Eliot, John, der Apostel der nordamerikanischen Indianer.
(Gest. 1690.)
„Die Lehrer werden mit viel Segen geschmückt. Sie erhalten einen Sieg nach dem andern, daß man sehen muß, der rechte Gott ist Zion.„
(Ps. 84, 7. 8.)
Vor dreihundert Jahren wohnte in ganz Nordamerika nur eine Nation, die man nach ihrer kupferrothen Farbe die Rothhäute, und nach der irrigen Ansicht, daß Amerika ein Theil Indiens sei, Indianer nannte. „Sie sind, sagt ein Mann, der lange unter ihnen gelebt hat, mager, schlank, von leichten Gliedern, ungemein beweglich, und haben ihre Hauptstärke in den Beinen, die an gewaltiges Laufen und Reiten von Kind an gewöhnt sind. Der edle Schnitt des Angesichts, daß ohne seine Kupferfarbe und seine Bemalung dem europäischen ziemlich gleichen würde, die stattliche, feste Gestalt, der kühne, scharfe Blick des durch die Sonnenstrahlen im Freien und dem Rauch in der Hütte zusammen-gezogenen Auges verrathen gleich ein edles Naturvolk, dessen Kraft und Tüchtigkeit Bewunderung einflößt.“ Sie beten keine Götzen an, sondern verehren den großen Geist, der im Himmel wohnt. Von Unter und Nebengöttern wissen sie nichts. Der Gedanke an den großen Geist durchdringt das Leben des Indianers; er erwartet von ihm nach diesem Leben Lohn, oder Strafe. „Ich habe, sagt Catlin, gefragt bei Hohen und Niedern, vom Häuptling bis zum unwissenden und armseligen Jäger, ich habe Zeugnisse gesammelt vom Missouri bis an den Ocean, von den Eiswüsten bis in die Südwüsten, und überall trat es mir entgegen, daß es kein Volk irgend einer Farbe giebt, dem seine Religion so theuer ist, das einen so großen Theil seines Lebens auf demüthige Anbetung seines Gottes verwendet.“ Freilich sind die Indianer auch grausam; ihre Grausamkeit streift an Mordsucht. Die Kopfhaut des Feindes ist ihr schönster Schmuck. Das Leben des rothen Mannes ist Jagd- und Kriegsleben, das auch noch in der Welt der Seligen seine Beschäftigung bleibt. Rache, nicht Liebe gegen die Feinde, ist seine Haupttugend.
Diese edle Nation zählte vordem 14 Millionen Seelen; jetzt ist sie durch die Sünde der Europäer bis auf 2 Millionen heruntergebracht, von denen nur 500,000 noch, wie ihre Väter, in den Urwäldern jagen, und die übrigen halbcivilisirt die Sitten der Weißen nachäffen. Das Blut der dahin geschwundenen 12 Mill. wird der gerechte Richter einst von den Europäern, die sich Christen nannten, fordern. Die Geschichte der Indianer nach ihrem Zusammenstoßen mit den Europäern ist lange Zeit Nichts gewesen als „eine Reihe von Blutthaten, von Rachehandlungen, von Vertilgungskriegen, von Hunger, Elend und Freveln.“ Oft mußten die Missionare von ihnen hören, daß sie lieber den eigenen Landsleuten das Evangelium predigen sollten. „Machet sie gut und gerecht, sagten sie, und voll von dieser Liebe, die ihr uns da predigt! Lasset sie die Rechte und das Eigenthum der rothen Leute achten! Gehet heim, und thut, wie euer Buch sagt, und dann kommt wieder, und wir wollen euch anhören.“ Indeß sind auch manche Weiße zu ihnen gekommen, denen sie mit aufrichtiger Liebe zugethan waren, und deren Gedächtnis ihnen theuer und werth war. Zu diesen gehört John Eliot. John Eliot ist um das Jahr 1604 in England geboren. Das ist Alles, was wir aus seiner Jugend wissen. Nicht einmal sein Geburtsort, oder der Stand seiner Aeltern ist uns bekannt. Nachdem er auf der Universität Cambridge Theologie studirt hatte, begab er sich, da die englisch-bischöfliche Kirche damals einen ungerechten Druck auf die andern evangelischen Gemeinschaften ausübte, mit eine Schaar Glaubensgenossen nach Amerika, im Jahre 1631. Sie gründeten in der Nähe von Boston ein Städtchen Norbury; Eliot wurde ihr Seelsorger. Er war von großem, gewaltigen Körperbau; seine Ausdauer in jeder Art von Mühseligkeiten war unglaublich. Im Marschiren that er es späterhin selbst den Indianern noch zuvor. Dabei besaß er ein vortreffliches Gedächtniß, das besonders leicht Sprachen lernte, einen scharfen Verstand, und eine Beharrlichkeit, die durch Nichts gebrochen werden konnte. Aber das Beste, was er besaß, das war die Eine köstliche Perle, Jesus Christus. Diese suchte er auch seinen Pfarrkindern mitzutheilen. Zuvörderst kündigte er daher der Zuchtlosigkeit in seiner Gemeinde den Krieg an. Sie konnten ihn jeden Augenblick absetzen; aber daran dachte der Mann Gottes nicht. „Er redete der Sünde gegenüber so viele Donnerkeile, als Worte; seine Kanzel war ein neuer Sinai, und die Blitzstrahlen fuhren hernieder von diesem brennenden Berge auf die Uebertretungen des Gesetzes!“ Aber den bekümmerten, zerschlagenen Herzen war seine Rede wie das stille, sanfte Säuseln Jehovah’s. Seine Liebe kannte keine Grenzen. Der Schatzmeister seine Gemeinde zahlte ihm einst sein Gehalt aus. Eliot schüttete es in sein Taschentuch. Der Schatzmeister nahm das Tuch, und schnürte es mit so vielen Knoten zusammen, als er irgend konnte. Er wollte, daß Eliot das Geld unangegriffen nach Hause brächte. Der aber traf unterwegs eine arme Familie, die in großer Noth war. er wollte und mußte helfen. Die Knoten aber waren so fest, daß er sie nicht los machen konnte. Da reichte er das ganze Bündel der Hausfrau hin mit den Worten: „Gott hat es gewiß euch Alles zugedacht!“ Da mußte denn seine kluge, fromme Frau dafür sorgen, daß er mit seine Liebe auch christliche Klugheit verbände.
So wirkte Eliot in seiner Gemeinde. Aber, wenn er von seiner Kirche aus, die auf einem Hügel lag, nach den nahen Wäldern schaute, so zog ihn seine Sehnsucht dahin. Denn da wohnten die rothen Männer, und diese hatten seine köstliche Perle noch nicht. Er hätte sie ihnen so gern gebracht, aber er verstand sie nicht, und sie verstanden ihn nicht. Zwar war ihre Sprache schön und melodisch; aber sie war unendlich schwer zu erlernen. Die gangbarsten Wörter waren von ungewöhnlicher Länge. So heißt z. B. achtzehn: kaipinanesikkopotschi; – Heiland: Welutatenamohaluwit; – unsere Fragen: Kummogokdonattuhttammoktitnaongannunonasch. – Wer hätte wohl Lust, eine solche Sprache zu erlernen? Eliot hatte sie, denn er liebte die Indianer. Er stand jeden Morgen vor Sonnenaufgang auf, und setzte die ersten, goldnen Morgenstunden an die Erlernung der Sprache. Und das mußte er fünfzehn lange Jahre thun, ehe er einigermaßen mit den Indianern reden konnte. Wir müssen uns in Ehrfurcht beugen vor dieser eisernen Beharrlichkeit, und noch mehr vor dieser unergründlichen Liebe, die 15 lange Jahre die schönsten Morgenstunden verwendet, um einem wilden, verachteten Volke das Heil in Christo anpreisen zu können. – Als die fünfzehn Rüstjahre vorüber waren, zog Eliot am 28. Okt. 1646 in das nächste Indianderdorf, das nur zwei Stunden von Norbury lag. Ohne Waffen, ohne Friedenspfeife, nur die Bibel in der Hand, trat er unter die Wilden. Der Häuptling Waubon nahm ihn in seine Hütte. Unter freiem Himmel liegt er den Indianern den ersten Gottesdienst. Er redete eine Stunde lang mit dem Feuer der Liebe von dem Leben, den Leiden und der Auferstehung Christi. Ein großer, feuriger Mann und eine feurige Rede, das waren den Indianern zwei sehr wichtige Dinge. Ihre Augen strahlten vor Freude. Das war für Eliot eine überreiche Belohnung für die 15 Jahre der Mühe. Nach der Predigt ließ er sich mit ihnen in Gespräche ein. er wies sie besonders auf das Gebet hin. Da sie aber nicht wußten, was sie beten sollten, so empfahl er ihnen das kurze Gebet: „Herr, laß mich mit Jesum Christum erkennen, weil ich ihn zu nicht kenne!“ Ein Indianer sagte, daß er zu Gott und zu Jesu Christo gebetet habe um ein gutes Herz; aber ein anderer habe ihn unterbrochen, und gesagt, das Gebet sei unnütz, Jesus verstehe die Sprache der Indianer nicht. Die Gebete der Engländer verstehe er, denn er sei gewohnt, sie zu hören. Eliot pflegte seine Belehrung aus Vergleichung mit allbekannten Sachen herzunehmen, und antwortete: „Gott hat durch Jesum Christum alle Dinge gemacht. Auch alle Dinge läßt Christus werden, auch die Indianer, und daher weiß er auch Alles, was in dem Menschen ist, und was von ihm kommt, alle seine Wünsche, alle seine Gedanken und Worte, und folglich auch alle seine Gebete, und so versteht er auch Alles, was die Indianer beten. Wir machten sie auf einen Indianischen Korb aufmerksam, welcher vor ihnen stand. Obgleich die Andern, welche den Korb nicht gemacht, nicht wüßten, was dazu genommen sei, so müsse doch der, der ihn verteidigt habe, nothwendig Alles wissen, was daran sei. Gerade so verhalte es sich mit der Kenntniß des Schöpfers von seinen Geschöpfen.
Drei Stunden dauerten die Gespräche. Ungern ließen sie ihn ziehen; er mußte ihnen versprechen, bald wieder zu kommen. Und er kam bald wieder, und er kam zum dritten Male wieder. Er war zu Gast bei dem Häuptling Waubon. Das Haus war voll Heiden. Als er seine Ansprache geendet hatte, legte er sich zum Schlafe nieder; er fürchtete den Tomahawk (die Streitaxt) der Wilden nicht. Diese staunten, wagten aber nicht, den ruhig Schlummernden anzurühren. Während sie noch stumm in ihren Gedanken da saßen, erhob sich plötzlich Waubon, und trug ihnen mit aller Gewalt und allem Feuer indianischer Beredtsamkeit noch einmal vor, was Eliot alles gesagt hatte. Alle wurden ergriffen. Eine kleine Zeit schlossen sich wohl die Augen zum Schlummer; aber Waubon konnte nicht schlafen; er hob immer wieder von Neuem an. Er konnte nicht schweigen von der unergründlichen Erbarmung Gottes, der die Welt also geliebt hat, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Als Eliot zum vierten Male wieder kam, boten ihm alle Väter ihre Kinder zum Unterricht an. Er versprach es ihnen, wenn sie eine Stadt gründen, die Gesetze, die er ihnen geben würde, halten, und in Sittsamkeit leben wollten. Sie versprachen ihm Alles. Der Vorstand der englischen Colonie gab ein Stück Land her. Eliot mußte ihnen nun Alles seyn: Geistlicher, Lehrer, Gesetzgeber, Oberbaumeister. Die Stadt war im Jahre 1651 fertig, und wurde Nonanetum, d. i. Wonne genannt. Willig fügte sich das Volk der Rothen Eliots strengen Gesetzen. Die Sonntage wurden stille Tage des Herrn; „nicht einmal Sonntagsjägerei gab es, und die Indianer sind doch gewiß auf die Jagd recht erpicht.“ Das mußte Vielen, die neugebärende Kraft des Evangeliums nicht kennen, wie ein Wunde erscheinen; denn die Indianer flohen ehemals die Mauern wie Kerker, und hätten ihre Wälder nicht mit Palästen vertauscht. Jetzt mußten die Männer zum Ackerbau angeleitet, und Handwerke eingeführt werden. Eliot war auch in diesen Dingen ihr Lehrmeister.
Aber seine Hauptarbeit war und blieb die Arbeit um ihre Seelen. Und er feierte für seinen Herrn und Meister Sieg über die Herzen der Indianer. Ein rechter Siegestag war der 7. Oktober 1657. Ein angesehener Häuptling in Nonanetum sollte begraben werden. Die Heiden wollten alle ihre heidnischen Gebräuche hier anwenden, auch dem Gestorbenen Friedenspfeife, Tabak, Streitaxt, Bogen und Pfeil u. s. w. mit ins Grab geben, damit er daran im andern Lande keine Noth litte. Eliot wies sie auf einen andern Trost im Tode hin, und alle heidnischen Gebräuche unterblieben. „Man sah, erzählt ein Augenzeuge, die ganze Bürgerschaft der Stadt in tiefer, feierlicher Stille hinter dem todten Häuptling herschreiten. Kein Weinen wurde laut, kein Jammergeschrei erhob sich, als der Leichnam ins Grab sank. Eliot las die Totengebete. Dann sagte er, daß die Seligen im Himmel weder freien, noch sich freien lassen, daß die wilde Jagd und des Krieges Freuden dorthin nicht reichen, daß er dort nicht Häuptlinge, nicht Sklaven gäbe, daß in der Liebe Jesu Christi, der die Auferstehung und das Leben sei, alle diese Dinge verschwinden; sie weinten nicht über den Todten, sondern über sich selbst, daß der Wald von ihren Gebeten und Seufzern wiederhallte.
Die Kunde von den Indianern in Nonanetum durchdrang bald die dichten Wälder. Haufen von Indianern strömten herbei. „Was habt ihr denn nun, fragte einer, von euerm Gebet zu Gott, von euerm Glauben an ihn? Ihr seid so arm als wir, unser Mais ist so gut als der eure; wir haben mehr Freude, als ihr; wir jagen und schweifen weit in den Wäldern und an den Seen, ihr sperrt euch in diese Mauern ein. Wir haben viele Weiber, ihr habt nur eine Frau. Sähen wir, daß ihr Etwas gewonnen hättet, wir wollten auch zu Gott beten und ihm dienen.“ Da antwortete Eliot: „Gott giebt uns zwei Arten guter Dinge; die einen sind große Güter, die andern kleine Güter. Die kleinen sind Reichthum, Kleider, Nahrung, Vergnügen, viele Jagdthiere; die großen sind Weisheit, Erkenntniß Gottes, ewiges Leben, Buße und Glauben.“ Der Indianer schwieg.
Ein Häuptling, der Eliots Predigt in Nonanetum gehört hatte, ging heim, versammelte seine Aeltern, schilderte ihnen das friedliche Leben derer zu Nonanetum, und erklärte ihnen, er sei entschlossen, das wilde Leben aufzugeben. Sie stimmten im bei, und luden Eliot zu sich ein. er kam, und stiftete die Stadt Concordia. Seiner Stimme konnten sie Wilden nicht widerstehen; denn „sie klang wie eine Silbertrompete durch die stillen Wälder und die mächtigen Einöden, und sammelte die Völker um ihn.“ Im November 1657 wurde auf einer Versammlung der Häuptlinge beschlossen, daß alle im Schwange gehenden Sünden und Untugenden, Zauberei, Falschheit, Diebstahl, Entheiligung des Sabbaths mit schwerer Geldstrafe, Ehebruch aber und Morde mit der Todesstrafe belegt werden sollten. Von Concordia ging der rastlose Knecht Gottes zu anderen Stämmen. Seine Mühen und Beschwerden sind unvergleichlich. „Ich bin nun, erzählt er, von Dienstag bis Sonnabend Tag und Nacht nicht trocken geworden, sondern ganz durchnäßt von Ort zu Ort gezogen. Wenn ich mich zur Ruhe legen will, ziehe ich erst meine Stiefel aus, ringe meine Strümpfe ein wenig aus, dann aber wieder an mit ihnen. Aber Gott steht mir bei, und hilft mir. Ich jauchze selbst, wenn viele ermüdete Tage und Nächte über mein Haupt dahin gerollt sind, in Gefahren unter den Heiden, in Gefahren in der Wildniß. Oft, wenn ich Flüße durchwatete, brach die Fluth plötzlich herein. Aber dann gedachte ich der köstlichen Verheißungen, und stützte mich darauf: So du durchs Wasser gehst, will ich bei dir seyn! Ich rief mir zu: Leide dich als ein guter Streiter Christi!, und dies Wort giebt Kraft, Alles zu ertragen.“ So krönte der Herr das Wirken dieses andern Paulus, daß bis zum Jahre 1674 vierzehn Städte und Dörfer durch die betenden Indianer waren erbaut worden. Die Bewohner der Stadt Naticke setzten folgende Urkunde auf: „Wir sind die Söhne Adams. Wir und unsere Vorväter waren lange Zeit in Sünden verloren. Aber nun fängt das Erbarmen Gottes an, uns wieder zu suchen und zu finden. Darum übergeben wir uns selbst und unsere Kinder Gott, um sein Volk zu seyn. er soll uns in allen Sachen beherrschen. Der Herr ist unser König. Er will uns selig machen. Die Weisheit, welche uns Gott in seinem Buche gelehrt hat, soll uns führen. O Jehovah! lehre uns Weisheit, sende deinen Geist in unsre Herzen, nimm uns zu deinem Eigenthum an, und laß uns dich zu unserm Gott nehmen!“
Hundertmal schon hatten die Häuptlinge und Zauberer, welche den Untergang ihrer Macht durch seine Lehre befürchteten, einen qualvollen Tod für Eliot beschlossen, hatten ihn auch wirklich schon grausam behandelt. Ohne Freund und Gefährte, von Hunger gequält, vom Regen bis auf die Haut durchnäßt, durchzog er Monate lang allein die Wälder. „Der Herr ist mit mir, was können mir die Menschen thun? das hat er da oft erfahren. Er stand einst dem Gutschemoruin, dem wildesten aller Häuptlinge, gegenüber, der Tod und Verderben aus seinen Augen sprühte. Die anwesenden Indianer, bleich vor Furcht, schlichen davon. Eliot war mit dem furchtbaren Krieger allein. Da sprach er: „Es ist ein Mächtigerer, als du bist, mit mir. Ich fürchte dich nicht, ich fürchte nicht alle Weisen des Landes, ich werde fortfahren in meinem Werk, mögt ihr thun, was ihr wollt!“ Der wüthende Krieger wurde freundlich, und hat sich kurz nachher zu dem Herrn, seinem Gott, bekehrt.
Das wußte Eliot, daß er seinen Indianern kein köstlicheres Geschenk geben konnte, und daß nichts mehr im Stande sei, sie den rechten Weg zu lehren, als wenn er ihnen die Bibel in die Hand gäbe. Er gab sich daher mit allen seinen Kräften an die schwere Arbeit, die h. Schrift in die Indianersprache zu übersetzen. Im Jahre 1661 war unter Gebet und Flehen das Neue Testament fertig. Der rothe Mann war so begierig nach der lauteren Mich des Wortes, daß in kurzer Frist alle Exemplare vergriffen waren. Gegen Ende 1663 war die ganze h. Schrift in ihren Händen. – Außer diesem Gehülfen suchte Eliot sich aus den Indianern selbst Mitarbeiter in seinem Werke zu erziehen. Er legte deshalb Schulen an, und sah bald sein Unternehmen mit großem Segen gekrönt. Indianische Häuptlinge wurden die lebendigen Verkündiger der großen Thaten Gottes. Ich will nur von einem, dem Häuptlinge Waubon, den das Wort vom Kreuz nicht hatte schlafen lassen, erzählen. Als Nonanetum fertig war, hatte er seine Häuptlingswürde niedergelegt, und war ein treuer Diener Christi geworden. Zahlreiche Stämme verehrten ihn als einen Friedensboten. Bis an sein Ende war er thätig für die Ausbreitung des Reichs Gottes.
Stellen wir uns an sein Sterbebett! Eliot steht an demselben, seine Freunde klagen und weinen. Da öffnet er noch einmal seinen Mund, und spricht: „Meine Freunde und meine Kinder, weinet nicht sehr, und klaget nicht um mich in dieser Welt“ Mein Leib ist zerbrochen, von Krankheit und Schmerz; aber ich will Deines Namens gedenken, o Gott, so lange ich lebe. Ich möchte jetzt sagen, wie jener sagte in der alten Zeit: Ach, daß meine Reden geschrieben würden! Ach, daß sie in ein Buch gestellet würden, mit einem eisernen Griffel auf Blei und zu ewigem Gedächtniß auf einen Felsen gehauen würden! Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erde auferwecken, und ich werde in meinem Fleische Gott sehen! Das ist deine Liebe, o mein Gott!“ Nach diesen Worten verschied er. Dies waren denn selige Augenblicke für Eliot. Doch auch große Prüfungen warteten seiner. Seine vier Söhne starben ihm in der Blüthe der Jahre. Es war sein sehnlichster Wunsch gewesen, daß sie ihn in seinem Werke unterstützen möchten; sie hatten auch schon als tüchtige Mitarbeiter neben ihm gestanden. Wenn ihn Jemand fragte, wie er den Tod so vortrefflicher Söhne ertragen könne, so erwiederte er: „Mein Wunsch war, daß sie Gott auf Erden dienen möchten; doch, wenn er es für besser hält, daß sie ihm im Himmel dienen, so habe ich Nichts dagegen zu sagen; – sein Wille geschehe!“ – Aber noch einen herberen Kummer hatte der Herr für ihn aufgespart. Die meisten de von ihm gegründeten Städte wurden in einem Kriege zerstöret, den einer seiner Schüler, jetzt leider abgefallen vom Christenthum, entzündet hatte. Er wurde freilich geschlagen, aber von jenen 14 christlichen Städten lagen 10 in Trümmern, die vier andern waren mehr oder weniger zerstört. Viele Ihrer Bewohner waren zum Heidenthum zurückgekehrt, die besten und treuesten Freunde Eliots waren gefallen. –
Aber noch ein Silberblick sollte ihm leuchten: jene zerstörten Städte und Kirchen erhoben sich wieder zu den Werke seines Knechts. Da nahm ihm Gott noch seine letzte Stütze, seine Frau, und von nun an sehen wir ihn dem Grabe zueilen. Aber auch jetzt noch arbeitete er für seinen Meister. Davon will ich nur noch Einen schönen Zug erzählen. Erblindet im 87. Jahre finden wir ihn auf seinem Sterbelager, und neben dem Bette einen armen, blinden, verkrüppelten Negersklaven. Dem sagt er Sprüche der h. Schrift vor, und das Wort des Redenden bringt tief ein in das Herz des armen Sklaven. Das war seine letzte Arbeit. Als man ihn nach seinem Befinden fragte, sprach er: „Ach, ich habe Alles verloren, – die Gedanken verlassen mich, – mein Gedächtnis wird mir untreu, – die Sprache fehlt mir! – Doch, Gott sei Dank! meine Liebe hält immer noch aus, und ich bemerke, daß sie, statt abzunehmen, immer noch zunimmt.“ Noch einmal zog an seiner Seele sein großes Werk vorüber. Aber wie klein und gering erschien es ihm! „Meine Arbeiten, rief er aus, ach, die sind armselig gewesen und gering und schwach, und ich bin der, welcher den ersten Stein auf sie wirft.“ „Der Tod soll mir seyn, sagte er dann, wie der Schlaf dem Müden. Der Herr, dem ich achtzig Jahre gedient habe, läßt mich nicht. O, komm in Deiner Herrlichkeit! Lange habe ich auf Dich gewartet. Willkommen, Herr, Willkommen!“ So starb er, wie ein Held auf dem Schlachtfelde, kämpfend noch bis zum letzten Atemzuge, kämpfend gegen das Reich der Finsterniß, und der Sieg war sein.
Dr. Theodor Fliedner, Buch der Märtyrer, Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth, 1859