zunächst auf den Rath und die Bürgerschaft seiner Vaterstadt ausgeübt hat.
Schnell ist es zwar auch damit nicht gegangen; denn nachdem Osiander am 23. Februar 1522 die erste evangelische Predigt gehalten hatte, verstrich noch geraume Zeit, bis der Rath selbst sich an die Spitze der reformatorischen Bewegung stellte. Es ist nun einmal in Teutschland nicht Brauch, sich zu übereilen; erst nach gründlichen Vorbereitungen gelangt man an das Ziel. Auch mochte man wohl glauben, eine Reichsstadt könne sich nicht so leicht über manche Rücksichten, welche sie zu nehmen habe, hinwegsetzen. Daher der nothgedrungene Vollzug des Wormser Edicts, das Verbot evangelischer Predigt und die Fesseln, welche man der Presse anlegte. Aber während dies alles nach außen hin geschah, reifte im Stillen die Saat des Evangeliums, welche Spengler als der Ersten einer mit ausgestreut hatte, dem Tage der Ernte entgegen. Halbheit ist in die Länge unerträglich; zuletzt fühlte auch der Rath sich mit fortgerissen, und im I. 1525 hatte sich der Sieg vollständig auf die Seite des Evangeliums geneigt. Nach sechstägiger öffentlicher Disputation war man über 12 von dem Rath aufgestellte Artikel einig geworden; die Verhandlungen hatten Christoph Scheurl und Spengler geleitet. Letzterer befand sich jetzt auf dem Höhepunkte seines inneren Lebens; ein Jahr zuvor hatte er sein schönes Kirchenlied: „Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschlich Natur und Wesen“, gedichtet. Von Alters her hoch gehalten, ist dasselbe mit großer Andacht in Leid und Freud gesungen, von einer unsrer Bekenntnißschriften als die Summa der Heilslehre bezeichnet und mit der Zeit in sieben Sprachen übersetzt worden.
Von nun an sehen wir Spengler bei Allem, was in kirchlichen Angelegenheiten geschieht, das Beste thun. Er reist nach Wittenberg, correspondirt mit den Reformatoren und mit seinem vertrauten Freunde V. Dietrich, fragt wegen Abschaffung der Messe bei Luther an, stellt selbst Bedenken auf, übernimmt die Vermittlung, wenn man eines Predigers bedarf; kurz, alle Fäden laufen in seiner Hand zusammen. In der ersten Zeit waren es aber vornehmlich zwei Rathschläge, welche er seinen Herren gegenüber auf das nachdrücklichste vertrat: die Stiftung der Schule zu St. Aegidien, damit man einen tüchtigen evangelischen Nachwuchs erhalte, und die Einrichtung einer Visitation, damit das Kirchenwesen der Stadt und ihres Gebiets vollends möge geordnet werden. Neides ist mit dem segensreichsten Erfolg ausgeführt worden. Die Gründung einer mit ausgezeichneten Lehrern besetzten Schule hatte Spengler in erster Linie betrieben, weil er wohl wußte, „wie viel zur Hoffnung alles glücklichen Fortgangs in geistlichen und weltlichen Handlungen an der Unterweisung der Jugend gelegen fei.“ Es war ein Ereigniß, daß die Stadt Nürnberg in dieser Beziehung mit gutem Beispiele voranging. So faßte schon Luther die Sache auf, als er im Hinblick auf „die seine herrliche Schule an seinen besondern lieben Herrn und Freund,“ wie er Spengler nennt, schrieb: „Nürnberg leuchtet wahrlich in ganz Teutschland wie eine Sonne unter Mond und Sternen, und gar kräftiglich andere Städte beweget, was daselbst im Schwange geht. Denn ich kenne Nürnberg so fern wohl, daß Gott Lob! viel seiner christlicher Bürger hat, die von Herzen gerne thun, was sie thun sollen, wo sie es allein wissen, oder ihnen gesagt wird. Welchen Ruhm sie nicht allein bei mir, sondern auch allenthalben haben.“ – Bekanntlich ist Spengler auch derjenige gewesen, welchem Luther seinen Sermon: „daß man Kinder zur Schule halten soll“, gewidmet hat, „daß“, schreibt er an ihn, „derselbe möchte desto mehr Ansehens haben.“
Der im J. 1527 von dem Nürnberger Rathe eingeleiteten und in Gemeinschaft mit dem Markgrafen Georg zu Anspach veranstalteten Kirchenvisitation hat Spengler persönlich beigewohnt. Ihm vornehmlich hatte man es auch zu verdanken, daß die im I. 1533 veröffentlichte treffliche Kirchenordnung zu Stande kam. Der ihm sehr befreundete Osiander, ein Mann von bedeutenden Gaben und großer Energie des Charakters, aber „seines Geistes nicht alleweg mächtig“ und deßhalb schwer zu behandeln, wollte das Werk allein in Händen haben, und es bedurfte der ganzen Weisheit und Autorität Spenglers, um die Sache wieder in das rechte Geleise zu bringen. Ein abgesagter Feind aller Gehässigkeit, dringt er mit den beweglichen Worten auf ihn ein: „Nit diese unfreundliche Wege wandern, kein solch Grollen und Unlust wider eure Mitbrüder, die Prediger, die neben euch ein gleich Ministerium, Befehl und Bürde tragen!“ Vor Allem aber erinnert er ihn, daß es ganz gefährlich wäre, in einer so wichtigen Sache Einem allein zu vertrauen, und daß ihm billig an Förderung vieler tausend Menschen Heil und Seligkeit mehr müsse gelegen sein, denn an seiner Ehre und Reputation. Niemand hat diesen Mann richtiger beurtheilt, als Spengler. Er sagt es vorher, derselbe werde einmal noch einen großen Lärmen anrichten; nichtsdestoweniger hat er ihn bis an seinen Tod geliebt und noch in seinem Testament mit einer vergoldeten Lampe bedacht.
Es ist überhaupt ein hervorstechender Zug in dem Charakter Spenglers, daß er auch einem irrenden und zürnenden Bruder gegenüber die Pflichten eines treuen Freundes und aufrichtigen Bekenners der Wahrheit auf die würdigste Weise mit einander zu vereinigen gewußt hat. „Ob ich auch“, schreibt er als guter Lutheraner an den wankenden Billican, „Theobaldus‘ Irrsalen widerwärtig bin, so weist mich brüderliche Liebe, daß ich doch seine Person mit nichten hassen, feind seyn oder verfolgen, vielmehr Gott für ihn bitten soll, ihm seine Gnade nicht zu entziehen, sondern den Glanz seiner göttlichen Wahrheit mitzutheilen und ihn darinnen bis an das Ende zu erhalten. Das will ich, ob Gott will, getreulich thun.“ Mitunter ersucht ihn wohl auch Einer, wie der ehrliche Stadtschreiber Mauer von Memmingen, „wo er nicht recht daran sei, ihn weidlich zu strafen und über die Hauben zu fahren; er wolle ihn dabei als seinen treuen Vater erkennen.“ Mit der eben genannten Stadt ist überhaupt Spengler zu Zeiten in lebhaftem Verkehr gestanden, besonders im J. 1529, wo er zwei inhaltreiche Sendschreiben an den dortigen Rath richtete, um denselben im Glauben zu stärken. „Man muß“, sagt er hier im Hinblick auf die Macht des Kaisers und die Drohungen der Bischöfe, „neben fürsichtiger und bedachtsamer Führung der Sache vor dergleichen Wasserblasen nicht erschrecken, weil wider Gottes heiliges Wort keine menschliche Gewalt, ja die Pforten der Hölle nichts vermögen. Wohl ist es unmöglich, das Osterlämmlein ohne die sauern Latuken zu essen, das gelobte Land einzunehmen und nicht zuvor durch das rothe Meer zu gehen; aber wir haben Einen, der die Welt überwunden hat, der auch viel stärker ist, denn der Fürst dieser Welt und alles sein Geschwürm.“ Nichts vermochte diese Zuversicht in seinem Gemüthe zu erschüttern, wenn auch, wie er einmal sagt, es sich anließ, als wollte Alles zu Trümmern gehen. Als er nach der Austreibung der Evangelischen aus Leipzig erfuhr, daß Herzog Georg geäußert habe: „er wolle die Ketzerei ausreuten, und sollte Leipzig gar zu einem See werden“, ließ Spengler sich vernehmen: „Ich will gern sehen, ob Gott stärker sei denn er, und ist wohl möglich, daß er eher stirbt, denn er Gottes Wort um ein Haar niederdrückt. Er will je gar tobend werden; Gott helf dem armen verblendeten Mann!“ –
Ueber die allgemeinen Angelegenheiten der Kirche hat Spengler vornehmlich in zwei Fällen mit gesprochen, – als es sich um die Frage handelte, ob man dem Kaiser mit gewaffneter Hand entgegentreten solle? und als die Verhandlungen des Augsburger Reichstags in Folge des von dem Gegentheil angebotenen Vergleichs Manchen eine bedenkliche Wendung nehmen zu wollen schienen. In zwei mit juristischer Schärfe und Besonnenheit verabfaßten Gutachten hat er jede von den beiden Angelegenheiten beleuchtet und die Bedenken, welche in ihm aufgestiegen waren, ohne Rückhalt ausgesprochen. Die Frage, ob man zu einem Trutzbündniß schreiten dürfe? war verwickelter Natur; Spengler hat dieselbe verneint, aber nicht aus Furcht vor den Feinden des Evangeliums, sondern aus Ehrfurcht vor der höchsten obrigkeitlichen Gewalt. Die über die Augsburger Unterhandlungen von ihm verfaßte Denkschrift war durch die Mittheilungen, welche Baumgärtner ihm gemacht hatte, veranlaßt worden. Er schrieb sofort an Luther und drückte ihm die Befürchtung aus, „daß man sich etwas zu weit begeben haben möchte.“ Letzterer antwortete beruhigend, unterließ aber doch nicht, sehr ernste Worte an die Freunde in Augsburg zu richten. In seinem Gutachten hatte Spengler namentlich die Competenz des Reichstags bestritten und sein Befremden darüber geäußert, daß man in einer so wichtigen Sache weder die Mitverwandten befragt, noch Dr. Martinus, welcher doch von Anfang an der rechte Prinzipal und Fahnenführer dieses tapfern Handels gewesen sei, gehört habe. Den christlichen, ehrbaren und gelehrten Philippus hält er für zu fromm, als daß er mit Wissen etwas bewilligen sollte, das dem Evangelio zuwider wäre. Aber er meint, derselbe sei noch nicht durch die Spieße gejagt worden wie Luther. Während des Reichstags hat Spengler auch an den Markgrafen Georg, der ihm nicht minder gewogen war, als Herzog Albrecht und Churfürst Friedrich, ein Sendschreiben gerichtet, welches voll gewaltiger Trostsprüche ist und von jedem evangelischen Christen gelesen zu werden verdient. „Wir haben“, heißt es hier u. A., „steten Streit wider Amalek; aber weil wir beten, so hat es keine Noth.“ –
Spengler hat in seinem Leben viel Schmerzliches erfahren. Seine treue Hausfrau war ihm vor der Zeit wieder entrissen worden; auch von seinen 9 Kindern haben höchstens 3 ihn überlebt; die übrigen hatte er, wie er sich einmal ausdrückt, „gen Himmel geschickt.“ Er selbst aber litt schon seit Jahren an Steinbeschwerden, welche mehr und mehr seine körperlichen Kräfte erschöpften und ihn zuletzt aufrieben. Im I. 1529, wo er sein erstes Testament vollzog, war er in Folge eines heftigen Krankheitsanfalles so schwach geworden, daß der Rath sich bewogen fand, ihn nach dem Rath-Hause fahren und, wenn er daselbst blieb, durch den Hausvogt speisen zu lassen. Zwei Jahre später war er wieder so leidend, daß er nicht anders dachte als der alte schartige Krug werde gar zu Trümmern gehen. Wie oft mag er in dieser letzten Zeit sich das Wort vergegenwärtigt haben, welches Luther einmal an ihn geschrieben: „Christus unser Herr stärke und halte euch auf jenen Tag, da wir uns, ob Gott will, fröhlich sehen werden in einer andern Gestalt!“ Als er dennoch wieder genesen war, – „ohne Zweifel aus stattlicher Fürbitte vieler frommer Christen“, – schrieb er: „er sei in des Herrn Zuchtschule gewesen und habe da gelernt, wie süß, wie gütig und voller Barmherzigkeit der Herr sei gegen Alle, die ihn vertraulich anrufen; auch was Gemeinschaft der Heiligen sei, habe er in seiner tödtlichen Krankheit wohl empfunden.“ In den letzten Tagen des I. 1533 vollzog er sein letztes Testament, und am Abend des 7. September 1534 wurde er durch die Gnade seines Gottes von allem Uebel erlöst. Die Kunde von seinem Hingang erregte in den weitesten Kreisen Theilnahme und Betrübniß. „Wenige“, schreibt Camerarius, „vermögen jetzt schon zu ermessen, wie viel wir mit diesem einen Manne verloren haben.“
Albrecht Dürers, seines Vertrauten, Meisterhand verdanken wir Spenglers Bild; den ähnlichsten Abdruck seines inwendigen Menschen hat er selbst uns in dem Glaubensbekenntniß zurückgelassen, welches seinem zweiten Testamente beigegeben ist. Luther hat dasselbe mit einem Vorworte veröffentlicht, in welchem er „dem seinen werthen Manne“ das Zeugniß giebt: „Er hat als ein rechter Christ bei seinem Leben Gottes Wort mit Ernst angenommen, herzlich geglaubt, mit der That groß und viel dabei gethan und nu itzt in seinem Abschied und Sterben solchen Glauben seliglich bekennet und bestätigt, zu Trost und Stärke allen schwachen Christen, die itzt viel Aergerniß und allerlei Verfolgung leiden um solches Lafari Glaubens willen.“ Die letzten Worte dieses geistlichen Testaments mögen den Schluß des vorstehenden Lebensabrisses bilden:
„Das ist“, sagt er, „der Grund meines Glaubens, den ich durch diese meine Handschrift vor Gott meinem Herrn und der ganzen Welt bekenne, dabei ich auch mit Hülfe meines getreuen frommen Gottes, der mich zu dem Licht desselben Glaubens gnädiglich berufen und aus der Finsterniß viel großer Irrsalen, darin ich vor Andern zum tiefsten gelegen bin, wunderbarlich erledigt hat, bis in meinen Tod und Gruben beständiglich gedenke zu bleiben, auch mit und in solchem Glauben zu sterben und vor dem gerechten Richter, meinem einigen Heiland Jesu Christo, in seiner letzten Zukunft zu erscheinen, weiß auch, daß ich aus Gottes Wort dieses meines Glaubens gewiß bin. Rufe darauf zu Gott meinem Herrn, der getreu und wahrhaftig ist, von Grund meines Herzens, mir seine göttliche Gnade barmherziglich mitzutheilen, daß ich in diesem Glauben beständiglich verharre und also von hinnen abscheide, daß ich der Zukunft meines Heilands Jesu Christi mit einem fröhlichen unerschrockenen Gewissen warten möge. Amen.“
Spenglers Lebensende ist das eines Bekenners gewesen. – Evangelische Nachwelt, wenn du der Wahrheitszeugen gedenkest, welche der Herr in den Tagen der Reformation seiner Kirche geschenkt hat, so vergiß auch des glaubenstreuen Rathsschreibers von Nürnberg nicht!
Ch. H. Sixt in Nürnberg, später in Anspach
Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874