(geb. 1531, gest. d. 1. Oct. 1585.)
„Alles, was ich auf der Welt habe, ist nicht im Stande zu verhindern, mich mit innigster Begierde nach dem Himmel zu sehnen, wo ich Gott schauen werde, den ich allein für die Quelle ansehe, meine Begierden zu stillen.“
Ein Beispiel von edler Einfachheit und Häuslichkeit gibt uns die Kurfürstin Anna von Sachsen.
Diese Fürstin, geboren im Jahre 1531, war die einzige Tochter des Königs Christian III. von Dänemark und der Dorothea. Von ihren frommen Aeltern wurde sie schon in früher Jugend durch gute Lehren und Beispiele zu allem Guten angehalten. Sie fand an dem Unterrichte, den sie von einem würdigen Geistlichen erhielt, so viel Anziehendes, daß sie Spiele und Vergnügungen wenig achtete und daher bald ihre sämmtlichen Geschwister in Religionskenntnissen weit übertraf. Außerdem wußte sie die verständige Mutter stets auf eine zweckmäßige Weise zu beschäftigen, indem sie nach den Unterrichtsstunden unter ihrer Aufsicht nähen, stricken und andere weibliche Arbeiten besorgen mußte. In spätern Jahren wurde sie auch zur Haushaltung angehalten, denn die Mutter hatte den edlen Grundsatz, daß Fleiß, Sparsamkeit und Häuslichkeit auch Fürstinnen nützlich werden könnten.
Im Jahre 1548 wurde sie mit dem Kurfürsten August von Sachsen vermählt. Von jetzt an bemühete sie sich, als Gattin ihrem Gemahl das Leben auf vielfache Weise zu erheitern und durch häusliche Bequemlichkeit und stilles Vergnügen ihm dasselbe angenehm zu machen. Oftmals überraschte sie ihn mit einem kleinen ländlichen Feste, und ohne allen Hofzwang genossen die beiden Eheleute herzlich und aufrichtig ihr häusliches Glück. Sieben und dreißig Jahre stand sie als treue Lebensgefährtin ihm zur Seite und überall war sie als schlichte und einfache Gattin ihrem Volke ein herrliches Vorbild des einfachen häuslichen Lebens. In den Stunden der Prüfung, die sie als Mutter zu ertragen hatte, indem sie von 15 Kindern 11 ins Grab sinken sah, ertrug sie den Schmerz mit Ergebung in den unerforschlichen Rathschluß Gottes und zeigte dadurch jene Seelengröße, die nur in einem festen Charakter ihren Grund haben kann.
Ausgezeichnet aber erscheint uns Anna als thätige Hausfrau. In der Sorge für Bildungsanstalten und Staatseinrichtungen wetteiferte sie mit ihrem Gemahl. Als August zum Anbau des wüsten Landes zu Gemeintheilen aufmunterte und den Ackerbau zu befördern suchte, stand ihm Anna mit Rath zur Seite und ging dadurch dem Landmanne mit einem herrlichen Beispiele voran, daß sie den Spaten selbst in die Hand nahm. An der Beförderung des Handels und der Gewerbe nahm sie thätigen Antheil und als August eine große Anzahl wegen ihres Glaubens vertriebener Niederländer in Sachsen aufgenommen hatte, durch welche die Tuch- und Baumwollenmanufaktur vervollkommnet wurde, so war auch Anna stets bereit, die Noth Vieler zu lindern und Fremde und Verfolgte zu beschützen.
Auf den zahlreichen Reisen des Kurfürsten war sie seine Gefährtin, lernte und lehrte und suchte jede neue Einrichtung zu unterstützen. August pflegte auf der Reise Obstkerne bei sich zu führen, um durch Vertheilung derselben den Obstbau in seinem Lande zu heben. Er hatte zu diesem Zwecke ein Obst- und Gartenbüchlein geschrieben und den Befehl ertheilt, daß jedes junge Ehepaar im ersten Jahre zwei Obstbäume pflanzen solle. Hier war es wieder die thätige Anna, die ihrem Gemahl behülflich war und zur Vollziehung des Befehls nach Kräften mitwirkte.
Erholung und Vergnügung fand sie in dem Blumengarten, sammelte und pflegte selbst die edelsten Kräuter, die sie kennen gelernt hatte, gab mehreren Frauen Unterricht in der Kräuterkunde und wußte daraus treffliche Heilmittel zu bereiten, mit denen sie den Armen des Landes Hülfe leistete. So wird ausdrücklich erzählt, daß sie 1579 zu Stolpen ein weißes Magenpflaster erfand, wovon die Hofapotheke in Dresden lange nachher noch Proben aufbewahrte, und daß sie auf ihren Reisen stets selbstbereitete Arzneimittel bei sich führte, um nöthigenfalls auf der Stelle einem Leidenden helfen zu können. In dieser Absicht legte sie die herrlichsten Gärten an und stiftete in Dresden die Hofapotheke 1581, welche diese Stadt noch jetzt besitzt.
Durch ihre umfassende Kenntniß in der Wirtschaft wußte sie selbst in ihrem eigenen Haushalte jeglichen Nutzen zu ziehen. Von Hofunterhaltungen, Spielen und andern Ergötzlichkeiten wußte man in jener Zeit wenig. Die Kurfürstin saß in ihrem Zimmer und spann Flachs an einem Rädchen, und selbst auf der Reise konnte sie sich nicht von Stickrahmen, Spindel und Nadel trennen. Auch ihre Hofdamen spannen oder nahmen eine nützliche, den Frauen anständige Arbeit vor. In der Verwaltung des Vorwerks Ostra, ihrem Witwensitze, war sie in jeder Beziehung die Seele des Ganzen, da sie sich um die kleinsten Dinge bekümmerte. Im Sommer, bei gutem Wetter, ging sie zu Fuße wöchentlich zwei Mal von einigen Personen begleitet an diesen Ort, bereitete mit eigenen Händen die Butter und ordnete andere in der Wirthschaft nöthige Dinge. Sie pflegte für ihren Gemahl selbst zu waschen, die übrige Wäsche hingegen ließ sie durch andere Personen besorgen und auf das Schloß bringen. Wenn fette Ochsen und Schweine geschlachtet und Fleisch eingepökelt wurde, blieb sie zugegen und ordnete Alles auf’s Beste an.
Ein treues Bild von ihrer Einfachheit und sorgsamen Wirthschaftlichkeit gibt uns folgende Anekdote. An einem heißen Sommertage kam einst der Kurfürst August sehr durstig nach dem genannten Vorwerke und bat die Magd um einen Trunk Milch. Diese kannte den Kurfürsten nicht und reichte ihm eine geringe Sorte. Als der Kurfürst, nach dem Genusse derselben, seinen Unwillen laut werden ließ, antwortete die Magd in ihrer rohen Weise: „Wenn der alte Brummbär uns nicht immer die beste Milch nähme, dann hätten wir auch bessere.“ August erzählt diesen Vorfall seiner Gemahlin, und diese läßt sogleich die Magd kommen und gibt ihr einen herben Verweis. Unzufrieden darüber erwiderte diese: „Hätte ich freilich gewußt, daß ich einem solchen Schlingel, der Alles ausplaudert, Milch gegeben hätte; dann hätte ich gewiß nichts gesagt.“ August hatte hinter der Thüre lauschend diese Rede gehört und trat lachend mit den Worten hervor:
Drum tragen wir in stiller Ruh,
Den Brummbär ich, den Schwengel du!
Jede Gelegenheit benutzte die Kurfürstin Anna gewissenhaft, um ihre Kenntnisse zu erweitern, und wenn bei Tische oder in Gesellschaft von den Wahrheiten der Religion oder andern wichtigen Gegenständen gesprochen wurde, so entfernte sie sich nicht eher, als bis die Unterredung zu Ende war. Wie sie in ihrer Jugend zur Gottesfurcht angehalten worden war und bis zu ihrer Vermählung und Abreise täglich vor der Tafel mit aufgehobenen Händen das Tischgebet laut verrichten mußte, so hielt sie auch jetzt ihre Prinzessinnen zu dieser frommen Sitte an, und eine derselben mußte es sogar am Tage ihrer Hochzeit in Dresden thun. Ihrem Oekonomie-Verwalter auf Ostra hatte sie eigenhändig ein Gebet aufgesetzt, und dieses fleißig zu beten anbefohlen.
Obgleich Anna von Gestalt sehr schön war und ein königliches Ansehen hatte, so blieb sie doch bescheiden und wußte sich in Zeit und Umstände zu schicken. Die Wahrheit war ihr so heilig und theuer, daß sie auch im Scherze sich keine Unwahrheit erlaubte. Ihre Sanftmuth und Geduld ging so weit, daß sie jede Beleidigung ihrer Feinde gelassen ertrug und sich gegen dieselben mit Tugend und Gebet vertheidigte. Geheimnisse waren bei ihr immer sicher verwahrt und die Kunst zu schweigen verstand sie vollkommen. Ihre Demuth und Bescheidenheit war die Ursache, daß sie in ihrem Stande und im Genusse ihres Glückes keinen Stolz zeigte, sondern sich Jedermann leutselig und herablassend bewies und von den ihr anvertrauten Gütern einen edlen Gebrauch machte. Kein Armer und Hülfsbedürftiger ging von dieser wohlthätigen Fürstin, ohne Unterstützung gefunden zu haben; ja oft hatte es das Ansehen, als wenn die Armen, Witwen und Waisen in Gemeinschaft mit ihr die Güter theilten. War ein sächsischer Unterthan in Gefangenschaft gerathen, oder wurde ein Jüngling durch Armuth verhindert, seine Studien fortzusetzen, oder fehlte es einem tugendhaften Mädchen an einer Ausstattung; so half sie entweder selbst, oder wurde Fürsprecherin bei ihrem Gemahl.
Da der Kurfürst neben dem Drechseln sich auch mit der Alchymie beschäftigte, wofür auch seine Anna eingenommen war, so glaubte man damals, er besitze den Stein der Weisen und könne Gold machen, weil sich stets ein großer Schatz und Geldvorrath in seiner Rentkammer befand, und sein Nachlaß 17 Millionen Thaler betrug; wenn man aber seinen guten Staats- und Privathaushalt bedenkt, so erklärt sich das Wunder von selbst. Auf Veranlassung seiner Gemahlin geschah es, daß August ein ansehnliches Kapital hergab, von dessen Zinsen arme und alte Geistliche oder Witwen unterhalten werden sollten. Oft pflegte sie zu sagen: „Alles, was ich auf der Welt habe, ist nicht im Stande zu verhindern, mich mit innigster Begierde nach dein Himmel zu sehnen, wo ich Gott schauen werde, den ich allein für die Quelle ansehe, meine Begierden zu stillen.“
Vom Jahre 1581 bis 1586 ward Sachsen, besonders Dresden, von der Pest heimgesucht, und im Jahre 1585 starben nicht weniger als 1209 Personen. In demselben Jahre wurde auch unsere Anna von dieser Krankheit befallen und ließ folgende Gebetformel für sich in der Kirche halten: „Es wird begehret ein christlich Gebet zu thun für eine arme Sünderin, deren Sterbestündlein vorhanden ist.“ Sie starb an dieser Krankheit zu Dresden den 1. October 1585. Ihre Leiche wurde einige Wochen in der Schloßkirche aufbewahrt und dann, von fürstlichen Personen begleitet, mit großer Feierlichkeit nach Freiberg gebracht und dort beigesetzt. Von ihren Unterthanen tief betrauert blieb sie unter dem Namen Mutter Anna noch lange im Andenken.
Spr. Sal. 31, 10-13; 18-20. 26. Wem ein tugendsames Weib bescheret ist, die ist viel edler, denn die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie thut ihm Liebes und kein Leides sein Lebenlang. Sie geht mit Wolle und Flachs um, und arbeitet gerne mit ihren Händen. Sie merkt, wie ihr Handel Frommen bringt; ihre Leuchte verlöscht des Nachts nicht. Sie strecket ihre Hand nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel. Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen, und reicht ihre Hand dem Dürftigen. Sie thut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre.