Am 4. April 1597 verheirathete sich Johann Jakob Breitinger, ein Züricher Prediger, mit Regula Tomman, der wohlerzogenen durch körperliche und geistige Vorzüge ausgezeichneten Tochter des Professors der griechischen Sprache Sadrach Tomman, der ihn sofort sammt seiner Mutter in seine Haushaltung aufnahm, und bald so lieb gewann, als ob er sein eigener Sohn gewesen wäre. Aber nicht minder bewährte sich Regula als eine treubesorgte Ehegattin und liebende Tochter. Ihre erste und größte Sorge war, wie sie in allem ihrem Thun und lassen vor Augen haben möge den lieben, getreuen Gott, darnach aber auch gegen ihren Ehewirth auf’s vollkommenste erstatte die Gebühr eines ehrliebenden, getreuen, gehorsamen, vernünftigen Weibes. Als schon gegen das Ende des Jahres 1597 ihre Schwiegermutter erkrankte und bis an ihr etliche Monate darauf erfolgtes Ende das Bett hüten mußte, wartete ihrer Regula bei Tag und Nacht aufs treulichste ab, eben auch hiemit die zärtliche Liebe beweisend, mit der sie an ihrem Manne hing. Sie lebte mit demselben 37 Jahre. In dieser ganzen Zeit wußte man sich keiner einzigen Stunde zu erinnern, da ihr Herz, Gemüth, Angesicht und Geberde sich im Geringsten gegen ihn geändert hätte. Sie war so begierig und beflissen seine Gesundheit zu erhalten, als ihre eigene. Aufs eifrigste bemühte sie sich alles zur Hand zu schaffen, was ihm von Aerzten angerathen wurde. Bei den mancherlei Krankheitsanfällen, denen er unterworfen war, erzeigte sie unglaubliche Aufwart viele Tage und Nächte ohne Aufhören. Mit allem möglichen Fleiße suchte sie alles vor ihm geheim zu halten, wovon sie meinte, daß es ihm Kummer und Unmuth schaffen könnte und war auf nichts mehr aus, als auf das, wodurch sie ihn zu erfreuen hoffte. Auf’s emsigste wies sie alle ihre Hausgenossen an, alles nach dem Willen ihres lieben Herrn zu thun, damit ihm durchaus kein Anlaß sich zu erzürnen gegeben werden möchte. Was ihm aber Beschwerliches begegnete, zumal in der Zeit, da er Pfarrer am Großmünster war, das konnte er ihr alles mittheilen, und sich bei ihrer Verschwiegenheit, gottseligen Gutachtens und vernünftigen Zuspruchs fröhlich bedienen, was ihm bei so schwerem Amt ein hocherwünschter Vortheil war. Als es sich zu Anfang seiner Haushaltung davon handelte, daß er Pfarrer in Glarus werden sollte, und die Schwiegermutter es sehr schwer nahm ihre Tochter in die Fremde zu lassen, da sprach Regula Breitinger ihm recht freundlich zu, er solle sich nicht zu sehr bekümmern, denn sie sei gänzlich entschlossen, ihm williglich zu folgen, wohin immer der liebe Gott ihn zum Dienst seiner Kirche berufen werde. Vor ihrer Vermählung trug sie kostbare Kleider und Kleinode, ihrem und der Ihrigen Stande gemäß; sobald aber die Hochzeit vorüber war, legte sie ohne daß sie von irgend jemand darum ersucht worden wäre, alle ihre vorigen Kleider und Kleinode ab, und selbst an Hochzeiten, Taufen, Mahlzeiten und bei andern Anlässen sah man, so jung sie auch war, nichts anderes an ihr als Schwarzes, beides von Kleidung und Geschmeide; denn sie glaubte, daß sie das dem ehrwürdigen Amte ihres Mannes schuldig wäre. Und sie that das ohne alles Trauern, vielmehr war sie dabei heiter und freudig, und zeigte stets ein ehrsames anständiges Wesen. Wie mit der Kleidung hielt sie es auch mit dem übrigen Hauswesen. Alle Einfachheit und die bloße Nothdurft war ihr so genug, wie andern ihr Ueberfluß. Was sie an Gold und Silber von ihren Eltern geerbt, oder von andern bekommen, das stand allezeit zum Dienst ihres Gemahls. So oft er zu einer Ehrenausgabe ein Stück Geldes, klein oder groß bedurfte, bot sie es ihm an, ohne daß er darum bitten durfte und nie sah man an ihr auch nur die geringste Unzufriedenheit darüber, daß dieses oder jenes weggegeben wurde. Eine große Freundin von auserlesenen Büchern, las sie fleißig Abends und Morgens in der Bibel, außerdem meistens in den Büchern, die Breitinger selbst herausgegeben. Seine Gebete konnte sie mehrentheils Wort für Wort auswendig. Mußte sie eine seiner Predigten versäumen, so war es für sie ein rechter Trauertag und damit dergleichen desto seltener vorkommen möchte, vertauschte sie ihren Kirchensitz mit einem andern, der in der Nähe der Kirchenthüre war, und von dem sie eher nöthigenfalls nach Hause gerufen werden konnte. Eine so gründliche Schriftkenntnis sie besaß, so liebte sie doch das Disputieren durchaus nicht, aber mit großer Treue unterrichtete sie ihre Dienstboten in dem, was zur Seligkeit nothwendig ist. Mit andern Leuten aber redete sie wenig von der heiligen Schrift und von dem Glauben; nicht daß sie die Worte gespart hätte, wo Belehrung, Warnung oder Trost nöthig war, sondern es war ihr darum zu thun, daß sie nicht möchte darum angesehen werden, als ob sie viel wüßte; denn alle ihre Gedanken waren in Demuth einzig dahin gerichtet, daß sie gefallen möchte dem lieben Gott und ihrem Erlöser Jesu Christo. Zwar legte sie sich nie auch nur im Mindesten in das Predigtamt und die sonstigen Amtsgeschäfte ihres Mannes, aber wenn er auf’s Rathhaus oder zu andern wichtigen Verrichtungen ging, so begleitete sie ihn stets mit ihren Segenswünschen und Gebeten. Eine besondere Tugend an ihr war, daß sie so frei von allem Vorwitz war; so groß auch der Anlauf von Hohen und Niedern war, welche bei ihrem Manne sich Raths erholten, so fragte sie doch nie, was dieser oder jener gewollt, wenn Breitinger nicht selbst etwas sagte. Eben dies gab auch bekümmerten Gemüthern so viel Muth ihm als ihrem Seelsorger alles anzuvertrauen weil sie wußten, daß alles verschwiegen blieb. Daneben wußte sie mit denen, welche von ihrem Manne traurig oder zornig weggegangen, so tröstlich und beschwichtigend zu reden, daß ihr Wort wie ein lindernder Balsam in den Seelenwunden war, und viele zarte Herzen erleichtert, viele rauhe Gemüther gewonnen wurden.
Die ganze Last der Haushaltung nahm sie allein auf sich und besorgte alles pünktlich nach seinem Wunsche und Willen, zwar mit aller Sparsamkeit, aber so ehrenhaft und freundlich, daß jedermann gerne mit ihr zu thun hatte, und so freigebig gegen die Armen, daß diese in allen Stücken von ihr unterstützt wurden, und doch selten erfuhren, woher die Gaben kamen. Insbesondere erfreuten sich ihrer Mildthätigkeit Vertriebene verschiedener Nationen und Religionen, so wie alle Kranken und Gebrechlichen. Bis in ihr fünfzigstes Jahr genoß sie eine gute Gesundheit; dann aber litt sie bei ihrem großen und schweren Leib viel an Engbrüstigkeit und konnte nicht mehr viel ausgehen. Die letzten zwei Jahre waren besonders beschwerlich; endlich wurde sie 1634 bettlägerig; da wurde ihr aber auf ihrem Lager reichlich vergolten, was sie ehedem an Kranken gethan. Jedermann befließ sich ihr Erleichterung zu verschaffen und mit heiterem Glaubensmuth durfte sie von hinnen scheiden.