Johann Jakob Fabricius, ein westphälischer Prediger, der in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts lebte, hatte doch, obwohl er es für unbiblisch hielt, wenn man Priestern verbot, sich zu verehelichen, eine große Neigung zu dem ehelosen Stande, und hielt dafür, daß ein Prediger des Evangeliums, dem es durch die Gnade Gottes möglich wäre, wohl thäte, ehelos zu bleiben, theils damit er nicht durch das Weib zur Lauigkeit verführt, oder durch Sorgen der Nahrung umstrickt und gehemmt werde, theils auch, daß es ihm leichter sei, Verfolgung und Trübsal um des Evangeliums willen zu ertragen. Er blieb deshalb bis zum 13. Jahre nach seiner Beförderung zum Predigtamt unvermählt, und war geneigt, sein ganzes übriges Leben ledig zu bleiben. Späterhin sah er sich jedoch genöthigt, diesen Vorsatz aufzugeben. Weniger wohl deshalb, daß er auch hierin den Verdacht zu Schanden mache, welchen feindselig gesinnte Amts- und Glaubensgenossen gegen ihn erregt hatten, als sei er nicht echt lutherisch, sondern neige sich zum Katholicismus, wodurch allerdings einem großen Theile seiner Gemeinde das Vertrauen zu ihrem treumeinenden Lehrer einigermaßen benommen wurde, als aus einem andern, ihm als Vorgänger der Gemeinde näher anliegenden Grunde. Denn die Familienväter und Mütter, wenn Fabricius sie zur Friedfertigkeit, zum Vertrauen auf Gott, zur Wohlthätigkeit und zu treuer Aufsicht über ihre Kinder ermahnte, oder sie tadelte um ihrer Kleingläubigkeit oder ihres Geizes willen, erwiderten ihm öfteren: er, als einzelner und unverheiratheter Mann habe freilich leicht so reden, er solle es aber nur einmal versuchen, solle sich in den ehelichen Stand begeben, und als christlicher Hausvater die Sorge für das leibliche wie das geistige Wohl des Weibes und der Kinder übernehmen, solle dazu feine bisherige Ruhe aufgeben, dann werde er selber erfahren, wie schwer, ja wie unmöglich es sei, daß es in der Ehe ohne öfteren Verdruß, ohne Sorgen und ohne das abginge, was er Vernachlässigung der Elternpflichten nenne; denn da habe man genug zu thun, um dem Weibe und den Kindern die nöthige Nahrung und Kleidung zu verschaffen, da könne man nicht immer an’s Gebet und an die ewige Seligkeit denken. Um diese Zweifel an der Kraft des Christenglaubens auch in den Verhältnissen des Familienlebens durch die That zu widerlegen, entschloß sich endlich Fabricius im festen Vertrauen auf die Gnade und Hilfe Gottes, sich zu verheirathen. Dabei wollte er jedoch die nöthige Vorsicht und Klugheit keineswegs bei Seite setzen. Er berieth sich deshalb mit dem damaligen Prediger zu Campen, Justus Braune, einem Manne, der ihm an ernster Gottesfurcht und Treue in der Verkündigung des Evangeliums gleich war. Diesen fragte er, ob er nicht in seiner Gemeine eine Jungfrau kenne, welche in Gebet und Gottesfurcht erzogen und wohlbegründet sei, eine Jungfrau von wenig Worten und stillem Wandel, welche gelernt habe fleißig zu sein mit ihren Händen, abgeneigt den Vergnügungen der Welt und der hochmüthigen Ziererei? nannte ihm Braune die Tochter einer armen Witwe, welche um der Religion willen aus Böhmen vertrieben war, und seitdem hier in der Fremde mit der Arbeit ihrer Hände sich ernährt und ein Brod der Thränen gegessen hatte; einer Witwe, welche dieses ihr Kind einsam und still, in der Zucht und Furcht Gottes erzogen, es zum Gebet und zur Arbeit fleißig angehalten hatte. Fabricius folgte dieser Weisung, und lernte bald in jener Jungfrau eine solche kennen, welche einen guten Anfang in rechtschaffener Gottseligkeit und in der Nachfolge Jesu gemacht hatte. Die Mutter gab gerne ihre Einwilligung zur Verbindung ihrer Tochter mit einem solchen Manne, und Fabricius fand an seiner Hausfrau eine treue Mitstreiterin und Gefährtin auf dem Wege der Seligkeit, welcher es ein rechter Ernst war, fortzugehen und zu wachsen in der Heiligung, und welche, weit entfernt, ihren Mann in den vielen nachmaligen Verfolgungen, die er erdulden mußte, weich oder verzagt zu machen, ihn vielmehr tröstete und im Glauben stärkte.
Nun war Fabricius, wie er es sich gewünscht, seiner Gemeinde auch im Ehestand und häuslichen Verhalten ein Vorbild christlichen Ernstes. Sein Haus war und blieb ein Haus des Friedens und der Stille, wo jeder Trost- und Hilfebedürftige das fand, was er suchte, wo jeder Arme nach bestem Vermögen erquickt und in seiner dringenden Noth erleichtert wurde. Er hielt die Seinen fleißig an zum Gebet und daß sie arbeiteten mit ihren Händen, und lerneten stille sein zu Gott (Ps. 62, 2.); denn es war eine Haus- und Lebensregel des Fabricius, der seine Frau von Herzen beistimmte: Thun sei besser als reden, und des Weibes löblichste Kunst und Wissenschaft sei es, das Schweigen zu lernen, und eingekehrt zu bleiben mit Gebet in ihrem Innern, eingekehrt zu bleiben in ihrem Hause. Er wachte auch fleißig darüber, daß nicht Jemand der Seinigen durch eitlen Schmuck oder unnöthigen Aufwand in der Kleidung ein Aergernis gäbe, sondern er und sein Weib, so wie nachmals seine Kinder, trugen sich einfältiglich nach der Weise des bescheidenen Bürgerstandes. Dem unnöthigen Ueberfluß und noch viel mehr den Ueppigkeiten und Leckerhaftigkeiten im Essen und Trinken war er sehr abgeneigt, ja er hielt dafür, daß dieses ein Diebstahl an dem armen Bruder sei, indem das, was diesem zur Gabe gebühre, durch Ueberfüllung des Leibes vernichtet und gleichsam mit Füßen getreten werde, zu geschweigen der Gefahr der Seele, welche ein solches Ausschweifen herbeiführe. Es bezeugten aber die reichen Gaben, welche er den Armen gab, daß es nicht der Geiz gewesen, der ihn also reden lehrte, sondern das wahre Mitleid mit den Armen. Wenn er irgend einen Menschen in dringender Noth wußte, so konnte er nicht eher ruhen, bis er etwas zu seiner Erleichterung gethan, und wenn er auch den letzten Groschen daran wenden mußte. Nur Solchen gab er nichts, bei denen es ihm eine Sünde zu sein schien, wenn er durch seine Gaben sie im Sündigen bestärkte, und wenn Leute bei ihm borgten, welche offenbar seine Güte mißbrauchen wollten, so schärfte er ihnen den Spruch ein: der Gottlose borget und bezahlet nicht (Ps. 37, 21.), gab aber doch, wenn er konnte. Sonst gab er einfältiglich allen Nothleidenden, und ließ sich durch Einreden darin nicht irre machen. Machte je einmal seine Hausfrau, wenn er, wie es schien, über Vermögen hinweggab, bescheidene Vorstellungen, so antwortete er ihr scherzhaft: „Wenn ein Bettler dem andern gibt, darüber lachen die Engel im Himmel.“
Fragen wir nun, wie es den guten Leuten bei dieser Verfahrungsweise hinausging? so ist die Antwort: der Segen des HErrn ruhete auf ihnen und auf ihren Kindern. Wohl wurde Fabricius von einigen seiner lutherischen Kollegen verlästert und verfolgt, aber Gott erweckte einen katholischen Fürsten, den alten Herzog Christian August von Sulzbach, zu seinem Freund und Beschützer; und dieser liebte und ehrte ihn um seines erprobten Christenglaubens willen so sehr, daß er auch noch nach seinem Tode väterlich für die Witwe und die Waisen sorgte, und nach dem bald auch erfolgten Ableben der Witwe, den hinterlassenen Kindern derselben einen Vormund bestellte, der dafür sorgen mußte, daß sie mit allem Nöthigen versehen und in der Religion ihrer seligen Eltern wohl erzogen würden. Ja seine Liebe begnügte sich auch hiemit noch nicht, sondern er verschaffte den Töchtern seines Freundes, als sie erwachsen waren, ein Unterkommen bei gottesfürchtigen vornehmen Leuten, wo für ihre weitere Bildung und ihren Unterhalt zugleich, trefflich gesorgt war, so daß für diese Kinder eines armen Vaters, der im Glauben und Vertrauen auf Gott jeden Bissen Brod mit den Armen getheilt, und der den Seinigen nichts hinterlassen hatte, nachmals besser vorgesehen war, als wenn ihr Vater tausende von Thalern für sie zusammengespart hätte.