Wie man auch immer über das Mönchsthum urtheilen mager so viel ist gewiß, daß die abendländische Christenheit dem Benedictiner Orden einen großen Theil ihrer Bildung verdankt.
Durch Benedictiner wurde das Christenthum bei uns ausgebreitet; in ihren Klöstern fand im Mittelalter die Wissenschaft ihre Pflege und auch nach der Reformation war es dieser Orden besonders, der sich durch schöne Gelehrsamkeit, namentlich durch die Herausgabe der Kirchenväter und kirchenhistorischen Werke ein großes Verdienst erwarb. Der Stifter dieses Ordens, der „Patriarch des abendländischen Mönchsthums,“ ist Benedict von Nursia.
Die Stadt Nursia, die im Jahr 1702 durch ein Erdbeben beinahe ganz zerstört worden ist, lag in Umbrien (dem Herzogthum Spoleto) am Fuße der Apenninen, und schon die alten Dichter, wie Virgil, erwähnen ihrer als einer unter kaltem Himmelsstriche gelegenen, häufigem Frost ausgesetzten Stadt. Hier wurde im Jahr 480 Benedict zugleich mit seiner Zwillingsschwester Scholastica geboren. Der Vater, Eutropius, stammte aus dem ansehnlichen Hause der Anicier, die Mutter, Abundantia, aus der Familie der Niguardati. Schon als Kind soll Benedict nach der Legende viele Wunder verrichtet haben. Wir halten uns bei diesen nicht auf, sondern bemerken nur, daß der Knabe, nachdem er sein siebentes Jahr zurück. gelegt hatte, von seinem Vater nach Rom gebracht wurde, um dort zu studieren. Allein nach fünfjährigem Aufenthalt daselbst floh Benedict (492) bloß in Begleitung seiner Amme, die ihm treu anhing, heimlich aus der Stadt, um sich in die Einsamkeit zurück zuziehen. Erst ließ er sich in Aufidena nieder, wo er die Einwohner von dem Götzendienst entwöhnte, dem sie noch ergeben waren. Bald darauf ging er nach dem eine geringe Strecke von Aufidena entfernten Subjaco (Sublaco), eine Tagreise von Rom. Engel sollen ihn dahin geleitet haben. Dort zog er sich in eine Höhle zurück, und sah niemanden, außer dem in einem benachbarten Kloster wohnenden Mönch Romanus, der ihn in seinem Vorsatze, der Welt zu entsagen, bestärkte und ihn (wie die Klostersage berichtet) als Mönch einkleidete. Wichtiger für Benedicts inneres Leben war, daß er durch diesen frommen Mann auf die heilige Schrift hingewiesen und mit ihren Schätzen bekannt gemacht wurde. Benedict selbst bezeugt, daß ihm von nun an die h. Schrift ein Licht auf seinem Wege geworden sei; an ihr fand seine Seele die rechte Nahrung. Gottes Wort ward ihm süßer als Honig und Honigseim. Er erkannte in ihm die stärkste Waffe gegen alle Versuchungen der Sünde und des Fleisches. Diesen setzte Benedict (nach dem Geiste der Zeit) auch häufiges Fasten und mancherlei Peinigungen entgegen, wie sie das Mönchsthum in den seltsamsten und ausgesuchtesten Formen aufzuweisen hat. Nachdem er 3 Jahre in der Einsamkeit zugebracht hatte, wobei Romanus für seinen Unterhalt sorgte((Er ließ ihm das Brot, das er mit ihm theilte, an einem Stricke über den Felsen hinunter, der das Kloster von der Grotte Benedicts trennte. Dieser gab, wenn er Speise bedurfte, das Zeichen mit einer Glocke. Als der Teufel dieses Werk aus Neid zerstört hatte, ward durch einen frommen Presbyter für ihn gesorgt, den ein göttliches Gesicht angewiesen hatte, seine Ostermahlzeit mit ihm zu theilen. )), (auch die umher wohnenden Hirten besuchten ihn bisweilen, um Worte des Lebens aus seinem Munde zu vernehmen) ließ er sich bereden, Vorsteher (Abt) eines in der Nähe liegenden Klosters zu werden. Allein die Widerspenstigkeit der dortigen Mönche, die sich seiner strengen Zucht nicht unterwerfen wollten (man stellte sogar seinem Leben nach), bewog ihn, sich aufs Neue in die Einsamkeit zurückzuziehen. Sodann errichtete er selbst nach und nach Kloster in der Umgegend; zwölfe werden uns von der Sage genannt, deren jedes er wieder mit zwölf Mönchen bevölkerte. Einige der Mönche behielt er in seiner Nähe. Unter den Schülern, die er heranzog, sind besonders Maurus und Placidus zu nennen. Der Erstere, der Sohn eines gewissen Equilius war 12, der Letztere des Tertullus Sohn, 7 Jahr alt, als sie dem frommen Meister zugeführt wurden. Auch hier war indessen Benedict vor Verfolgungen nicht sicher. Nachdem er den Nachstellungen des neidischen Priesters Florentius, wie die Legende berichtet, durch ein Wunder entgangen war, begab er sich im Jahr 528 nach dem Castrum Casinum, einer hoch gelegenen und verfallenen Burg in der Provinz Terra di Lavore, zwischen Subjaco und Neapel. Auch in dieser Gegend wucherte noch das alte Heidenthum. Apollo hatte daselbst einen Tempel und einen geweiheten Hain. Benedict schritt kräftig ein, er zerstörte das Götzenbild und den ihm geweihten Altar, verbrannte den Hain und weitete den Tempel dem Dienste des h. Martinus und des Apostels Johannes. Hier wurde denn das große Stammkloster des Benedictiner Ordens angelegt, das den Namen Monte Cassino führt. Der König der Ostgothen, Totilas, bewies dem heiligen Manne alle Achtung und nahm von ihm Zurechtweisung an. Nach einem segensreichen Wirken, das von der Zeit als ein durch höhere Kraft getragenes begriffen und von der Mönchssage in’s Wunderbare ausgeschmückt wurde, starb Benedict, nachdem er seinen Tod vorausgesagt haben soll, den 20. März 543. Noch ein neues Kloster hatte er zu Terracina gestiftet. Die Abtei von Monte Cassino wurde 589 durch die Longobarden zerstört und erst nach einem Jahrhundert wieder aufgebaut. Eine abermalige Verwüstung trat 884 durch die Araber ein. Doch erstand das Kloster wieder aus seinen Trümmern und nahm in der Folge eine weit großartigere Gestalt an, als die ursprüngliche gewesen war.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem von Benedict gestifteten Orden selbst, seinen Regeln und seiner Geschichte. Das Mönchsthum hatte im Morgenlande seinen Ursprung und hatte dort frühzeitig einen rein beschaulichen Charakter angenommen, so daß der heilige Ernst und die Gluth der Andacht bisweilen in finstere Schwärmerei ausarteten, während besonnene Männer, wie Basilius d. Gr. durch weise Vorschriften und durch eigenes Beispiel das unverkennbar in der Zeit liegende und durch die Verhältnisse der Zeit gerechtfertigte Streben nach innerer Vertiefung regelten und ihm einen würdigen, den Bedürfnissen der Zeit entsprechenden Ausdruck zu geben suchten. Durch morgenländische Redner, wie namentlich durch Athanasius, der in der arianischen Verfolgung sich in’s Abendland geflüchtet hatte, war der Sinn für die mönchische Lebensweise auch dahin verpflanzt worden; namentlich hatte die von diesem Kirchenvater verfaßte Lebensbeschreibung des h. Antonius, des ersten Einsiedlers, großen Einfluß auf die Gemüther. Auch Hieronymus, Ambrosius, Augustinus redeten in verschiedener Weise und von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehend, dem Mönchsthum das Wort. Sodann war es in den ersten Zeiten des 5ten Jahrhunderts der Mönch Johannes Cassianus, der als Vorsteher eines Klosters zu Massilia (Marseille) die morgenländischen Mönchseinrichtungen auf das Abendland übertrug. Der Mann aber, der recht eigentlich die orientalische Pflanze dem abendländischen Boden dergestalt anzupassen verstand, daß sie den fremdartigen Ursprung vergessen ließ, der gewissermaßen aus den vorhandenen Elementen eine neue Schöpfung ins Dasein rief, war eben Benedict. Was seine Regel auszeichnete, war die beständige Rücksicht auf die mehr praktischen Bedürfnisse des Abendlands. Die Regel verleugnete nicht den Geist der Askese (der Selbstbeschränkung und strengen Enthaltsamkeit), wie er dem Mönchsthum eigen ist, aber sie vermied die Uebertreibung und suchte dem rein beschaulichen Leben ein Gegengewicht zu geben in der Arbeitsamkeit und in der Sorge für geistliches und leibliches Wohl Anderer. Mit richtigem Takte wußte er was Klima und Lebensweise des Abendlands erforderten, bei seinen Vorschriften zu berücksichtigen, ohne deshalb in Schlaffheit und falsche Anbequemung an die Schwachheit der Menschen zu verfallen. So gestattete er unter anderm seinen Mönchen den Genuß des Weines, aber in beschränktem Maße; auch ließ er den Aebten eine gewisse Freiheit, je nach dem Wechsel der Jahreszeiten und der physischen Beschaffenheit der Personen, Ausnahmen von der Regel eintreten zu lassen. Der Gehorsam gegen den Abt war die Grundlage aller übrigen Verordnungen. In ihm sollten die zur Gemeinschaft verbundenen Brüder ihren Vater, in ihm den sichtbaren Stellvertreter Christi erblicken. Erst nach einem Probejahre wurden die Glieder des Ordens in denselben aufgenommen, nachdem sie sich durch ein Gelübde zu unbedingtem Gehorsam gegen den Abt und zu lebenslänglichem Verbleiben im Kloster verbindlich gemacht hatten. Eine durch Barmherzigkeit gemilderte Strenge, Besonnenheit, Demuth, innige Liebe zu Gott und Christus sollten die Tugenden sein, durch die der Abt seinen Untergebenen vorleuchtete. – Die Kleidung der Benedictiner bestand (und besteht noch) in einer schwarzen Rutte, daher sie auch die schwarzen Mönche hießen, zum Unterschiede von andern, die zum Theil aus den Benedictinern hervorgegangen sind; wie die Cluniacenser (913), die Camaldulenser (1012), die Vallombrosaner (1073), der Orden von Grandmont (1080), die Cistercienser (Bernhardiner, 1153, die sich durch weiße Kleidung unterscheiden), die Fontebraldiner (Orden von Fontevraud), die Humiliaten, Coelestiner u. a. in. Auch die geistlichen Ritterorden, wie die Johanniter und Templer schlossen sich zum Theil an die Benedictiner Regel an. Nach der Reformation suchte auch das Mönchsthum der katholischen Kirche sich innerlich zu erheben, und so nahm auch der Benedictiner Orden einen neuen geistigen und wissenschaftlichen Aufschwung. Besonders hat sich die Congregation des h. Maurus durch Gelehrsamkeit und auch durch lebendige Frömmigkeit mehrerer ihrer Mitglieder ausgezeichnet.
Karl Rudolf Hagenbach in Basel.