Es bedarf einer solchen zwar weniger für die näheren Freunde und die Glieder der Gemeine des seligen Molenaar Allein da zu hoffen ist, daß die nachfolgenden Predigten auch vielfach in die Hände solcher kommen werden, die den Verfasser nicht gekannt: so scheint es, diesen werde ein Dienst erwiesen werden, wenn sie einen kurzen Umriß von dem eigenthümlichen Karakter und Lebensgange des Verfassers erhalten. Predigten bedürfen im Allgemeinen keiner Vorrede und keiner näheren Kenntniß dessen, der sie gehalten hat, sie müssen sich durch sich selbst aussprechen und ihren Weg zum Gemüthe des Lesers bahnen. Allein hat der Verfasser sein Predigerwort durch sein Leben und übriges Wirken eigenthümlich ergänzt, und gehörte er überdieß einer Kirchenpartei an, die wir nicht aus dem Leben kennen: so ist es eben so sehr Bedürfniß als Freude, die Persönlichkeit des Mannes ein wenig anschauen zu können. Jenes Zwiefache war für Viele bei Molenaar der Fall. Innigkeit und Tiefe des Gemüths mit schöner, freier Geistesbildung, in einer der angeregtesten Epochen deutscher wissenschaftlicher Entwicklung angeeignet, fromme Treue gegen das Schriftwort mit großer Freiheit und Milde in Beurtheilung und Benutzung anderer Geistes- und Lebensformen waren in dem frommen und geistreichen Manne so vereinigt, daß auch der seiner Denkungsart ferner Stehende gewiß gern von ihm lesen wird; wie wenig es auch sei, was wir zu geben vermögen.
Isaak Molenaar war den 3. September 1776 zu Crefeld geboren, wo sein Vater, ein geborner Friese, erster studirter Prediger an der dortigen Mennonitengemeine war, der ansehnlichsten, die sich im preußischen Rheinlands findet. Der Sohn, welcher im sechszehnten Jahre seinen Vater verlor, blieb bis zum achtzehnten im Hause seiner Mutter, und bereitete sich auf der lateinischen Schule seiner Vaterstadt für das theologische Studium zum Dienste seiner Konfession vor. Darauf trat er in das Seminar der Taufgesinnten in Amsterdam als Studirender ein, und hier wurde er auch erst getauft. Nachdem er fünf Jahre dort studirt hatte, privatisirte er zwei Jahre in seiner Vaterstadt, dieser Stillstand wurde veranlaßt durch melancholische Gemüthszustände, denen er seit seiner frühern Jugend scheint unterworfen gewesen zu sein, und mit welchen er auch in Männlichen Jahren noch zu kämpfen hatte, bis die größere Macht der göttlichen Gnade in seinem Gemüthe diese bangen Zustände immer seltener und weniger bedrängend machte. Ueber diese frühen Leiden der Seele schrieb er kürz vor seinem Tode, am 3. März d. J., seinem Sohne Folgendes: „Ich erinnere mich aus meiner frühsten Jugend, daß ich oft Tage lang weinen mußte, ohne zu wissen, warum? Und wenn meine Aeltern mich fragten, wußte ich nichts Anderes zu antworten, als: Weil ich so schlecht bin. Es fehlte mir damals an Erkenntniß, aber wenn Andere es mir auch gesägt hätten, so hatte es mir doch nicht einmal helfen können. Mit diesem Drucke, der oft in ein gänzliches Verzagen, fast in Verzweiflung überging, habe ich denn auch lange gekämpft, bis der Herr sich meiner annahm, und sich mir in seiner Gnade offenbarte, so daß ich glauben konnte, Er sei auch mein Gott und versöhnter Vater. – Seitdem hat zwar der Streit nie ganz aufgehört, und ich habe auch nie eine solche fühlbare Offenbarung, solch ein innres, empfindliches Zeugniß gehabt, wie Viele – aber jene Zeit (während seines sogleich zu erwähnenden Pfarramtes in Leyden) war doch eine entscheidende, und von da an ward auch Sein heiliges Wort mir erst klar und theuer. -“ Dürfen wir zwar keinesweges behaupten, daß ein gleich heftiger Kampf zwischen Glauben und Unglauben bei Jedem Statt finden müsse, der zu jenem gelangt: so bleibt es doch tröstlich zu bemerken, wie Viele ihn gehabt haben, die nachher Lichter in dem Herrn wurden.
Nach Verlauf jener zwei in Crefeld zugebrachten Jahre faßte der junge Molenaar den Entschluß, zur Aufheiterung und zu weiterer Bildung durch deutsche Wissenschaft, die Universität Jena zu besuchen. Dieser Entschluß ist es, dem die höhere theologische Bildung Molenaar’s wie die nie erlöschende Liebe zu deutscher Poesie und Literatur, die ihm einwohnte, vorzüglich zu danken ist. Er brachte um 1802 ein Jahr in Jena zu, wo damals bekanntlich ein vorzüglich reger Wetteifer in philosophischen und literarischen Bestrebungen hervortrat. Er erlangte die Begünstigung, in sehr vertrauten Umgang mit Griesbach zu kommen, dessen edle, mütterlich gesinnte Gattin noch lange nach dieser Zeit mit ihm in innig freundschaftlichem Briefwechsel blieb. Oft hat er mir erzählt, wie das würdige, geistigtüchtige Wesen jenes vortrefflichen Gelehrten wohlthätig auf ihn gewirkt und ihm gleichsam einen Mittelpunkt für die mannichfaltigen Anregungen des Jenaer Lebens gewährt habe. Bei Griesbach hatte er auch den Vorzug, Schiller zu sehen, der sogar eines Abends mit ihm und einigen Freunden sich auf sehr liebenswürdige Weise näher einließ, indem er den Studenten Rath für eine beabsichtigte Ferienreise in die sächsische Schweiz gab. Der Eindruck dieses großen Mannes blieb in ihm haften, und er sprach später gern und mit zarterer Theilnahme davon, als wie fern oder wie nahe stehend der Wahrheit des Evangeliums wohl der allgemeinreligiöse Karakter in Schillers Schriften aufzufassen sei. ((In der Biographie Griesbach’s von Abeken, einem Freunde Molenaar’s, wird eines jungen Mennoniten erwähnt, der jenem besonders Werth gewesen sei, dies ist Isaak Molenaar.))
Nach dem Aufenthalte in Jena ging Molenaar noch auf ein Jahr nach Amsterdam, um dort seine Studien zu vollenden. Kaum war er vierzehn Tage wahlfähiger Kandidat, als er, im Jahr 1804, nach Zütphen in der Provinz Gelderland als Pfarrer berufen wurde. Hier blieb er zwei Jahre, und folgte, nachdem er sich mit Judith Allier, aus dem Haag gebürtig, und der reformirten Kirche angehörig, verheirathet hatte, einem Rufe nach Groningen. Nach zwei Jahren nahm er eine Stelle in Zaandam bei Amsterdam an. (Es gibt hier nämlich drei Mennoniten-Gemeinen.) Hier blieb er sechs Jahre, und wurde dann Prediger der Mennonitengemeine in Leyden. Hier lebte er, in freundschaftlichem Verkehr mit Lehrern der Universität wie van Voorst, van der Palm, und Anderen, so wie auch mit dem vor einigen Jahren verstorbenen Professor der Theologie Suringar, aus Lingen gebürtig. Im Jahre 1818 wurde er an die Gemeine seiner Vaterstadt Crefeld berufen. Mit Freude ergriff er natürlich die Gelegenheit, in diese zurückzukehren; er hielt am 18. Oktober seine Antrittspredigt, und blieb bis zu seinem Tode, sechszehn und ein halbes Jahr, der treue Prediger und Hirt dieser Gemeine.
Wir können nicht deutlich erkennen, wie weit sich schon während der Verwaltung dieser Gemeinen die theologische Ueberzeugung des Verfassers ausgebildet hatte. Doch soll er, soweit es seine von Parteigeist entfernte Gesinnung erlaubte, vorzugsweise die Ansichten der Sonnisten getheilt haben, wie in früheren Zeiten die rechtgläubigere Partei unter den Mennoniten genannt wurde((Die Gegenpartei von diesen waren die Lammisten. Beide Parteien sind aber schon seit 1800 vereinigt, so daß jetzt nicht der geringste Unterschied zwischen ihnen besteht.)). Deshalb wurde er auch öfter in den mennonitischen Gemeinen der reformirte Mennonit genannt, wahrscheinlich um eine desto größere Annäherung an den Lehrbegriff der reformirten Kirche dadurch zu bezeichnen. Gewiß sollte damit nicht etwas Prädestinazianisches im dordtrechtischen Sinne angedeutet werden, wovon wenigstens in späterer Zeit in Molenaar’s Denkart keine Spur zu finden war. Die vertrauteste Bekanntschaft mit der holländischen Sprache und Literatur diente ihm vielmehr nur dazu, das vielfach Lebendige des häuslichreligiösen und selbst des poetischliterarischen Lebens dieses ausgebildeten Volkes sich mit freier Liebe anzueignen.
Molenaar’s theologische Denkart ermangelte einer gewissen Strenge der Begriffsbildung, und er selbst fühlte diesen Mangel. Doch war er nicht nur reich an Ideen, die Andere auf dem Wege strengerer Disziplin zu Tage gefördert, sondern besaß, durch stetes Schriftstudium befestigt, auch einen begrifflichen Mittelpunkt, gleichsam einen Kompaß, vermittelst dessen er die ungewisse Fahrt auf dem Ozean deutscher Ideenentwickelung fröhlich wagte, und das Ziel immer im Auge behielt. Fromme Treue am Schriftworte bewahrete ihn vor schwebender und schwankender Idealität, ein zarter Takt und Geschmack, ein mehr als ästhetischer, der doch vielleicht allein durch Verbindung der Frömmigkeit mit ächtliterarischer Bildung gewonnen wird, stellte ihn davor sicher, nicht in eine kleinliche und willkührliche Typik und Bilderspiel zu verfallen. Der Mittelpunkt seiner Theologie war die Versöhnungslehre, das freiwillige Sich-hingegeben-haben des Herrn in den Tod für die Sünder, das wahrhaftige Vermitteln durch sein Leiden, das wirkliche Ausfüllen der Kluft, die uns von Gott trennt, durch diese unausdenkbare Heiligkeit der Liebe des menschgewordenen Sohnes. Diese große Grundlehre diente ihm nicht etwa, wie so Manchen, auch wahren Christen unserer Zeit, zu einem alleinigen Stehenbleiben bei der Betrachtung des Leidens Christi und bei dem Gefühl der ein für allemal uns zugewandten Gnade, sondern sie war ihm, was sie sein soll und will, Fundament, und das Gebäude, was sich auf diesem Fundament erhob, war Sinn für das ganze Leben Und Wirken Christi, Erwägungswilligkeit zu allen seinen Worten, Freude am ganzen Leben um seinetwillen, Vorgefühl der einstigen Herrlichkeit mit ihm, und vor Allem Drang und Trieb zum Gehorsam in der Liebe des Vaters. Darum hatte er auch einen so freien, kindlich hellen Blick zum Vater, und weit entfernt, die köstliche Lehre vom Vater und von unserem neuen Kindesverhältnisse zu ihm, in den Hintergrund zu drängen (wie es leider heutzutage oft geschieht, und nicht eine höhere, sondern eine niedrigere Stufe des christlichen Lebens ist), rang er sein ganzes Leben darnach, als ein durch den Sohn versöhntes, freudiges Kind des Vaters sich zu erweisen. Einige kurze Mittheilungen aus Briefen Molenaar’s werden das Gesagte, wie ich hoffe, auf eine anziehende Weise bestätigen, und zugleich seine Art, manche Erscheinungen des kirchlichen Lebens aufzufassen, kund geben.
„Immer nur nach dem lebendigen und belebenden Mittelpunkt, Seinem Tod und Leben, für uns und in uns, gestrebt.“
„Was mich selbst betrifft, so halte ich es für das Hauptziel der Predigt, besonders in unserer Zeit, das Gefühl der Notwendigkeit der Gnade, oder Buße und Glauben zu erwecken, und die Methode würde mir die liebste sein, wodurch dies am kräftigsten erreicht würde.“
„Eine exegetisch-dogmatische Bemerkung über Hebr. 10, 14: Christus hat, vermöge seiner Gottheit, in ihrer Vereinigung mit der Menschheit, in der Zeit (in Einem Opfer) gelitten, was wir Sünder ewig leiden müßten und doch nicht könnten, und darum ist der Gläubige durch ihn für alle Ewigkeit versöhnt und empfängt davon in der Zeit die Versiegelung. Neu ist dieses nicht, aber mir ward es heute unter dem Katechisiren besonders klar.“
„Das Eine nur für jetzt, daß mir bis Idee der Stellvertretung, so wie sie durch die ganze Schrift geht und zwar immer auf Christum hindeutend, besonders in den Opfern und Typen, dieselbe (die Versöhnungslehre) allein und auch vollkommen zu erklären scheint. In Ihm, dem Sohne, ist der Gerechtigkeit Gottes Genüge geschehen, und der Vater kann den Sündern, die in dem Sohne sind, Seine Liebe beweisen – doch genug, oder eigentlich nichts, nur begreife ich nicht, wie NN. hierin blos Juridisches findet. Ja göttlich juridisch soll es auch sein.“
„Ich lese die Psalmen noch einmal durch und muß oft fragen: Wer redet, klagt, betet, ringt hier? Der Messias oder das Volk überhaupt personifizirt? der Knecht Gottes? Aber woher dann die Bußthränen und Sündenbekenntnisse? Also beides vereinigt, aber wie? So kam ich heute zum 22. Psalm, und es war, als wenn mir ein Licht aufging. Dieser Psalm, zusammengestellt mit Jes. 63, auch 60 (dieses Kapitel ist wie ein Psalm) – und nun Alles im Lichte des leidenden Heilandes, welch ein wunderbares Ganze! Nun begreife ich auch in etwa den Namen und die Geschichte des Volkes Israel, des mit Gott Ringenden (und Obsiegenden?). V. 28 ein köstlicher Missionstext, überhaupt das Ende ganz Erfüllung der Verheißung Abrahams.“
„Hast Du die Predigten von Wichelhaus „Weg zur Ruhe 1826″ und die sieben Sendschreiben des Herrn in der Offenbarung Johannis, 1827 herausgekommen, gelesen? Sie sind gewiß höchst interessant sowohl durch den hohen Ernst des Inhalts als die tiefe biblisch-bildliche Sprache.“
„Die Reden bei Schleiermacher’s Beerdigung haben wir schon – nämlich die drei Grabreden und die Predigt von Hoßbach, auch seine eigene letzte; die ganz sein Bild ist, und auch prophetisch wie sein Leben schließt – ohne den Schluß wäre freilich das, was er vom Abendmahl sagt, nicht sehr erbaulich, gewiß zu wenig. Steffens Worte sind freilich die bedeutendsten, doch auch die beiden andern gefallen mir gut – nur fürchte ich jetzt fast, daß man es übertreibt. Wie viel fehlte ihm doch noch bei dem sehr Vielen, das er hatte! Desto mehr werde ich Dir danken, wenn Du mir das, was Du noch Schriftliches über ihn besitzest, mittheilen wolltest. Seine Grabrede auf Nathanael habe ich auch jetzt – welch eine Ruhe und Würde – in allem das Bild eines christlichen Sokrates.“
Molenaar’s Vortragsweise auf der Kanzel war der Ausdruck einer tiefinnerlichen Erhebung und Feierlichkeit. Dem, der ihn nicht schon länger kannte, mochte das erste Mal etwas Fremdes und Seltsames darin erscheinen. Es bedurfte aber nur weniger Gewöhnung an seine Art, um herauszufühlen, wie wahr und von innen kommend eben diese Lebendigkeit der Andacht in ihm war.
Mit besonderer Hingebung verwaltete er den Katechumenen- und Täuflingsunterricht. Er lebte, er arbeitete, er betete ringend mit den Kindern, und ward in den Zeiten der sich häufenden Lehrstunden (zuweilen Abends mehre hinter einander) oftmals krank, vorzüglich im Winter, der seiner zarten Gesundheit gewöhnlich verderblich war. Mit fester Ueberzeugung hing er an der Lehre von der Erwachsenentaufe als der einzig schriftmäßigen, er war also Mennonit nicht blos von Geburt, sondern von innen. Sein Hauptargument war der Befehl Christi zu lehren und zu taufen, und der Zusatz, welcher das mit der Taufe verbundene Glauben voraussetzt. Weit entfernt war er aber davon, diese tief in ihm lebende Ueberzeugung Andern aufdringen, oder auch nur, unaufgefordert, gesprächig mittheilen zu wollen. Schwerlich wird im Bereiche seines ausgebreiteten Umgangs mit Geistlichen der reformirten, lutherischen und unirten Gemeinen etwas dem nur Verwandtes jemals vorgefallen sein. Niemals wurde mir die Freude, der gewiß von ihm besonders schön und rein verwalteten Tauffeier beiwohnen zu können, und über dies und so manches Verwandte würden wohl nur die theilnehmenderen Glieder seiner eigenen Gemeine das Wahre und Volle zu sagen wissen.
Aber auch dem besuchenden Freunde wurde es klar, wie eigenthümlich und tiefeingreifend sein seelsorgerischer Umgang war, eine ganz eigene Verwebung der Freundschaftlichkeit mit dem Hirtenamte. Hier zeigte sich, was die Liebe vermag und wie sie hinaushebt sowohl über die Furcht der Unwillkommenheit als über die bloße Form der Amtlichkeit. Frisch und fröhlich die Herzen und die Hände ergreifen, sich erkundigen nach diesem und jenem, das zum Täglichen und und Aeußen gehört, den Ausdruck des Gefühls nicht zurückhalten, die höchste tröstendste Lehre unerwartet und eben um so siegreicher dem Trauernden, dem Fröhlichen aussprechen, von Ernst zu Heiterkeit den reinen Uebergang finden,- Weltansichten, Tagesreflexionen, literarische Mitteilungen nicht verschmähen, um die Zeit zu nutzen und die Liebe zu bethätigen – das war seine Gabe, aber es war auch seine Treue, und es fehlte am Segen nicht.
Man weiß schon genug von ihm, um sich das Bild seines geselligen Seins zu entwerfen, denn es war kein scharfer Abstand dieses von dem häuslichen und kirchlichen. Formlos wie er war, obwohl nur im Gespräche, nicht im Betragen, mochte er von Manchen nicht genug beachtet und verstanden werden. Aber nicht leicht mochte jemand von einigem Sinne eine Stunde mit ihm zusammen sein, den nicht diese Anspruchlosigkeit und Herzlichkeit, dies leicht und kindlich Erhobene und Bewegte seiner Rede und Aeußerungsweise eigenthümlich angezogen hätte. Denen aber, die ihm näher standen als Freunde, offenbarte sich erst ganz seine lautere Demuth, seine kindliche Arglosigkeit, seine unveränderlich segnende, Trostreiches zusprechende Liebe und Treue.
Nach einem so reinen Leben nahte der Tod auch in besonders friedlicher und lichter Gestalt. Wenige Tage vor dem Palmsonntage dieses Jahrs, an welchem Tage er seine einzige Tochter mit vielen andern Katechumenen zu taufen gedachte, erkrankte er. Es war eine sogenannte falsche Lungenentzündung. Das Hauptleiden bestand in Schwierigkeit des Athmens. Er hatte im Anfange der Krankheit die Freude, seinen ältesten Sohn, nach vollendeten Universitätsstudien, in das Vaterhaus zurückkehren zu sehen, und an das Vaterherz, das ihn nun noch mit verstärkter Innigkeit umschließen sollte. Jeder Tag der Charwoche war dem Kranken, wie auch sonst, wichtig; an dem Wohle der Seinigen, und dazu gehörten seine Gemeinglieder, nahm er, selbstvergessend, still duldend, Antheil. Ostersonnabend gegen Abend nahte der Tod. Nach einer körperlichen Erfrischung fühlte sich der Kranke stärker, sprach mit jedem der Familie besonders und liebend, und richtete sich dann, mit entblößtem Haupte, auf, und hielt ein langes Gebet. Hierüber lasse ich seinen Sohn reden:
— „ein Gebet, das uns ewig unvergeßlich sein wird. Wunderbar herrlich! sowohl durch die erstaunungswürdige Klarheit der Stimme, die ihm für den Augenblick wie von oben herab ertheilt wurde, durch die Ruhe des Gemüthes, als auch besonders durch den jedes Herz von dieser Welt in die Seligkeit der triumphirenden Gemeine, soweit es für diese Welt möglich ist, erhebenden Inhalt. Die Worte sind uns in ihrem Zusammenhange verloren gegangen. Wie ist es auch anders möglich! Da hätte seine Gemeine, da hätten seine Freunde zugegen sein sollen. Es war ein Loben und Danken für die bis auf diesen Augenblick erwiesene Gnade des Herrn, es war ein Jauchzen über den Sieg, den der Glaube durch die Kraft des Geistes erkämpft hatte, es war ein Flehen um Trost für uns, die Umstehenden, bei diesem Scheiden, ein Flehen, um durch diese Trennung immer mehr zu bleiben „Eins in der Liebe.“
Darauf schlummerte er ein wenig, erwachte wieder, viele Freunde kamen, er nahm von jedem mit dem klarsten Bewußtsein Abschied. Gegen sieben Uhr Morgens hörte die Theilnahme auf. Das schwere, röchelnde Athmen, das seit dem Abend gewährt hatte, verschwand. Etwas nach sieben Uhr am Ostermorgen, den 19ten April, war er eingeschlafen zur ewigen Ruhe. Er vollendete über die Hälfte, seines neunundfünfzigsten Jahres.
Sein zweiter Sohn kam aus Amsterdam, dem Orte seiner Studien, leider erst nach dem Tode des Vaters an. Groß und allgemein war die Theilnahme auch vieler derjenigen Bewohner der Stadt, die anderen Gemeinen angehörten. Der Kirchenvorstand der mennonitischen Gemeine ehrte in der Wittwe den verstorbenen Hirten. Die Familie erfuhr Theilnahme von näheren und ferneren Bekannten. Das Begräbniß am 22. April war feierlich und rührend. Die Grabrede hielt Herr Pfarrer Heilgers, die Leichenpredigt Herr Pfarrer und Consistorialpräsident Heilmann, ein treuer, vielbewährter Freund des Entschlafenen. (Beides gedruckt, Crefeld in der Funke’schen Buchdruckerei.)
Der Pfarrer Molenaar hat eine Wittwe, zwei Söhne und eine Tochter hinterlassen. Beide Söhne haben sich dem theologischen Studium und dem Dienste der Kirche unter den Taufgesinnten gewidmet; der älteste, Johannes, auf der Universität Bonn, der jüngste, Isaak, auf dem Seminar der Mennoniten in Amsterdam, der eine dem väterlichen, der andere dem mütterlichen und großväterlichen Vaterlande, nach Gemüthsart und Wahl, zugewandt.
Bonn, 28. November 1835.\
K. Sack