geb. 1450. gest. 1510.
In der Fürstengruft des Domes zu Meißen ruht das Bruderpaar Ernst und Albrecht, das im Jahr 1485, durch schlimme Einflüsterungen bewogen, das sächsische Haus und Land in die zwei Linien teilte. Nicht weit von dem „Ruhestättlein“ Ernsts ist das Grabmal des Stammvaters der Albertiner, Albrecht des Beherzten, des deutschen Roland, wie ihn die Krieger nannten, des Junkers von Grimm, wie er sich selbst bezeichnete und wie er von dem muntern sächsischen Bergvolke begrüßt ward.
Die Inschrift auf dem Grabe des ritterlichen Mannes besagt, er sei im Dienste des heiligen Reiches zu Emden gestorben. Diese Grabstätte weist hinüber zu der andern, worin die tugendhafte Fürstin, „Frau Zedone, geborene von Behaym ruht, die gewesen ein Gemahl des hochberühmten Fürsten, Herrn Albrechts.“ Auch die Burg in Meißen, die nach Albrechts Namen genannt ist und die beinahe verfallenen Mauern Tharandts rufen ihr Gedächtnis zurück. Dort hielt Sidonie oft Hof, wenn ihr Gemahl im Dienste des Kaisers, fern vom Vaterlande weilte, hier verlebte sie ihre Witwenzeit.
Schon als neunjähriges Kind war Sidonie, die Stammmutter der albertinischen Linie, dem jungen Herzog Albrecht zu Eger vermählt worden. Das Beilager ward erst 1464 vollzogen. Sidoniens Vater, Georg von Podiebrad gehört zu den gefeiertsten Königen Böhmens. Eigene Trefflichkeit hatte ihn auf den Thron erhoben. Er stand über seiner Zeit und trat namentlich päpstlichen Übergriffen, wie sich einem Könige gebührt, entgegen. Die Verbindung von Sidonie und Albrecht sollte ein Sühnungsmittel zwischen Sachsen und Böhmen sein. Es sollte dadurch alter Unwille um verweigerter Ansprüche willen „aus den Herzen gereudet“ werden; so war Sidonie, das junge Königskind aus Böhmen, eine willkommene Botin des Friedens für Sachsenland. Von dem an aber endete auch ihre politische Bedeutung für dasselbe. Sie erscheint nunmehr einfach als fürstliche Hausfrau und Mutter in dem Stillleben des sächsisch-meißnischen Fürstenstammes jener Zeit und wenn sie je an den öffentlichen Angelegenheiten des Landes und seiner Verwaltung Teil nahm, so geschah dies nur mit Rücksicht auf den unmittelbaren Kreis des weiblichen Waltens.
Da ist sie denn die liebende und sorgende Mutter, die ihren Gemahl ehrende Fürstin, die Fürsprecherin der Unglücklichen, die Helferin der Dürftigen, die treue, jedoch Andersdenkende nicht hassende, vielmehr sanfte Anhängerin ihrer Kirche. Eine Reihe noch vorhandener Briefe aus der Zeit ihres häuslichen Lebens bezeichnet ganz die Art ihres Waltens und den nicht geringen Grad schlichter Bildung, den Sidonie in mannigfacher Hinsicht besaß.
Sidonie war eine glückliche Mutter. Sie hatte zwar mehrere Söhne und Töchter durch den Tod verloren, diese waren aber in zarter Kindheit gestorben, und es blieben ihr bis zu der Zeit, wo sie selbst heimging, drei Söhne, an denen sie Freude erlebte: Georg, Heinrich, Friedrich, und eine Tochter, Katharine, in zweiter Ehe mit Erich von Braunschweig verheiratet.
Als ihr Gemahl nach den Niederlanden zog, um in Kaiser Maximilians Namen Gewalt zu haben und „zu tun und zu lassen, als der König selbst“, lehnte Sidonie es ab, wie dieser wohl wünschte, in das fremde Land zu folgen. Sie zog es vor, in der Nähe ihres geliebten Sohnes Georg zu bleiben. „Dieweil denn“, schrieb Albrecht an Georg, „mein Weib nicht Willen hat, in Niederland zu ziehen, und auch nicht willens ist, bei dir selber am Hofe zu leben, deshalb sie sich vorgenommen, gen Meißen auf unser Schloss zu ziehen, völlig da unserm Herrgott zu dienen bei dem löblichen Stift, wie sie mich berichtet, so wollest du mit Herr Hansen und dem Hofmeister zu ihr gehen und sie befragen, was ihr redlich Gemüt hierin sei“. Albrecht befahl dem Sohne, der Herzogin „Stuben, Kammern und Wesen in der großen Kemenaten zurichten zu lassen und so zu versorgen, damit sie nicht Gebrechen habe.“ Vierteljährig sollte sie außer dem hundert Gulden ausgezahlt erhalten.
Alles deutet darauf hin, dass Sidonie nur einen mäßigen Hofstaat wünschte und den bisherigen einschränkte. Sie betrachtete sich gleichsam als verwitwet, entsagte äußerem Glanze und war mehr auf kirchliche Übungen bedacht. Sie entließ viele ihrer Diener und Hoffräulein. Den kirchlichen Übungen obliegend, hatte sie wohl „eine hitzige Andacht“ aber diese war fern von falschem Eifer, von Verfolgungssucht, ein wirklich frommer Sinn und eine redliche Meinung spricht sich bei ihr aus. Immerhin bildet ihre streng römisch-kirchliche Überzeugung einen Gegensatz zu der viel freieren Lehre, zu der sich ihr Vater Georg Podiebrad bekannte. Dieser hatte oft genug des Papstes Unwillen auf sich geladen, weil er die Grundsätze des Johannes Hus und die gegenpäpstlichen Satzungen des Basler Konzils zu bekennen und zu verteidigen kein Bedenken trug.
Der Sinn Sidoniens geht vollständig hervor aus ihren Briefen an ihr „herzallerliebstes Söhnlein“ Georg. Sie hatte eine Stiftung errichtet zu Begehung des Festes der heiligen Lanze, womit nach der kirchlichen Sage der Hauptmann Longinus den Leib Jesu durchstochen haben soll. In Bezug darauf schreibt sie ihrem Sohne, er möge sich des Ablasses teilhaftig machen, den der Papst und der Bischof zu diesem Feste gespendet. Fast in jedem Briefe erwähnt sie eines Planes zu dieser oder jener Stiftung, z. B. – etwa „zu Lob St. Paul und seiner Bekehrung, Gott helf mir zu der Seelen Seligkeit“, weswegen sie sich dem Sohne nicht so habe widmen können, als sie gern wollte, und er vielleicht „in eine kalte Küche gekommen ist“. War irgend ein Geistlicher in besonderem Rufe von Frömmigkeit, so sah sie es gern, wenn ihre Söhne ihn kennen lernten. „Ich schicke dir,“ heißt es in einem Briefe, „Doktor Proles, dem hab ich befohlen, dass er einen frommen Menschen aus dir machen soll, er bringt dir ein gar säuberlich Bild der Mutter Gottes und das Kindel hat schier eine solche Fisomey (Physiognomie) des Antlitz halb als du, an dem wirst erkennen, wie du gestalt bist.“ Oft sendete sie ihm Bücher, welche sich auf geistliche Dinge bezogen und überhaupt verwendete sie sich für Verbreitung solcher Schriften, die ihr lieb waren. Bezeichnend und ein Verdienst zur inneren Mission ist es für sie, dass sie sich insbesondere der Schriften Johann Taulers, aus denen Doktor Luther gerade damals so viel lernte, ernstlich annahm. „Nachdem ich mit dir geredet hab des Buches halb, genannt der Tauler (das man (1498) zu Leipzig gedruckt und von etlichen gehemmt wird zu verkaufen), bitt ich dich aufs freundlichste, mein herzallerliebster Sohn, du wollest es Gott dem Allmächtigen zu Lobe, auch um unser aller Seligkeit willen tun, dass die Bücher ausgehen und verkauft werden mögen, denn ich kann nicht anders denken, denn dass der Feind der menschlichen Seligkeit durch etliche (in gutem Schein) solche Bücher zu verkaufen betrüglich verhindert oder hemmt; er erkennt auch, dass ihm vielleicht dadurch manche Seele entzogen wird, daran tut er wie er kann, auf dass die guten Werke verhindert und nachgelassen werden. Das Buch lehret nichts denn grundlose Demut und sich selbst erkennen, auch die Welt und alle zeitlichen Dinge verschmähen und verachten. Mein herzallerliebstes Kind, ich bitte dich nach wie vor, du wollest den ewigen fröhlichen Lohn von Gott empfangen und mir die Bitte gewähren, du magst mir wahrlich glauben, dass sich des Buches, aus dem die andern gedruckt sind, 6 Menschen, die ich weiß, fast sehr gebessert haben und vom irren Leben in gute vollkommene Leben gelangen und von Tag zu Tag zunehmen. Merk, wie es um die Welt stünd, wenn fromme andächtige Menschen nichts täten. Demnach bitt ich dich, du wollest dazu vörderlich, dass du in der Weise voll und genüglich tust und dich aller guten Werk teilhaftig machen, die von den Menschen geschehen, die sich des Buches (aus dem Buche) gebessert.“
Weniger anziehend sind die Mahnungen an Benutzung der damals festgesetzten vielen Ablasstage und dergleichen Ähnliches. So sendet Sidonie ihrem Sohne Georg ein Buch mit der Bemerkung, dass er darin sehen werde, „auf welchen Tag und wie viel er Ablass verdienen könne, und ihn auffordert, sich ja genau zu merken, wenn der Ablass in zweien oder dreien Kirchen sei, wegen jeder Kirche besonders zwei Altäre zu nehmen, wenn sie schon in einer und derselben Kirche „wären.“ „Nimm den Ablass an,“ sagt die Herzogin, „denn er ist dir nicht schädlich, dient er dir nicht vor die Pein, so mehrt er dir das Verdienst bei Gott.“ Namentlich ängstigte sich Sidonie, wenn Todesfälle in der fürstlichen Familie eingetreten waren. Es wurden dann die Mahnungen zum Gebet und zur Buße immer dringender; es bewegte sich das freundliche Wohlwollen Sidoniens mit Hast und Eile in dem Kreise der kirchlichen Satzungen. Als Kurfürst Ernst gestorben war, äußerte die Herzogin gegen ihren Sohn Georg, „du hast diese Woche (bis) ganz zu End, Vergebung (von) Pein und Schuld an dem zufälligen Ablass, denselbigen Tag als du in dem Büchlein lesen wirst und steht bis zu künftige Mittwoch nach Ostern und diese mit eingeschlossen, und auf diese Mittwoch hast du eine Seele aus dem Fegfeuer zu erlösen, ich bitte dich, komm deines Vettern Herzogs Ernsts Seele mit dem Ablass zu Hilfe, oder ordne es so, wenn es die Seele nicht dürft (bedürfte), dass du den elendesten Seelen im Fegfeuer zu Hilfe kommst.“
Nach des Gemahls Heimgang tat Sidonie eine gleiche Mahnung an ihren Sohn Friedrich, Hochmeister des „löblichen deutschen Ordens in Preußen.“ Sie drückt zugleich Freude aus über das Wohlbefinden des entfernten Sohnes, „und ich bitt euch,“ hieß es weiter, „ihr wollt mich in eurem Gebet und freundlichen Gedanken haben, auch der Seele eures lieben Vaters nicht vergessen, sondern täglich mit sonderbarem Gebet gegen Gott und die Mutter Gottes auch aller Heiligen gedenken, so ihr ihm denn mit dem Gebet und andern guten Werken vor das Angesicht Gottes helfet, alsdann wird er nicht aufhören, bis er euch dahin hilft, da ihr auch gerne seid und euch mit ihm zu ewigen Zeiten freuet. Herzliebster Sohn, ich bin sonder Zweifel, ihr seid die Dinge von euch selbst zu tun geneigt, jedoch so bewegt mich die Liebe, die ich zu ihm trage dazu, dass ich euch deshalb schreiben muss. Damit befehl ich allezeit Gott dem Allmächtigen in seine göttliche Gnade und Bewahrung, auch der Gebärerin Gottes euer eheliches Gemahl, die euch allezeit vor allem Übel bewahre.“
Doch erinnerte sich die Herzogin inmitten dieser ihr Gemüt beschäftigenden Betrachtungen auch des leiblichen Haushalts und schrieb bei den dringendsten Empfehlungen, Ablass zu suchen, dem Herzog Georg: „ich bitte dich, herzallerliebster Sohn, du wollest mich auf diese heilige Zeit (Ostern) mit Wildpret versorgen,“ aber gleich empfiehlt sie, mehr als einen Altar zu nehmen, d. h. mehr als eine Messe halten zu lassen) „mit dem Zusage, wir können ihm nimmer zu viel tun.“
Zuweilen ließ sich Sidonie Bücher aus der lateinischen Sprache ins Deutsche übersetzen. Dies Geschäft war unter andern dem Meister Ludwig an Georgs Hofe übertragen. Die Fürstin schreibt deshalb ihrem Sohne: „ich hab dich gebeten, du wollest Fleiß ankehren, dass mir Meister Ludwig das andere Teil verdeutschen wolle, als ihm anzeigig ist, hätt er etwas davon zu tun angefangen, bitt ich dich, du wollest Fleiß ankehren, dass er es vollend verdeutscht, er soll es nicht umsonst tun, ich will ihm gern ein Badhemd darum machen lassen, hat er aber nichts daran gemacht, so schick mir das Buch wieder, ich verseh mich, ich will hier jemand bekommen, der mir es umsonst verdeutscht.“
Sidoniens Bücherschak mochte meist aus Legenden und andern dergleichen Schriften bestehen, die sie auch gern weglieh, aber dann pünktlich wieder einforderte, und zwar durch den Herzog Georg selbst. „Noch hab ich,“ schreibt sie, „Maltig die Legend Sancti Francisci geliehen, ich bitt dich, du wollest ihm sagen, dass er mir sie eher je besser wieder schicke.“
Doch nicht immer fand Sidonie bei Herzog Georg, selbst in Dingen der Kirche, ganz unbedingtes Gehör, wenn schon das liebevolle Verhältnis zwischen Mutter und Sohn nie erkaltete. Die vom Herzog zu nehmenden Regierungsrücksichten traten gewiss hin und wieder mit den, wenn auch kleinen Begehren der sorgenden Sidonie in Zwiespalt. In solchen Fällen suchte, wie es scheint, der Herzog die Sache stillschweigend zu verschieben, hoffend, Sidonie werde nicht auf diesem oder jenem Wunsche beharren.
Betrachtet man den späteren Zorn Georgs gegen Luther und die Freunde der Kirchenverbesserung, so müssen traurige Schicksale und dadurch hervorgerufene trübe Stimmung und Weltansicht des Herzogs mit in Rechnung gebracht werden, ein unbedingt in den Fesseln rohen Priesterwesens und in den Schranken mechanischen, Kern und Hülle verwechselnden äußerlichen Dienstes der Kirche ruhender Geist war Georg an sich nicht. Obgleich über das Wesen der Religion befangen und hier nicht über den Dingen stehend, war ihm doch vieles zuwider, was von der Priesterschaft sehr begünstigt ward. Es ist bekannt, wie schwer er daran ging, Ablasskrämer im Lande herumziehen zu lassen. Noch im Jahre 1517 schrieb Georg entrüstet an den Prior und Konvent zu Leipzig, er werde berichtet, dass Herr Tezel und etliche seines Anhanges in dem Kloster Gnadenbriefe auszugeben sich unterstünden und die Untertanen solche zu lösen in Predigten anreißen. Der Herzog missbilligte, dass dies Alles „hinter des Landesfürsten Wissen und Willen“ verstattet worden sei, da es aber einmal geschehen, so könne er es jetzt nicht ändern. Doch befahl Georg das Geld ohne seinen Befehl nicht herauszugeben, „da es oftmals an die Orte, dahin es gehört, nicht geantwortet und zu andern Sachen, als wozu es bestimmt, gebraucht werde.“
Die Meisten zu Sidoniens Zeit glaubten noch fest an Wunderheilmittel. Auch Sidonie teilte diesen Glauben, sie empfahl ihrem Sohne dringend dergleichen wundertätige Heiligtümer. „Des heiligen Hubertus Bote,“ schreibt die Fürstin bei solcher Gelegenheit, „hat mich ersuchen lassen, dass ich ihm eine Schrift an dich geben und ihn gegen dich verbitten wollte, auf dass du ihm Gunst und Laub geben wolltest, dass er das würdige Heiligtum des heiligen Hubertus des Jahres einmal in deinem Lande umführen möcht und daneben des Hubertus Leben und würdiges Verdienen dem Volke vorerzählen oder offenbaren. Ich bitt dich auf das freundlichste, du wollest es tun und dich gnädig gegen ihn erzeigen.“ Dabei begnügte sich aber Sidonie nicht, sie suchte ihre Bitten dadurch zu begründen, dass der Vorzeiger des Heiligtums in ihrer Kirche gepredigt und das Wasser und Brot gesegnet habe; „das soll gut sein,“ fügt sie bei, „zu dem, da Gott vor sei, wenn einen Menschen ein töricht Hund gebissen hat, auch desgleichen, wenn ein Tier, es sei ein Hund oder waserlei1was für ein Tier es sei, von einem Hund gebissen würd, so man ihm des Brotes einen Bissen zu essen gäb.“ Dieser Auseinandersetzung war nun noch die Bitte beigefügt, Georg möge den Mann in eigener Person hören, was ihr, der Herzogin nicht unziemlich zu sein dünke. Doch auch hier machte sich bei der Fürstin die Mutter geltend. Du musst aber,“ schreibt sie, „ein seiden Kleid anhaben, denn er ist ein Niederländer, so du andern gleich gehen würdest, würde er dich für keinen Herzog halten.“
Ganz besonders ließ es sich die Herzogin angelegen sein, Leute, die sie schätzte, zu geistlichen Ämtern zu empfehlen. Dann rühmte sie gewöhnlich die Frömmigkeit der Empfohlenen, auch wohl ihre Gelehrsamkeit. Zuweilen mochte es für den Herzog Georg keine leichte Aufgabe sein, den Bitten seiner Mutter zu willfahren, er hatte als Regent des Landes doch auch noch andere Rücksichten zu nehmen. Bald handelte es sich um Verleihung eines Altarlehens an gewisse geistliche Personen, welche Empfehlungen Sidoniens vorwiesen, bald um Leistungen an die Kirche, die dem Herzog schwer fielen. Für die Spendung des Ablasses war er überhaupt nicht zu geneigt und ließ die Ablasskrämer nur aus finanziellen Rücksichten im Lande umherziehen, weil die Leute sonst das Geld in anderer Herren Länder tragen möchten! Daher kommt es auch, dass Sidonie mitunter sanfte Vorwürfe in ihre Briefe einfließen lässt. Es wurden zuweilen Dinge gerügt, die sich auf die, wie Sidonie glaubte, vernachlässigten Formen bezogen. Georg hatte einst die Priorin eines Klosters „mit ihrer Sammlung“ schlechthin „Nonnen“ genannt, und den Brief seiner Mutter, wie sie begehrt, gesendet; „so du in deinem Brief,“ rügt Sidonie, „die Sammlung“„ (Konvent) „und nicht „Nonnen“„ gesetzt, wollte ich ihn der Äbtissin zugeschickt haben, aber so du sie und ihre Sammlung schlechthin Nonnen heißt, will ich mich ihnen den Brief zu schicken enthalten.“
Dinge der Art mussten es sein, welche die Priorin zum Hayn vermocht hatten, sich bei der Herzogin-Mutter über Georg zu beschweren. „Ich schicke dir, herzallerliebster Sohn,“ so schrieb Sidonie an Georg, „einen Brief, den mir die Priorin von Hayn mit samt Versammlung geschickt haben, in dem du ihre Meinung vernehmen wirst, herzallerliebstes Kind, weiß ich doch nicht anders, denn dass es dir noch eingedenk sei, da du nächst bei mir warst, dass ich dich ganz freundlich bat und dir aus mütterlicher herzlicher Lieb getreulichen riet, du wolltest feste über den Priestern und Nonnen halten und sie getreulichen handhaben und sie dir befohlen lassen sein, das du mir zu der Zeit als ein mir fromm gehorsam Kind verheißen hast und als ich gänzlich Vertrauen zu dir hab und vielleicht nichts von dem Briefe weißt, der an den Official gelangt ist es mit deinem Wissen und Will geschehen, so bitt ich dich aufs höchst und in allen mütterlichen Treuen ehre Gott und die werte Mutter Gottes auch die heilige Maria Magdalena und den heiligen Valentin, stelle es ab und schaffe, dass den Nonnen das Ihre werde.“
War Sidonien viel an Erfüllung ihrer Wünsche gelegen, so fügte sie oft sehr heitere Beteuerungen bei. „Ich bitt dich,“ heißt es in einem solchen Schreiben, „du wollest herzallerliebster Sohn deiner Zusage nachkommen und dich niemand davon weisen noch reden lassen, anders ich würd nicht eines Mohnkorns wert vor dir gehalten.“
Doch war bei alledem Sidoniens Vorliebe für die Geistlichkeit nicht so unbedingt, dass sie darüber jede andere Rücksicht vergessen hätte.
Als ein gewisser Caspar Salhausen, vielleicht ein Verwandter des trefflichen Bischofs Johann von Salhausen, „etliche ihrer und Georgs Feind“ beherbergt hatte, gab die Herzogin ihrem Sohne davon Nachricht, und da bei dieser Gelegenheit die Capitelsherren aus irgend einer Ursache beteiligt waren, so bat sie den Sohn, „mehre Räte zu senden, die das Capitel alles Ernstes von Georgs wegen anreden sollten, den zu beniemen, der der Sache schuldig sei.“
Die Juristen hatten schon damals den Ruf, nicht immer die besten Christen zu sein. Sidonie war auf die weltlichen Räte ihres Sohnes wenig gut zu sprechen, die Rechtsgelehrten schienen ihr die Schuld des vermeinten Unrechts gegen ihre Wünsche für Kirche und Geistlichkeit zu sein. Da sie den Kirchen eine so große Menge Wachs zu verehren pflegte, dass auch dies in dem fürstlichen Haushalte berücksichtigt und von den Räten nicht gebilligt ward, so ermahnte sie einst den fürstlichen Sohn: „dass du mir solch Wachs sendest, willst anders eine freundliche Mutter haben und kehr dich weder an Maltig noch an diesen und jenen und lass mir mein Wachs in deiner Gegenwärtigkeit abwiegen (den Männern des Rechts traute sie nicht) einen rechten wohlgewogenen Zentner und brich den Heiligen nichts ab. Ich bitte dich, mein herzallerliebstes Kind, du wollest diese meine Schrift nicht aus dem Sinne schlagen.“ Regelmäßig, wenn hohe Feste oder sonst heilige Tage kamen, so sorgte Sidonie namentlich für Wachs zu Kerzen mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit. An Herzog Heinrich schreibt sie deshalb und dankt ihm dafür, dass er ihre Bitte erfüllt und das Wachs ihr gesendet: „ich will es verdienen,“ setzt sie hinzu, „wenn ich groß werd, ich halte dich nun für einen wahrhaften Mann, da du mir das Wachs geschickt hast, ich hatte aber Sorg und Furcht, du hättest es Jorgen zu sagen vergessen, es ist aber nun ganz richtig.“
Der vornehmste Ratgeber Sidoniens in geistlichen Angelegenheiten war ein Doktor Schwertfeger, auf ihn bezieht sie sich häufig und sendet den Söhnen Gebete, welche er verfertigt. Eben an Heinrich schickt sie „ein Büchel, das gebessert ist mit etlichen Gebeten, welches ihm, dem Herzog, Doktor Schwertfeger sende.“
Doch auch weltliche Geschäfte ließ sich Sidonie angelegen sein, wobei sie stets die durch die Natur der Sache ihrer Tätigkeit angewiesenen Grenzen achtete. Ihre Verwendungen für andere waren keine ungehörigen Einmischungen, wenn gleich die Rechtsansicht der Fürstin fast immer in der ersten schnellen Auffassung oder in einseitiger Vorstellung ihren Ursprung hatten. Kam bei weltlichen Dingen, bei Kauf und Verkauf, Schenkungen oder anderen Geschäften das Interesse der Geistlichkeit in Sprache, so konnte letztere einer warmen Fürsprache durch die Herzogin gewiss sein. Insbesondere aber scheint die gutmütige, oft wohl selbst ohne richtige Unterscheidung für die Milde gestimmte Herzogin die Zuflucht für alle gewesen zu sein, welche Strafe fürchteten.
Wie viele Gefangene mögen sich an die Herzogin gewendet haben! Georg war natürlich außer Stand dem gutmütigen Willen seiner Mutter überall zu willfahren, er entschuldigte sich daher sehr oft. Allein Sidonie begnügte sich damit nur selten. Als ein Mann wegen Vergehens „im Turm bestrickt“ saß, äußerte Sidonie, „sie habe Georgs Antwort auf ihr letztes Schreiben gar ungern vernommen. Wir alle,“ erwiderte Sidonie, „sehen gerne, dass uns Barmherzigkeit von Gott geschehe, aber wir schicken uns fast wenig dazu, und fürchte, uns wird zur Zeit mit der Elle gemessen werden, als wir unserem Nächsten messen und versehe mich, so einer deiner Räte an des Gefangenen (Stelle) säße, er würde gedenken: o! wollte sich Jemand über mich erbarmen und mir aus dieser Not helfen, so uns denn auf Erdreich solcher Gezwack (Qual) wehe tut, wie wohl wird uns dann der Gezwack in dem Fegefeuer für unsere Missetat tun. Man sollte bedenken, dass der allmächtige Gott allezeit seine Gerechtigkeit vermischt mit der Barmherzigkeit und sollte nicht so geschwind mit der Strafe sein, was wird es dir und deinen Räten helfen wenn der arme Mensch in dem Turme stürbe.“ Doch fügt sie hinzu: „ich lasse Alles bestehen in seinem Wert, wiewohl ich mich einer andern Antwort versehen hätte, so es aber nicht anders sein kann, muss ich mir daran genügen lassen.“ Ein ander Mal bittet sie für einen Gefangenen, der ein, nach damaligem Stande des Strafrechts größeres Vergehen sich hatte zu Schulden kommen lassen. „Du wollest,“ so bittet Sidonie den Herzog, „deinen besten und meisten Fleiß ankehren, dass der arme Schalk bei dem Leben bleiben möge und also aus dem Gefängnis komme, ist es aber Sach, dass man ihm eine Straf anlegen will, das doch heimlich durch den Büttel und nicht durch den Henker geschehe.“ Hatte Georg den Bitten seiner Mutter um Begnadigung dieses oder jenes in Haft Befindlichen, eines Versehens oder Vergehens Bezüchtigten, nachgegeben, so war sie voll von Freude und dankte dem Sohne aufs Beste. Auch die Gelehrten des Landes, jedoch wohl kaum andere als Theologen, versahen sich, wenn die Gelegenheit der Dinge es mit sich brachte, Sidoniens Schutzes und Fürsprache, die dann auch selten fehlte.
War Sidonie im Allgemeinen zur Milde gestimmt, so kommen denn doch auch, namentlich wenn es Personen höherer Stände betraf, nicht undeutliche Spuren von Strenge und Zucht vor. Bei der religiösen Stimmung der Herzogin, bei der beinahe ängstlichen Beobachtung auch des äußeren Gottesdienstes, konnten sich die in der Nähe des fürstlichen Hoflagers lebenden jungen Edelleute gar leicht den Unwillen der Herzogin zuziehen, wenn sie in dem angedeuteten Stück etwa nachlässig waren. Es verstand sich von selbst, dass die Herzogin ein sonst unsittliches oder zu lockeres Leben nicht minder rügte. Manche Klage kam darüber an Georg, manche Bitte um kräftiges Einschreiten. „Ich hab,“ äußerte Sidonie, „Herr Lorenzen befohlen dir etliche Meinung zu sagen betreffend den von der Kehr; dem magst du Glauben geben, immaßen redet ich es selbst mit dir. Sicherlich! Du musst ihm einen härtern Zaum anlegen, anders er verdirbt gar.“
Am meisten aber beschäftigte sich Sidonie in ihren Briefen mit den eigentlichen Familienangelegenheiten. Bald gab es eine neue Zeitung zu besprechen, welche von Albrecht ihres Gemahls Kriegstaten eingelaufen war, bald über Besuche und kleine Familienversammlungen zu reden, die die Herzogin an hohen Festen liebte, oder über ähnliche Gegenstände. Bat sie ihre Söhne mit deren Gemahlinnen zu sich, so setzte sie gewöhnlich hinzu: „komm ja auf einen Fleischtag!“ damit die gern gesehenen Gäste sich nicht bloß mit Fastenspeisen begnügen müssten.
Bei kleinen Unannehmlichkeiten, Krankheiten, Verletzungen usw. welche ihre Söhne trafen, war Sidonie sehr ängstlich und mahnte zur Vorsicht. „Herzliebstes Söhnchen,“ heißt es in einem Schreiben der Fürstin, „der Schaden, den du an dem Fuße empfangen hast, ist mir ein treuliches Leid, denselbigen nach hab seiner baß in Achtung und dien Gott mit besserem Fleiß, denn du bisher getan hast, wer weiß, was dir Gott damit zu erkennen gibt, denn wir sind arme Leut und wissen nicht, was Gott über uns verhängt, hier sollen wir stets in der Furcht Gottes wandern.“ „Hüte dich,“ heißt es ein ander Mal, „vor den Haselnüssen und vor allerlei Obst und sei vorsichtig im Rennen, Stechen und Gehen.“
Man mag sich denken, wie sehr Sidonie über glückliche Ereignisse sich freute, die ihre Kinder angingen. Als Herzog Georg sich mit Barbara von Polen verlobte, eine Verbindung, welche auch den Herzog Albrecht sehr glücklich machte, konnte es Sidonie nicht unterlassen, den Sohn ein wenig zu necken. Hierzu gab der fürstliche Bräutigam durch mancherlei kleine Zerstreuungen Anlass. So z. B. sendete er einst einen für Friedrich den Weisen oder auch für den dritten Sohn Albrechts, Friedrich, bestimmten Brief an seine Mutter, während ein anderer der Mutter bestimmter, in die Hände Friedrichs kam. „Wie wohl ich den Brief,“ schreibt Sidonie, „aufgebrochen und gelesen, schick ich dir ihn wieder und versehe mich Herzog Friedrich werd den Brief, der mir gehört, auch gelesen haben, es wird, herzallerliebster Sohn, das gemeine Sprichwort an dir wahr, denn man spricht gern zu denen die nicht aller Ding tun Achtung geben, du gehest in Gedanken als eine verlobte Maid, desgleichen mag man jetzt auch zu dir sprechen. Herzallerliebster Sohn, Gott gebe dir und deinem Gemahl gar viel Glücks und Heiles, auch Liebe, Frieden und Eintracht; Fruchtbarkeit der Seelen und des Leibes.“
Hatte sich dagegen Sidonie auch nur im Datum geirrt, so entschuldigte sie sich ebenfalls. „Das hab ich versehen,“ sagt sie in einem Briefe, „das hab mir nicht vor Übel, denn es versiehet sich manche gute Dirne.“
Große Sorge hatte Sidonie als die Zeit der Vermählung herannahte „des Sterbens halb.“ Man fürchtete in der späteren Herbstzeit sehr oft ansteckende Krankheiten. Man findet in den damaligen Nachrichten sehr oft die Kunde es sterbe“ in dieser oder jener Gegend des Landes. Ich würd,“ heißt es in jenem Briefe, „des Sterbens halb fast sorglich sein.“
In jener Zeit sendete Sidonie auch häufig Geschenke, bald dies, bald jenes, gewöhnlich Kleidungsstücke, die sie selbst mit mütterlicher Sorgfalt gefertigt. Das Material zu dergleichen bezog man meist aus Leipzig, oft in ziemlicher Menge, welsche Leinwand, Sammet und Seide wurden dort eingekauft, ja selbst Zwirn „Nähnadeln und Stecknadeln“ musste der Kammermeister dort für die junge gnädige Frau (so nannte man Sidonie in frühern Jahren) schon immer besorgen. Man sieht, die Hoffnung auf das künftige Glück ihrer Kinder führte ihr bei den Arbeiten die fleißige Hand. „Ich schicke dir“ sagt die Herzogin, hiermit eine Haube, die ich dir verheißen, und der allmächtige Gott gebe, dass du sie nicht eher zerreißt, es sei denn, dass sie dir dein eigen Sohn oder Tochter beschmeißt, damit sei Gott befohlen.“ Auch aus der Wirtschaft sendete sie oft etwas an die Söhne, etwa Obst, Butter u. dgl., zuweilen mit der Bemerkung, dass sie ein Unvollkommenes und Mangelhaftes nicht Jug habe einem Fürsten zu schicken.“
Man kann sich eines trüben Gefühls kaum erwehren, wenn man den nachher ernsten, und nach allen Richtungen hin, namentlich gegen Luther verstimmten Herzog Georg zusammenstellt mit dem Bilde, welches man aus den Schreiben Sidoniens und aus der Zeit fröhlicher Hoffnung, die damals den jungen Fürsten belebte, wenn auch nur in schwachen Zügen sich weben sieht. Georgs eheliches Verhältnis, mit Kindern reich gesegnet, war dennoch von Trauer umhüllt. Die Georgenkapelle in Meißen gibt davon Kunde. Das göttliche Walten ließ Georgs Familienhaus veröden und bald einen, die Weltgeschicke teilweise bestimmenden Fürstenjüngling (Moritz von Sachsen) eintreten in die Halle der Burg, wo Georg in trübem Sinn über den Särgen seiner Kinder geweint und, vom, Schmerz umdüstert, das neue aufgehende Leben einseitig betrachtet hatte. Georg erwartete die Abstellung von Missbräuchen von daher; wo kein Wille war sie abzustellen und keine Einsicht in den Gang der Weltgeschichte. Wie ganz anders erscheint derselbe Georg als die Mutter mit ihm über seine ihr hold erscheinende Zerstreuung scherzte!
Bald sah Sidonie den zweiten Wunsch ihrer Seele erfüllt. Dem jungen Herzoge ward ein Sohn geboren.
Da gab es für die fürstliche Großmutter manche liebe, werte Sorge, obgleich nicht berichtet wird, dass die Herzogin daran dachte, ihrer Schwiegertochter Barbara, während der Zeit, da sie in Hoffnung lebte, „Sankt Elsbeths Kopfgürtel und Löffel“ zu senden, was sie selbst einst als ein wundertätiges Heiligtum sich von ihrer Muhme, der Herzogin Katharina zu Weimar hatte senden lassen.
Georg bestimmte, dem ihm geschenkten Sohn bei der Taufe den Namen Johannes geben zu lassen. Sidonie konnte bei der heiligen Handlung nicht gegenwärtig sein, schrieb aber dem Herzoge: „Du hast mir gesagt, dass dein Sohn Johannes getauft soll werden, demselbigen komm nach und willt du mir Liebe tun, so befiehl, so man ihn tauft, dass ihn die Paten alle nicht Hans sondern Johannes nennen und dass er also mit dem Namen getauft wird.“
Um dieselbe Zeit wünschte kurz nach der Geburt des Enkels Sidonie den Eltern auf die herzlichste Art Glück. „Die neue Zeitung“ sagte sie, die du mir geschrieben, hab ich mit großen Freuden herzlich gern verstanden, dem Herrn sei Dank, Lob und Ehr gesagt. Gott gebe dir und deiner Gemahl auch dem lieben kleinen Söhnlein viel Glücks und Heiles und verleih uns allen, dass wir an dem lieben Kindlein Ehre und Heil Leibes und der Seelen erleben!“ Sie wolle, sagte Sidonie, zur Taufe sich gestellen mit ihrem köstlichen Geschenk.“ Später bat die Herzogin oft, ihr den Enkel auf einige Zeit zu senden, ihr herzliebes Söhnlein, wie sie den jungen Herzog Johann nennt. Solche Bitten waren dann oft mit der sehr großmütterlichen Versicherung versehen, es werde dem Kleinen ohne allen Schaden, sondern ein großer Nutzen sein!“
War Sidonie bei recht guter Laune, so scherzte sie auch mit Georg, dem tüchtige Kenntnis der lateinischen Sprache nicht abging, eben über jene Sprache. „Ich will dir,“ sagt die Fürstin als sie für einen Dritten eine Ausfertigung wünschte,“ ich will dir Benedictum leihen, der soll dir die Botschaft wohl ausrichten und wird dich vielleicht einen Groschen kosten, den gibst du ihn zum Pretio, an dem Latein kannst du gedenken, dass ich daher eine Zeit baß gelehrter worden bin denn du vorher, du hast mir säuberlich mitgesparen (mitgespielt?), hast mich Briefe schreiben und den Boten vielleicht andere Wege gehen lassen, denn den Weg, den ich dich gebeten habe, harr! ich will dich mit Gerten hauen, dass dir das Maul nach süßen Wein wässern soll.“
Ähnliche scherzhafte Verweise erteilt sie ihrem Sohne, wenn er undeutlich schrieb z. B. deines Briefs Meinung kann ich nicht vollkommen vernehmen, denn du hast unterweilen böse Buchstaben gemacht, auch etliche Worte ausgelassen.“ Dann bittet sie, „sich besser vorzusehen und ganz sichtige Buchstaben zu machen.“
Ein nicht seltener Gegenstand der Briefe war auch die Versorgung alter treuer Diener und die Belohnung derselben.
Erwartete Sidonie Gäste, so sorgte sie mit Eifer, zuweilen mit Ängstlichkeit für eine stattliche Ausrüstung des Hofes und des eigenen Bedarfs an Kleidungsstücken, Schmuck u. dgl. Mehreremale schrieb sie an Georg deshalb. Bei solcher Gelegenheit unter andern einmal um „ein Heftel,“ auf dass „so der Herzog kommt ich nicht mit Schanden bestehe.“ Dann sollte Georg zuweilen den Hofschneider zu seiner Mutter senden. „Schick mir doch Jorgen Schneider,“ bat Sidonie, dass er mir den Rock recht mach.“ Auch die Stoffe zu den Kleidern besorgte Georg. Vielfach schrieb ihm Sidonie, „er möge ihr das seidene Gerät (Zeug) besorgen, auch könne sie des Sammet, den sie doch fast gern hätte, nicht geraten.“ Einst war die Sendung „von 15 Ellen Damaschken“ dem Sohne aufgetragen; nach echter Frauen-Weise war die Fürstin, wenn sie Briefe schreiben sollte, immer sehr durch die Zeit gedrängt, da enthalten denn die Briefe sehr ergötzlich in wenigen Zeilen das Verschiedenartigste und wohl auch das Wichtigste gerade noch in „Nachschrift“; so bittet sie auch hier um fünfzehn Ellen Damaschken und andere Stoffe und Georg möchte ja beichten; denn „so man, das hochwürdige Sakrament empfangen will, pflegt man vorher zu beichten, auch Reue und Leid um die Sünd zu haben.“
Bei ihrem Hofstaate hielt Sidonie auf Anstand im Äußern und auf Beständigkeit und Wahrheit der Gesinnung.
Sehr gerne sah es Sidonie, wenn an Festtagen ihre Kinder sie besuchten, jedoch wurden vorher zu dergleichen Zusammenfünften Wildpret, Haselhühner und Eichhörnchen bei Georg bestellt, dagegen Sidonie sich erbot, Georgs Gemahlin den Wagen zu schicken. Die Männer reisten fast immer zu Pferde und die Gelegenheit des Fahrens war sehr zweifelhaft, da zu Albrechts Zeit manche Ausgabe vorkommt, „für Herausheben des Fuhrwerks der gnädigen Frau,“ aus Schnee und Sumpf.
Unter die vielfachen Aufträge, die Georg von seiner Mutter erhielt, gehört auch die Besorgung einzelner Prachtstücke von Silber und andern Stoffen von Wert. In Vergleich mit der spätern Zeit und selbst mit dem Stand der damaligen Silberkammer war das, was Sidonie in solchen Dingen besaß, gewiss sehr gering, wenigstens mochte sie wenig zu dem, was sie besaß, anschaffen. Um so sorgfältiger war sie in Bestellung der Arbeit, die sie etwa doch in außerordentlichen Fällen fertigen ließ.
Das sind die freundlichen Züge aus dem Stillleben der liebenswürdigen Fürstin. Albrecht starb im Jahr 1500. Zehn Jahre später folgte ihm Sidonie. In den Schatten der Täler zum alten Tharandt, in dem kleinen Schlosse daselbst starb sie, wie sie gelebt hatte, „in hitziger Andacht.“
Wenn nun eine hochgestellte, gebildete, belesene und wirklich fromme Frau wie Sidonie, die Doktor Taubers geistliche Schriften liebt und befürwortet, in Ablass und Reliquien, in Aberglauben und Zeremonien, in Heiligen- und Priesterverehrung so hart gefangen war, wie musste erst das gemeine Volk unter diesem Banne liegen! Welch ein Abstand zwischen dieser hitzigen Andacht und der Innbrunst einer Elisabeth, zwischen dieser um ein Pfund Wachs knausernden und der in Entsagungslust glühenden frühern Zeit; zwischen einem Franz von Assisi und einem Doktor Schwertfeger, zwischen dem Dominikaner Conrad von Marburg auch und dem Dominikaner Johannes Tezel! Welch eine Kluft zwischen jenem Frühlingswehen, da die Kirche Märtyrer und Heilige in Scharen sich gebar und dieser herbstlichen Zeit, da man ernten wollte, was andere gesät, und auch mit dürren Stoppeln sich begnügte; da, wie Johannes Brenz sagt, „der Heiligendienst Abgötterei geworden ist, und Einer aus dem heiligen Wendel einen Säuhirten macht, ein Anderer aus dem heiligen Ulrich einen Rassenhirten, aus der heiligen Margaretha eine Hebamme, St. Sebastian muss die Pestilenz verjagen, der heilige Atanasius den Kopfschmerz vertreiben, die heilige Agathe gegen Brustleiden helfen, der heilige Maurus Patron gegen Schnupfen sein – der heilige Valentin hat auch keine Ruhe und der heilige Nikolaus verjagt die Mucken“
Christus, der ewige König und Hoherpriester, hatte seiner Mutter und ihren Priestern weichen müssen, der Gotteskasten ist zur Ablasskiste, das Haus Gottes zum Kaufhaus, das Heiligtum zu einer Apotheke, die Kirche seit Hussens Tod vollends zur Mördergrube geworden; alle äußeren Mittel, alle halben Maßregeln sind vergeblich, es muss Alles ganz anders werden, das ewig Alte muss neu auf den Leuchter und siehe die Füße derer, welche die tote Kirche hinaustragen sollen, stehen schon vor der Türe. In demselben Jahre, als Sidonie starb (1510), sollte der im Worte Gottes und in der Trübsal geläuterte Geist eines Bergmannssohnes ergrimmen über die Art, wie es in Rom selber zuging. Nachdem er auf seiner Reise dahin all das Schalkswesen an seiner schmutzigen Quelle selbst sich besehen, musste er um so ernster daran, das lautere Brünnlein Gottes wieder aus dem Schutte zu graben und für Kirche und Staat, für Schule und Haus eine frische Zeit heraufzuführen.