Von Carl Becker, Prediger in Berlin
Es gewahrt einen eigenthümlichen Genuß, stärkend, erhebend, wenn auch demüthigend zugleich, wenn man einen Blick auf die Helden des Herrn wirft, die früher seine Kriege führten. Wie Riesen stehen sie vor uns und wir wie Heuschrecken ihnen gegenüber! Sie verstanden es besser als wir, glatte Steine aus dem Lebensbache des göttlichen Wortes zu entnehmen und im Namen des Herrn Zebaoth dem Goliath des Abgrundes entgegenzutreten, ihm erfolgreich entgegenzutreten, ihn zu überwinden, ja ihn unter ihre Füße zu treten, da wir mit unsern selbstgeschliffenen Waffen, mit unserer selbstgemachten und hell polirten Rüstung, die wir uns anlegen, nicht die Hälfte des Sieges erkämpfen, den sie erstritten. Wir denken hier nicht allein an die Propheten und heiligen Apostel des Herrn, welche Er zur ehernen Mauer machte im ganzen Lande (Jerem. 1, 18), die im hellen Glanze „der Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal. 4, 2.) dastanden und Licht und Leben ausströmten mitten in die Finsterniß hinein, sondern wir denken auch an spätere Knechte des Herrn. An solche, um die bei halb untergehender Sonne sich schon mehr Nebel legten, und das reine Bild des Herrn nicht mehr in seinen unverfälschten, klaren Zügen hell und deutlich wiederstrahlte, bei denen sich schon zu viel Schatten in die Lichtpartieen mischt und die deßhalb ihr wundersüchtiges Zeitalter mit einem eignen Scheine umgibt, und sie in ein Licht stellt, welches blendend in das Auge fällt, und ihm auch wohl wehe thut! Dennoch aber stehen auch sie da in ihrer Größe, von uns unerreicht, und wir können nur staunend, Gottes Macht und Kraft in ihnen bewundernd, still anbetend und feiernd an ihnen hinaufschauen.
Ein solcher Mann und Knecht des Herrn war der heil. Columban, den wir Mitapostel der Deutschen genannt haben; denn er hat sammt Andern dem in Finsterniß und Todesschatten sitzenden Deutschland das Licht des Lebens mitgebracht. Er war in Irland, in der Provinz Leinster, geboren, wo damals allerdings der Leuchter des Herrn hellstrahlend dastand, ehe menschliche Macht ihn verdunkelte; denn Jonas, der Biograph Columban’s, sagt, daß die Einwohner des Landes an scharfer Ausprägung des christlichen Dogma’s und an Kraft des Glaubens alle benachbarten Völker übertroffen hätten. An Columban erfüllte sich, was der Herr schon zu dem Propheten Jeremias sagte: Ich kannte Dich, ehe denn ich Dich in Mutterleibe bereitet, und sonderte Dich aus, ehe Du von der Mutter geboren wurdest. Jer. 1,5. Als nämlich seine Mutter mit ihm schwanger ging, sah sie einst in der Nacht im Schlafe plötzlich eine wie Gold schimmernde Sonne aus ihrem Schooße hervorbrechen, die in herrlichem Glanze strahlte und der Welt ein großes Licht gewährte. Sie erwacht mit Staunen und Freude, da sie sich selbst aber das Gesicht nicht zu deuten wagt und versteht, sucht sie Aufschluß bei weisen Männern. Endlich wird ihr gesagt, sie gehe mit einem großen Manne schwanger, von welchem die Welt viel Segen zu erwarten habe. Diese Kunde giebt ihrem Herzen neue Freude, und nachdem das Kind geboren und sich zu entwickeln anfing, erzog sie ihn sehr fromm und äußerst einsam, so daß sie ihn von andern Kindern fern hielt, ja ihn nicht einmal mit den Kindern ihrer eigenen Anverwandten zusammen kommen ließ. Und das hat seine reichen Früchte getragen und in die Seele des Columban den Keim der Sehnsucht nach dem stillen Umgange mit Gott gelegt. Es könnte deßhalb daraus auch wohl jetzt noch manche Mutter die Lehre entnehmen, ihr Kindlein auch zu bewahren; denn der Mehlthau der Sünde, wenn er auch fein fällt, verdirbt leicht die Blüthen. So haben es auch gemacht die fromme Nonna mit ihrem berühmten Sohne Gregor von Nazianz, die fromme Emmelia, Mutter Basilii des Großen und des Gregor von Nyssa, so hat es gemacht die fromme Anthusa mit ihrem Sohne Chrysostomus und die fromme Monica mit ihrem Sohne Augustinus. Die sie unter ihrem Herzen getragen hatten, trugen sie auch auf ihrem Herzen, und brachten sie dar im Gebete als Opfer ihrem Herrn, dem diese Opfer wohlgefielen, und der ihre Lippen nährte mit der Kost von Seinem heiligen Altare, und sie geschickt machte zu verkündigen Sein Lob.
Nach zurückgelegten Kinderjahren widmete sich Columban den Wissenschaften und studirte besonders fleißig Grammatik und Rhetorik. Denselben Gegenständen wandte sich sein Fleiß auch namentlich im Jünglingsalter zu. Nachdem er aber zu diesem herangewachsen war, sollte es nicht ohne besondern Kampf abgehen. Er war ein sehr schöner Jüngling, und da der Feind merken mochte, wie vielen Abbruch Columban ihm einst thun könnte, sing er an, seine Pfeile auf ihn zu richten. Mehrere Mädchen warfen die Augen auf den schönen Jüngling, und es wurden ihm mancherlei Netze gelegt und Stricke bereitet. Er hielt zwar wie ein tapferer Streiter des Herrn mit der Linken den evangelischen Schild der Wahrheit und des Glaubens und führte mit der Rechten das zweischneidige Schwert des Geistes gegen die Haufen der Feinde; allein es fiel ihm doch auch das Wort des Livius ein, „daß Keiner in der Religion so heilig, gleichsam hinter einer Schutzmauer verschlossen sey, welchen die Wollust nicht erreichen und durchdringen könne.“
So mit sich selbst kämpfend, kam Columban zu der Zelle einer gottergebnen Frau, die im Rufe großer Frömmigkeit stand. Bescheiden und demüthig grüßt er sie und bittet sie züchtig um ihren Rath. Sie freut sich des Ernstes des Jünglings und sucht ihn durch ihr eignes Beispiel zu belehren. „Ich bin ausgezogen zum Kriege“, sprach sie zu ihm, „und habe auch die Hand nicht zurückgezogen vom Pfluge, an den ich sie gelegt. Zwölf Jahre lang habe ich nun schon in der Einsamkeit gestritten; allein die Sünde liegt nicht bloß außer mir, sondern auch in mir. Die Waffen unserer Ritterschaft sind deßhalb nicht bloß gegen die Feinde außer uns, sondern auch gegen die in uns anzuwenden. Und Arbeit und Thätigkeit hilft in diesem Kampfe besonders mit. Hielt mich daher nicht weibliche Schwäche zurück, so wäre ich lieber über das Meer gezogen zum Kampfe im Reiche des Herrn, statt hier in der Einsamkeit zu sitzen. Du aber, der Du gegen die Flammen des jugendlichen Feuers kämpfst, meinst Du, daß Du das weibliche Geschlecht gern und freiwillig meiden wirst? Denke an die Eva, die im Kampfe mit der Finsterniß unterlag – denke an die Delila, welche den Simson fällte, an die Bathseba, welche den David bezauberte – an den weisen Salomo, der von seinen Weibern verführt und betrogen wurde. Darum fort, Jüngling! Flieh! Zieh in den Kampf und wirb Christo Seelen.“
Diese Rede erschreckt ihn, doch bringt sie auch bald einen Entschluß in ihm zur Reife. Hinziehen, ja hinziehen will er, um für den himmlischen Bräutigam Seelen zu gewinnen. Bald sagt er seinen Freunden Lebewohl und begiebt sich auf den Weg zu feiner- Mutter zurück. Ihr theilt er seinen Entschluß mit, daß er sich vorbereiten und dann ausziehen wolle zum heiligen Kampfe, um dann unter finstern Heiden die Fahne des Kreuzes aufzupflanzen. – Zwar liebte wohl die Mutter den Herrn aufrichtig; allein dieses Wort des Sohnes trifft sie doch wie ein scharfes Schwert. Und es liegt allerdings erst ein Maßstab für die Liebe darin, wenn das Wort Verleugnung an sie angelegt wird und sie nach dem gemessen werden soll. Sie rang deßhalb im Schmerze vor dem geliebten Sohne, und bat ihn auf das dringendste, sie nicht zu verlassen. Der aber sprach in der Kraft, die ihm schon jetzt der Herr darreichte: „Hast Du nicht gehört das Wort – wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist mein nicht werth!“ – Und nun bietet er der weinenden Mutter die Hand zum Abschiebe; an der Thüre aber hängt sie sich noch einmal an seinen Hals und bittet ihn, zu bleiben. Er kann nicht, er will nicht. Da wirft sie sich auf der Thürschwelle nieder, und spricht: „Ich lasse Dich nicht ziehen!“ Doch was thut Columban? Er springt über die Mutter auf der Thürschwelle hinweg! Nun steht er draußen und bittet die betrübte Mutter nur noch, daß sie sich von Traurigkeit nicht möchte verzehren lassen; es handle sich ja hier um Christi Reich und Ehre. Zwar werde sie ihn wohl im Leben nicht wiedersehen, aber er werde in den Wegen des Heils so wandeln, daß sie ihn am Throne Gottes ewig wiederfinden solle. Unterdeß werde er dahin gehen, wohin ihn Gott führe.
Nachdem er nun den heimathlichen Boden verlassen hatte, begab er sich zu dem ehrwürdigen Abt Silenes, der seiner Frömmigkeit und Schrifterkenntniß wegen sehr berühmt war. Dieser erkannte bald den Scharfsinn und Geist des Jünglings, und bemühte sich, ihn in ein tiefes Verständniß der Schriftwahrheiten einzuweihen. Der umsichtige Mann ging dabei somatisch zu Werke, d. h. er suchte den Columban durch Fragen und Antworten zu belehren, weil auf diese Weise dessen reger Geist zu noch größerer Thätigkeit geweckt wurde. Dem Columban gefiel auch diese Methode sehr wohl, und fand sich zu vielen Fragen veranlaßt, die er seinem Lehrer vorlegte. Er fand sich auch von der h. Schrift so angezogen, daß er, nur noch ein Jüngling, die Psalmen auslegte! Einige Stellen derselben, die sich besonders eigneten, zog er aus, und setzte sie in Musik, um so täglich sein Psalterspiel zu treiben vor dem Herrn.
Als er später mit seinem geliebten Lehrer Silenes seinen Abschied machte, ging er nach dem Kloster Banchor in der Grafschaft Ulster in Irland (also nicht zu verwechseln mit dem berühmten gleichnamigen Banchor in Wales). Hier war Commogellus Abt, ausgezeichnet durch Frömmigkeit und Eifer in der Disciplin unter den Seinigen. Unter seiner Leitung übte sich Columban namentlich im Gehorsam und dem Stillesein, lag dem Fasten und Gebete ob und lernte hier mehr noch das Joch Christi auf sich zu nehmen; denn da er Andere einst zu lehren gedachte, so wollte er an der Tödtung seines eignen Leibes und der Opferung und Kreuzigung seines Fleisches anfangen und lernen.
Wenigstens zehn Jahre brachte er im Kloster bei Commogellus in diesem Verhältniß zu, theils um größer an Kenntnissen und Erfahrung, theils um kleiner an Eigenwille und Hochmuth zu werden! O, Columban, was bist, du für ein Bild und Spiegel zugleich für uns! Endlich aber wurde es ihm hinter den Klostermauern zu enge, wie einem Vöglein im Käfig, wenn die liebe Frühlingssonne durchs Fenster scheint. Besonders hob auch seine Glaubensflügel die Stelle 1 Mos. 12, 1, welche er eines Tages las, und die so heißt: „Gehe aus Deinem Vaterland, und von Deiner Freundschaft, und aus Deines Vaters Hause, in ein Land, das ich Dir zeigen will.“ Er wollte nun Christi Namen hinüber tragen übers Meer nach dem Festlande. Schüchtern trat er daher hin vor Commogellus und bekannte dem ehrwürdigen Abte seines Herzens heißen Wunsch, und unterstützte seine Worte mit dem Worte des Herrn: „Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollte ich lieber, denn es brennte schon?“ Luc. 12, 49. Sein Abt aber entsprach seinen Wünschen nicht. Er wollte den Columban, der seinem Namen (latein. Columba, Taube) durch Friedfertigkeit, Stille und Streben nach Reinheit und Heiligung in der That entsprach, nicht gern verlieren; auch nannte er ihn sein solamen (Trost). Doch Columban hielt an mit Bitten und Commogell dachte als Diener des Herrn endlich auch mehr an die Ehre Christi und das Heil Anderer als an sich selbst. Und da er glaubte, den Schüler zum Streite des Herrn erzogen zu haben und in sofern an seinen Siegen Theil zu nehmen, so willigte er endlich in die Abreise des Columban ein.
Die Brüder wurden nun darauf zusammengerufen; er nahm zärtlich von ihnen Abschied und bat sie dringend um ihre Fürbitte, damit seine Reise gesegnet sey und Früchte schaffe für’s Reich Gottes. Dreißig Jahre war jetzt Columban alt, als er mit 12 Begleitern, die ihm Commogellus mit gab, unter ihnen Gallus, seinen Weg nach dem Meere antrat. Sie riefen Gott um seinen Segen an, und gewähre Er ihnen den und Seinen Schutz, so wollten sie daran ein Zeichen haben, daß Ihm ihr Entschluß wohlgefiele, und sie sich Seines fernern Segens und Schutzes würden zu erfreuen haben. Da sie nun durch den unsichern Kanal hindurch kamen und glücklich an der brittischen Küste landeten, so erkannten sie, daß ihre Reise nach dem Willen Gottes sey, und dankten Ihm. Hier weilten sie nun kurze Zeit und stärkten ihren Geist durch Umgang mit christlichen Brüdern. –
Von der brittischen Küste ward aber die Reise bald an die gallische fortgesetzt. Sie kamen glücklich an, aber ihren Blicken stellte sich hier alsbald ein trübes Bild dar. Die Religion war hier theils durch häufige Einfälle auswärtiger Feinde, theils durch Nachlässigkeit der Aebte fast in Verfall gekommen. Nur der christliche Name und äußerliche Gottesdienst war noch da, Buße und Kreuzigung des Fleisches fanden sie nur an wenigen Orten. Da trat Columban in der Kraft des Herrn auf und predigte das Evangelium an allen Orten wohin er kam. Seine Predigt war auch nicht vergeblich, das Volk hörte ihn gern, und strömte zahlreich herbei, um den von Liebe glühenden Boten Christi zu hören. Die größte Anziehungskraft für die Gemüther lag auch namentlich darin, daß die klare, deutliche, auf das Wort Gottes sich stützende Predigt von einem klaren, durchsichtigen Wandel in der Furcht und Liebe Gottes getragen und unterstützt wurde. Columban war nämlich mit seinen Gefährten höchst demüthig; suchten Andere Ehren und Würden, so kam hier Einer dem Andern in der Demuth zuvor, eingedenk der Vorschriften des göttl. Wortes: Mat. 23, 8-11. Jes. 66, 2. Es war in Allen eine solche Liebe und Frömmigkeit, daß Alle Ein Wollen und Ein Nichtwollen erfüllte. Dabei wetteiferten sie in der Bescheidenheit, Nüchternheit, Sanftmuth und Gelindigkeit. Haß und Zwietracht wurden verabscheut, Eitelkeit und Anmaßung, wie Zorn, verbannt. Sahen sie Einen unter sich etwa in diese Fehler fallen, so bemühten sich Alle, ihn wieder zurückzubringen. Und sie übten deßhalb solche Geduld, Liebe und Gelindigkeit unter einander und gegen Fremde, weil sie glaubten und überzeugt waren, nur so könne es einem gelinden Gott Wohlgefallen, unter ihnen zu wohnen. Daneben hatten sie unter sich Alles gemein, und hatte ja Einer versucht, etwas als sein ausschließliches Eigenthum anzusehen, so wurde er von der Gesellschaft der Uebrigen getrennt, und ihm Buße auferlegt. Niemand widersprach dem Andern; Niemand wagte eine harte Rede wider den Andern. Und ihr Eifer und ihre Dankbarkeit auch gegen Andere war so groß, daß, wenn sie in einem Hause auch nur etwas weilten und eine kleine Erfrischung erhielten, sie die Gemüther alsbald auf das Eine, welches Noth thut, hinlenkten.
Columban wurde daher mit den Seinigen alsbald in der Gegend bekannt und berühmt, ja sein Ruf kam bald auch an den Hof des Königs Childebert, welcher damals über den nordöstlichen Theil Frankreichs regierte. Der König berief daher den heiligen Mann sammt den Seinigen zu sich. Columban stand anfangs an, dem Rufe Folge zu leisten; da er aber doch zu der Ueberzeugung kam, es könne der Finger Gottes dabei seyn, willigte er endlich in das Begehren des Königs Es war das ungefähr um das Jahr 585. Als er zu dem Könige kam war er sammt den Seinigen wegen feiner Gelehrsamkeit und christlichen Zucht diesem und seinen Hofleuten höchst willkommen, weil die ganze Erscheinung für diese etwas Neues hatte. Daher drang auch der König in ihn, daß er bei ihm in Frankreich bleiben und nicht zu andern Völkern ziehen möchte; er sey bereit, ihm Alles zu gewähren, was er nur wünschen und bitten möchte. Doch Columban wollte aus nicht ungegründeter Furcht darauf nicht eingehen. Er erklärte deßhalb dem Könige offen und fest, er sey nicht gekommen, um sich durch die Schätze Anderer zu bereichern, er suche auch nicht gute Tage, sondern Christi Ehre allein, der da spreche: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Luc. 9, 23. Diesem Befehl seines Herrn wolle er nachzukommen suchen, und, so weit es die Schwachheit des Fleisches gestatte, das Evangelium des Friedens von Jesu Christo verkündigen; aber eben deßhalb sich, so viel als möglich, von dem Geräusche der Welt fern halten. Der König antwortete ihm darauf: „Wenn Du das Kreuz Christi aufzunehmen und ihm zu folgen wünschest, und daneben die Ruhe eines Einsiedlers verlangst: so hast Du ja hier Gelegenheit genug zu alle dem, wie auch deinen Lohn vor Gott groß zu machen und unser Heil zu befördern.“ Der König traf deßhalb endlich die Auskunft, nachdem Columban seinen Wünschen nachgegeben hatte, ihm in den damals sehr öden und wüsten Vogesen, an der Grenze nach dem heidnischen Deutschland, aber noch in seinem Reiche, eine Stelle zur Erbauung eines Klosters anzuweisen, wodurch sowohl der König bei der nicht zu großen Entfernung dieses Ortes von seinem Hofe seinen Wunsch erreichte, des Columban Rath in geistlichen Dingen benutzen zu können, als auch Columban nicht fürchten durfte, durch die Pracht des üppigen merovingischen Hofes im Dienste des Herrn schlaffer und nachlässiger gemacht zu werden. Columban zog mit seinen Begleitern dahin, und fand dort in einer wüsten Gegend die Ruinen einer verfallenen Burg, Anagretes oder Anagrey genannt. Da ließen sie sich nieder und bauten die Ruinen zu einem Kloster aus. Freilich fand er mit den Seinen in der wilden, mit Felsen untermengten Gegend fast nichts zur Nahrung. Allein sie nährten sich von Wurzeln, Kräutern und Baumrinden, waren zufrieden und stärkten sich an dem Spruche: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet.“ Und wunderbar erhielt sie der Herr in ihrer bedrängten Lage.
So wurde einst ein Bruder vom Fieber hart befallen, aber kein Heilmittel war vorhanden, aus dem dem Leidenden eine Erquickung und Erleichterung hätte bereitet werden können; Keinem aber entfiel der Muth. Sie entschlossen sich, zu dem Hauptmittel zu greifen, das in ihrer Hand lag: sie fasteten und beteten für den kranken Bruder zwei Tage lang. Am dritten wurden auch sie schwach und hatten Nichts, wodurch sie ihre ermatteten Leiber hätten erquicken können. Doch siehe! da gewahren sie an der Thür plötzlich einen Mann mit zwei Pferden, welche Brot, Mehl, Früchte und andere Nahrungsmittel für sie trugen. Sie treten hinaus, und da theilt ihnen der Mann mit, er sey plötzlich von einer unwiderstehlichen Aufforderung in seinem Herzen angetrieben worden, ihnen aus seinem Ueberflusse diese Gaben zuzuführen, da sie um Christi willen in der Wüste solchen Mangel litten. Die Diener Gottes nahmen mit innigem Danke gegen den Herrn die Gaben der Liebe in Empfang und führten den Mann in das Kloster. Hier fing der nun aber an, den h. Columban demüthig und inständig zu bitten, daß er doch für seine kranke Frau zum Herrn beten möchte, denn sie werde schon seit Jahresfrist von einem so hitzigen Fieber aufs Lager geworfen, daß sie, möchte man sagen, weder leben noch sterben könne. Columban hörte den demüthig Bittenden theilnahmsvoll an, und wollte und konnte ihm den Trost seiner Fürbitte nicht versagen. Nachdem deßhalb die Brüder zusammengerufen waren, fiel er mit ihnen auf die Kniee nieder und flehte in einem inbrünstigen Gebete für die kranke Frau um Barmherzigkeit zu dem Herrn. Kaum hatte er mit den Seinen das Gebet vollendet, so wurde jene alsbald der Gefahr des Todes entrissen und gesund! Und Columban gab dem besorgten Gatten die tröstliche Versicherung, er solle im Glauben heimziehen, seiner Frau sey geholfen, und so entließ er ihn mit seinem Segen. Fröhlich zog der seine Straße zurück, und siehe! als er sein Haus betrat, fand er seine Gattin gesund im Zimmer sitzen, die ihm mit Freuden entgegen eilte. Als er nun nachforschte, in welcher Stunde sie die Gewalt des Fiebers verlassen habe, da fand er, daß sie in derselben Stunde gesund geworden war, in welcher der Mann Gottes so inbrünstig für sie zu Gott geflehet hatte! Columban setzte mit den Seinigen seine gewohnte Beschäftigung und Lebensweise fort. Er lehrte die Brüder und verkündigte sammt ihnen der herzuströmenden Menge das süße Evangelium von dem Herrn Jesu. In ihrem engern Kreise suchten sie Christo, ihrem Haupte, durch Bußübungen und Zerknirschung des Geistes zu dienen, sich im Wachen und Gebet zu üben, und die Lüste des Fleisches durch Hunger und herbe Mittel zu tödten, damit der Räuber der Tugend, ja der Seelen, von ihnen fliehen möge. So verlief eine geraume Zwischenzeit, in welcher nicht allein ein Jeder von ihnen manchen innerlichen Kampf durchzukämpfen hatte, sondern wo der Mangel aller äußerlichen Erquickung ihnen Allen gemeinsam doch auch öfter etwas bemerklich und fühlbar wurde. So waren einst neun Tage verflossen, an welchen der Mann Gottes mit den Brüdern nichts Anderes, als Baumrinden und Kräuter zu genießen gehabt hatte, obgleich sie die Seelenspeise aus dem Worte Gottes besonders stärkte. Da ermahnte aber Gott durch ein Gesicht den Abt Caramtocus vom Kloster Salicis, er solle durch seinen Diener dem Columban, der in der großen, leeren Wüste sich in großem Mangel mit den Seinigen befände, das Nöthige hinbringen lassen. Erwacht vom Schlaf erzählt der Abt seinem Haushofmeister, Marculf mit Namen, den Vorfall, und der antwortet ihm alsbald: „Thue, wie dir geboten ist.“ Caramtocus trug diesem deßhalb auf, Alles was er bereiten könne, herbeizuschaffen, und es dem theueren Columban zu überbringen. Den Marculf setzte aber auch schon der eigne Liebestrieb in Bewegung. Er beladet alsbald einen Wagen, und tritt die Reise an. Als er aber den Eingang der Wüste betreten hatte, verlor er den Weg, und weiß nun am Ende nicht mehr, wohin er sich wenden soll. Da ruft er in einem innigen Gebete Gott um Schutz und Leitung an, und wird nun mit sich Raths, den Pferden volle Freiheit zu lassen. Es geschieht, die Thiere schreiten ruhig und muthig vorwärts, und bringen ihn glücklich nach Anagretes zum heil. Columban! Mit Verwunderung war Marculf der Spur der Rosse gefolgt, und da er dem Columban das Vorgefallne erzählt, verwundert auch der sich, nimmt aber die Gaben mit Dank an und preist seinen Gott, der Seinen Knechten selbst in der Wüste auf diese Art den Tisch zu decken wisse. Nachdem nun Marculf so seinen Auftrag ausgerichtet hatte und von Columban gesegnet worden war, trat er fröhlich seinen Rückweg wieder an. Wie hätte er aber schweigen können von dem, was er gesehen und erfahren hatte? Ueberall sprach er von Columbanus, und wie der Herr mit ihm sey. Das gab denn noch mehr Veranlassung, daß das Volk in ganzen Haufen zu ihm hineilte, und ihm die Kranken zuführte, daß sie durch seine Fürbitte geheilt würden. Da stand er denn oft mitten in einem Haufen von Leidenden, deren Bitten er sich nicht entziehen konnte, voll Liebe pries er ihnen die Seelenarznei an, wies sie hin auf den Herrn Jesum, durch dessen Wunden wir Alle heil, werden sollen Jes. 53, 5. Und heilte sie von ihren leiblichen Krankheiten durch das Mittel seines Gebetes.
Freilich wurde er dadurch häufig in seinen stillen Uebungen unterbrochen, und sah sich öfters genöthigt, sich von dem Umgange mit Menschen in die Stille zurückzuziehen. So geschah es, daß er zuweilen durch schattige Wälder dahin wandelte, ein Buch unter dem Arme tragend, über die heilige Schrift nachdachte, und im Selbstgespräche mit sich vertieft war. Als er nun einst so still für sich dahin ging, und die Gedanken in sich bewegte, ob es nicht besser sey, sich der Wuth der wilden Thiere auszusetzen, als sich der Rache und Verfolgung der sündlichen, bösen Menschen bloß zu stellen, siehe! da brechen auf einmal mehrere Wölfe aus dem Dickicht hervor und stürzen auf ihn los. Columban erschrickt zwar, doch bleibt er unbeweglich stehen, und ruft nur: Gott, eile mir zur Hilfe – Herr, verziehe nicht, mir zu helfen! Die Wölfe kommen darauf näher herbei und, berühren mit ihrem Rachen seines Kleides Saum! Und da er noch unbeweglich stehen bleibt, verlassen sie ihn wieder und verschwinden im Walde! Als er aus dieser Versuchung sicher hervorgegangen, setzt er mit Dank gegen Gott seinen Weg durch den Wald fort. Noch ist er aber nicht weit gegangen, da hört er die Stimmen vieler Sueven, welche durch das Gehölz irrten und in der Zeit in jenen Gegenden Straßenräuberei übten. Die Räuber aber bemerkten ihn nicht, und da ihm also weder auf diese noch auf jene Weise auch nur ein Haar gekrümmt wurde, so erkannte er daraus, daß ihn der Herr, wenn es auch durch Trübsal ginge, doch beschützen werde und könne auf jegliche Weise.
Noch einen Zug der wunderbaren Bewahrung des Columban wie seiner wunderbaren Gewalt über die Thiere wollen wir hier anführen und seinem alten, mit ihm zu gleicher Zeit lebenden Biographen nacherzählen. Als Columban eines Tages auf einem längeren Wege durch die Wüste strich, kam er zu einem ziemlich hohen Berge, an dessen hervorspringenden Seiten sich rauhe Felsenspitzen dem Blick darstellten und die Bergspitze, wie es schien, für Menschen unzugänglich machten. Columban sah sich das Alles genauer an, und kam zu einer angenehm liegenden Vertiefung. Indem er die etwas versteckten Zugänge zu derselben erforscht, stößt er auf das Lager eines Bären und findet diesen selbst darin liegen. Das Thier springt auf, doch Columban bleibt vor ihm stehen, und befiehlt ihm im Namen Gottes, ihn nicht anzurühren. Und wie gezähmt steht das Thier auf einmal da. Nun spricht Columban zu ihm: „Gehe hinweg, und betritt diesen Ort, den ich mir zu einer Gebetszelle ausersehen habe, nicht wieder.“ Und siehe, das Thier gehorcht schweigend und wagt es nicht, wieder zurückzukehren. – Dieser Ort war von Anagretes nur ungefähr 7000 Schritte entfernt.
Sein Name wurde nun weit und breit nur mit Ehrfurcht genannt, und es war daher ganz natürlich, daß immer mehr Menschen zu seinem Unterrichte herbeieilten. Viele junge Leute fesselte dieser und seine ganze Erscheinung aber so, daß sie ihn gar nicht wieder verlassen, sondern unter seiner Leitung dem Herrn dienen wollten. Er mußte deßhalb daran denken, ein zweites Kloster zu erbauen, und gab sich zuerst nur Mühe, einen passenden Ort zur Anlage eines solchen aufzufinden. Allein auch hierin kam ihm der Finger Gottes entgegen. Er fand das noch sehr feste Mauerwerk eines alten Schlosses, vormals Luxovium genannt, welches zu seinem Zwecke sehr geeignet war, und so entstand im Jahre 590 das Kloster Luxeuil. Man glaubte, daß das alte Castell der warmen Quelle wegen an dem Orte erbaut worden sei, und jetzt sollten nur hier die Quellen warmer Liebe fließen. – In dem Walde in der Nähe gab es so viele steinerne Götzenbilder, welche die Heiden ehemals verehrt hatten, daß derselbe von ihnen fast verdichtet wurde. Jetzt aber sollte hier nicht mehr den stummen Götzen, sondern dem lebendigen Gott gedient werden. Die Zahl der Mönche mehrte sich so, daß sie im Kloster fast nicht alle Platz fanden. Ein wichtiger Umstand war auch der, daß die Vornehmen ihre Kinder brachten und sie dem Columban und seinen Brüdern zur Erziehung übergaben, unter deren Händen sie denn allerdings nicht für die Welt, ihre Güter und ihren Pomp erzogen wurden, sondern für das Himmelreich, und daher schon früh jene eitlen Dinge verachten lernten. – Doch die Menge, welche zur Arznei der Buße herbeieilt, wird immer größer, die Umgebung eines neuangelegten Klosters faßt sie nicht mehr. Da sieht sich der Abt nach einem neuen Orte um, und zwar einem solchen, den Wasser ziert. Er fand ihn, und es entstand das Kloster Fontenay. Das Ziel, welches er seinen Untergebenen vorhielt und vorschrieb, war: Frömmigkeit und ein wahres Streben nach Heiligung vor Gott – Liebe und Demuth unter einander. Und das Mittel, durch welches er diesen Zweck zu erreichen suchte, war eine strenge Disciplin. – So waren durch Columban’s Bewährung und Thätigkeit in dem Lande der Burgundionen in den wilden Vogesengegenden nun bereits drei Klöster entstanden, von denen jedes einzelne wie eine Stadt auf dem Berge lag, die nicht verborgen seyn kann (Mat. 5,14.), sondern Licht und Leben ausströmt. Er selbst hielt sich bald in dem einen, bald in dem andern auf, bald weilte er bloß in der Einsamkeit, und leitete die zahlreichen Schaaren von Mönchen, wozu er auch durch seinen psychologischen Scharfsinn vor Andern ganz besonders befähigt war.
Einst hielt er sich in den Waldgegenden um Fontenay auf und hatte nur einen Bruder, den Gallus, bei sich. Schon waren sie viele Tage von Ort zu Ort umhergezogen, da befiehlt er diesem, nach dem Flusse Brüsch hinabzugehen, und Fische zu fangen. Gallus aber denkt: der Fluß Loignon ist ja näher, du wirst zu diesem gehen, und in den dein Netz werfen. Gedacht, gethan. Er kommt, wirft sein Netz hinein, und sieht eine solche Menge von Fischen heranschwimmen, daß das Netz sie nicht fassen könnte; aber als sie an dasselbe herankommen, springen sie wie gegen eine Mauer, und – kehren um! Er arbeitete den ganzen Tag, und fängt nichts. Da kehrte er endlich traurig zu dem Vater zurück und verkündigt ihm das. Columban tadelt nun seinen Ungehorsam, und sagt ihm, daß Gehorsam vor Gott und Menschen dem Herrn angenehmer sey als Opfer, und spricht nun zu ihm: „Geh nun geschwind zu dem angegebenen Orte, dann wirst du finden.“ Gallus thut es, kommt, wirft das Netz aus, und es wird so voll, daß er es kaum ziehen kann!
Ein anderes Mal weilte er in der Felsengrotte, aus welcher er den Bären verwiesen hatte. Sein Leib war durch Fasten und Gebet sehr angegriffen. Da erkennt er aber auf einmal durch Offenbarung, daß die Brüder in Luxeuil an verschiedenen Krankheiten erkrankt, und daß nicht so viele mehr gesund sind, um die andern pflegen zu können. Kaum hat er die Mittheilung empfangen, so steht er auf, eilt hin nach dem Kloster, und da er alle krank findet, befiehlt er allen, sogleich aufzustehen, und mit der Sichel auf das Feld zu gehen, um die reife Saat zu schneiden. Der Befehl brennt und treibt wie ein Feuer ihr Gewissen, sie gehorchen, wie denn überhaupt ihr Verhältniß zu, ihm, dem Abte, das der unbedingtesten Unterwerfung war. Aufs Feld gekommen, fangen sie im Glauben die Erndte an. Als aber der Vater den Glauben an den Söhnen und die Gnade des Gehorsams sahe, sprach er: „lasset nun ab, und erquicket die von der Arbeit ermüdeten Glieder.“ Sie gehorchen auch jetzt, und wundern sich, daß sie keine Spur von Schmerz mehr fühlen. Nun kehren sie Alle nach dem Kloster zurück und Columban befiehlt die Tische zu decken, und Speise zu bereiten, damit durch innerliche und äußerliche reichliche Freude Alle ergötzt würden. Einige waren aber doch ungehorsam gewesen, die tadelt er jetzt, bestraft die Trägheit ihres Glaubens und deutet ihnen die Dauer ihrer Krankheit an. Diese Ungehorsamen werden nun den größten Theil des Jahres hindurch von der Krankheit so heftig heimgesucht, daß sie kaum dem Tode entrinnen. Doch das wirkte soviel, daß sie Buße thaten für ihren Unglauben und Ungehorsam.
Bald nach diesem Vorfalle begab sich der fromme Mann in die Gegend des Klosters Fontenay. Die Zeit der Erndte war da, die Früchte mußten eingebracht werden, und ein neuer Acker versprach eine sehr reichliche Erndte. Allein es gab täglich Unwetter; der Wind blies viele Tage lang stets Wolken zusammen, aus denen nun wieder der Regen sich in Strömen ergoß, und zwar so anhaltend, daß an das Einerndten nicht zu denken war, und es schien, als werde die reife Saat auf dem Halme verfaulen müssen. Da stand nun Columban und erwog im Herzen, was hier wohl zu thun sey. Sein Glaube trug aber auch hier den Sieg davon, da er seinen Geist mit demselben wappnete. Nachdem er alle Brüder hatte zusammenrufen lassen, trat er in ihren Kreis und befahl ihnen, mitten ins Wetter hineinzudringen und die Saat zu schneiden! Die wundern sich freilich nicht wenig über diesen Befehl, kommen aber alle mit ihren Sicheln, fangen auch an, die Saat zu schneiden, und sehen nun gespannt auf den Vater, was der thun werde. Er nimmt und stellt vier sehr fromme Männer aus ihrer Mitte, nämlich den Cominius und Eunocus, den Equanacus, einen Schotten, und den Gurganus, einen Britten, an die vier Ecken des Erndtefeldes. Während die vier nun so aufgestellt sind, schreitet er selbst mit den Uebrigen in der Mitte zur Erndte. Und siehe die wunderbare Macht und Wirkung des Glaubens! Der Platzregen flieht von der Saat und die Regengüsse zerstreuen sich nach allen Seiten. Die Schnitter in der Mitte arbeiten im hellsten Sonnenscheine, und ein Südwind weht sie an, bis die Arbeit vollendet ist!
Zu der Zeit regierte ein Fürst, Waldelenus mit Namen zu Vefontio (dem heutigen Besancon) über die Völker zwischen den Alpen und dem Jura. Er hatte keine Erben. Macht sich aber eines Tages auf, und kommt mit seiner klugen und frommen Gemahlin Flavia zu dem heil. Columban, den beide ersuchen, für sie zum Herrn zu beten, ob Er ihnen nicht ein Kind bescheeren wolle. Sie theilen zugleich dem Manne Gottes mit, daß sie viele Güter hätten, die nach ihrem Tode zu ihrem Leidwesen in fremde Hände fallen müßten, da sie keine Erben hätten. Columban erwiederte ihnen: „Wenn Ihr das Geschenk dem Geber heiligen, und mir den aus der heiligen Taufe Enthobenen übergeben wollt, will ich für Euch die Barmherzigkeit des Herrn anflehen, daß Ihr nicht allein den dem Herrn Gelobten, sondern auch andere Pfänder, aus der Hand Gottes empfangen möget.“ Als er geredet, versprachen sie, daß sie seinen Befehlen freudig gehorchen wollten, er möge doch nur für sie zum Herrn beten. Das that nun auch Columban, und siehe! nach einiger Zeit wird Flavia durch Gottes Kraft und Wirkung schwanger. Als nun ihre Zeit um war, und sie einen Sohn zu ihrer unaussprechlichen Freude geboren hatte, brachte sie denselben nach kurzer Zeit zu dem heiligen Manne, und zeigte ihm das Geschenk auf seine Gebete. Auch sein Herz erfüllte bei dem Anblick des lieblichen Kindes innige Freude und er dankte dem Herrn in einem innigen Gebete und pries ihn, daß Er also in Gnaden die Bitten Seiner Knechte erfülle. Darauf nahm er das Kind auf seine Arme, taufte es im Namen des dreieinigen Gottes, und nannte den in der heil. Taufe von der Befleckung der Erbsünde Gereinigten Donatus. Nun gab er ihn der Mutter zur Ernährung zurück und deutete ihr an, wie Hanna ihren Samuel, so diesen ihren Sohn dem Herrn später ganz zu seinem Dienste zu übergeben und zu heiligen. Das geschah. Donatus wurde später im Kloster unter der Aufsicht Columban’s fromm erzogen, und ward endlich Bischof zu Besancon. – Nach Seiner Güte und der Verheißung Seines Knechtes fügt Gott nun aber diesem ersten Sohn noch einen zweiten hinzu, welcher bei der Taufe Ramelenus genannt wurde. Auch er war edel und fromm und kam nach des Vaters Tod zur Regierung, und baute später aus Liebe zu dem frommen Manne auf dem Jura-Gebirge ein Kloster. Auch zwei Töchter hatte Gott dem frommen Ehepaare geschenkt, die auch in die Fußtapfen der Eltern traten und in der Furcht Christi wandelten. Nach solchen Geschenken und Beweisen der Liebe Gottes baute aber Flavia auch selbst nach dem Tode ihres Gemahls ein Kloster für Jungfrauen, welche sich dort dem Dienste Gottes weihen sollten.
Auch im Kleinen zeigte sich die Gnade des Herrn gegen seinen Knecht. Es stehe deßhalb hier ein anderer Zug der Wirkung seines Gebets. Eines Tages war unser Columban mit den Brüdern bei Calmis zur Erndte hinausgegangen und sie fingen an die Saat beim Wehen eines brennenden Südwinds zu schneiden. Da geschahe es denn, daß Einer von ihnen, Namens Theudegisilus sich mit der Sichel einen Finger so abhieb, daß er nur noch etwas an der Haut hängen blieb. Als nun Columban den Theudegisilus aus der Ferne lange stehen sah, befahl er ihm, mit seinen Genossen sein Werk zu vollenden. Jener aber gab ihm darauf die Ursache seines Stillestehens an. Columban eilt nun hinzu und berührt mit seinem Speichel unter Gebet den stark verletzten Finger, der nun auch bald zur früheren Gesundheit vollkommen wieder hergestellt wird. Nachdem das geschehen, befiehlt er dem Theudegisilus sein angefangenes Werk zu beschleunigen, wozu dieser auch zugleich eine wunderbare Vermehrung seiner Kräfte fühlt. Mit Freuden fängt er seine Arbeit wieder an, und fühlt zu derselben einen doppelten Antrieb, weil er wegen des verletzten Gliedes lange stille gestanden, und im Geiste sich auch zu sehr der Trauer hingegeben habe. Theudegisilus erzählte noch lange Zeit darauf den Vorfall und zeigte die Narbe am Finger.
Das Leben Columban’s ist voll von solchen merkwürdigen Zügen, die den Meisten in unserer glaubenslosen Zeit allerdings als bloße Ausschmückungen, als leeres Phantasieengemälde vorkommen werden, als Mythen. Darüber darf man sich nicht wundern, leben wir doch in einer Zeit, in der man das Leben des Herrn selbst, wie es uns die heil. Apostel darstellen und erzählen, zu einer bloßen Mythe, d. h. entweder ganz erdichteten oder wenigstens übermäßig ausgeschmückten Erzählung, hat machen wollen. Nun steht freilich Christus, der Herr, höher als jeder Mensch, Moses und Abraham nicht ausgeschlossen, und Sein Leben ist das Leben des Sohnes Gottes im Fleische, da hingegen jedes menschliche Leben, auch das heiligste, immer nur das Leben eines Adams-Sohnes im Fleische bleibt; allein es muß sich in dem letztern doch ein Widerschein von jenem finden, ein heiliger, reiner Reflex. Gerade wie bei der Sonne, deren reines, klares Bild, im stillstehenden, reinen Wasser sich wiederspiegelt. Daher das Wort Pauli: „Nun aber spiegelt sich in uns Allen des Herrn Klarheit, mit aufgedecktem Angesicht.“ 2, Cor. 3, 18. Und wie die Sonne Licht und Leben gibt, ja ihr eignes Bild wieder erzeugt, so auch bei der „Sonne der Gerechtigkeit“ in dem Leben und in den Werken ihrer Kinder. Wunder an und für sich kann kein Mensch thun, nur Gott wirkt Wunder; aber kann Er sie nicht durch Menschen thun? Legt nicht die ganze h. Schrift Zeugniß davon ab? Zeigt es nicht das Leben Mosis, der Propheten, der Apostel? Und spricht nicht der Heiland zu seinen Jüngern: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird dieselben Werke thun, die Ich thue, und wird größere, denn diese thun, denn ich gehe zum Vater.“? Joh. 14, 12. Aber freilich in ihm und durch ihn. Aber so wie der Vater geehrt wurde im Sohne, so will auch der Sohn wieder geehrt werden mit dem Vater in seinen Kindern. Und darum hat er sie gesetzt, daß sie hingehen und viele Früchte bringen. Und die Kraft, welche diese erzeugt und zur Reife bringt ist der Glaube. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet.“ Marc. 9, 23. Solchen Glauben hatte Columban. Und da er zur Gründung und Befestigung der Wahrheit nöthig war, gab ihm auch der Herr merkwürdige Thaten und Früchte des Glaubens, obgleich wir nicht in Abrede stellen wollen, daß das, was er that, in einer wundersüchtigen Zeit oft auch wohl mit eigenthümlichen Farben dargestellt wird, ja sich zuweilen auch ins Kleinliche verliert. Aber alles läugnen wäre Sünde.
Columban kam, als ein treuer Haushalter Gottes, unausgesetzt seiner doppelten Lebensaufgabe nach: er suchte zu wachsen in der Erkenntniß seines Herrn und Meisters, wie in der Liebe zu Ihm, und zu wirken für Sein Reich, so lange es Tag war. In der Schrift forschen, beten, fasten und predigen den Namen Christi, darin theilte sich sein Leben. Einst kam er zu dem Kloster Fontenay und fand 60 Brüder, die mit Hacken mühsam die Erde umarbeiteten, um sie locker zu machen, damit der Saame hineingestreut werden könne. Er sahe ihre große Mühe, und sprach: „Brüder, haltet etwas inne, und es werde Euch vom Herrn eine Erquickung bereitet.“ Als einer der dienenden Brüder das hörte, sprach er: „Vater, glaube mir, wir haben nicht mehr als nur noch 2 Brote und ein wenig Bier.“ Jener sprach: „Gehe, und hole sie hier her.“ Der Diener eilt mit schnellen Schritten davon und trägt die 2 Brote und das wenige Bier herbei. Gen Himmel schauend sprach nun Columban: „Christe Jesu, du einzige Hoffnung der Welt, vermehre du diese Brode und diesen Trank, der du von fünf Broden 5000 Menschen in der Wüste gesättigt hast.“ Und o wunderbare Wirkung des Glaubens! Er theilte die Brode aus, und Alle wurden gesättigt, und Alle schöpften von dem Trank und ihr Durst wurde gestillt! Ja, der Diener hob doppelt so viele Brocken auf, und auch von dem Tranke war das Maaß verdoppelt. Dieser, wie Alle, sahen deßhalb ein, daß der Glaube doppelt so viel bringe des göttlichen Geschenks, da hingegen der Unglaube auch das Vorhandene noch zu vermindern pflegt.
Als sich der Mann Gottes zu einer andern Zeit in dem Kloster Luxeuil aufhielt, begab es sich, daß einer der zwölf Brüder, welche mit ihm von Banchor ausgezogen waren, vom Fieber befallen wurde, und dem Tode nahe kam. Er war unserm Columban besonders lieb, denn er führte nicht allein denselben Namen, war nicht nur aus derselben Grafschaft; sondern auch ein leiblicher Vetter von ihm und voll von Liebe, Eifer und Gottesfurcht. Er lag da auf seinem Todtenbett, und flehte nur noch zum Herrn um ein seliges Stündlein. So, fast den letzten Odemzug auf den Lippen, in Betrachtung und Anschauen der anbrechenden Herrlichkeit versunken, wartete der Sterbende, ob der Herr Seinem Engel einen Wink geben werde, daß er ihn hinüberführe in den Schoos Abrahams. Doch in dem Augenblick sieht er einen Mann in einem strahlenden langen Kleid, das um ihn wallt, zu sich treten, der diese Worte zu ihm spricht: „Ich kann dich noch nicht aus deinem Leibe führen; denn die Gebete und Thränen deines Abtes Columban hindern mich!“ Der kranke Columban hört das, und wird traurig nach diesen Worten. Er ruft seinen Wärter Theudegisil, den wir schon kennen, an sein Lager heran, und schickt ihn sogleich mit der Bitte an den Abt ab, daß er doch alsbald zu ihm, dem Leidenden, kommen möchte. Theudegisil beeilt sich und findet den Columban weinend und betend in der Klosterkirche, doch folgt er dem Boten augenblicklich. Als er zu dem Kranken kam, und ihn fragte, was er wolle, sprach dieser: „Ach, warum hältst du mich mit deinen Gebeten in dieser kummervollen Welt zurück? Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu seyn; und schon stehen die bereit, welche mich hinaufgeleiten sollen, aber deine Gebete und Thränen binden ihnen die Hände. Ich bitte dich, laß ab, mich länger aufzuhalten, da mir schon die Pforten des himmlischen Reiches geöffnet werden.“ – Als er das hörte, ergriff den Columban eine gewisse heilige Furcht, in welche sich aber zugleich Freude über das selige Loos des heiligen Genossen mischte. Er ließ die Brüder zusammenrufen, reichte dem Scheidenden den Leib und das Blut des Herrn zur Wegzehrung, segnete ihn ein, und die Brüder, welche das Lager des scheidenden Bruders umstanden stimmten einen Sterbegesang an, bis nun die Engel die befreite Seele hinübertrugen. – In solcher Kraft und Wirkung zeigte sich der Glaube des Columban.
Lieblich und interessant sind auch die verschiedenen Züge, die uns von ihm berichtet werden, und von denen wir schon etwas vernommen haben, aus denen hervorgeht, daß ihm auch die unvernünftige Kreatur gehorsam war. So erzählt Chamnoaldus, später Priester zu Lyon, früher aber Diener und Schüler des Columban, daß dieser sich häufig in Wäldern und an einsamen Orten aufgehalten habe, um dem Gebete und der Betrachtung obzuliegen. Da hätten sich denn, erzählt Chamnoald als Augenzeuge, häufig wilde Thiere und Vögel bei ihm eingefunden, die auf seinen Befehl alsbald näher herbeigekommen wären. Columban hätte sie dann, mit der Hand sie streichelnd, näher an sich gezogen, darüber hätten die wilden Thiere sich so gefreut, daß sie wie junge Hunde spielend um ihn hergesprungen wären, die Vögel aber hätten sich auf seine Hand gesetzt, und ihm fröhlich ein Lied gesungen. – Es würde das allerdings an 1 Mos. 1, 20. c. 2, 19. 20. Jes. 11, 6-9. erinnern. Und warum sollten nicht die Thiere zu solch einem Freunde Gottes sich halten können, und ihm freundlich seyn, da sie ohne ihren Willen unterworfen sind der Eitelkeit, und sich nur gewaffnet haben zum Angriff des Menschen, nachdem er ein Feind Gottes geworden ist. „Denn auch die Creatur frei werden wird von dem Dienst des vergänglichen Wesens, zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.“ Röm. 8, 21. Columbans Ruf und Ruhm war jetzt längst durch alle Theile Galliens und alle Gauen Deutschlands gedrungen. Ueberall sprach man von ihm, überall rühmte man ihn – doch er sollte auch mit der Furcht und den Schrecknissen des Herrn umkleidet werden, um den Gottlosen die Gerichte des Herrn zu verkündigen, ob sie etwa Buße thun wollten. Denn war er schon im Mutterleibe wie Jeremias als ein Diener Gottes bezeichnet worden, so sollte nun auch die Zelt kommen, wo auch ein anderes Wort Gottes an jene klagend um die Trümmer Jerusalems fliegende Nachtigall des alten Bundes an unserm Abte wahr werden sollte – das Wort Jer. 1, 10. 18. 19. „Siehe ich setze dich heute über Völker und Königreiche, daß du ausreißen, zerbrechen, zerstören und verderben sollst, und bauen und pflanzen: Ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande wider ihre Fürsten, wider ihre Priester, wider das Volk im Lande, daß, wenn sie gleich wider dich streiten, dennoch nicht sollen wider dich siegen, denn Ich bin bei dir, spricht der Herr, daß ich dich errette.“
Doch wir müssen hier einen Blick in die Geschichte des Herrscherhauses über jene Gegenden werfen. Im Jahre 568 regierte Siegbert I., König über Austrasien (Francia orientalis), dessen Hauptstadt Metz war; er war von Chilperich I., König über Neustrien (Francia occidentalis mit der Hauptstadt Paris), seinem leiblichen Bruder bei Vitry durch List getödtet worden. Childebert, des Erschlagenen Sohn, den wir oben erwähnten, hatte das Scepter des Reiches mit Zustimmung seiner Mutter Brunehildis ergriffen. Allein auch er starb fast noch in den Jünglingsjahren und es regierten nach ihm seine zwei Söhne Theodebert und Theoderich mit ihrer Großmutter zugleich. Theodebert herrschte über Austrasien und Theoderich über Neustrien und Burgund. – Nun gratulirte sich Theoderich, daß er den heiligen Columban innerhalb der Grenzen seines Reiches hatte. Er kam auch häufig zu ihm, ließ sich von ihm belehren und ersuchte ihn in aller Demuth um seine Fürbitte. Allem ein inniges und dauerndes Verhältniß konnte sich unter ihnen nicht schließen. Theoderich hatte seine rechtmäßige Gemahlin Emengan, eine Tochter des Bettericus von Spanien, mit der er sich im 12. Jahre seiner Regierung vermählt hatte, schon nach einem Jahre auf den Rath der Brunehildis auf eine schändliche Weise verstoßen und sie ihrem Vater zurückgeschickt. Nachdem das nun aber geschehen, hatte er sich ein ganzes Harem von Nebenweibern angelegt, wollte aber dabei nichts destoweniger ein guter Freund des Columban bleiben. Eine Erscheinung, die sich häufig wiederholt und beobachten läßt. Die Gottlosen drängen sich oft an die Frommen heran und suchen ihre Freundschaft, gleichsam um mit deren Gerechtigkeit ihre Ungerechtigkeit zudecken und beschönigen zu können, um als thörichte Jungfrauen von deren Oel mit zu genießen. – Columban konnte und durfte nicht lange schweigen. Er hielt dem Könige ernst die Wahrheit vor und strafte ihn aus Gottes Wort. So wie Johannes einst zu Herodes hintrat mit dem Worte: Es ist nicht recht, daß Du Deines Bruders Weib hast – so Columban zu Theoderich: Es ist nicht recht, daß Du fremde Weiber hast. Seine Ermahnungen und Vorstellungen machten auf den König auch einen guten Eindruck; er versprach, er wolle sich von allen unerlaubten Dingen scheiden. Da machte sich aber die alte Schlange an den Geist der Brunehild, der Großmutter des Königs, die eine zweite Isabelle war, und den Mord von zehn Königen und königlichen Prinzen auf ihrem Gewissen mit in die Ewigkeit hinüber nahm; der Satan reizte sie durch den Stachel des Stolzes gegen den Mann Gottes auf. Denn weil sie sahe, daß Theoderich ihm folgte, fürchtete sie, daß, wenn nach Beseitigung der Concubinen. eine rechtmäßige Königin am Hofe regiere, sie allen Einfluß und ihr ganzes Ansehen verlieren werde; während, wenn der König in den Vergnügungen der sinnlichsten Lust versunken wäre, nicht zu befürchten stand, daß er sich viel um ernste Regierungsgeschäfte bekümmern werde und Brunehild dann allein gebieten konnte.
Nun trug es sich eines Tages zu, daß Columban zu der Brunehilde kam, die ihm schon längst eine Falle gelegt hatte. Als sie ihn deßhalb zum Thore hereinkommen sahe, schritt sie auch alsbald zur Ausführung eines ihrer Pläne. Sie führte nämlich dem Diener Gottes die unehelichen Kinder des Theoderich zu, und indem jener fragt, was die Anwesenheit der Kinder zu bedeuten habe, sprach Brunehild: „Es sind die Kinder des Königs, stärke Du sie durch Deinen Segen!“ Columban wandte sich aber schnell und sprach: „Keineswegs! Meinst Du, daß jene königliche Scepter tragen werden, die aus unerlaubten Umgange entsprossen sind?“
Brunehild ward wüthend und befahl die Kinder hinwegzuführen. Columban strafte darauf auch sie, und drohte ihr mit Gottes Strafe. Sie stellte sich, als sei sie erschüttert, und bot scheinbar die Hand zum Frieden. Allein es war nur Schein. Columban ging wieder; und als er über die Schwelle des königlichen Gebäudes trat, entstand ein Krachen in demselben, welches Alles in Schrecken setzte, nur die Wuth der elenden Frau vermochte nichts zu zügeln. Sie ließ ihren feindseligen Sinn alsbald gegen die benachbarten Klöster offen ausbrechen. So ließ sie den Mönchen z. B. befehlen, daß keiner es wagen solle, über die Grenzen seines Klosters hinaus eine Reise zu unternehmen, wodurch nun freilich die Predigt des Wortes gehemmt wurde. Auch sollte Niemand den Mönchen auch nur einige Unterstützung gewähren. – Columban hörte alsbald davon, und sahe mit Schmerz die Erbitterung der königlichen Gemüther gegen sich. Er eilte zu ihnen, um durch seine Ermahnungen den Starrsinn zu brechen. Da kam er denn bei untergehender Sonne nach einem Dorfe Spissa, wollte aber nicht bis zur königlichen Residenz weiter gehen, und die königlichen Gemächer betreten. Als dem Könige das angezeigt wurde, befahl er, ihm die ausgesuchtesten Speisen und königlichen Geschenke, goldne Becher und dergleichen hinzutragen. Damit war nun freilich dem Columban nicht gedient, da er merkte, daß für ihn darin etwas Bestechliches liegen sollte. Er wies deßhalb alle Geschenke zurück und bediente sich dabei der Worte Sirachs K. 34, 23. „die Gaben der Gottlosen gefallen dem Höchsten gar nicht; und Sünden lassen sich nicht versöhnen mit viel opfern!“ Die königlichen Diener gingen erstaunt und erschreckt zurück und berichteten Alles ihrem Herrn. Auch diesen ergriff die Furcht und er eilte am nächsten Morgen mit seiner Großmutter schon bei aufgehender Sonne zu dem Knechte Gottes hin. Zu ihm gekommen, bitten ihn beide um Vergebung des Geschehenen wegen, und versprechen sich zu bessern. Durch ihre Versprechungen beruhigt, kehrte Columban zu dem Kloster zurück. Allein die vom Könige und seiner Großmutter gegebenen Schwüre wurden nicht lange gehalten. Ja man stürzte sich noch tiefer in Sünde und Elend hinein. Theoderich fuhr in seinem gewohnten Ehebruch fort und Brunechildis in ihrer Wütherei und Grausamkeit. Man darf sich deßhalb nicht wundern, daß Columban, als er das hörte, scharfe Briefe an den König richtete, und ihm mit der Excommunication drohte, wenn er sein sündliches Leben nicht bessere. Dadurch ward die Wuth der Brunechild aufs neue entflammt und sie bot Alles auf, auch das Gemüth des Königs gegen Columban aufzureizen, wie sie es auch nicht daran fehlen ließ, alle Hofleute, Geistliche wie Laien gegen den Knecht Gottes aufzustacheln, den Abt beim Könige, welcher ihm noch immer wohlwollte, zu verleumden, namentlich mußten die fränkischen Bischöfe ihn deßhalb anklagen, daß er nicht die römischen, sondern die aus Kleinasien stammenden keltischen Kirchengebräuche befolge. Und der König ließ sich gegen Columban einnehmen, obgleich er noch immer große Ehrfurcht für denselben im Herzen bewahrte. Gezwungen gleichsam reis’te deßhalb der König zu ihm nach Luxeuil. Theoderich klagt darüber, daß Columban so von den gewöhnlichen abweichende Gebräuche habe und daß nicht Jedem der Zutritt in die innersten Gemächer des Klosters frei stände. Columban erwiederte ganz ruhig, es sei nicht seine Gewohnheit, weltlichen gottlosen Menschen den Zugang in die Behausung der Knechte Gottes zu gestatten, dazu wäre ein besonderes Zimmer eingerichtet, wo Jeder aufgenommen werde. Der König drohte, seine Hand vom Kloster abziehen zu wollen, sobald der Zutritt nicht überall frei gegeben werde und schritt schon in das Refectorium, als der Abt ihm noch ganz in der alten Ruhe sagte: „Wenn du das, was bis jetzt unter regelmäßiger Zucht verschlossen war zu verletzen versuchst, so werden weder die Geschenke, welche du früher dem Kloster gabst, noch deine Truppen dir etwas helfen und dich schützen können. Und solltest du gar hierher gekommen seyn, das Kloster zu zerstören und die Klosterzucht zu beflecken, so möge dich die Kunde abkühlen, daß dein Königreich bald ein Ende hat, und alle deine Kinder umkommen werden.“ Der Erfolg bestätigte Columban’s Wort; denn binnen dreier Jahre war Theoderich wirklich sammt seiner ganzen Familie erschlagen. Doch jetzt drang noch die Stimme des Buße predigenden Columban an sein Ohr, und so eindringlich und scharf, daß er erschreckt schnell zurück trat und vor die Thür ging. Dort angekommen wandte sich der König, ließ den Columban etwas hart an, und warf ihm vor, daß er in seinem ganzen Wesen und seiner Erscheinung etwas Absonderliches habe und nicht sey wie andere Menschen (ein gewöhnlicher Vorwurf, der die Kinder Gottes von den Weltkindern trifft). Als Columban sich christlich und bescheiden vertheidigte, fuhr Theoderich aufgeregt fort: „Du hoffest wahrscheinlich, ich werde dir die Krone eines Märtyrers zutragen, aber solche Thorheit werde ich nicht begehen. Doch wisse, daß ich etwas, das für dich und mich nützlicher und besser ist, im Auge habe: ich will dich nämlich, da du von den Sitten und Gewohnheiten aller Weltlichen so weit abweichst, veranlassen, daß du des Weges wieder hingehest, auf dem du hierher gekommen bist.“ Sämmtliche Hofleute stimmten dem Urtheile des Königs alsbald bei, und freuten sich schon darüber, daß der aus ihrer Nähe hinweggeschafft werden solle, welcher sich mit Niemand verbinden wolle. Columban aber betheuerte er werde nur der Gewalt weichen und nicht eher aus den Mauern des Klosters gehen, bis sie gewaltsam zerbrochen würden.
Der König eilte nun wieder davon, ließ aber einen Grafen Baudulf mit dem Befehle zurück, den Columban als Exulanten nach Besancon abzuführen, ihm jedoch manche Freiheit zu gestatten. Der königliche Befehl wird ausgeführt. Aber denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Auch das Leiden der Kinder Gottes gereicht zur Verherrlichung des Herrn und zu ihrer eigenen Kundwerdung. So hier. Als Columban in Besancon verweilte, hörte er, daß daselbst ein ganzes Gefangniß voll von Menschen wäre, die, bereits zum Tode verurtheilt, ihre Strafe erwarteten. Er eilt hin, und da ihn Niemand hindert, tritt er durch die Thür ein und verkündigte den Verurtheilten das Wort Gottes. Mit Liebe und Ernst weiset er sie hin auf das Lamm Gottes, das auch ihre Sünde getragen und ihnen das ewige Leben erworben habe. Sie möchten nur Buße thun und sich im Glauben zu ihm wenden, so sey auch für sie noch Heil vorhanden. Die Gefangenen hören die Botschaft des Friedens mit Freuden, sie versprechen, sich bußfertig zu Gott zu wenden, und, wenn sie frei würden, auch den verursachten Schaden wieder zu ersetzen. Columban freut sich, und befiehlt seinem Diener im Namen Gottes das Eisen zu ergreifen, durch welches jene an den Füßen zusammengeschmiedet waren, und es zu ziehen. Der Diener gehorcht, und siehe! als er das Eisen zieht, zerbricht es, wie ein fauler Zweig, und Columban befiehlt den von den Fesseln Befreiten nun aus dem Gefängnisse zu gehen. Darauf hielt er einen Gottesdienst mit ihnen und wäscht ihnen ihre Füße ab und trocknet sie mit einem langen Stück Leinwand. Nachdem auch das geschehen heißt er sie nach einer Kirche eilen, um dort ihre Verbrechen zu bekennen und mit Bußthränen ihre Schuld zu beweinen, damit sie durch das Blut Christi getilgt und abgewaschen werde. Als diese dahin eilen, erwachen nun die wachhabenden Soldaten mit ihrem Anführer erst wie aus einem Traume, finden ein leeres Gefängniß und eilen den Entwichenen nach. Die aber waren bereits bis zur Kirchthür gelangt, die sie aber verschlossen finden. Columban war jedoch mit ihnen gegangen, und den bestürmen jetzt die Befreiten, daß er sie errette. Er läßt sich auch nicht lange dazu nöthigen. Voll Inbrunst schreit er zu dem Herrn, daß Er doch die, welche Er aus den eisernen Ketten, ja aus den Ketten des Satans gerettet habe, nun auch vor der Wuth der herandringenden Soldaten bewahren möge. Und Gott erhört sein Gebet. Die Kirchthüren öffnen sich vor den Gefangenen, schließen sich aber wieder hinter den Eingetretenen und entziehen diesen den Angriffen der Soldaten. Vor dem Altare bekennen und bereuen sie nun ihre Sünden und Columban absolvirt sie von denselben. – Der merkwürdige Vorfall machte natürlich auf Jedermann, auch auf die Obrigkeit einen tiefen Eindruck, und bewirkte die völlige Loslassung der früher Verurtheilten.
Columban genoß in Besancon alle mögliche Freiheit, Niemand wagte es, ihm einige Beschwerlichkeit zuzufügen; denn Jedermann sah an ihm die Kraft Gottes, und man scheute sich, der Sünde des Königs sich theilhaftig zu machen. Als er sich nun so ganz unbewacht sah, stieg er eines Tages früh auf den Gipfel eines Berges, der dicht bei der Stadt lag, wartete bis Mittag, ob man ihn suchen und zurückführen werde, und als das nicht geschah, trat er seinen Weg wieder nach dem Kloster Luxeuil an. Zu vertheidigen ist das aber gewiß nicht, denn die Schrift spricht: Seyd unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat.
Kaum hatten Theoderich und Brunechild von seiner Rückkunft Kunde erhalten, als sie in neuem Zorn gegen ihn erglühen und sogleich Befehl geben, daß er mit Gewalt aufgehoben und in der Mitte einer Cohorte Soldaten an seinen frühern Verbannungsort zurückgeführt werde. Die Soldaten kommen ins Kloster und durchsuchen es an allen Orten, ohne den Knecht Gottes zu finden; selbst in die Kirche dringen sie ein, aber – obgleich er am Altare saß und in der heil. Schrift las – sehen sie ihn doch nicht, ja sie gehen so dicht an ihm vorbei, daß ihre Kleider sogar die seinigen berühren, ohne daß sie ihn gewahren; denn ihre Augen waren geblendet. Endlich sieht der Hauptmann der Schaar zum Fenster der Kirche hinein, erblickt Columban am Altare, wie er betet und liest, ohne von den Soldaten bemerkt zu werden, erschrickt und ruft alle seine Leute zusammen. Als sie um ihn treten, spricht er zu den Soldaten: Seht ihr denn nicht den Mann Gottes? Wir suchen ihn und er wird von der Kraft Gottes bewahrt. Laßt uns abstehen von unserm Unternehmen, damit unser Herz nicht auch durch Irrthum betrogen werde. Wir wollen zurück eilen zum Könige und ihm erzählen was vorgefallen ist, damit er ablasse, und nicht erfunden werde als solcher, der wider Gott streite!“
Gesagt gethan. Der Hauptmann eilt mit den Seinigen zurück und verkündigt vor den königlichen Ohren das Vorgefallene. Allein die waren jetzt vor der Wahrheit verschlossen, und es hieß bei Theoderich und seiner Großmutter in Beziehung auf den Columban: Er ist uns auch nicht leidlich, ihn nur anzusehen. Es ward deßhalb alsbald ein neuer Plan gegen ihn geschmiedet. Baudulf und noch ein anderer Graf, Bertarius, werden abgeschickt, um genaue Erkundigungen über ihn einzuziehen. Sie finden den Columban in der Kirche mitten unter einem Psalmen singenden Chore von Brüdern. Der Anblick machte einen tiefen Eindruck auf sie, und sie reden ihn so an: „Mann Gottes! wir bitten Dich, gehorche sowohl dem königlichen als unserm Befehle, und ziehe in deine Heimath zurück!“ Er aber antwortete: „Nicht also, ich bin meinem Schöpfer schuldig, ihm zu gefallen; Er hat mich aus meinem Vaterlande geführt und ich werde dahin nicht wieder zurückkehren. In der Furcht Christi bin ich ausgezogen, und ich werde in der Fremde wandeln, bis mich mein Gott aufnimmt in das himmlische Vaterland!“ Die beiden Grafen beklagten es, daß sie die Vollstrecker eines so unglücklichen königlichen Befehles sein sollten; allein sie könnten es doch nicht ändern, und baten deßhalb de n Columban noch einmal, ihnen zu folgen. Er antwortete aber, wie früher, er werde es nicht thun, wenn er nicht mit Gewalt hinweggeführt werde. Da machten sie ihm bemerklich, er werde durch seine beharrliche Weigerung sie Beide in Todesgefahr stürzen. Das wirkte. Andere wollte er seinetwegen nicht in Gefahr bringen.
Mit großem Schmerze und unter vielen Thränen verließ er daher das Kloster und trat in die Mitte der Mannschaft, die ihn bis an die Grenze des Reiches bringen sollten. Ihr Anführer hieß Ragamund. Dieser führte ihn nach Nantes. Alle Brüder folgten ihm in einem langen Trauerzuge, vom tiefsten Schmerz ergriffen. Columban ward fast besorgt, als er sich mit so vielen Gliedern auf einmal in die weite Welt hinausgestellt sah. Er sah aber gen Himmel und betete laut: „Vater im Himmel, Schöpfer aller Dinge, bereite du uns die nöthige Speise, damit deine Knechte dir dienen mögen und deiner Kirche.“ Darauf tröstete er die Seinigen und ermunterte sie zum Glauben und zur Hoffnung auf den lebendigen Gott. Ihre Aufhebung und Vertreibung sey keineswegs als ein Zorngericht Gottes anzusehen; sondern Alles müsse zu Seiner Ehre gereichen und zur weitern Ausbreitung Seines Reiches ausschlagen. Doch stellt er es den Brüdern anheim, welche von ihnen zu Luxeuil bleiben wollten, die möchten ruhig umkehren, und ohne Sorge seyn, denn der Herr werde sich ihrer Trauer wegen alsbald zur Rache aufmachen. Aber Keiner wollte sich freiwillig von dem Vater trennen, sie Alle wünschten ferner unter der Aufsicht ihres Pastors zu stehen und seines Rathes sich zu erfreuen. Da aber traten die königlichen Beamten wieder dazwischen und erklärten, daß sie nicht Allen erlauben dürften ihrem Vorsteher zu folgen, sondern nur denen, die ihn aus Brittanien hierher begleitet hätten. Alle Andern müßten auf königlichen Befehl zurückbleiben. Dieses Wort gab freilich für Columban und seine Brüder neuen, ja verdoppelten Schmerz. Alles zerfloß in Thränen. Er aber ermannte sich und betete laut, daß der Herr als der rechte Tröster mit den Brüdern seyn, und die, welche durch den königlichen Machtspruch gewaltsam von ihm getrennt würden, desto fester an Sein treues Vaterherz legen und sie stets beschirmen und stärken möge ritterlich zu kämpfen, bis die himmlische Krone erlangt sey. Unter den so zurückgehaltenen war auch Eustasius, Schüler und Diener des frommen Mannes, der später Abt von Luxeuil wurde.
Zwanzig Jahre hatte sich Columban in der Gegend aufgehalten, als er aus derselben verbannt wurde, und den Weg nach Nantes antreten mußte. Doch ehe er dahin kam, sollte er unterwegs noch Manches erfahren. So stürzte einst, als sie vorübergezogen, ein Wächter über die Pferde des Theoderich ihm entgegen, und wollte den heiligen Mann mit einer Lanze niederstoßen. Aber diesem bösen Vorhaben kam alsbald die göttliche Rache entgegen. Denn als der Mann die rechte Hand zum Stoße gegen den Knecht des Herrn schon ausgereckt hatte, stieß er die Lanze vor seinen Füßen in die Erde und stürzte selbst, von einem Dämon ergriffen, dem Mann Gottes zu Füßen. Columban aber, der Nachfolger Christi, verstößt ihn nicht, er behält den von der Strafe Gottes Ereilten denselben Tag und die ganze Nacht bei sich, betete für ihn und über ihm, und entließ ihn geheilt am folgenden Tage frisch und fröhlich in seine Heimath. – Der Weg ging nun zur Loire. Als sie an derselben hinabgezogen, kam Columban zu einer edlen und frommen Frau Theodemanda. Bei der hielt er sich eine kurze Zeit auf, und stärkte sich mit ihr im Glauben. Indem er aber dort war, kamen mehrere Männer herbei, welche von wüthenden Geistern besessen waren. Zu Columban gebracht, stürzten, sie zu seinen Füßen nieder, aber auch diesen hilft er und entläßt sie als geheilt.
Sie kommen darauf nach Autessiodorum (Auxerre?) an die Grenze von Neustrien. Da diese Rugamund ängstlich zu vermeiden sucht, sagt ihm Columban diese Aengstlichkeit sey überflüssig, denn Theoderich werde mit seiner Familie binnen dreier Jahre todt seyn, und Chlothar, König von Neustrien, werde dann auch über Burgund herrschen. Darüber erschrack freilich Rugamund und sprach zu Columban: „O, mein Herr, warum sagst du mir solches?“ Columban antwortete: „Ihr werdet sehen und erfahren, daß ich die Wahrheit sage, allein ich sage auch dir, daß du fallen wirst in dem Kampfe, der dann entsteht!“ Und es geschah also!
Von der kleinen Stadt Nevirnum (Nevers) welche sie berührten, sandte Rugamund Boten nach dem Flusse Liger (Loire) um ein Schiff zu bestellen, auf welchem man den Columban mit seinen Begleitern nach der englischen Küste zurückschicken könne. Der ganze Zug und jede dabei vorfallende Mühwaltung war den rohen Soldaten höchst lästig, sie ließen deßhalb auch ihre Wuth gar oft an den frommen Knechten des Herrn aus. Namentlich aber giebt folgender Vorfall ein Zeugniß davon. Als man endlich an den Fluß gekommen war, und Einer der Begleiter Columban’s, Namens Lua, es versuchte in den Kahn zu springen, wodurch dieser etwas ins Schwanken gerieth, nahm Einer jener rohen Menschen ein Ruder und schlug den frommen Mann todt! Dieses traurige Ende eines seiner Glieder erschütterte den h. Columban außerordentlich, er wandte sich deßhalb mit diesen Worten an den Mörder: „Warum fügst du Grausamer mir diesen Schmerz zu? Genügt zu eurem Untergange noch nicht, was ihr und euer König an uns verübt habt, wollt ihr eure Strafe noch durch größere Verbrechen vermehren? Warum erscheinst du gegen den Milden so unmild? Warum tödtest du die müden Glieder Christi? Warum stürmest du mit Grausamkeit gegen die Geduldigen da her? Thue Buße für dieses dein Verbrechen, wo nicht, so wisse, daß dich die Rache Gottes an diesem Orte treffen wird, an welchem du wüthend ein Glied Christi erschlagen hast!“ Der Mensch beharrte in seinem harten Sinn, darum geschah ihm nach dem Worte Columban’s; denn als er auf dem Rückwege an jenen Ort kam, und in demselben Hafen übersetzen wollte, ereilte ihn das Gericht Gottes, er stürzte ins Wasser und ertrank.
Ihr Weg führte unsere Reisegesellschaft nun nach der Stadt Aurelianensis (Orleans) Columban wollte daselbst mit den Seinigen in die Kirche gehen, um sich im Gebete zu stärken; allein es ward ihm nach königlichem Befehl verweigert, und er mußte unter großem Schmerze mit den Seinigen mit einem kleinen Zelte an der Loire vorlieb nehmen. Da sie aber auch die nothdürftigsten Lebensmittel entbehrten, so schickte er zwei seiner Begleiter in die Stadt, um das Nothwendige zu suchen. Einer von ihnen hieß Potentinus, und wurde später Abt. Sie durchschweiften die Stadt nach allen Richtungen, allein die Leute wagten weder ihnen Etwas zu verkaufen, noch auch, ihnen Etwas zu schenken, denn ein königlicher Befehl untersagte Beides. Traurig kehrten sie auf demselben Wege aus der Stadt zurück, auf welchem sie in dieselbe gekommen waren. Aber ehe sie noch das Thor erreicht, begegnete ihnen auf der Straße eine Frau, die vom Volke der Syrer war. Als sie die Boten sahe, trat sie an sie heran, und fragte, wer sie denn wären? Jene gaben ihr, der Wahrheit gemäß, kurzen Bescheid, und theilten ihr mit, daß sie das Nothwendigste gesucht, aber durchaus gar Nichts gefunden hätten. Darauf spricht die Frau: „Tretet, meine Herrn, in das Haus eurer Dienerin und nehmt mit euch, was ihr bedürfet. Denn auch ich bin hier eine Fremde, aus einem fernen Lande des Ostens.“ Hocherfreut über diese Worte folgen sie der Frau nach ihrem Hause, und nachdem sie in das Zimmer getreten, setzt sie ihnen Stühle hin, daß sie sich ausruhen möchten, bis sie ihnen bereitet und hergebracht habe, was sie nöthig hätten. Auch der Mann der Frau war gegenwärtig in dem Zimmer, saß aber still an einer Seite, denn er war blind. Die beiden Männer fragten, wer er denn sey, und die Frau antwortete: „Es ist mein Mann, auch von dem Geschlechte der Syrer wie ich. Da er nun aber schon viele Jahre blind ist, so muß ich ihn führen.“ Das rührte sie und sie sprachen, wenn der Leidende dem Diener Gottes Columban vorgestellt würde, so könnte er wohl durch dessen Gebet sein Augenlicht wieder erhalten. Nach diesen Worten verließen sie mit ihren Gaben unter Dank das Haus. Doch ihr Wort war wie ein Lichtstrahl in die Seele des Erblindeten gefallen, das Verlangen nach Hilfe erfüllt ihn, der Glaube stärkt seinen Geist, und er bittet deßhalb seine Frau ihn alsbald jenen beiden nach hinzuführen zu dem Manne Gottes, Columban. Eben erzählten jene Beiden ihm das Erlebte, da stand auch schon der Blinde vor ihm, und bat den Mann Gottes, durch sein Gebet zu Gott ihm. sein Augenlicht wieder herzustellen. Als Columban den Glauben des Blinden sahe, forderte er alle Brüder auf, für ihn zu beten, er selbst aber warf sich auf die Erde auf sein Angesicht und rang in einem langen Gebet vor Gott. Darauf erhob er sich, trat im Glauben zu dem Blinden, rührte dessen Augen mit der Hand an und blickte auf gen Himmel. Und Gott erhörte seinen Diener. Der Blinde ward sehend, und lobte Gott. Columban sagte ihm darauf, weil er nun sein äußerliches Augenlicht wieder erlangt habe, möge er mit rechtem Fleiß Gott bitten, ihm auch das innerliche Licht zu schenken, und deßhalb anhalten mit David zu beten: Herr-, öffne mir die Augen, damit ich sehe die Wunder an deinem Gesetz. Ps. 119, 18. – Das Gerücht davon erscholl aber bald in die ganze Gegend. Man führte Kranke und Besessene zu Columban, und er heilte sie durch Gottes Kraft und Gnade. Gin süßes Geschäft war ihm dabei, überall und bei jeder Gelegenheit das süße Evangelium von dem Herrn Jesu Christo zu verkündigen, durch welche Sünder vor Gott angenommen und gerecht gemacht werden, wenn sie im Glauben kommen. Das machte denn aber doch den Eindruck, daß die Leute aus der Stadt ihn und die Seinigen heimlich mit allerlei Gaben unterstützten, weil sie es öffentlich nicht wagten.
Nun wird die Reise nach Turones (Tours) fortgesetzt. Als sie dorthin kommen, bittet Columban seine Wächter, daß sie das Schiff möchten anlegen lassen und ihm erlauben, das Grab des heil. Martin zu besuchen, um an ihm zu beten. Doch die Bitte wird ihm abgeschlagen; er betrübt sich und seufzet zu Gott. Das Schiff wird aber mitten auf dem Flusse wie festgehalten und ein Windstoß treibt es endlich in den Hafen hinein. Columban erreicht seine Absicht. Am andern Tage ladet ihn und die Seinigen Bischof Leoparius zur Tafel, was er namentlich der Brüder wegen annimmt, um denen eine Erquickung zu gönnen. Bei der Tafel fragte ihn der Bischof, warum er denn mit seinen Brüdern nach England zurückreise. Columban antwortet, das sey bloß der Betrieb des Königs Theoderich. Der treibe ihn von seinen Brüdern hinweg; allein er ziehe sich dadurch und durch seine andere Sünden Gottes Strafgerichte auf den Hals. – An der Tafel saß auch ein Oheim des Königs Theoderich mit, Chrodowald; allein Columban ließ sich durch dessen Anwesenheit nicht stören. Chrodowald war dem Könige ergeben und sprach mit scheinbarer Freundlichkeit zum Columban, ob es denn nicht besser für ihn sey, Milch zu trinken als Wermuth? Dieser erwiederte ihm: „Ich erkenne, daß du deine Treue gegen Theoderich bewahren willst.“ Chrodowald: „Das habe ich versprochen, und werde es auch halten, so lange ich kann.“ Columban: „Wenn du dem Könige Theoderich durch ein Bündniß so treu verbunden bist, so wirst du deinem Freunde und Herrn einen guten Dienst erzeigen, wenn du als Bote zu ihm eilst, der ihm von mir zugeschickt wird. Gehe deßhalb zu ihm, und sprich dieses vor seinen Ohren, daß er und seine Kinder, innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vertilgt werden soll, und daß sein ganzer königlicher Stamm von Grund aus werde ausgerottet werden!“ Chrodowald: „Warum verkündigst du Solches?“ Columban: „Ich kann nicht verschweigen, was mir der Herr auszusprechen übergiebt.“ Und zum Verdruß derer, die keine Weissagungen zugeben wollen, hat der Erfolg die Richtigkeit dieser Prophezeiung bestätigt, und auch die Critik kann nichts gegen die Wahrheit der Thatsachen einwenden; denn die Lebensbeschreibung Columban’s, aus der dieser Umstand entnommen, ist noch bei Lebzeiten mehrerer der Ohrenzeugen von dem Schüler Columban’s geschrieben worden.
Nachdem darauf die Mittagstafel aufgehoben war, kehrte Columban zu dem Schiffe zurück. Dort findet er die Seinen in großer Traurigkeit; denn während ihrer Abwesenheit war ihnen ihr Geld sammt sonstigen Sachen aus dem Schiffe gestohlen worden. Columban wurde darüber auch etwas betreten, aber er greift alsbald zu seinem gewöhnlichen Mittel: er betet inbrünstig zu Gott um Hilfe und Rath in dieser Verlegenheit. Und was geschieht? Einer der Schiffleute, der Alles gestohlen hatte, empfindet innerlich die gewaltigen Geißelhiebe seines Gewissens über seine That. Er will die Stimme unterdrücken, aber es geht nicht, und er fühlt nun auch äußerliche Schmerzen, unter denen er laut zu schreien anfängt und seinen Diebstahl bekennt. Als seine Genossen das sehen und hören, laufen sie hin, suchen und finden das Gestohlne, bringen es und legen es albald zu den Füßen Columban’s mit der Bitte nieder, daß er ein so großes Verbrechen verzeihen möge. – Das Ereigniß jagte aber Allen, die es hörten, eine solche Furcht und Scheu ein, daß Keiner es wieder wagte, etwas anzutasten, was dem Manne Gottes oder seinen Brüdern gehörte. Sie sahen Alles gleichsam wie etwas Geheiligtes an. – Nachdem nun auch Leoparius ihm das Nöthige hatte verabreichen lassen, sagte er dem Columban mit den Seinen Lebewohl.
Unsere Reisenden kommen endlich nach Nantes, wo Gott auch in vielen Fällen zeigte, daß Er mit Seinem Diener sey, und dessen Gang Ihm wohlgefalle. Als er mit den Seinigen Mangel litt, sandte ihm eine vornehme und fromme Frau, Namens Doda, welcher Gott das Herz gerührt hatte, 200 Maß Getraide zu. Auch der Bischof Suffronius, der sich Anfangs, aus Furcht vor dem Könige, nicht viel um Columban gekümmert hatte, ward doch freundlicher gegen ihn gestimmt, da er sahe, daß Gott Seinem Diener das Siegel Seines Wohlgefallens aufdrückte. Dieser mußte sich nämlich, da sich nicht alsbald eine Schiffsgelegenheit nach England fand, einige Zeit in Nantes aufhalten, und heilte in der Zeit Besessene und andere Kranke und predigte dem Volke Jesum Christum den Gekreuzigten.
Nach Verlauf einiger Zeit machte aber der Bischof Suffronius mit dem Befehlshaber in der Stadt, dem Grafen Feudoaldus, doch Anstalt, dem königlichen Befehle nachzukommen und den Columban nach Irland zurückzuschicken. Es war nämlich endlich ein schottisches Schiff in den Hafen eingelaufen, welches nach Irland zurückgehen wollte. Als man dem Columban das anzeigte, war er es zufrieden, daß man ihn, seine Brüder und ihre Geräthschaften und Habseligkeiten auf das Schiff brachte, da er sich dem königlichen Befehle nicht widersetzen, sondern abwarten wollte, wie es Gott schicken werde. Bei günstigem Winde wurden die Anker gelichtet, das Schiff verließ den Fluß und sie fuhren hinaus aufs Meer. Kaum aber war das geschehen, da entstand ein entgegengesetzter fürchterlicher Sturm, die Wellen gingen sehr bald ungemein hoch, und zwangen das Schiff umzukehren. Ja, als man noch einmal Versuche machte, die Höhe des Meeres zu gewinnen und die Schiffer alle Kraft und Kunst aufboten, ward das Fahrzeug von der Macht der Wellen ans Ufer zurückgeworfen, doch nicht so, daß es zertrümmert wäre. Man wartete nun drei Tage, ehe man einen neuen Versuch machte; denn der Wind hatte sich unterdeß gelegt und das Meer war ruhiger geworden. Allein es lief das zweite Mal nicht viel besser ab, als das erste Mal. Der Herr des Schiffes kam deßhalb auf den Gedanken, ob hier nicht vielleicht ein ähnlicher Grund obwalte, weßhalb Gott das Meer sich also erheben lasse, wie dort, als Jonas in einem Schiffe saß. Bei näherer Erkundigung über Columban und die Seinigen ward ihm das zur Gewißheit. Er ward deßhalb Raths, ihn und seine Begleitung nebst ihren Sachen ans Land zu setzen, was denn auch ohne Verzug geschahe. Und als nun eine neue Fluth kam, fuhr das Schiff hinaus auf die Höhe und konnte ungehindert seinen Lauf fortsetzen. Alle staunten, und Columban erkannte mit den Seinen, es sey nicht der Wille Gottes, daß er in sein Vaterland zurückkehre. Und da ihm Niemand ein Hinderniß in den Weg legte, eilte er mit seinen Brüdern in ihre frühere Wohnung zurück. Das Volk betrachtete ihn wie einen Heiligen, trug ihm allerlei Gaben herbei und erklärte, ihn und seine Leidensgenossen aufs Entschiedenste zu schützen, da Allen die Hilfe und Obhut Gottes, die Er Seinen Knechten erzeigt in die Augen leuchtete. Nun freilich, der Hüter und Hirt Israels schläft und schlummert nicht, Er ist stets zur Hilfe der Seinen bereit. Heil Allen, die sich auf Ihn verlassen, und sich setzen unter den Schatten Seiner Flügel.
Nachdem Columban nun noch eine kurze Zeit in Nantes verweilt hatte, verließ er das burgundische Reich und richtete seinen Weg zum Chlothar, dem Sohne des Hilperich, welcher über Neustrien, die westlichsten Grenzen Galliens, deßhalb Gallia occidentalis genannt, regierte. Chlothar hatte schon gehört, mit welcher Wuth Brunehild und Theoderich den Columban angegriffen und verfolgt hatten. Er nahm ihn deßhalb nicht allein freundlich, sondern selbst als ein Geschenk Gottes auf, und bat ihn, sich irgend eine Stelle in seinem Reiche zur bequemen und geeigneten Niederlassung auszusuchen, und versprach zugleich dem frommen Manne, ihm jede Unterstützung zu gewähren. Columban erwiederte jedoch, er sey nicht gesonnen, an diesen Orten zu bleiben, theils um nicht in seinen weiteren Missionsreisen gehemmt zu werden, theils auch, um dem Theoderich keine Veranlassung zur Feindschaft gegen den Chlothar zu geben. Soviel verlangte Letzterer aber doch, daß Columban wenigstens einige Zeit bei ihm blieb. Freilich sah nun der fromme Mann aber auch hier gar Manches, was nicht mit dem Evangelio stimmte, wie es denn daran an keinem fürstlichen oder königlichen Hofe fehlt. Es gab hier viele Irrthümer in der Lehre und viele Gebrechen und Sünden im Wandel, wie denn beides immer eng zusammenhängt. Doch fand Columban an dem Chlothar einen willigeren und gehorsameren Schüler als an dem Theoderich. Der König ließ sich strafen und versprach, alle Irrthümer auf den Rath des Columban zu verbannen und an seinem Hof auch eine strengere Zucht einzuführen. Ja Chlothar wurde so von Liebe zur göttlichen Weisheit und dem Diener des Herrn, der sie ihm verkündigte, erfüllt, daß er höchst ungern an ihre beiderseitige Trennung sich erinnern ließ.
Nachdem aber Columban einige Zeit bei dem Chlothar verweilt hatte, brach ein Grenzstreit zwischen Theodebert und Theoderich aus, und Jeder von ihnen schickte an den Chlothar eine Gesandschaft ab, um ihn zur Hilfsleistung aufzufordern. Der König theilte die ganze Angelegenheit dem frommen Manne mit, um seinen Rath zu hören; denn er war schwankend, was er thun solle. Leiste er dem Einen Beistand, so müsse er ja gegen den Andern streiten, und das könne und wolle er. Columban’s Rath ging kurz dahin, er solle Keinem von Beiden Beistand leisten. Fügte dann nun aber mit prophetischem Geiste das Wort hinzu: Beide Reiche werden innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren unter seine (Chlothar’s) Herrschaft kommen! Als Chlothar das hörte beschied er beide abschlägig und sahe in ruhiger Erwartung den zukünftigen Dingen entgegen.
Columban wollte nun aber nicht länger bleiben. Er bat deßhalb den Chlothar um einige Unterstützung, denn er habe sich vorgenommen, wo möglich durch des Theodebert Reich über die Alpen nach Italien zu reisen. Der König hörte ungern davon, konnte aber den Columban zu keiner Aenderung seines Entschlusses bringen, gab ihm Begleiter mit, und entließ ihn unter Thränen des Dankes und der Liebe. – Unser Bote Gottes kam nach angetretener Reise nach der Stadt Paris. Indem er eben durch das Thor in die Stadt eintreten wollte, lief ihm ein Mensch mit einem unreinen Geiste entgegen und schrie mit kläglicher Stimme: „Was machst Du, heiliger Mann, an diesem Orte?“ Auch schon lange vorher hatte er mit rauher Stimme geschrieen, der Mann Gottes, Columban, werde ankommen. Als Columban den Menschen sahe, sprach er: „Fahre aus, unsauberer Geist, fahre aus, und unterstehe dir nicht, den Leib Christi, welcher in der Taufe abgewaschen ist, länger zu besitzen. Weiche der Kraft Gottes, und zittre bei der Anrufung des Namens Christi.“ Aber wüthend und mit grausamen Kräften widerstand der Geist längere Zeit. Da legte Columban seine Hand in den Mund des Menschen, hielt ihm die Zunge, und befahl dem unsauberen Geist im Namen des dreieinigen Gottes, auszufahren. Der Dämon riß den armen Menschen mit solcher Gewalt hin und her, daß dieser kaum von starken Händen gehalten werden konnte, bis er endlich ausfuhr, dabei aber solch einen Gestank hinterließ, daß die Umstehenden meinten, eher den stärksten Schwefelgeruch, als diesen Gestank ertragen zu können! -, Es möchte Einem bei der Erzählung wohl der Gedanke einkommen: Ach, daß doch Columban auch jetzt wieder zu dem Thore von Paris hinein wandern und die unreinen Geister, die jetzt andern Gestank überall hin verbreiten, austreiben mochte! zu thun würde er wohl genug bekommen; denn es giebt da gar viele sogenannte esprits forts, die sich aber von dem Geiste Gottes nicht mehr wollen strafen lassen; denn sie sind Fleisch. Dies ist aber doch nur Heu, und wird sich zuletzt namentlich als solches zeigen, wenn der Geist und das Feuer des Herr n unter sie fahren, und Alle dahin reißen wird. Mögen wir uns aber treiben lassen von dem heiligen Geiste, um durch Christum selig zu werden. Bitte ihn um Seine Einkehr in dein Herz; denn ohne den h. Geist kann man Christum nicht seinen Herrn heißen!
Columban gelangte endlich zu dem Theodebert. Als dieser ihn sahe, ward er hoch erfreut, und nahm ihn alsbald in sein Schloß auf. Dasselbe geschah auch mit den Brüdern, die aus dem Kloster Luxeuil zu dem Abte eilten, und die dieser wie eine Beute aufnahm, die dem Feinde entrissen sey. Theodebert sagte ihm alle mögliche Unterstützung zu, wenn er nur innerhalb der Grenzen seines Reiches bleiben wolle, und machte den Columban darauf aufmerksam, er könne ja das Wort Gottes den benachbarten heidnischen Völkern predigen. Columban ging auf die Bitte des Königs ein, und sprach zu diesem: „Wenn du auch nur die Hälfte von dem, was du mir und meinen Brüdern versprochen hast, gewähren willst, wird es mir schon genug seyn; doch siehe dich vor, daß es dein Herz auch rechtschaffen meint vor dem Herrn; denn Falschheit ist ihm ein Gräuel. Ich will aber unter solchen Umständen in deinem Lande bleiben und es versuchen, ob ich das Wort Gottes in die Herzen der benachbarten Völker säen und ihre Herzen zum Glauben erwecken kann.“ Vor dem Herrn aber beugte sich Columban in tiefer Demuth und fragte: Herr, bin ich auch geschickt und würdig zu solch einem hohen Werk? Aber seine ganzen Seele schwamm doch auch zugleich in seliger Freude bei den Gedanken, daß er unter den Heiden den süßen Namen Christi verkündigen und diese verirrten Schaafe hinweisen und hinführen sollte zu dem guten Hirten. Und da ihm der König gestattet hatte, sich irgendwo einen passenden und bequemen Ort zur Niederlassung auszusuchen, wählte er mit den Seinen noch innerhalb der Grenzen Teutschlands, die nicht weit vom Rhein gelegene früher zerstörte Stadt Brigantiä, (das heutige Bregenz am Bodensee) und siedelte sich daselbst an.
Doch wir müssen ihn auf seinem Zuge dahin begleiten und unsern Blick bei einigen Vorfällen während der Reise etwas festhalten. Es kam auf der Reise dorthin Manches vor, was den kindlich festen Glauben dieser Heidenboten, mit dem er sich an das Vaterherz Gottes legte, ja den Anker seiner Hoffnung so recht in dasselbe hinein senkte, auf das deutlichste zeigt. Da die Reise zu Wasser Rhein aufwärts ging, so kamen unsere Friedensboten auch nach Mainz (dem alten Maguntiacum). Auf der ziemlich langen Reise war dem Columban das Geld ausgegangen und gar Nichts mehr vorhanden. Eben so wenig besaß er mit seinen Brüdern, etwas an Nahrungsmitteln. In der Verlegenheit sagten ihm die Schiffsleute, welche von dem Könige Theodebert zu dem Zwecke abgeordnet, ihn hierher geführt hatten, sie hätten in der Stadt mehrere Freunde und boten ihm an, von denen für ihn zu entleihen. ‚Columban nahm den Vorschlag an, und sprach zu ihnen:“ Gehet hin, und thut also.“ Allein die Freunde wollten Nichts geben, und niedergeschlagen und mit leeren Händen kommen die Bootsleute wieder zurück. Da sagte Columban: „Nun, so lasset mich zu meinem Freunde gehen.“ Jene wundern sich, wie er in Mainz, wo er noch nimmer gewesen, einen Freund habe; Columban geht aber in die Kirche und wirft sich auf den Boden, und ergießt sich in einem langen inbrünstigen Gebete vor dem Herrn, daß Er ihm und den Seinen doch Hilfe gewähren wolle. Noch ist er nicht vom Gebete aufgestanden, so kommt der Bischoff in die Kirche, und indem er den Columban betend findet, frägt er ihn, nachdem der aufgestanden, wer er sey. Dieser aber antwortete er sey ein Fremdling. Worauf ihm denn der Bischoff sagt, wenn es ihm etwa an Geld, oder an sonstiger Hilfe mangle, so möge er nur mit ihm in sein Haus kommen und sich nehmen, was und so viel er bedürfe. Columban dankt nicht allein dem Bischofs freundlich für sein Anerbieten, sondern auch dem Herrn, der jenes Herz also gelenkt hatte; denn das hieß wohl recht: „Ehe sie rufen, will ich antworten, wenn sie noch reden, will ich hören.“ Jes. 65, 24. Da der Bischoff nun so freundlich war, schickte Columban alsbald einen Knaben nach dem Schiffe, und ließ seine Brüder herbeirufen, daß sie das nöthige Geld und andere Bedürfnisse für die Reise aus dem Hause des Bischoffs abholen möchten. Letzterer hat nachher selbst oft bezeugt, noch nie habe er früher einem wildfremden Menschen ein ähnliches Anerbieten gemacht, wie er denn auch gerade um jene Stunde einen ganz besonders starken Trieb in sich empfunden habe in die Kirche zu gehen.
Die Reisenden kamen später nach einem Orte, der hieß Tucconia. (Das heutige Zug.) Als Columban denselben durchwandelte, meinte er zwar, er gefiele ihm nicht, sagte aber doch, er wolle eine Zeitlang da bleiben. Und das war gut gethan – gerade wenn man der Natur entgegentritt, kann sich die Gnade in ihrer Kraft am ersten verherrlichen. Er predigte deßhalb daselbst und unter den benachbarten Völkerschaften das Evangelium und nicht ohne Segen. Eines Tages fand sich’s nun, daß die heidnischen Einwohner von Zug ein Opferfest halten wollten. Sie trugen deßhalb ein großes Gefäß herbei, welches 26 Maß Bier enthielt. Als nun Columban herantrat und nachforschte, was sie denn damit machen wollten, sagten ihm die Leute, daß sie das Bier ihrem Gott Wodan opfern wollten. Als er nun das hörte tritt er heran, hebt das Gefäß in die Höhe, und siehe! in demselben Augenblick zerspringt dasselbe. Die Heiden prallen erschreckt zurück, und rufen erstaunt aus, er müsse ein großer Mann Gottes seyn, da durch seine Wirkung das Gefäß, welches mit großen Ringen unterlegt war, ohne alle sonstigen Mittel zersprungen sey. Jetzt lehrte sie Columban und sprach: „Das ist geschehen. durch die Wirkung des wahren, unsichtbaren Gottes, welcher Himmel und Erde geschaffen hat. Sein Sohn Jesus Christus ist in die Welt gekommen, und hat sein Blut vergossen, um alle sündigen Menschen aus der Gewalt des Teufels zu erlösen und dessen Werke zu zerstören. Ihr habt diesem bis jetzt auch noch gedient, aber das dürft ihr nicht länger, dem wahren Gott sollt ihr dienen, um von dem Teufel erlöst und selig zu werden. Thut daher Buße, und glaubt an den Herrn Jesum, dann wird euch geholfen werden.“ Das Wort drang ihnen durchs Herz. Still und nachdenkend gingen die Meisten nach ihren Hütten und Häusern. Am andern Tage aber kamen Viele und umringten den Columban und baten ihn, daß er sie wieder belehren möchte. Er that es herzlich gern, und freute sich, daß ihm der Herr hier eine Thür geöffnet habe. Nun wies er die Heiden darauf hin, daß sie das, was sie bisher den Götzen geopfert hätten, dem Teufel geopfert hätten. Von seinem Werke müßten sie sich scheiden. – Gar Viele nahmen nun Columban’s Predigt mit willigem Herzen auf, wurden von ihm weiter unterrichtet und später getauft und somit abgewaschen von allen ihren Sünden. Viele andere aber, welche schon früher getauft worden aber ohne hinlänglichen Unterricht wieder in heidnischen Irrthum zurückgefallen waren, wurden durch die evangelische Predigt der Wahrheit von Neuem ergriffen und ermuntert, und ergaben sich Gott abermals zum Dienste. Und auf diese Weise wurde viel Segen durch Columban und seine Brüder an dem Orte verbreitet, worüber sich sein Herz innig freute vor Gott. Als treuer Pastor nahm er sich Aller an. Er suchte das Verlorne, brachte das Verirrte wieder, verband das Verwundete, wartete des Schwachen und suchte Alle zu behüten und zu bewahren nach dem Worte des Herrn. Hesek. 34, 16.
Später begab sich nun Columban mit den Seinigen nach Bregenz und predigte dort und in der Umgegend den Schwaben das Evangelium und zwar mit solchem Erfolge, daß Schaaren von Heiden hinzugethan wurden zur Gemeine des Herrn. Jene Gegenden haben in ihm deßhalb den anzuerkennen, der unter ihren Vorältern zuerst das Panier des Kreuzes am festesten aufpflanzte. Schade nur, daß die gleichzeitige Lebensbeschreibung über die Art und Weise wie es geschehen, so wenig mittheilt. Man würde dadurch noch einen tiefern Blick in das innere Leben des gottergebenen Mannes vor seinem Herrn thun können. Man muß dabei freilich bedenken, daß es dem Verfasser der Biographie Columban’s, wie überhaupt dem Mittelalter, mehr auf das Objective als auf dessen subjective Vermittlung ankam. Ueberdies war des Columban wie des Gallus Missionswirksamkeit mehr fast eine mittelbare, als eine unmittelbare. Sie haben fast mehr für die Bekehrung und Verchristlichung unseres Vaterlandes durch die Stiftung bedeutender Klöster, als durch unmittelbare Predigt des Evangeliums gewirkt.
Da nun jetzt Columban der Wuth des Theoderich und der Brunehild zu weit entrückt war, und sie ihn nicht mehr erreichen konnten: so kehrten sie dieselbe gegen Andere. So z. B. besonders gegen den heil. Desiderius, Bischof der Gemeinde zu Vienne. Er war ihnen auch zu fromm und zu entschieden. Zuerst verwiesen sie ihn ins Exil, und thaten ihm sonst viel Unrecht an; da er aber fortfuhr gegen ihre Gottlosigkeit ein Zeugniß abzulegen, mußte er endlich des Märtyrertodes sterben. Es geschah im Jahre 607.
Columban hatte aber mit seinen Brüdern in anderer Art manches Leiden zu bestehen. Es brach nämlich um die Zeit eine harte Hungersnoth aus. Und in solchen Fällen müssen die Kinder Gottes mit den Kindern der Welt zugleich leiden. Ja es fängt in mannichfacher anderer Hinsicht das Gericht Gottes sogar an an dem Hause Gottes. Doch obgleich die Nahrungsmittel fehlten, so fehlte es der heiligen Brüderschaar doch nicht am Glauben, im Gegentheil der wuchs ihnen und ward vom Herrn gestärkt. Sie erfuhren, was Luther vom Glauben sagt: „das ist des Glaubens Art, daß er mit den Gütern handelt, die er nicht stehet, noch fühlet, und gehet gerade damit um, als habe , er sie in Händen; hat keinen andern Trost, denn daß er weiß, daß Gott nicht lüget und nicht trüget.“ Und abermal: „Er frägt nicht: wie viel in ein Haus hinein: sondern wie viel aus demselben herausgehet.“ So machte es Columban und seine Gefährten. Einst hatten sie freilich schon drei Tage lang gefastet, aber ihr Glaube und ihr Gebet war und blieb lebendig, obgleich die Leiber angegriffen waren. Und was that der Herr zur Erquickung derselben? Er machte es wie bei Israel in der Wüste, denn Er ist ja derselbe unveränderliche Gott. Eines Tages kam eine solche Menge von Vögeln herbei geflogen, daß sie die Erde bei Bregenz bedeckten. Sie waren auch so kirre, daß sie sich von Jedermann fangen ließen, und gewährten eine höchst wohlschmeckende Speise. Nach einiger Zeit schickte auch ein Bischof aus einer andern Gegend auf innerliche Anmahnung Gottes dem Columban einige Wagen mit Getreide zu, so daß seine und der Seinen Noth dadurch gemildert wurde. Ein ander Mal lief ihnen ein fetter Stier zu, zu dessen Besitz sich Niemand meldete, und auch dieser gewährte ihnen deßhalb lange Nahrung. So sorgt Gott für Seine Kinder, die in der Wüste wandeln und giebt ihnen ihre tägliche Speise, bis sie nach Canaan kommen. Ja könnte es anders seyn? der den Sohn selbst zum „Brote des Lebens“ giebt – sollte der mit Ihm nicht Alles schenken? Er schaut auf Seine Kinder, aber Sein Auge schaut auch besonders nach ihrem Glauben Jer. 5, 3. Wo dieser nur wie ein Senfkorn ist, wirkt der Herr durch ihn doch große Dinge.
Inzwischen stieg in der Seele unseres Dieners des Herrn oft der Gedanke auf, ob es nicht auch räthlich wäre, einmal die Alpen zu übersteigen und in der Gegend des venetianischen Meerbusens das Evangelium zu verkündigen. Allein er wurde in einer Nacht durch ein Engelgesicht bestimmt, an dem Orte vorläufig zu bleiben, wo er einmal war. Der Engel sprach im Traumgesicht zu ihm: „Fahre jetzt noch fort, zur Rechten und zur Linken den Saamen der göttlichen Wahrheit auszustreuen, der Herr wird mit dir seyn und dir Frucht geben, und endlich den Lohn deiner Arbeit.“ Er blieb also noch, bis ihm Gott den Weg nach Italien zeigen werde.
Unterdessen war zwischen Theodebert und Theoderich der Krieg ausgebrochen, welcher von beiden Seiten mit der größten Erbitterung geführt wurde; denn beide Brüder haßten sich bis zum Tode. Dazu nun noch, daß ein Jeder von ihnen von Ehrgeiz gestachelt wurde, und stolz der Ueberlegenheit seines Volkes sich rühmte. Da nun Theodebert sich gegen den Columban freundlich gezeigt hatte, und sie ja beide gleichsam im Bunde standen, machte sich Letzterer auf, um ihm seines Stolzes und Uebermuthes wegen Vorstellungen zu machen, aber auch noch mit einer andern Botschaft vor ihn hinzutreten. Und diese bestand in nichts Geringerem, als daß Theodebert seine Krone und sein weltliches Schwert niederlegen, das Schwert des Geistes in die Hand nehmen und ein Mönch werden möchte, damit er nicht mit dem Verluste des irdischen Reiches zugleich den des ewigen, himmlischen Reiches beklagen müsse. Dieses Wort erregte aber bei dem Könige sowohl als auch bei den Umstehenden ein nicht geringes Lachen, und sie sprachen zu dem, der diese Aufforderung ausgesprochen hatte: „Niemals haben wir gehört, daß Einer der Merovinger, der zum Könige erhoben ward, freiwillig Mönch geworden wäre! Was sprichst du für eine Zumuthung aus?“ Unter dem Gespött und Gelächter Aller erwiederte Columban gelassen: „wenn der König jetzt nicht freiwillig die Ehre eines Geistlichen annehmen will, wird er sie später gezwungen annehmen müssen.“ Nachdem der Mann Gottes diese Worte gesagt hatte, trat er seinen Rückweg wieder an. Sein prophetisches Wort ging nicht lange darauf in Erfüllung. Denn nach einiger Zeit schlug Theoderich den Theodebert bei Tullum (Stadt in Gallia Belgica, das heutige Toul in Lothringen) und jagte ihn in die Flucht, und nachdem er sich noch mehr gestärkt hatte, durch Anwerbung neuer Truppen, verfolgte er ihn noch weiter. Aber auch Theodebert war nicht müßig. Er trat mit einigen Völkerschaften in Verbindung und fühlte sich wieder stark genug, dem Theoderich die Spitze zu bieten. Bei Tolbiacum (ebenfalls eine Stadt in Gallia Belgica, heutiges Tages Zülpich oder Zulch, im ehemaligen Erzstifte Cöln) stoßen beide Heere auf einander, und lieferten sich eine blutige Schlacht, in welcher auf beiden Seiten viele taufende von Menschen sielen. Endlich zog aber Theodebert abermals den Kürzern, und mußte besiegt von neuem die Flucht ergreifen. – Zu derselben Zeit befand sich Columban mit einem einzigen Diener, Namens Chagnoaldus, an einem einsamen Orte um dem Gebete und der Betrachtung obzuliegen. Und gerade in der Stunde, in welcher die Schlacht geschlagen wurde, saß er am Stamme einer hohlen Eiche und las in der Schrift. Plötzlich überfiel ihn ein tiefer Schlaf und er sahe im Gesicht, was zwischen den beiden Königen vorfiel. Wieder erwacht, rief er alsbald seinen Diener herbei, zeigte ihm die blutige Schlacht der Könige an, und indem er seufzte, sagt er ihm, daß viel Menschenblut vergossen sey. Chagnoald sagte darauf etwas vorschnell: „Mein Vater, laß dem Theodebert deine Fürbitte zu statten kommen, damit er den gemeinsamen Feind, Theoderich, besiege.“ Columban antwortete ihm aber: „du gibst mir einen thörichten, dem Wort des Herrn widerstreitenden Rath; denn nicht also will es der Herr, welcher uns vorschreibt, für unsern Feind zu beten. Im Gerichte des gerechten Richters ist auch schon beschlossen, was aus ihnen werden soll.“ Als später der Diener, der sich Tag und Stunde gemerkt hatte, nachforschte, fand er, daß Alles mit der Offenbarung, die dem Manne Gottes geworden, ganz genau übereinstimme. – Theoderich verfolgte den Theodebert abermals, bekam ihn durch Verrath seiner eigenen Leute in feine Gewalt, und führte ihn gefangen zu seiner Großmutter Brunehild. Sie empfing ihn mit Hohn und Spott, denn sie hielt es mit der Partei des Theoderich, und drang ungestüm in ihn, daß er der Regierung entsagen und ein Mönch werden möge. Um sein Leben zu retten, mußte er sich endlich, obgleich wider seinen Willen, dazu entschließen, und so das Wort Columban’s an sich erfüllt sehen. Allem schon nach einigen Tagen befahl die gottlose Brunehild den zum Mönch Gewordenen zu tödten, weil sie ihn doch noch fürchtete!
Theoderich hielt sich hierauf einige Zeit zu Metz auf. Aber die Zeit rückte nun heran, wo auch ihn das göttliche Strafgericht ereilen sollte. Es entstand nämlich in der Stadt ein Feuer, der König eilte auch zur Stelle, um gewissere Befehle zu ertheilen, allein er kam dabei zwischen den Flammen auf elende Weise um. Vielleicht war aber auch hier Brunehildis Hand mit im Spiele; denn sie opferte ihrem maßlosen Ehrgeize Alles auf. Es geschah das im Zahre 613. Nach dem Tode Theoderich’s setzte Brunehild dessen Sohn Sigbert II. auf den Thron. – Jetzt aber erinnerte sich Chlothar (oder Lothar II., König von Neustrien zu Soissons) der prophetischen Worte des Columban. Er sammelt deßhalb ein Heer und zieht gegen den Sigbert zu Felde. Auch dieser rüstet sich und beide Heere stoßen auf einander. Doch schon in der ersten Schlacht wird Sigbert gefangen genommen und von Chlothar gelödtet. Ein gleiches Schicksal hatten auch seine fünf Brüder, Söhne des Theoderich. Und endlich kommt nun auch die Reihe an die Brunehild. Chlothar dringt unaufhaltsam als Sieger vor, und bekommt endlich auch sie in seine Gewalt. Aber er tödtete sie nicht sogleich; sondern hatte ihr, die eine Mörderin von 10 Königen und königlichen Prinzen war, einen schimpflicheren und schrecklicheren Tod zugedacht. Er ließ sie halb entkleidet auf ein Kameel setzen und so eine zeitlang im Kreise der gefangenen Familie herum führen; als das geschehen, wurde sie an den Schwanz mehrerer wilden Pferde gebunden, diese nun auseinander gejagt, und jene verlor auf solch eine elende Weise ihr Leben. Es geschah das auch noch im Jahre 613. – Chlothar vereinigte nun (eben 613) zum zweitenmale die gesammte fränkische Monarchie. Ihm folgte später (628) sein Sohn Dagobert I., dessen Söhne, Sigbert III. und Chlodowig II., nach des Vaters Tode (638) das Reich wieder theilten. – Columban’s Prophezeiung war aber buchstäblich erfüllt worden. Theoderich war mit seinem ganzen Stamm innerhalb dreier Jahre mit der Wurzel ausgerottet worden: – Theodebert wurde mit Gewalt zum Mönche gemacht, und Chlothar kam zur Alleinherrschaft des ganzen Reiches! –
Als Columban sahe, daß Theodebert und Theoderich besiegt und getödtet waren und Gallien und Germania cisrhenana unter die Herrschaft Chlothar’s gebracht war, entschloß er sich, nun nach Italien hinüber zu gehen. Er führte sein Vorhaben aus, stieg über die Alpen und begab sich zu dem Longobarden-Könige Agilulf, der ihn nicht allein mit der größten Freundlichkeit, sondern sogar unter Ehrenbezeugungen aufnahm und ihm frei stellte, sich irgend einen Ort in seinem Reiche auszusuchen, der ihm zur Niederlassung geeignet schien. Unter Gottes Leitung kam auf diese Weise Columban nach Mailand und schlug seinen Wohnsitz in der Nähe der Stadt auf einige Zeit auf. Es war das unter der göttlichen Regierung in sofern sehr wichtig, weil in jener Stadt zu der Zeit die Partei der Arianer einen großen Einfluß hatte und ihre Ketzerei emsig zu verbreiten suchte. Columban griff ihre Sophismen und schriftwidrigen Lehren mit dem Schwerte, des Geistes, der h. Schrift an und beleuchtete die gottlose und verderbliche Lehre von allen Seiten. Das that er auch besonders in einem Buche, welches einen deutlichen Beweis seiner großen Gelehrsamkeit gab und viel zur Bekämpfung der Lehre jener beitrug.
Nach einiger Zeit machte ein gewisser Jocundus dem Könige die Anzeige, er habe in einer einsamen Gegend der Alpen eine alte zerfallene Kirche gefunden, welche früher dem Apostel Petrus gewidmet gewesen wäre. Die Stelle würde sich gut zu einem neuen Niederlassungsorte für Columban und seine Brüder eignen. Die Gegend sey reich an Wasser und Fischen und auch sonst fruchtbar. Der Ort hieß früher Bobium. Columban zog dahin, stellte die zerfallenen Gebäude wieder her und schmückte sie mit neuem Glanze und so entstand das nachmals so berühmte Kloster Bobbio, von dem so viel Segen ausgegangen ist. Es lag in einem Thale der penninischen Alpen, in Ligurien, an der Stelle, wo Hannibal ehemals die Alpen bei seinem Winterzuge überstieg und einen so großen Verlust an Menschen, Elephanten und Pferden erlitt. Hier aber stand jetzt ein anderer Feldherr, dessen Waffen nicht fleischlich waren, um zu zerstören, sondern die Waffen, dessen Ritterschaft geistlich waren, um die Bollwerke der Finsterniß zu zerstören und Menschen zu gewinnen für seinen himmlischen, König, statt sie zu verderben. Wie manches Mal mag er in den Thälern und auf den Bergen seine Hände, seine Augen und sein Herz aufgehoben haben zu den Bergen, von denen uns Hilfe kommt!
Der König Chlothar erkannte deutlich die Erfüllung der Prophezeiung des frommen Columban, und wie gerne hätte er ihn in seiner Nähe gehabt. Er entbot deßhalb den ehrwürdigen Eustasius, welcher an der Stelle Columban’s Abt des Kloster Luxeuil geworden war, zu sich. Als er kam, empfing ihn der König unter großen Ehrenbezeugungen und bat ihn auf das Dringendste, daß er eine Gesandtschaft an den heil. Columban mit einigen Genossen übernehmen und diesen zu veranlassen suchen möchte, nach dem Reiche des Königs zurückzukehren. Eustasius erklärte sich damit einverstanden und machte sich mit Andern auf den Weg. Es ward ihm anfangs schwer, von dem geliebten Lehrer eine sichere Spur ausfindig zu machen, doch endlich gelang ihm das, und er kam zu Columban. Beide freuten sich auf das Innigste des Wiedersehens und sanken sich gegenseitig in die Arme. Nachdem nun die erste Begrüßung vorüber war, machte Eustasius den ehrwürdigen Abt mit dem Zwecke seiner Reise und dem herzlich gemeinten Wunsche des Königs bekannt. Columban hörte ihn ruhig an, erwiederte aber, nachdem Eustasius geendigt hatte: „Ich halte es nicht für gerathen, zu dem Könige Chlothar zurückzukehren; denn meine Wallfahrt hienieden wird sich wohl bald zu Ende neigen, und ich möchte meine Seele hier, wo ich einmal bin, den Händen meines treuen Gottes übergeben. Ich bin müde von meiner Pilgerfahrt und sehne mich, mein Haupt bald zur Ruhe niederzulegen. Wenn du deßhalb zum Könige zurückkommst, so sage ihm nur, daß ich ihm für seine Liebe danke, ihm aber auch zugleich die dringende Bitte ans Herz legen lasse, dem Kloster Luxeuil und allen seinen Bewohnern seinen königlichen Schutz und seine königliche Unterstützung zuzuwenden. Das würde meinem Herzen die größte Freude machen.“ Um sein Gefühl und seine Wünsche dem Könige aber noch besser selbstständig aussprechen zu können, schrieb er einen Brief an denselben, der voll von Wünschen aber auch von Rathschlägen für den König selbst war. Chlothar empfing später den Brief aus der Hand des Eustasius als ein theueres Geschenk und Vermächtniß des heil. Columban, ja als ein Siegel des Bundes zwischen ihnen. Alle ausgesprochene Wünsche des heiligen Mannes suchte er auch treulich zu erfüllen. Das Kloster hatte sich seines steten Schutzes zu erfreuen, so lange er lebte. Er bereicherte es auch, indem er ihm bestimmte jährliche Einkünfte zuwies, nach dem Wunsche des ehrwürdigen Eustasius seine Grenzen erweiterte, und ihm jede Hilfe und Unterstützung gewährte. Alles aus Liebe zu Gott und im liebenden Andenken an den heil. Columban. Dieser aber richtete nun auch an den Eustasius, ehe dieser von ihm schied, zum letzten Male in dieser Welt, ernste, liebreiche Worte väterlicher Ermahnung. Er hatte ihm schon früher gratulirt zu dem herrlichen Amte, jetzt suchte er ihm als ein scheidender Vater, der im Begriff stand bald über den Jordan hinüber und in das himmlische Canaan einzuziehen, die ganze Wichtigkeit, Schwere und Verantwortlichkeit desselben noch einmal ernst ans Herz zu legen. Er sprach ungefähr Folgendes zu dem Eustasius: „Sey eingedenk, mein Sohn und Bruder, meiner Arbeit, die ich vor dem Herrn stets zu Seiner Ehre übernommen und ausgeführt habe. Ich habe Christo unter Seinem Hirtenstabe Seelen zuzuführen gesucht. Ich habe unter Gottes Gnade die Brüder zu belehren und vorzubereiten gesucht, daß sie ihre eignen Seelen zu retten und auch Andern zum Evangelio zu führen suchen möchten. Fahre du fort, sie zu unterrichten und durch die Zügel der Zucht sie einzuschränken, daß das Fleisch nicht die Oberhand gewinnt, sondern die Schaar der treuen Bekenner und Nachfolger Christi vermehrt werden möge. Erziehe auch die dir zugeführten Kinder in der Zucht des Herrn. Wir müssen dem Satan Seelen abzujagen und Christo zuzuführen suchen. Die Schafe und die Lämmer hat Er unserer Hand übergeben und wird sie einst von derselben zurückfordern. Laß uns daher selbst Schäflein Christi sein, auf Seine Stimme stets hören und Ihm nachfolgen, dann wird Er uns einst geben das ewige Leben.“
Unter vielen Thränen verabschiedeten sie sich, nun für dieses Leben. Eustasius kehrte, nachdem ihn Columban entlassen hatte, zu dem Könige Chlothar und später zu seinem Kloster zurück. Columban’s Lebenssonne aber neigte sich ihrem Untergange mehr und mehr zu, nachdem sie ihr mildes Licht noch in belebenden Strahlen um sich hergeworfen hatte. Er starb im Kloster Bobbio am 21. November 615. Fragen wir nach der Art seines Todes, so legt freilich die Geschichte den Finger an den Mund. Aber das können wir voraussetzen: Er ist wie eine reife Frucht in die Hand seines Gottes gefallen, als der Engel des Todes sie abpflückte, nachdem er viele Früchte gebracht hatte im Leben zur Ehre feines Herrn, deren er sich im Himmel am Throne des Lammes Gottes in Ewigkeit erfreuen wird. Trauernd und weinend haben gewiß seine Schüler und seine Gemeinde an seinem Lager gestanden, und unter Thränen später seinen Leib als ein Saamenkorn auf den fröhlichen Tag der Auferstehung in die Erde gelegt – denn es war ein Gerechter weniger auf der Erde, aber im Himmel sang eine völlig erlöste Seele mehr das ewige Hallelujah!
Uns aber, die wir einen Blick hineinwerfen in dieses Leben, das durch Christi Gnade sich zu einem solchen gestaltete, und einen Blick hinüber werfen in das Land der Heimath, möge sich der Seufzer vom Herzen loswinden und über die Lippen schweben: Unser Ende sey wie das Ende dieses Gerechten! Herr, lehre auch uns unsere Tage zählen, auf daß wir unser Herz zur Weisheit lenken! Amen.
Christoterpe
Ein Taschenbuch für christliche Leser
Auf das Jahr 1851
Heidelberg
Verlag von Karl Winter