Sophie von Bayern, Königin von Böhmen.

Geb. 1375. gest. 1429.

Im Jahre 1300 feierte die römische Kirche ihr großes päpstliches „Jubeljahr“. Wer an demselben fünfzehn Tage lang die Kirchen der Apostel zu Rom andächtig besuchte, bekam vollkommenen Ablass für ein ganzes sündiges Leben! Hunderttausende sammelten sich da in der „heiligen“ Stadt um den „heiligen“ Vater, dass es schien, das menschliche Geschlecht sei römisch und eine Familie. Aber vom Augenblick ihres höchsten Glanzes an musste die verweltlichte Kirche Riss um Riss erfahren: durch die Risse wollte das Licht des Evangeliums brechen. Im Jahre 1310 zog der Papst in die „babylonische Gefangenschaft“ nach Avignon. Als der Papst zu Avignon und der zu Rom einer den andern in den Bann zu tun begann (1378), da war es hohe Zeit, dass über der Christenheit ein neues Morgenrot aufging. Eine Hedwig hat ihren Polen die Bibel in ihrer Sprache geschenkt. Auch Deutschland soll sie bald bekommen – ein Dr. Tauler in Straßburg, Heinrich Suso in Ulm, J. Ruysbrook bei Brüssel, Heinrich von Nördlingen, Berthold von Regensburg und ihre Genossen mit ihren deutschen Predigten und gottinnigen Liedern machen offene Bahn (1340-1380). Wiclif predigt in England (1380), sein Schüler J. Hus in Böhmen dem Volke (1413). Das Licht kämpft fortan mit den Schatten des Todes und wie es kämpft in Männer- und Frauen-Herzen, bei Völkern und Fürsten!

Es war im Jahre 1392, da zog die schöne siebenzehnjährige Herzogin Sophie von Bayern nach dem stolzen, prachtvollen Prag zum prunkenden Beilager mit einem rohen und elenden, blutdürstigen und furchtbaren Manne. Wenzel, der König von Deutschland und Böhmen hatte seine erste tugendhafte und sanfte Gemahlin hinrichten und ihren Beichtvater Nepomuk über die Moldaubrücke stürzen lassen. Was hatte die zweite zu hoffen? Doch es erging ihr besser als zu befürchten war und sie durfte namentlich ihrem frommen Triebe zu Begabung von Kirchen und Stiften leben. Ihrem Eifer für die Förderung der Religion aber sollte sofort eine neue Richtung gegeben werden.

Johannes Hus hatte in der 1391 neugestifteten Bethlehemskapelle in der Altstadt von Prag mit einer unerhörten Kraft und Begeisterung das Evangelium zu predigen begonnen. Wie alle Welt, so ging auch Sophie dorthin zur Andacht. Sie sah in Hus, wenn er den Übermut und die Laster der Geistlichkeit, die lüsterne Pracht der Bischöfe geißelte, einen Boten des Himmels und den jungen Mann mit der langen, hagern Gestalt und mit dem bleichen, geistvollen Antlitz, mit dem unbescholtenen Wandel und der unbegrenzten Freundlichkeit gegen das Volk, mit der Fähigkeit Allen Alles zu werden, musste sie zu ihrem Beichtvater, Ratgeber und Vorleser über biblische Abschnitte haben, dem sie ganze Tage lang mit unverdrossener Aufmerksamkeit zuhören konnte. Hus war damals noch rechtgläubiger Katholik. Bald aber gewann ihn sein Freund Hieronymus von Prag für Wiclifs reformatorische Schriften und dies sowie das fleißige Lesen der Bibel brachten ihn immer weiter von Rom weg. Obwohl er sich in den Schranken aller Mäßigung hielt, wurde er doch alsbald verketzert, in Rom verklagt und dahin vorgeladen. Die Universität, der Hof, der König und die Königin traten für ihn ein und der Erzbischof von Prag erkannte den von Rom bereits gebannten Hus als rechtgläubig an. Sophie hatte sich und ihrem Manne eine Handbibel ins Deutsche übersetzen lassen, die noch in der kaiserlichen Bücherei zu Wien vorhanden ist. Als aber der Bann erneuert und Prag sogar mit dem päpstlichen Verbote jeder geistlichen Amtsverrichtung, weil Hus darinnen war, belegt wurde, vermochte Sophie denselben nicht länger zu schützen. Hus verließ die Stadt, kehrte aber auf die Nachricht von der bevorstehenden Kirchenversammlung zu Konstanz wieder zurück und mit gutem Zeugnis und Geleite zog er 1414 fröhlich dahin zur Verantwortung – und zum Scheiterhaufen, an den ihn der wortbrüchige Kaiser verriet.

Zorn und Ersetzen erfasste ob dieser Kunde ganz Böhmen und Wenzel sogar schien den allgemeinen Unwillen zu teilen. Sophie hielt den Märtyrer noch immer für katholisch-rechtgläubig und ihrem Herzen war der verklärte Hus noch teurer als der lebende. Als ihr Bruder Ernst sie damals besuchte, erschrak er ob ihrer hussitischen Reden und schalt sie aufs heftigste. Sie aber versicherte, auf den Glauben, den Hus gelehrt habe, wolle sie leben und sterben. Von Zorn überwältigt schrie darauf Ernst ihr zu: „stirbst du mit diesem Vorsatz, so wirst du dein Verbrechen beim Teufel in der Hölle ewig beweinen und die furchtbarsten Strafen erdulden müssen!“ Dazu gab er ihr eine Ohrfeige, dass ihr der Schleier vom Haupte fiel. Dann ritt er eiligst von dannen, den Zorn der Böhmen fürchtend. Von da an lebten ihre Brüder und Verwandten in feindschaftlicher Entfremdung von Sophie, die sie als Abgefallene verabscheuten. Als sie später landflüchtig umherirrten, suchten sie überall lieber Zuflucht, als bei der verhassten Schwester.

Indessen wurde es in Böhmen immer unruhiger, bald folgten Aufruhr und Gräuel und nachdem Wenzel im Schreck darüber, dass die Hussiten seine Räte aus den Fenstern des Prager Schlosses gestürzt hatten, unter fürchterlichem Gebrüll und Heulen am 16. August 1419 gestorben und ohne Sang und Klang, ohne Licht und Kreuz beigesetzt war, lösten sich alle Bande. Vom Schlosse Wisserat herab musste Sophie es ansehen, wie Kloster um Kloster, Kirche um Kirche in Flammen aufloderten und ihre Heiligtümer zertrümmert wurden, der Anblick der ungeheuren Gräuel des unter dem römischen Katholizismus nicht veredelten, von der Hussitenrache vertierten Volkes entschied Sophiens bis dahin schwankendes Urteil. Sie kehrte in den Schoß der katholischen Kirche zurück, der sie im Grunde nie ungetreu geworden war, die sie aber von bessern und frömmeren Geistlichen verwaltet wissen wollte. Sie raffte Kriegsvolk zusammen, brachte es zu einem Waffenstillstande, übergab dem Kaiser Sigismund die Regierung und verließ das blutbefleckte Böhmen, um in Ungarn der Buße und Andacht zu leben. Inzwischen hatten sich ihre Brüder mit ihr versöhnt, das Leben bei Hofe in Preßburg ließ ihr keine Ruhe, voll Sehnsucht rüstete sie sich zur Heimkehr in ihr Vaterland, da führte sie der Tod hinüber in die ewige Heimat (1429). Ihre Gebeine liegen bei St. Martin in Preßburg begraben. Das Gedächtnis der überaus klugen, gütigen, weisen und schönen Fürstin lebt in Ehren. Ihre tiefe Bekanntschaft mit der heiligen Schrift, ihre hohe Wohltätigkeit bleibt ihr Ruhm. Ausdrücklich wird gerühmt, wie sie öfters zu Prag arme Deutsche besucht und reichlich beschenkt habe, welche aus Meißen vertrieben worden waren, weil sie den Genuss des Kelches im heiligen Abendmahl nicht für unerlaubt hielten.

Ob das Gleichnis von dem Samen, der auf Felsen gefallen bald aufging, aber als die Hitze kam, schnell wieder verdorrte, auf sie anzuwenden ist, mögen wir nicht wohl fragen, noch weniger entscheiden. Wenn sie von den Revolutions-Gräueln der den Deutschen feindlichen Hussiten in die römische Kirche, für deren Reformation die Stunde noch nicht geschlagen, zurückgeschreckt wurde, so dürfen sich die Evangelischen nicht wundern, die Päpstlichen nicht berühmen; es ist das weder Tadel noch Verdienst Sophiens. War ihr Herz jener Felsen, so teilte sie ihn mit Vielen, und Hussens Kirchenverbesserungsplan musste in ihr wie in ihrem Volke scheitern, weil das Wort der Schrift noch nicht genug evangelische Erkenntnis und Buße gewirkt und so das gute Erdreich für den guten Samen bereitet hatte.

Die, wie von den meisten Sekten und Reformatoren vor der Reformation, immer mehr äußerlich gemeinte Verbesserung schlug immer auch mehr oder weniger in äußerliche Zerstörung und Selbstzerstörung um. Der rechte Säemann und Baumeister sollte erst nach hundert Jahren kommen. Was Hus nicht vermochte, setzte Luther durch, und was einer Sophia zu schwer ward, das nahmen andere Frauen auch in die siegreiche Hand.