Louise wurde zu Grafenhaag in Holland am 27. November 1627 geboren, und war eine Tochter Friedrich Heinrichs, des trefflichen Fürsten von Oranien, Erbstatthalters der vereinigten Niederlande, und dessen Gemahlin Anna von Solms-Braunfels. Friedrich Heinrich war ein großer Staats- und Kriegsmann, und als Enkel des Admirale Coligny, des in der Pariser Bluthochzeit ermordeten, ein eifriger Reformirter. Eben so gottesfürchtig war seine sehr verständige Gemahlin, mit der er ein schönes Familienleben führte und eine tüchtige Kinderzucht übte. Die Mutter hielt es nicht unter ihrer Würde, ihre Töchter, denen sie jede sonstige Ausbildung angedeihen ließ, bei der Wirtschaft anzustellen, und weibliche Handarbeiten gewöhnlicher Art ihnen zur Pflicht zu machen. So flossen die Jugendjahre Louisens meist in stiller Zurückgezogenheit dahin.
Der Zauber dieser häuslichen Tugenden verfehlte nicht, einen tiefen Eindruck auf den Sohn des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, zu machen, der nach einem Knabenalter voll Unruhe und Unstetigkeit vor dem offenen Sarge seines Oheims, des bei Lützen gefallenen und bis zum Frühjahr 1633 in der Gruft zu Wolgast beigesetzten großen Schwedenkönigs Gustav Adolf, schnell zum Jüngling gereift, im Frühling 1634 in dem damals allen Ländern voranleuchtenden Holland seine Ausbildung erhalten sollte, und bei der Familie des Erbstatthalters im Haag, so wie im Belagerungsheere desselben vor Breda einen Bergungsort gegen die Sünden und Verführungen der Jugend gefunden hatte.
Friedrich Wilhelm, unter den Stürmen des dreißigjährigen Krieges ans Mannesalter und (1640) zum Thron gekommen, zog während der westfälischen Friedensverhandlungen von Königsberg nach Cleve, und von hier aus warb er um Louise, die er vor zehn Jahren als Mädchen am Grafenhaager Hofe gesehen hatte. Der Krieg hatte sein Land und seine Kassen so erschöpft, dass er erst nach einiger Zeit Hochzeit machen konnte, wozu seine Mutter ihm ihr Spargeld die für jene Zeit bedeutende Summe von dreitausend Talern auf ein Jahr leihen musste.
Die neunzehnjährige Braut prangte in der Fülle der Schönheit, sie hatte ein lilienweißes Antlitz und blonde Haare, ein großes, herzgewinnendes Auge, zierliches Ebenmaß der Glieder, und eine Haltung voll Anmut und Würde. Am 7. Dezember 1646, um fünf Uhr Abends war die Trauung. Friedrich Wilhelm erschien in eng anliegendem, seine kräftige Gestalt hervorhebendem Gewande aus weißem Atlas mit silbernen Spitzen, die Knöpfe mit Edelsteinen bedeckt; Louise war in Silberstoff über und über mit silbernen Spitzen gekleidet, sechs Gräfinnen trugen die acht Ellen lange Schleppe, und auf dem Kopfe strahlte eine mit Perlen und Diamanten reich verzierte Krone. Sie brachte ihrem Gemahle ein sehr ansehnliches Heiratsgut, die Aussicht auf Ererbung der oranischen Länder, das reformirte Bekenntnis, in dem er selbst erzogen war, eine tiefe Frömmigkeit, eine treffliche Übung in der Tonkunst und die herrliche Gabe der geistlichen Dichtung, einen ausnehmenden Verstand und einen so gehorsamen und häuslichen Sinn mit, dass er sich und seinem völlig zerrütteten Lande keine trefflichere Hausfrau und Landesmutter hätte heimholen können.
Ihr kranker Vater musste sich im Armsessel in die Traukapelle tragen lassen. Die Krankheit des Erbstatthalters war abzehrender Natur, Louise bat, noch einige Zeit nach der Hochzeit bei ihrem Vater bleiben zu dürfen. Friedrich Wilhelm konnte eine solche Bitte nicht abschlagen, und so sehen wir sie denn, statt die Vergnügungen der Flitterwochen zu genießen, am Krankenbette weilen und mit ausharrender Geduld des hinsiechenden Vaters warten, der endlich am 14. März 1647 sanft in ihren Armen verschied. Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser. Friedrich Wilhelm, obwohl in seiner Jugend mit Predigthören viel zerplagt, und mit Psalmenlernen als seiner gewöhnlichen Strafe belegt, hatte in den unaufhörlichen Anfechtungen seines jungen Lebens schon genug aufs Wort zu merken gelernt, um seine Gattin erst dann ihren Vater verlassen zu heißen, nachdem sie ihm die segnend erloschenen Augen zugedrückt.
Nun wurde zum Aufbruch nach Cleve gerüstet, aber der Kurfürst befand sich wieder in größter Geldnot, seiner Schwiegermutter sie zu entdecken war er zu stolz, so verzögerte sich der für ihre trauernde Familie, so wie für das herzlich ihr anhängende Volk tränenschwere Abschied bis zum Juni desselben Jahres.
Im Jahre 1648 gebar Louise ihren ersten Sohn, den sie nach ihrem Manne und ihrem Vater Wilhelm Heinrich nannte. In diesem durch den westfälischen Frieden beglückten Jahre hatte sie ihre schönsten Tage. In Cleve wurde sie fleißig von den Ihrigen aus dem nur zwanzig Meilen entfernten Haag besucht, das Kind gedieh, der Gatte war ihr treu ergeben, und sie wusste zu rechter Zeit das Dreifache zu üben, was eine Frau ihrem Manne wert macht: nämlich stille schweigen, wo ihr Rat nicht begehrt wurde und die Ansichten ihres Gemahls von den ihrigen abwichen; urteilen und sprechen, wo es ihrem Gemahl eine Freude war, in ihr eine vernünftige Frau zu schätzen, deren natürlicher Verstand oft weiter reichte als seiner wohlstudierten Staatsmänner; beruhigen endlich und erheitern, wo fehlgeschlagene Hoffnungen oder sonstige Widrigkeiten den Gatten missmutig und bitter machen wollten. In dieser Wonnezeit ihres Lebens griff sie denn auch freudig in die Harfe, und in einer solchen glücklichen Stunde hat sie das liebliche Lied gedichtet:
„Gott, der Reichtum Deiner Güte,
Dem ich alles schuldig halt,
Ursach, dass mir mein Gemüte
Gegen Dir für Freuden wallt.
Meinen Wohlstand, meine Zier,
Dank ich, Vater, einig Dir,
Du hast reichlich Leib und Leben,
Ehr‘ und Guttat mir gegeben.“ usw.
Nach dem Friedensschlusse wollte der Kurfürst wieder in sein Stammland, die Mark Brandenburg ziehen. Im Frühherbste 1649 machte sich Louise auf die Reise, aber schon in Wesel erkrankte ihr Kind, und am 24. Oktober verschied es. Nun war sie wie eine zwiefach entwurzelte Pflanze, und in ihr zerrissenes Herz vermochte nur der tiefe, lautere Glaube ans Wort einiges Licht und einigen Trost zu gießen. Sie musste nach Bestattung des fast zweijährigen Prinzen in der schlimmsten Jahreszeit mitten durch verheerte Gegenden und auf ungebahnten Wegen die Reise in die Altmark fortsetzen. Zu Tangermünde konnte sie einige stille Wintermonate zubringen. Da war es auch, dass ihr Mund überquoll von dem, dessen ihr Herz voll war. Ohne Zweifel fällt in diese trübe Zeit die Entstehung ihres Liedes, das seither alle Kirchengesangbücher ziert: „Jesus meine Zuversicht.“ Noch im Winter musste sie ihren Gemahl, der nicht ohne sie leben konnte, weiter auf seinen Huldigungsreisen begleiten, obgleich diese Anstrengung ihrem zarten Körper nicht zuträglich war. Überdies war nirgends längere Erholung möglich, denn die märkischen Städte, vom Krieg verödet oder verarmt, vermochten die ihnen obliegenden Kosten der Hofhaltung nicht lange zu ertragen. Berlin selbst, wo der Hof bleiben sollte, war so elend, dass der Kurfürst zu Instandsetzung seiner Wohnung einen Baumeister aus Holland kommen lassen musste, denn seit dreißig Jahren hatte man sich in Berlin, um die Last der Einquartierung zu mindern, förmlich auf unscheinbares Bauen verlegt. Eine große Vorstadt war erst wegen der Schweden, die noch in der Nähe lagen, ohne Not abgebrannt worden, die ganze Stadt fasste kaum ein paar tausend Einwohner hinter ihren Wällen. Am 10. April 1650 zog der Kurfürst mit seiner schönen Gemahlin, begleitet von Ritterschaft und Volk, von Spandau aus in sein Haus zu Köln an der Spree, durch keinen Tiergarten und keine „Linden“, sondern unmittelbar aus dem sumpfigen oder sandigen Walde, dessen West- und Südseite jetzt „der Werder“ genannt ein Erlensumpf war, ging es ins Schlösschen.
Die ungeheuren Forsten, die der dreißigjährige Krieg gepflegt hatte, mit ihren Scharen von Wild, lockten den Kurfürsten zur Jagd. Louise fand daran kein Vergnügen, aber sie begleitete ihn willig, wartete geduldig bis zur späten Heimkehr des Gatten, empfing ihn mit freundlichem Blick und Wort, und bewirtete ihn mit trefflicher, gerne selbst bereiteter Speise. Das Jagdschlösschen bei Bözow, dem heutigen Oranienburg, ward ihr selber um deswillen ein Lieblingsort, weil die anmutig von der Havel durchflossene Gegend ihr so heimisch und freundlich aussah, wie die Plätze ihrer Jugendspiele. Das Städtchen, vor dem großen Kriege ein wohlhabender Gewerbsort, war fast ausgestorben und die Felder lagen öde. Das verarmte Landvolk zu ermuntern legte sie neben dem Schlösschen einen großen schönen Nutzgarten an, und vom Kurfürsten mit der Landschaft umher beschenkt, begann sie zum Wohle ihrer lieben Untertanen zu walten, deren Herzen sie durch ihre Leutseligkeit gewonnen hatte. Sie verschrieb aus Holland Gärtner, Landwirte, Bauern, um Musterwirtschaften anzulegen, wobei sie keine Mühen und Kosten sparte. Ihr großes Vermögen sollte ihren Untertanen zu gut kommen. Dabei schmerzte sie es tief, wie die verwilderte Jugend sich in der Gegend umhertrieb und ohne allen Unterricht, Gottesdienst und Erziehung aufwuchs. Dem suchte sie zu steuern, geistlich wie leiblich erbarmte sie sich des armen Volkes, und bald war es mit ihrem Namen, wie einst mit dem einer Mathilde, Adelheide und Elisabeth: länger als ein Jahrhundert wurde er als Lieblingsname Tausenden beigelegt, und fast in allen Häusern auch der geringen Bürger musste ihr Bildnis hängen.
Der 6. November brachte für Louise, die sich durch den damaligen Mangel aller Posten selbst nicht durch Briefe mit den Ihrigen in Verbindung setzen konnte, und manche Stunde einsam trauerte, große Freude und großes Leid zugleich. Für die Marken brachte erst das zweiunddreißigste Jahr nach Ausbruch des Krieges den Frieden mit dem endlichen Abzug der Schweden. Ein fröhliches Friedensfest wurde gefeiert, Louise, die nie beim Gottesdienste fehlte, war die erste im festlichen Zuge und die erste am Altar. So ernst ihre Frömmigkeit war, so fröhlich war sie nachher mit dem fröhlichen Volke und mischte sich traulich in seine Reihen, ja in seine Tänze. Kaum war die Feier verklungen, so brachten die alsbald wieder hergestellten Posten die Nachricht von ihres einzigen Bruders Tod, des Erbstatthalters, der im fünfundzwanzigsten Jahre hinwegstarb. Groß war ihr Schmerz, größer ihre stille Gottergebung. Sie fand in diesem trüben Winter ihren Trost und ihr Genüge in geistlichen Betrachtungen, in täglichem Forschen in der Schrift, im Singen und Spielen geistlicher lieblicher Lieder; teils waren es eigene, mit denen sie die Trauergeister weichen hieß, wie in dem Verse:
„Nun aber ihr Tyrannen
Und Feind hebt euch von dannen
Und macht euch bald von statt,
Denn Gott der Herr sanftmütig
Mein sehnlich flehen gütig
Numals erhöret hat.
Was ich von ihm begehrt
Das hat er mir gewähret,
Ja mehr dann ich ihm bat!“
Teils waren es die Lieder, die damals allenthalben vom Baume der in höchster Blüte stehenden evangelischen Liederkunst des vom Kriege verwüsteten deutschen Vaterlandes fielen.
Neben der Dichtkunst liebte und übte Louise die Tonkunst, namentlich die heilige; trotz ihrer häuslichen Tätigkeit fand sie Zeit, derselben täglich eine Stunde zu widmen. In der Kirche musste ihre Kapelle den Gesang des reformirten Gottesdienstes begleiten. Es war damals die Zeit wie der großen Liederdichtung, so der großen kirchlichen Musikmeisterschaft und Tonsetzung. In der ersten Reihe jener Choraltonsetzer stand Johann Crüger, welcher auch die Melodie zu „Jesus meine Zuversicht“ gesetzt, und unter ihren Augen 1657 ein Gesangbuch, in dem sich ihre eigenen Lieder befanden, herausgegeben hat.
Louise, streng kirchlich erzogen, blieb strenge bei der gewohnten Erfüllung ihrer heiligen Pflichten. Am Sonntage mussten alle Werkgeschäfte und alle Sorgen ruhen. Sie bereitete sich zum Gottesdienst mit Gebet vor, und versäumte denselben unter keinem Vorwande. Nur eigentliche Krankheit, die sie ans Bett fesselte, konnte sie abhalten, wo dann aber während der Zeit des öffentlichen Gottesdienstes in ihrem Zimmer gebetet und gesungen wurde. Ihr Anzug für die Kirche war ohne allen Prunk; nie sah sie vor dem Gottesdienste in einen Spiegel. Nachmittags wurde der Inhalt der Predigt wiederholt, und von ihr auf sich und die Ihrigen angewendet. Die heilige Schrift las sie ohnehin täglich, so dass sie in ihr lebte und webte.
Mit unendlicher Gewissenhaftigkeit überwachte und prüfte sie sich selbst. Wenn sie sich im mindesten verleiten ließ, etwas zu versäumen, auch nur einige Minuten im Guteswirken zu verlieren, oder einer nicht gottgefälligen Empfindung nachzuhängen, so strafte sie sich unerbittlich. In einer der vielen Unterredungen mit ihrem geistlichen Führer, dem Hofprediger Stosch, sagte sie zu ihm: „Ich wiederhole, dass Ihr alle meine Sünden und Fehler mir vorhaltet, auch wenn nur ein Schein hiervon da wäre. Vergesst nicht, dass Ihr Seelsorger seid; ich beschwöre Euch bei Gott, Eurem und meinem künftigen Richter.“ Ein unsterbliches Zeugnis ihres bußfertigen Lebens ist ihr Lied:
Ich will von meiner Missetat
Zum HErren mich bekehren. usw.
Dem Kurfürsten, der zwar selber religiös war, schien es doch, als ob sich seine Frau zu ernst in geistliche Erbauung und Betrachtung versenke, er forderte sie zu einer Reise an den Rhein und nach Holland auf, um sie zu zerstreuen. So ungerne sie durch eine damals so weite Reise das eben erst angefangene Werk an Land und Leuten in der traurigen Mark aussetzte, so zog es sie doch zu ihren Lieben und an die Grabstätte ihres Kindes, auch hoffte sie bei Cleve und in Holland noch Vieles zu erlernen, zu erfragen und zu erfahren, was zur Aufhilfe ihrer Märker dienen konnte. Die gesammelten Winke und Ratschläge sollten dann die Grundlage der Entwürfe und Verfügungen sein, die der Kurfürst durch die tüchtigsten Männer ausführen lassen wollte. Auch neue Ansiedler zu Anlage von Musterwirtschaften gedachte sie zu gewinnen.
Die Reise ging im Frühjahr 1651 vor sich, aber äußerst langsam, da der Kurfürst in seinen neuen Landen zu Halberstadt, Minden, Westfalen sich gründlich umsehen wollte. Mittlerweile ging ihr ein Freudenstern auf mit der Nachricht von der Verlobung ihrer Schwester mit dem Statthalter von Ostfriesland, welche ihre Hochzeit auf dem kurfürstlichen Schlosse zu Cleve feiern zu dürfen baten. Der Kurfürst beeilte sich, ihr diese hohe Freude zu bereiten. Es war ein wehmütig liebliches Wiedersehen, als die verwitwete Schwägerin und die verlobte Schwester, die verwitwete Mutter und die kinderlos gewordene Louise sich zärtlich umarmten, Leid und Freud gegen einander ausschütteten, und in herzlichster Liebe den Vermählungstag feierten; Louise zumal entfaltete alle Kunst, welche die Natur und die Gnade ihr verliehen, mit feinem Gefühle jede Störung ferne zu halten und überall die allgemeine Freude zu erhöhen.
Mit den neuen Ansiedlern, welche nun die Kurfürstin für die Mark anwarb, wurden hier die ersten Kartoffeln gepflanzt, nachdem sie Francis Drake schon vor 71 Jahren nach England gebracht hatte.
Louise gebrauchte den Sommer über die Bäder von Aachen und Spa, und blieb den Winter in Cleve und Westfalen, wo der Kurfürst seine große Wirksamkeit unbehinderter äußern konnte, als in der ausgesaugten Mark und in dem von den Landständen regierten Preußen. Seine Gemahlin war ihm immer treu zur Seite und widmete sich ihm als seine traute Gehilfin, ihre übrige Zeit gehörte ihren geistigen Arbeiten und der Andacht, namentlich aber den Armen.
Am 2. Mai 1652 feierte sie die Hochzeit ihrer zweiten Schwester mit dem Prinzen von Nassau, wieder in Cleve. Mitten in ihrem Glücke unter ihren Lieben vergaß sie der Notleidenden, zumal der unglücklichen Bewohner der Mark Brandenburg nicht. In Folge einer Kirchenvisitation hatte sich ergeben, dass durch den dreißigjährigen Krieg eine Menge Gemeinden ohne Gottesdienst und Schule waren, dass hie und da nur ungelehrte Leute die geistlichen Geschäfte verrichteten, und für ihre Weise dann großen Anhang zu erwerben wussten, da die Drangsale der Kriegszeit die Herzen für Gutes und Schlimmes gleich sehr empfänglich gemacht hatten. Eine ungeheure Rohheit hatte sich zugleich im Volke verbreitet, entsetzlicher Aberglaube, der Glaube an Zauberer und Hexen hatte sich selbst der Geistlichen und Gelehrten bemächtigt, und zwischen den Lutherischen und Reformirten herrschte die bitterste Streitsucht, in welche selbst der gottselige Paul Gerhard so verwickelt wurde, dass der reformirte Kurfürst ihn aus Berlin verwies.
Alles das erfüllte das Herz der Kurfürstin, die so gerne allenthalben zu Frieden und Segen geholfen hätte, mit Trauern, bestärkte sie aber auch in dem Vorsatz, alle ihre Kräfte dem armen Land und Volk zu weihen.
Nach Berlin zurückgekehrt fand sie das nahe Oranienburg immerhin in besserem Zustande, als vor zwei Jahren; in Verbindung mit dem trefflichen Otto von Schwerin, der selbst auch evangelischer Liederdichter war, ging sie von neuem ans Werk. In der Nachbarschaft lag der Ort Zehlendorf ganz verwüstet und verlassen da. Sie hatte es angekauft und schon von Cleve aus holländische und friesländische Bauern angeworben, die unter vorteilhaften Bedingungen sich hier ansiedeln und die holländische Wirtschaft einführen sollten. Es behagte ihnen nicht, und so ließ Louise andere Reformirte aus Westfalen kommen, ehemalige Einwohner kehrten auch zurück, andere Landeskinder wurden von Louise herbeigezogen, ein Geistlicher angestellt, und die Gemeinde mühsam wieder in Stand gebracht.
Der Kurfürst schenkte seiner Frau ein Stück Land vor dem Spandauer Tor, alsbald richtete sie dort eine musterhafte Gartenanlage mit Viehwirtschaft ein, und nannte den Ort Louisenhof. Unter ihrer Aufsicht und Mitwirkung ließ sie hier Anweisung zur Garten- und Wiesenbenützung, Butter- und Käsebereitung durch Holländer erteilen, und Personen jedes Standes daran Teil nehmen: manche Gutsbesitzer ahmten ihre Musterwirtschaften nach, und Louise war die Mutter eines sichern, obschon langsamen und schweren Erfolgs zum leiblichen Wohle des Volkes.
Wichtiger war ihr das geistige Wohl desselben. Der Krieg hatte, wie gesagt, alles verwildert, die feindlichen Schwärme hatten Kirchen, Pfarrhäuser, Schulhäuser, evangelische Erbauungs- und Gesangbücher, namentlich auch mit Lust die Bibeln verbrannt. Selten war das Beispiel jenes Berliner Bürgers, der mehrere Jahre lang es seinem Munde abdarbte, um sich von fünf ersparten Talern eine neue Bibel anzuschaffen. Louise hatte schon seit Jahren schöne geistliche Lieder gesammelt und gedichtet; nun wollte sie dem Volke namentlich ein gutes Gesangbuch in die Hand geben, und veranlasste den Dichter Christof Runge zur Herausgabe eines evangelischen Kirchengesangbuches, das dann auch 1653, der hohen Frau gewidmet, unter dem Titel erschien: „Dr. Martin Luthers und Anderer geistliche Lieder und Psalme auf sonderbarem Ihro kurfürstlich Durchlaucht, der Kurfürstin Louise von Brandenburg Befehl zusammengetragen und gedruckt.“
Bei all dieser heilsamen und unermüdlichen Tätigkeit hatte Louise viel mit Gram und Schwermut zu kämpfen, denn sie blieb, wie es schien, kinderlos, und konnte wohl hören die vorwurfsvoll klingende Stimme des Volkes:
„Vom Kurhaus
Geht Stamm und Wurzel aus,
Und wer ist schuld?“
Was sie aller Welt und auch ihrem, der Erheiterung bedürfenden Gemahl verbarg, schüttete sie um so unverhohlener vor ihrem Gott aus. In diese Zeit fällt ihr schönes Lied:
„Ein ander stelle sein Vertrauen
Auf die Gewalt und Herrlichkeit,
Und auf Hochmut zu jeder Zeit;
Ich will auf Gott den Höchsten bauen,
Der unter seiner Macht die Welt.
Samt aller Reiche Krone hält.“ usw.
Also mitten in tiefster Beugung ihres Trostes sicher konnte sie den Entschluss fassen, ihrem Gemahl – den gerade damals die Verweigerung des Soldes zu einem ersten stehenden Heere von 4000 Mann von Seiten der kurmärkischen Stände tief verdross – und seinem Lande, das auch durch eine Pest im Herzogtum Preußen schwer heimgesucht war, das große Opfer einer Ehescheidung anzutragen. Sie bereitete sich zu diesem Schritte durch Gebet und Flehen um ein gefasstes Herz und ungeheuchelten Ernst vor, und erschien dann vor dem Kurfürsten mit den Worten: „Ich trage auf Scheidung unserer Ehe an; nimm Dir eine andere Gattin, die Dein Land mit einem Thronerben erfreut, das bist Du Deinen Völkern schuldig.“ Die feierliche Ansprache brachte den großen Kurfürsten fast außer Fassung. Nach kurzem Bedenken antwortete er, dessen Lebenssprüchlein war: HErr tue mir kund den Weg, darauf ich wandeln soll: „Was Gott der Herr zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Und als sie noch etwas einwenden wollte, sprach er entschieden: „Was mich betrifft, so werde ich meinen Eid Dir halten, und so es ihm dabei gefiele, mich und das Land zu strafen, so müssen wir’s uns gefallen lassen.“ Darauf reichte er ihr die Hand, blickte sie freundlich an und fügte scherzhaft hinzu: „Nun, was nicht ist, das kann ja noch werden.“
Nun entfiel auch ihr das Herz, und die Tränen, die sie bisher im Verborgenen geweint, strömten schmerzlösend jetzt über ihre Wangen. Sie fühlte sich erleichtert und durch die vielen Aufmerksamkeiten und Vergnügungen, die ihr treuer Gemahl ihr zu bereiten suchte, merklich erquickt. Zerstreuungen übrigens gaben ihr kein Genüge, sie sehnte sich nach ihrem ländlichen Oranienburg, und begab sich auch bald dahin, um in tiefer Einsamkeit ihr Herz vor Gott auszubreiten. Sie dankte ihm herzlich für alles ihr erzeigte Gute, so insbesondere für die erprobte Liebe und Treue, und unterwand sich, um einen Thronerben zu bitten, wenn es des Herrn Wille wäre. Zudem tat sie das Gelübde, dass sie in Oranienburg etwas ungemeines stiften wolle, im Falle der barmherzige Gott ihr Elend ansehe und sie zur fröhlichen Kindermutter mache.
Und der Herr tat, wie er dort der frommen Hanna getan. Ihre sorgliche Mutter eilte herbei und nahm die Tochter in besondere Obhut und Pflege. Der große geistliche Dichter Simon Dach zu Königsberg sandte sein herkömmliches Glückwunschgedicht auf des Kurfürsten Geburtstag den 16. Febr. 1655 mit der bestimmten Weissagung eines Thronerben und Trostes seiner Völker ein, und noch ehe dasselbe gelesen ist, bringt die Schwiegermutter am Geburtstagsmorgen dem Kurfürsten seinen neugebornen Sohn zum Gruß. Es war ein Dienstag – die beglückte Gattin und Mutter gelobte zum Dank für die erwiesene Gnade jeden Dienstag dem Herrn zu weihen durch Fasten, Beten, Betrachtung, Beichte, Predigt und Erbauung; sie hielt dasselbe lebenslang; Nachmittags pflegte sie an diesem Tage an ihre Lieben zu schreiben, und erst nach Sonnenuntergang ein mäßiges Mahl einzunehmen. Der hocherfreute Vater ließ den ganzen Hof zu sich entbieten, das Volk strömte zusammen und Alles feierte einen Festtag. Am nächstfolgenden Tag war allgemeiner Bettag in Stadt und Land, und bald darauf wurde im ganzen Reiche ein feierliches Dankfest gehalten. Bei der Taufe überreichten die brandenburgischen Stände eine prächtige Denkmünze, auf welcher der Kurfürst seiner Gattin die Hand reicht und der Prinz in der Mitte mit den Händchen nach beiden Händen langt. Auf der Rückseite erheben sich mehrere ineinandergelegte „brandenburgische Hände“ zum Himmel mit der Beischrift:
„Was erfüllet im fünfundfünfzigsten Jahr,
Das mache der höchste Gott noch öfters wahr!“
Indessen war der Bau des Schlösschens in Oranienburg glücklich vollendet, fürstlich und geschmackvoll, aber ohne Überfluss, da Louise immer übrig haben wollte, um zu geben den Dürftigen. Zur Einweihung ihres Schlösschens musste ihr der Freiherr von Schwerin für eine anmutige Überraschung des Kurfürsten und für ein heiteres Fest des Volkes an einem schönen Junitage helfen. Sie mischte sich unter die Spielenden und Fröhlichen, und hatte sie sonst schon die Armen zu besuchen, die Elenden zu trösten, die Kranken zu erquicken und mit den Sterbenden zu beten für ihre süßeste Pflicht gehalten, so vergaß sie am allgemeinen Freudentag der Dürftigen und Seufzenden um so weniger. Eine besondere Lust war es ihr, ihrem Gemahl und ihrer Mutter Alles zu zeigen, was sie seit fünf Jahren aus dem wüsten Bruchlande zu machen gewusst hatte, um dem vom Land- und namentlich Gartenbau entwöhnten Volke ein Vorbild zu geben. Es bezeichnet sie ganz, dass sie die zwei größeren Drittel ihres Lustgartens für Gemüse und Obst, das kleinste dritte Teil für Blumen bestimmt hat.
Mitten unter den Freuden dieser Tage vergaß sie nicht ihres Gelübdes: aus Dankbarkeit für den erbetenen Ehesegen ihrem Schlösschen gegenüber eine Versorgungsanstalt für vierundzwanzig vaterlose Kinder auf immerwährende Zeiten zu errichten. Sie hatte bereits den Plan dazu entworfen, der freilich so großartig war, dass sie nicht sogleich die großen Kosten dazu erschwingen konnte. Dazu kamen auch bald noch andere schlimmere Trübungen nach kurzem Sonnenblicke und sie musste sich erst im Stillesein und Harren üben.
Zuerst geleitete Louise ihre Mutter gegen dreißig Meilen von Berlin auf deren Heimweg und nahm mit schwerem Herzen unter Gebet und Tränen Abschied. Auf ihrer Zurückkehr begegneten ihr eine Menge von Soldaten, erschreckt fragte sie den Kurfürsten um die Ursache und musste eingedenk des Unwillens, den schon die 4.000 Mann bei den Ständen erregt hatten, vernehmen, dass er nun ein stehendes Heer von 26.000 Mann habe. Er beriet sich offen mit ihr über die bedenklichen Verhältnisse und sie war mit ihm einverstanden, dass das Herzogtum Preußen seine Gegenwart erheische, wenn der drohende Krieg zwischen Schweden und Polen ausbräche. Er bat, sie möchte ihn begleiten. Stillschweigend umarmte sie ihn, um ihm zu zeigen, wie sie zu Allem für ihn bereit sei, auch wenn es über ihre Kräfte ginge. Die Abreise verzog sich bis in den November, denn in Preußen drohte Krieg und Pest. Der Pflicht der Gattin sich unterwerfend, opferte sie in heißem Kampfe die Mutterrechte, ließ ihren Säugling zurück und zog durch die verwüsteten Marken, durch Pommern, durch die Öden und Waldungen Westpreußens auf grundlosen Wegen oder Knüppeldämmen nach Königsberg. Louise, die nur ihren Mann zu besänftigen suchte über das ihm in Bezug auf Pommern widerfahrene Unrecht und über die sonstigen Missstände allerwärts, ertrug jede Unbequemlichkeit und Mühe geduldig, klagte nie und schien bei ihrer Ankunft gesund und heiter. Aber nun erkrankte sie heftig und nur langsam erholte sie sich, dass sie weiterhin wieder den öffentlichen Andachten ihres Hofpredigers Stosch, den sie mitgenommen, beiwohnen konnte. Stosch übrigens wagte nicht in einer der dortigen lutherischen Stadtkirchen zu predigen und eine reformirte gab es in Preußen nicht.
Nun drang Karl Gustav von Schweden mit Kriegsvolk heran und belagerte das fast offene Königsberg mitten im Winter. Louise verbarg ihre Angst im Busen und blieb mit großer Klarheit und Besonnenheit des Kurfürsten Rat und Beistand. Dieser musste am 7. Jan. 1656 Frieden schließen und sich mit Karl Gustav gegen Polen verbünden. Alles bisherige hatte Louise standhaft als Gottes Schickung getragen, über einen Krieg gegen das erbitterte Polen aber konnte sie sich nicht so bald trösten. Nur der Glaube hielt sie. Ihr Beichtvater Stosch erzählt, wie sie sich in ihrer Not mit dem kananäischen Weiblein verglichen und gesagt habe: „Wenn der Herr Jesus noch auf Erden ginge, ich wollte mich noch mehr demütigen; was ich aber auf leibliche Weise und mit Gebärden nicht tun kann, das will ich im Geiste und im Herzen tun, in gewisser Zuversicht, dass er auch im Stande der Herrlichkeit solcher Hohepriester und treuer Heiland sei, der Mitleiden habe und helfen werde.“ Der Kurfürst zog mit Karl Gustav aus, Wunder der Tapferkeit verrichtend gewannen sie die dreitägige Schlacht bei Warschau vom 18. bis 20. Juli gegen die siegesgewissen, übermütigen Polen, die „den König von Schweden bereits als Frühstück für ihre Tartaren, dem Kurfürsten ein Loch, in das weder Sonne noch Mond scheinen sollte,“ bestimmt hatten. Der Kurfürst aber verfolgte den Sieg nicht und bald fielen die Polen und Tartaren in seine Länder ein, Alles mit Sengen und Brennen dem Boden gleich machend. Bald auch wurde der Kurfürst bei Lyck aufs Haupt geschlagen, die Tartaren zündeten allein dreizehn Städte an, ermordeten 30.000 Einwohner aufs grausamste und schleppten eben so viele in die Gefangenschaft. Kaum wehrte der tapfere General Derfflinger die Tartarenschwärme von Berlin ab, wo Louise ihr Kind gelassen hatte. Sie selbst erkannte die Fehler, die ihr Mann hatte und in seinem Kriege gegen Polen beging, mit scharfem Blicke, aber ihre verständige Sanftmut diente seinem Unmut als Blitzableiter.
Endlich kam der ersehnte Winter, der dem Blutvergießen ein Ende machte, sie feierte am 27. Nov. ihren dreißigsten Geburtstag, und zehn Tage darauf ihren Hochzeittag in tiefer Buße aber hohem Danke für die bisherige Führung und Rettung. Sie bat um Segen zu dem Vorsatz, die Adventszeit freudig zu feiern. Niemand in ihrer Umgebung durfte traurig sein; im Namen des im Fleisch erschienenen Herrn trocknete sie die Tränen der Notleidenden, erfreute ihre Umgebung mit Geschenken und rüstete die kleine Bescherung für ihr fernes Kind. Sie hatte sich fest vorgenommen, an dem Tage, der so freudenreich, nicht zu weinen, aber unvermerkt fiel manche Träne auf die Gaben, die sie mit mütterlicher Hand zusammenpackte. Nicht minder erfreute sie mit verhaltenen Tränen ihren Gatten an seinem und seines Sohnes Geburtstag. Ihre Frömmigkeit vertrug sich mit jeder unschuldigen Freude, ihre höchste Freude aber war, ihrem Gemahl und ihren Nächsten Freude zu machen.
Am meisten litt ihr redliches Gemüt, als sie sehen musste, wie der Kurfürst von Karl Gustav ab wieder dem politischen Vorteile nach auf die Gegenseite übertrat und die Vorrechte des preußischen Herzogtums unter seine fürstliche Allgewalt, die er wie einen ehernen Felsen aufzurichten trachtete, beugen wollte; sie war in einem freien Lande erzogen und Christin, aber sie vermochte nicht dem eisernen Willen des gewaltigen Mannes entgegen zu reden. Unter Sorgen und Ängsten waren ihre Nerven schwer angegriffen, doch brauchte sie keinen Arzt, schonte sich auch nicht und war gleichmäßig leiblich und geistig tätig, bis sie am 11. Juli 1617 glücklich von einem Prinzen, dem Großvater des großen Friedrich auf dem Königsberger Schlosse entbunden wurde.
Bald nach der prunkvollen Taufe hoffte der Kurfürst mit Polen seinen Vertrag fertig zu haben und nach seiner Mark zurückkehren zu können; aber wieder zog sich die Abreise bis nach Martini hinaus. Vorher hatte das Kind durch einen Fehler seiner Wärterin den Rückgrat verkrümmt und mit dem kränklichen Säugling musste sie die beschwerliche Winterreise antreten. Endlich glücklich angekommen, fand sie ihren zurückgelassenen Sohn gesund und fröhlich, wofür sie Gott und der treuen Dienerschaft so beweglich dankte, dass jene in Tränen ausbrachen.
Die vortreffliche Frau hatte immer treffliche Diener; nur einmal wurde einer ihrer Bedienten als ein Dieb ertappt. Der Kurfürst schwur in seinem Zorn, ihn an den höchsten Galgen zu erhöhen: da ließ ihm Louise eine Anzahl Dukaten zustecken um flüchten zu können. „Meinetwegen soll keines Menschen Blut vergossen werden“ sprach sie, die sonst nie von Begnadigung eines Mörders etwas hören wollte, da sie Gottes Zorn und Strafe fürchtete über ein Land, aus dem todeswürdige Verbrecher nicht ausgerottet würden, wie sie andererseits durch wenige Gerechte ein sündiges Volk von Sodoms Strafgericht verschont wissen durfte.
Während nun der Kurfürst zu neuem Kriege rüstete, bat sie inständig Gott um den lieben Frieden, den sie für Ausführung so manches edlen Entwurfs wünschen musste. Ihr Kirchenbau zu Oranienburg war indessen fertig; sie ließ an die Emporbühnen unter sinnreichen Verzierungen Bibelsprüche schreiben; z. B. unter dem Rats-Chor das Wort: „Ihr Richter, richtet gerecht die Völker der Erde,“ zu ihrem eigenen Andenken ließ sie nur an einem der untersten ganz gewöhnlichen Bausteine des Turmes ganz am Erdboden die Worte: L. C. Z. B. G. P. V. O. MDCLVIII. (Louise Kurfürstin zu Brandenburg, geborne Prinzessin von Oranien 1658) einhauen. Sie bestimmte die Kirche für eine reformirte Gemeinde mitten in der lutherischen und war dadurch die Mutter der späteren Einigung beider Kirchen in Preußen.
Der Krieg aber begann aufs Neue gegen Karl Gustav; im September brach der Kurfürst mit seiner Armee nach Holstein auf. Als der Feldzug sich tief in den Winter verzog, wurden seine Briefe an die zurückgelassene Frau so dringend, dass sie sich entschloss, mitten im Januar ihm nachzureisen. Mit herzlicher Dankbarkeit empfing er die Treue, die ihm „der beste Arzt und Rat, selbst der beste Koch und Kammerdiener gewesen, so dass er, während er diese Hausmutter hatte, nie an einer Krankheit darniedergelegen,“ wie ein alter Geschichtsschreiber anmerkt. Sie selbst fühlte übrigens, dass die Frau nicht mit ins Feldlager gehöre und wollte schon auf Entfernung dringen, als eine Einladung zur Hochzeit ihrer Schwester Henriette auf willkommene Weise sie abrief. Alle Bedenklichkeiten und Einwendungen gegen die gefährliche Meerfahrt, zu der sie bald entschlossen war, nicht achtend, brachte sie es dahin, dass der Fürst in ihre Reise willigte und ihr am Gestade des winterlichen Meeres den zärtlichen Abschied gab. Der Kurfürst ordnete für sie allgemeine Gebete in seinem Heere an, in welchem ohnehin jeder Soldat das Neue Testament nebst Psalmbuch mit sich führen musste.
Glücklich kam die heldenmütige Frau nach Gröningen, wo sie ihrem Gemahl bei den sie hoch verehrenden holländischen Generalstaaten vielfach nützlich sein konnte in seinem siegreichen Kampfe gegen die Schweden. Nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte im Haag kehrte sie mit Eile zu ihrem Gemahl zurück und begleitete ihn auf seinem Triumpheinzug nach Berlin. Bald aber verließ er sie wieder, damit ja „ihr Leben einer Gliederkette gliche, da eine Trübsal und ein Unfall am andern hing.“ Doch Jesus war ihre Zuversicht und ihr Heiland und ihr Leben.
Schon wollte ein neuer Kriegszug beginnen, als Karl Gustav starb; der Friede von Oliva brachte dem Lande Ruhe und dem Fürsten gesicherten Zuwachs an Macht. Louise dankte mit tiefbewegtem Herzen ihrem Gott für den holden Frieden und gelobte doppelten Liebes-Eifer in jeder Pflichterfüllung, namentlich in der seligsten der Pflichten: wohlzutun und mitzuteilen. Während sie den Druck, den der Kurfürst mit Steuern und Abgaben auf die Untertanen legte, in jeder Weise zu erleichtern trachtete, trug sie zugleich ernstlich und emsig Stein um Stein zusammen zur Ausführung ihrer wohltätigen Entwürfe.
Im Sommer 1661 hatte sie doch endlich in der Begleitung ihres Mannes durch Niedersachsen und Westfalen auch einmal die Freude, bei milder Witterung und ohne Kriegssorgen reisen und dabei ihre lang entbehrte Mutter umarmen zu dürfen. Nach ihrer baldigen Rückkehr ward ihr aufs neue die Aufgabe, die Falten auf der Stirne ihres Mannes zu glätten, der über den von den preußischen Ständen verweigerten Huldigungseid erbittert war. Was durch Verhandlungen und Drohungen nicht zu erzielen, hoffte er durch die persönliche Anwesenheit zu erringen. Er in seiner ritterlichen Gestalt und fürstlichen Hoheit, seine Gemahlin durch ihre Schönheit und Anmut verfehlten zwar den mächtigen Eindruck auf die Polen nicht, aber nur die Furcht vor ihm allein bewog sie endlich dazu, dass er an der Seite seiner neben ihm thronenden Gemahlin am achtzehnten Oktober unter freiem Himmel die feierliche Huldigung „als oberster Herr von Preußen“ entgegennehmen konnte. Auf der hierzu geprägten Denkmünze beruhigte er die neuen Untertanen, dass die furchtbaren Adler deren Bild als preußisches Wappen hier zum ersten Mal erschien – keine unkriegerische Taube erzeugen werden, d. h., dass er und seine Frau sorgen wollen, ihr Sohn solle ein Mann sein wie er. In der Tat war die Erziehung ihrer Kinder eine vorzüglich ernste und strenge.
Begleitet von den aufrichtigsten Tränen und Segenswünschen der mehr und mehr von Herzen gewonnenen Vornehmen und Geringen, kehrte Louise mit ihrem Gatten in ihre stille Hauswirtschaft zurück. Sie war auch wirklich eine vorzügliche Wirtin und Rechnerin, mit Vielem hielt sie Haus, mit Wenigem kam sie aus, und mit weiser Sparsamkeit wusste sie Großes zu leisten mit Kleinen. Noch befindet sich in dem Büchersaal zu Berlin ihr Hausbuch, worin alle ihre Sachen, wertvoll und gering, in wohlgeordnetem Verzeichnis von ihr selbst in holländischer Sprache eingetragen waren.
Nun trat sie in die sonnige Mittagshöhe ihres äußern Lebens, und in den Höhepunkt ihrer innern Reife. Ihren höchsten Lebensgenuss fand sie eben da in geräuschloser Wirksamkeit, in gemessener Erfüllung der Gebote ihres Gottes. Ihre innere Ruhe gewann von hier an bleibenden Bestand; denn sie, so wunderlich hindurch, so herrlich hinausgeführt, hatte nun den sichern Ankergrund gefunden, dass sie, ob auch äußere Sturmwinde sich noch viele erhoben, die Nähe des Herrn fühlte als „das sanfte Sausen Eliä“, dessen sie in ihrem weitern Leben und noch auf ihrem Sterbelager so gern gedachte.
Dieser Gottesfriede im Innern beseelte sie zu jedem weiteren guten Werke, namentlich in der ferneren Erziehung ihrer Kinder. Schwerin und andere gottesfürchtige Männer hatten bisher das Ihrige an denselben treulich getan, nun hoffte sie dieses Amt der Zucht und Vermahnung zum Herrn vollends selber, namentlich durch das Beispiel ihrer eigenen Gottseligkeit zu treiben. Während ihre Kinder denn auch zum Lohn ihrer mütterlichen Sorgfalt gediehen, namentlich der schwächliche, jetzt siebenjährige Prinz kräftig heranwuchs, gebar sie am 19. Nov. ein Zwillingspaar; eines davon, der Knabe starb schon in der ersten Woche, und das Mädchen, von dessen Wiege die Mutter Tag und Nacht nicht wich, nach wenigen Monaten. Den Kurfürst schmerzte namentlich dieser letztere Verlust tief, aber während er nach Trost suchte, fand er die Mutter in großer Fassung und mit himmlischer Ruhe am Sarge ihres Kindes bis zum Begräbnis, wo dann auch ihr die Tränen schmerzlich flossen schmerzlich über ihren Verlust, schmerzlicher über ihres Herzens Zustand, „der nimmer der Zuchtrute entbehren konnte.“ Ihr ganzes Gefühl sprach sich aus in dem von ihr selbst geschriebenen täglichen Bußgebete, diesem herrlichen Mustergebet einer gläubigen Christin, einer christlichen Gattin, einer zärtlichen Mutter und einer gottseligen Magd des Herrn. Dieses Gebet, auf dem so ganz der Duft heiliger Salbung ruht, müsse ganz hier stehen und ein Segen vieler Herzen sein:
„Barmherziger getreuer Vater, Einziger Trost und sichere Zuflucht meiner zwar unwürdigen aber vor Dir ganz gedemütigten Seelen, Ich komme zu Dir als dem rechten lebendigen Brunnen der wahren Arznei meiner durch die Sünde fast verdorbenen Seelen. Aber ich komme o liebster Vater, nachdem ich der Betrüglichkeit alles irdischen Trostes und aller weltlichen Freude inne geworden, und nun nichts höheres wünsche, dann dass ich ihrer auch ganz satt und müde werde, und allein meine Seele aus dem wahren unbetrüglichen Schatz Deines heiligen seligmachenden Wortes leben und ergötzen möge.
Ich komme jetzt nicht, wie ich vormalen mit heißen Tränen getan habe, Dich um zeitliche Dinge zu bitten, worinn Du mich doch allezeit gnädig erhört hast, dessen ich Dir nimmer genugsam danken kann, sondern das von Dir zu bitten, was Du mir selbst zu bitten befohlen und hoch beteuert hast, dass Du alle gerne erhören wollst, die Dich von Herzen suchen, nachdem dann leider alle Deine große unzählige Wohltaten und da Du mir mehr gegeben, als ich bitten dürfen, meine verderbte Natur nicht überwinden können dass ich dadurch bewogen werden mögen, meine Sinnen von dieser eitlen Welt ganz abzuziehen noch Dir meinem einzigen höchsten Gut also zu dienen, wie ich Dir solches oft und vielfältig angelobt habe, desfalls ich ängstliche Bekümernis in meiner Seele empfinde, so wende ich mein busfertiges und von Tränen quillendes Herz zu Dir o allergütigster Vater und bekenne offenherzig, dass ich nicht wert bin aller Gnade und Barmherzigkeit die Du mir erzeiget hast, dann ob ich zwar durch Deine Gnade längst erfahren, dass nichts herrlicheres, tröstlicheres und lieblichers ist denn an Deinem Bunde fest zu halten, auf Deinen Wegen zu wandeln und an Deinen heiligen Geboten sich zu ergötzen, und dir auch heiliglich versprochen, dass ich hierin meine Freude suchen und die Tage meines Lebens in solchen heiligen Übungen zubringen wollte, so habe ich doch fast sehr meinen vorigen Eifer erkalten lassen, die angeborene Neigungen zu der Welt Eitelkeit haben sich, bei befundner Kaltsinnigkeit zu Deinem heiligen göttlichen Worte, so häufig wieder bei mir eingeschlichen, dass, wenn Du o getreuer Hirte meiner Seelen nicht für mich gewachet, mich dieselbe in einen tiefen Schlaf verdammlicher Sicherheit würden eingewieget haben, denn wenn ich Deiner mitten unter der Weltfreude und angenehmen Gesellschaft gang vergessen und meine Gelübde von einem Tag zum andern verzogen, oder auch Deinen Dienst mit schlechter Andacht verrichtet, so hast Du mich dennoch bald wieder aufgewecket, und ob Du es wohl Ursach gehabt, und ich auch wohl verdient, dennoch Deine Hand nicht ganz von mir abgewandt, wann ich Dir mit der Welt den Rücken gekehret, so bist Du dennoch mir wieder begegnet, und hast mehr durch Deine liebreiche Barmherzigkeit, wie wohl ich deren nicht wert bin, als durch Deine Züchtigung die ich doch genugsam verdient habe, bei mir angeklopft.
Ich habe nur mich, mein Fleisch, meine Ehre und vergängliche Dinge geliebt, und Du hast mir so viel Zeichen Deiner inbrünstigen und quillenden Liebe gezeiget, dass ich billig sagen muss: ach Herr, was kann ich Dir vergelten für alle Deine Wohltaten! Ich habe öfters gar nicht, oder doch gar wenig zugehört, wann Du mir durch Dein heiliges Wort zurufen lassen, und Du hast noch nie Deine Ohren vor mir verstopfet, wann ich Dich auch nur um zeitliche Dinge gebeten. Ich hätte billig ein williges Herz haben sollen allen notleidenden zu helfen und die christliche Liebe so viel mehr zu üben, so viel milder Du gegen mich gewesen und mir das Vermögen dazu genugsam gegeben, aber, o allerliebster Vater, was großen Mangel fühle ich allhier, und wie wenig Mitleidens habe ich bisher verspüren lassen, oder doch nicht in der Tat erwiesen, und wie könnte ich Dir erzählen alle meine Fehler und große Gebrechen, deren Zahl unendlich ist; denn siehe mein Gewissen überzeuget mich, dass ich bekennen muss, dass nichts Gutes an mir ist vor Deinem heiligen Angesicht, ich bin verdorben von dem Hauptscheitel bis zur Fußsohle und der sündliche Schlangenstich hat meine sorglose Seele so abscheulich gemacht, dass auch meine besten Gedanken, mein heiligstes Vorhaben vor Dir o gerechter Gott unrein und befleckt ist, sollte ich aber darum zurücktreten und mich vor Deiner Herrlichkeit entsetzen? nein allerliebster Vater, wie mehr ich den Stachel der verdammlichen Sünde in mir fühle, wie mehr mein verzagtes Gewissen mir meine begangene Sünde vorstellt und ich noch die innerliche Neigungen meines sündlichen Herzens empfinde, je mehr will ich mich zu Deiner unendlichen Gnade nahen und zu Dir, als dem einzigen Helfer und Erretter schreien, je mehr will ich mich nach Deiner Hilfe und väterlichen Beistand reißen, und wie sollte ich zweifeln, dass Du mir nicht Deine väterliche Hand reichen und wieder zu Dir ziehen werdest, Du o gütigster Vater, der Du noch nie des Demütigen Gebet unerhöret gelassen, der Du mir Deinen einzigen Sohn und mit ihm alle Gaben gegeben, da ich noch Dein Feind gewesen, und Dich nicht gekannt habe, der Du Dich meiner erbarmet, da ich Deiner Gnade nicht begehrt, wie solltest Du mir dann jetzt die versagen, da ich Dich mit demütigem zerknirschten und bußfertigem Herzen darum anrufe?
Verzeihe mir denn o barmherziger Vater und vergib mir meine Fehle um Deines lieben Sohnes Jesu Christi Willen, umfasse mich wieder als Dein liebes Kind, und bestätige mich in Deiner Gnade. Gib mir auch ein reines Herz und neuen gewissen Geist, vermehre in mir den rechten Glauben, Liebe und Hoffnung, lass mich hinfüro meine Gelübde besser bezahlen, als ich leider bishero getan, erfülle mein Herz mit christlichen Tugenden und reinige es von allen sündlichen Zuneigungen und der Weltliebe, lass mich alle Tage wohl betrachten, in was Stand Du mich gesetzt hast, damit ich Dir desfalls allezeit unerschrocken Rechenschaft geben möge.
Nun liebster Vater, ich sollte mich billig vergnügen, dass Du mich durch Deinen heiligen Geist die Erhörung meines Gebetes versicherst und mir meine begangene Sünde gnädig verzeihst, aber Deine Gütigkeit ist so groß, dass ich mich auch unterwinde, Dich ferner in kindlichem Vertrauen demütig zu bitten, Du wollest auch dies und alle andere Gnade an Seel und Leib meinem Ehegemahl wiederfahren lassen. Ach liebster Vater gib ihm ein Herz das Dich vor allen Dingen liebe und fürchte, Dein Wort hoch halte, auf Deinen Wegen wandle und Deinen Willen vollbringe, weil Du ihn auf dieser Welt an Deine Stelle über viele gesetzt hast. Ei so lass ihn auch mit allem Eifer dahin trachten, dass er unter denen Deiner Diener gefunden werde, die allhier getreu gewesen, und desfalls künftig über noch mehr gesetzt werden sollen, lass nicht zu, dass die Welt und alle derselben Pracht und Herrlichkeit ihn von Deinem Gebote abhalten und sein Herz von Dir abziehen möge, sondern lass ihn ansehen die Exempel derjenigen, welche sich durch die eitlen Dinge dieser Welt betören lassen, und in dem sie das Vergängliche dem Unvergänglichen vorgezogen, die kurze Zeit ihres Lebens ohne Trost und Hoffnung und mit Verlust Deiner Gnade geendigt, wollest uns darum o getreuer Vater beiderseits alle Stunde an das Augenblick denken lassen, woran die ewige Ewigkeit hängt, damit uns solches nicht wie ein Fallstrick überfalle, sondern vielmehr bereit finde Dir, wann Du durch den zeitlichen Tod anklopfen wirst, freudig und mit getrostem Gemüt zu folgen. Wie ich dir auch o grundgütigster Vater von Grund meiner Seele danke, das du uns nicht allein Erben gegeben, sondern auch dieselben allbereit aus so mancher Gefahr errettet, unsere Augen vor Tränen behütet und vielmehr unsere Herzen mit Freuden an ihnen erfüllet hast. So bitte ich Deine unendliche Gütigkeit, o Vater aller Gnade und Barmherzigkeit, breite ferner die Flügel Deiner väterlichen Liebe über sie aus, lass sie wachsen, grünen und blühen, jedoch zu Deines Namens Ehr und Herrlichkeit, bewahre sie durch Deine heilige Engel für allem Unglück und bösem, benedeie ihre Auferziehung und ersehe ihnen zu solchem Ende solche Leute, die Dich von Herzen fürchten und von denen sie nichts als was dir wohlgefällt sehen und lernen mögen, auf dass sie dermaleinst dein Volk in Gerechtigkeit regieren und deinen Befehl gehorsamlich ausrichten mögen.
Endlich, wann nun auch die Tage meines Lebens dahin sein werden und ich die Schuld der Natur bezahlen. soll, so sei alsdann, ach mein getreuer liebster Vater in der letzten Todesangst eine beständige Erquickung meiner matten Seelen, richte mich auf durch den Trost deines heiligen Geistes und labe mich mit dem Wasser des ewigen Lebens, welches ist das vergossene teure Blut Deines Sohnes meines Erlösers, auf dass ich dir meinen Geist in ungezweifelter Hoffnung der künftigen fröhlichen Auferstehung in Deine Hände wieder gebe, und meinen Mund schließe mit dem süßen Namen Jesu. Erhöre mich o heiliger Gott um Seinetwillen wie ich Dich ferner in Seinem Namen und durch Sein Befehl also anrufe. Unser Vater -“
Solcherweise stärkte sie sich, in ihrer Schwachheit ihrem Herrn das Kreuz nachzutragen. Neben dem Gebete war unermüdliche Tätigkeit ihr eine Arznei gegen Gram und Schmerz. Sie musste wirken so lange es Tag war, weil sie die Nacht kommen fühlte. Den Schlussstein setzte sie in ihre edlen Gründungen mit Erbauung des Oranienburger Waisenhauses, womit sie andern ähnlichen Stiftungen die Bahn brechen half. Die von ihr selbst entworfene Stiftungsurkunde, ein Meisterwerk christlicher Weisheit lautet also:
„Wir Louise von Gottes gnaden Marggräffin und Churfürstin zu Brandenburg, geb. Prinzessin zu Oranien usw.- Uhrkunden und bekennen hiemit von Uns und Unsern Erben, dass wir öfters bei uns erwogen, wie viel und mancherlei in diesem Leben unterlassen wird, was dennoch Unser Erlöser Christus von uns fordert bevorab in den Werken der Liebe und Barmherzigkeit. Als wir Uns nun vornemblich erinnert, wie Gott der Herr Sich selbst einen Vater, einen Helfer und einen Beistand der Waisen zu sein verheißt und allen und jeden befiehlt, dieselben gebührlich zu verpflegen, daher es dan dem Hiob zur Gottseligkeit zugerechnet, dass er seinen Bissen nicht allein gegessen, besonders die Waysen solches mit geniessen lassen, und in der Schrift es für einen unbefleckten Gottesdienste geachtet wird, die Waysen in ihrer Trübsal zu besuchen; und Wir dagegen spüren wie gar wenig solcher Befehl in Handhabung armer verlassener Waysen in Acht genommen wird, dass auch deren nicht allein viele Kümmerlich umbkommen, besondern der Mehrerteil aus mangel nötiger Aufsicht und guter Erziehung der bösen Welt zu teil wird, anstat dass Sie zu Gottes Ehren leben sollten, nur des Satans Reich vermehren helffen. So haben wir zuder Zeit, da Wir Gott dem Allerhöchsten und eben an diesem orth so herzlich umb Seinen so lange verweileten Ehesegen angeruffen, der uns auch gnädig erhöret hat, und dem wir davor nebst allen unsern Nachkommen ewig lob und dank sagen wollen, diesen beständigen Vorsatz genommen, Gott dem Allerhöchsten zu Ehren, und Christo, der uns sämptlichen die kinder so hoch anempfohlen zu gehorsamb, allhierr zur Erziehung und erhaltung von 24 Waysen nicht allein ein Waysenhaus zu erbauen, besonders auch zu der verpflegung gewissen unterhalt zu verordnen und wie es damit zu allen zeiten gehalten werden soll zu bestimmen, Gestalt Wir dan hiemit, Nachdem durch Gottes gnade das Gebeyde fertig geworden ist, Wir auch des übrigen halber, vermittelst dieser unsrer Verschreibunge richtige und beständige Verordnung machen wollen.
Anfänglich nun verordnen und disponiren Wir hiemit, dass vorgedachtes von Uns in Oranienburg erbawtes Hauß zu ewigen Tagen ein Waysenhauß verbleiben und unter keinem Vorwand, wie er auch sein möchte zu einem andern behuff gebraucht, besonders einzig und allein zum Dienst deren aufgenommen Waysen gelassen und allezeit in Bäwlichen würdig erhalten und vor ruin praeservirt (erhalten) werden soll.
Hienegst, damit es den aufgenommen Waysen an Ihrem nötigen Unterhalt nimmer mangeln möge; so wollen Wir dazu und was auf die Leute, so ihrentwegen zu bestellen nötig sein möchtet 200 R. Taler Jährlich verordnet haben.
Ferner sollen jährlich zu desto besserer unterhaltung dieses Waysenhaußes 10 Wisp. Rogken und 10 W. Gersten entrichtet werden. Über diesen haben Wir einige Wiesen zur erhaltung 6 Kuhen, einen Küchengarten und etliche Stücke Landes Flachs darauff zu bauen, hierzu gelegt, wie solche stücken richtig verzeichnet werden sollen.
So synd auch mit Consens (Einstimmung) Unsres Herz Vielgeliebten Herrn und Gemals dem Waysenhauß vergönnt 15 Schweine vergebens in die Mast zu treiben, item notürfftig Brennholz, so allemahl von den Holz Bedienten angewiesen und von dem Waysenvater zu rechter Zeit angeschafft werden soll.
Was an Betten, Betstädter, Leinenzeuge, Zinnern und Hölzern geräthe von nöten, haben wir insgesampt angeschaffet usw.
Zur Bedienung dieser 24 Waysen die helffte Jungens und die helffte Metchens soll ein Waysenvater welcher nebenst seiner Frawen eines Ehrbaren Gottesfürchtigen wandels ruhm und gewisse zeugnis haben soll, von Uns, und nach Unsrem tode von dem allezeit Regierenden Churfürsten bestellet werden, dieselben sollen in dem Waysenhauße in den dazu verordneten Gemächern wohnen und soll des Waysenvaters sorge sein, dass diese Waysen 1) alle Morgen des Sommers umb Fünff und des Winters umb Sechs Uhr aufstehn, sobald sie gekleidet, alle in ein Gemach zusammenkommen, allda sie sämptlich das hiebeigefügte Gebeth nachsprechen, darauf ein Capitel aus der Bibel anhören und mit Gesang aus dem Lobwasser schließen sollen.
2) Darauf sollen sie sich alle wieder in ihre Cammer verfügen und an beyden ohrten, im lesen, schreiben, Catechismus fleissig unterrichtet und in allem in der Christlichen Reformirten Religion erzogen werden.
3) Soll der Waysen Vater darauff sehen, dass sie allemahl zu rechter Zeit, als des Mittags zu Eilff und des Abends zu Sechs Uhren, die Knabens an einem und die Metchens an einem andern Tische gespeiset werden, da er dann selbst an der Taffel speisen und darauf sehen solle, dass alles ordentlich und bescheidentlich unter Ihnen zugehe.
4) Die Speisung soll folgender gestalt beschaffen sein, Auff jede Taffel sollen drei Schüsseln dergestalt angerichtet sein, dass sie zur Genüge gesättiget werden können, die erste Schüssel soll nach gelegenheit der Zeit, von Kohl, Erbsen, Reiß, Hirse, Grütze, Milch-, Biersuppen und dergleichen sein, die zweite Schüssel des Sonntags, Dienstags und Donnerstags gekochtes Fleisch, einmahl frisch, das anderemahl gepöckelt, die dritte Schüssel des Sonntags zu Mittage ein Braten sein. Die andern Tage ein Gemüse des Montags, Mitwochs, Freitags und Sonnabends zu Mittage wird anstatt des Fleisches eine Schüssel entweder frische oder gedörrte Fische gegeben, und zum Frühstück ein Schnittchen Brott und ein wenig Käse dabei, das Getränke soll Ihnen über essen zum durst notürfftig gegeben werden und soll das Bier von Anderthalb Scheffel auf die tonne gebrawen werden; Sobald sie abgespeiset, sollen allemahl zwei von den Knaben und zwo von den Metchens, welches alle Wochen umbwechseln soll, die Speise heraustragen, von der Knecht und die Mägde sich sättigen und wenn etwas verübriget wird, solches sofort den Armen ausgeteilet und nicht auffgehoben werden.
5) Nach der Mittags und Abend Mahlzeit sollen abermahls die hierzu aufgesetzte und hienegst befindliche Gebet knieend gehalten werden, ein Capitel aus der Bibel gelesen und mit einem Gesange geschlossen werden.
6) Der Waysen Vater soll fleissig acht haben, ob auch etwas straffwürdiges unter Ihnen vorgeht und wenn er nicht selbst bei Ihnen sein kann, durch jemand anders acht darauf geben lassen, und nach Beschaffenheit des Verbrechens solches entweder mit scharfem Verweis oder auch, wenn es die not erfordert, durch eine Rute in der andern aller Gegenwarth bestraffen, diejenigen aber, so der Rute entwachsen, und es dennoch verschulden sollen mit Gefängnis und wo gar keine Besserung zu hoffen und durch böse Exempel die andern verführt und geärgert werden nach getaner Notifikation an die reformirte Prediger in der Kirche zur heiligen Dreifaltigkeit zu Cölln an der Spree und mit deren gutachten ohne erteilung eines Zeugnisses und mit Entziehung dessen was denen andern zu gute hienegst folget aus dem Wäysenhauße abgeschafft werden.
Die Waysenmutter soll zwar sorge tragen vor alle Waysen Knaben und Metchens dass sie reinlich gehalten und Ihre Speise recht zugerichtet werde, absonderlich aber soll Ihr aufliegen fleissige acht auf die Metchens zu haben damit dieselben in guter zucht gehalten und Ihnen nicht vergönnet werde unter die knabens zu lauffen, sondern dass Sie allezeit in Ihrer Kammer verbleiben und daselbst nach gehaltenem Gebeht entweder Spinnen, nähen, Würfen oder knüppeln (stricken) nachdem eine jede Neigung zu einem oder anderm hat, aber müssig soll keine sein, außerdem des Sonntags und zwey tage in der Wochen, da ihnen zwei oder drei Stunden erlaubt sein mag außzüspazieren, doch dass die Waysen Mutter allezeit dabei sei, was nun eine Jede Spinnet, nähet und sonst arbeitet davon soll die Helffte Ihr eigen sein und Ihr zum besten aufgehoben oder verkauft und das Geld verwahret, die andere Helffte soll zum gemeinen besten des Waysenhaußes angewandt und gerechnet werden, das Flachs, Zwirn oder dergleichen soll ihnen alles zeit geliefert werden. Die Waysen Mutter soll allezeit bei den Metchens an Ihrem Tische essen und Ihnen keinen Mutwillen oder unzüchtiges verstatten, des Sonntags soll sie dieselben fleißig zur Kirche halten und sobald sie zu hauße kommen, fragen, was sie behalten, Gestalt es der Waysen Vater gleichergestalt mit den Knaben also halten solle; Wan ein Knabe oder Metchen krank wird, sollen sie in ein absonderlich Logament gebracht und gebührlich gewartet und curirt werden. Sollte auch ein oder ander von den Waysenkindern versterben, so sollen sie aus deren Einkünfften in das von Uns erbawte Gewölbe in der Kirche begraben werden und die übrige Waysenkinder ihnen zusammen in einer Ordnung folgen.
Bei einnehmung der Waysen soll folgender gestalt verfahren werden, wann sich bei eröffneter Stelle jemands ergibt, der einen Waysen recomandirt, Soll zufoderst fleissige Erkundigung eingezogen werden, wer die Eltern gewesen, und wenn sich da befinden sollte, dass dieselbe Gott und ruchloss böse Menschen gewesen, sollen deren kinder nicht angenommen werden, weil zu besorgen, dass dieselbige Ihren Eltern nachschlagen und die andern Waysen verführen möchten. Wenn man nun gewisse kundschaft eingezogen, dass die Waysen von guten Leuten entsprossen, sollen sie mit genehmhaltung des Regierenden Churfürsten aufgenommen und alsodann in das Buch verzeichnet, zufoderst aber des Sonntags nach der Predigt in der Kirche in gegenwarth der andern Waysen öffentlich ermahnet und Ihnen vorgehalten werden, wie sie sich bei vermeidung der verstoffung zuverhalten und zu gebührlichem Gehorsam gegen ihre Vorgesetzte zugleich angewiesen werden; unter acht und über zehn Jahren soll feiner angenommen werden.
Sobald die Knaben von der Stärke sein, dass sie zur erlerung eines handwerks tüchtig und geschickt erfunden werden, soll der Waysen Vater sich eines jeden Natur und Neigung erkundigen und dazu ein jeder lust hat, bey einen solchen Meister bringen, bei welchem er zwar die gewissen Stunden des Tages seine Arbeit abwartet, jedoch nichts weniger den Gesetzen des Waysenhaußes unterworfen bleibt und alsofort nach verrichteter Arbeit wieder einkehrt und soll ihm nicht vergonnt sein, denen wöchentlichen Fressen und saufereien so die andern Handwerksgesellen verüben, beyzuwohnen; Das Lehrgeld soll aus dem einkommen des Waysenhaußes entrichtet werden. Was er aber bei solcher Arbeit erwirbet, verbleibt ihm die Helffte eigentümlich, und soll ihm bis er aus dem Waysenhauße ausgeht, in einer verschlossenen Büchse aufgehoben werden, die andere Helffte aber soll gleichergestalten zum gemeinsamen besten des Waysenhaußes angewand und berechnet werden.
Sollte sich auch unter den Knaben einige hurtige Ingenia (gute Köpfe) hervortun, wovon man gewisse und unfehlbare Hoffnung zu schöpfen, dass sie den Studien mit guten Nutzen obliegen könnten, soll der Waysen Vater bei den Schulvorstehern des Joachimsthalschen Gymnasii anhalten, dass sie allda zu gemeinschaftlichen Tisch aufgenommen werden, da Ihnen dan nach Unsres Vielgeliebten Herrn und Gemahls dißfalls ergangene verordnunge allemahl der erste erledigte Platz gegeben werden solle.
Wann die Metchens in dem Waysenhauße von Siebenzehn oder Achtzehn Jahren sein, soll der Waysen Vater und Mutter sich bemühen, dass sie bei guten Leuten zu dienen untergebracht werden.
Wann aber eines daraus verheiratet wird, es sey dasselbe noch darin oder sei schon in einem andern Orte gewesen, so sollen Ihr 20 R. Taler zur Mitgabe gereicht werden.
Die Kleidung betreffend, sollen sie alle Jahr in Dannet Brauntuch, die Elle zu. 18 Gr. gekleidet, zu Unsrem gedächtnis aber und dass ein jeder erinnere, wer dieses Waysenhauß gestiftet, soll von Oranien Farbe ein solches Zeichen einen jeden auf den Ermel genähet werden, so lange sie im Waysenhauße sein (C. L. mit der Kurfürstenkrone darüber).
Wann einer abgeht, welches nach erreichung des Siebenzehnten oder Achtzehnten Jahres geschehen soll, es sei dann, dass sie zum studieren tüchtig eher heraus müssen, sollen sie von dem Prediger zuvorderst fleißigk vermahnet werden, sich überall fromb, ehrlich und trewlich zu verhalten, damit sie diesem Waysenhauße keine schande antun, Mit Bedrawung, dass widrigenfalls Ihr Name zu Ihrer höchsten Beschimpfung aus dem Buche, worin sie verzeichnet, ausgeleschet werden soll, worauff sie alßdann mit einem Gezeugnisse Ihres verhaltens, wo die rechte eigentliche Wahrheit allezeit geschrieben werden foll, und guter rekommendation an die Orte, wohin sie wollen, zu entlassen.
Der Waysen Vater und die Waysen Mutter sollen nachfolgenden Eyd bei ihrer annehmunge schwören, und sollte sich befinden, dass über verhoffen Sie untrew wehren und das Waysen Kinder das verordnete entzogen, Sollen sie alsoforth Ihres Ampts entsetzt und andere angenommen werden.
Dem Waysen Vater sollen für seine Mühe Jährlich 30 R. thlr. und der Waysen Mutter 12 R. thlr. gegeben werden. Über dem soll ein Knecht und 2 Pferde das Holz und andere notdurfft zu rechter zeit anzuschaffen und dann 2 Mägde gehalten werden, welche Mägde mit hülffe der größeren Waysen Metchen, welche die Waysen Mutter allezeit zu verordnen hat, das Hauß und Logamenter Reinlich halten, die Betten machen, das Leinenzeugk waschen, die kühe melken, den Garten warten und das kochen verrichten sollen, und soll die Waysen Mutter fleissig acht auf solche Mägde haben, damit sie die Waysen nicht verführen und sich allemahl frommer guter Mägde befleissen.
Folgt dann Weiteres über die Führung der Rechnungen.
Zum Schluss heißt es: Unsrem Herz Vielgeliebten Eltesten Sohn und allen denen Jenigen, so von Sr. Lbd. entspriessen und künftig an diesem Churfürstlichen Stuhl nachfolgen werden, binden Wir ernstlich ein über diese Unsre Stiftung fest und unverbrüchlich zu halten und dadurch den Seegen Gottes über sich und Ihre Nachkommen zu vermehren, Sollte aber, welches Wir aber aus kindlichem Vertrauen zu der unendlichen Barmherzigkeit Gottes Uns nicht versehen, besondern vielmehr festiglich hoffen wollen, dass Er unsere Leibeserben nach Seinem gnädigen Väterlichen willen allezeit erhalten werde, diese Linea sich dermahln eins endigen und das Churfürstentumb auf andere geraten, So ersuchen Wir denselben, der zu solcher Zeit Churfürst sein wird, nicht weniger über diese Unsre Verordnung unveränderlich halten und wider dieselbe nichts vornehmen zu lassen.
Wir rufen den höchsten Gott demütiglich an, dass Er nach Seiner Väterlichen Güte diesen Unsern guten Vorsatz segnen und stetshin sein gedeihen zu Gottesfürchtigen erziehung aller derer, so hierin künfftig aufgenommen werden, verleihen wolle, Ihm sey Lob, Preiß und Ehre in Ewigkeit.
Geschehen und gegeben zu Oranienburg am Fünfundzwanzigsten September Anno 1665. Louise Corvorstin.“
Schon im vorigen Jahre hatte sie fleißig bauen lassen, im Winter wurde Alles vorbereitet, damit im nächsten Herbste das Haus bezogen werden konnte. Am 25. September war Alles fertig. Still und ohne alles Gepränge wurden die ersten Waisen eingeführt und in ernster heiliger Weihe die Anstalt gesegnet, wie es ihr und ihrer edlen Stifterin geziemte.
Nach Vollendung dieser Stiftung erlaubte sie sich keine Ruhe bis sie noch in der ganzen Umgegend alle ihre Gründungen untersucht und die wahrgenommenen Mängel ausgebessert hatte. An jedem Orte nahm sie ihrer bevorstehenden großen Reise wegen herzlichen Abschied. Bei ihrer Wegfahrt von Oranienburg drängte man sich mehr denn je um ihren Wagen; Allen, namentlich ihren Waisen reichte sie die mütterliche Hand. Ihr Gemahl fand sie bei ihrer Ankunft in Berlin frischer und gesunder als zuvor, die Freude über gelungenes Werk strahlte aus ihrem Angesichte. Fröhlich ward die Reise im Oktober angetreten.
Wie ganz anders sah die Mark nun aus, als vor fünfzehn Jahren; der freundlichere Anblick war das gemeinsame Werk des fürstlichen Paares. In Cleve fand sie ihre Mutter noch einmal, unter deren Pflege sie am 8. Juli 1666 eines gesunden Knaben genas, der den Namen Ludwig und vom Könige von Frankreich Ludwig XIV. eine silberne Wiege erhielt. Indessen blieb ihr eine bedeutende Schwäche von dieser letzten Niederkunft her, aber so gefährlich ihr Husten klang, nur die Ärzte konnten sie bewegen, ihren Gemahl nicht sofort nach Berlin zurückzubegleiten. Mit bitterstem Grame trennte sich der Kurfürst von seiner Gattin, die auf einem Rheinschiffe nach dem Haag zog, während er allein nach Hause sollte.
Schon die Wasserreise, dann die heimatliche Luft ihres Geburtslandes, der herzliche Willkomm und das schöne Stillleben in dem freundlichen Haag besserten ihre Gesundheit. Statt den Zerstreuungen, wie man ihr riet, sich rückhaltslos hinzugeben, war auch hier der äußere Genuss nur das Letzte im Tagewerke; ihre Zeit wurde auf streng geregelte Art ausgekauft. Jede Frühstunde war Gott geweiht, am liebsten im Vereine mit ihrer Mutter. Täglich las sie ein Stück in der heiligen Schrift, in der sie ganz zu Hause war; dann sang sie ein frommes Lied zum Klavier. Auch Personen ihrer Umgebung ließ sie in ungezwungener Weise an diesen Erbauungen Teil nehmen. Jeder Dienstag war ihr Fasttag; wöchentlich schrieb sie an ihren ältesten Sohn; überhaupt führte sie einen bedeutenden Briefwechsel, vermittelst dessen sie auch aus weiter Ferne für ihre Werke und Stiftungen in der Mark Brandenburg wirkte. Einen Teil des Tages arbeitete sie in ihrer Bücherei, wo sie Besuche der bedeutendsten Gelehrten annahm und lehrreiche Gespräche mit ihnen führte. In dieser Tagesordnung ließ sie sich ungern unterbrechen, außer wenn einem Notleidenden augenblicklich geholfen werden konnte. Dem wohltätigen Wirken widmete sie einen bedeutenden Teil der Tagesstunden. Den Arbeitsunfähigen gab sie Almosen, den sonst Zurückgekommenen suchte sie gründlicher zu helfen. Von diesen ließ sie sich nicht suchen, sie suchte diese selbst auf und setzte sich mit den öffentlichen Armenbehörden ihres jedesmaligen Wohnorts in zweckmäßige Verbindung. Keine Mühe war ihr dabei zu sauer, keine Verdrießlichkeit zu groß und kein Körperleiden durfte sie abhalten. Hierin war sie sich vielleicht zu hart, auch wollte sie sich schlechterdings keinem Arzte überantworten, wo denn ihre Mutter ihr Arzt zu werden wusste, indem sie nach dem Rate der vorzüglichsten Heilkünstler ihre Tochter beriet und leitete.
Louise fühlte sich oder machte sich vielmehr so stark, dass sie selbst während der Winterkälte die Kirche besuchte. Bei ihrer Geschiedenheit von Mann und Kindern schloss sie sich um so inniger an ihren Heiland an. Die Advents- und Weihnachtszeit feierte sie wie gewöhnlich mit strahlender Freude. Als sie am 14. März aus der Kirche kam, sagte sie zu ihrer Oberhofmeisterin: „Wir freuen uns wohl Beide auf die Rückreise nach Hause; aber ich muss fürchten, dass sie nicht nach Wunsch wird vollendet werden.“ Auf die Erwiderung, dass der Kurfürst, wüsste er von ihrem Befinden, gewiss alsbald mit den Prinzen herreisen würde, schloss sie: „Mein Beruf weist mir diese Reise an; ich schreite dazu im Namen Gottes, mag er mich zum Leben oder zum Tode leiten.“
Der Kurfürst hatte in seinen herzlichen Briefen den Wunsch geäußert, dass seine Gemahlin in der milden Jahreszeit so früh als ihre Gesundheit es erlaube, die Rückreise nach Berlin antreten möchte. Deswegen wollte sie schon in der ersten Hälfte Aprils abreisen, die besorgte Mutter wusste sie wenigstens bis nach der Mitte desselben zurückzuhalten. „O wie süß wird es für mich sein, das liebe Osterfest an deiner Seite zu verleben“ rief Louise aus.
Sie war gewohnt in stiller Zurückgezogenheit die Leidenszeit des Herrn zuzubringen. Ihre Mutter pflegte in derselben für die Armen Hemden und Kleidungsstücke anfertigen zu lassen. Welche Lust war es der Tochter, dazu zu helfen und mit den Erfreuten sich zu freuen. In den österlichen Tagen Alles um sie her mit Freude zu beleben, darin war ihre Liebe von jeher wahrhaft erfinderisch.
Nun gings an die Vorbereitungen zur Abreise. So angegriffen sie war, wollte sie doch auch in der höfischen Sitte der Verabschiedungen alle Gerechtigkeit erfüllen. Geübt, durch die Kraft des Geistes und Willens über den schwachen Körper zu herrschen, vergaß sie Schmerzen und Schwächen, um ihren Pflichten zu genügen. Ihr Abschied von ihrer Mutter geschah ihr am schwersten, beide fühlten, es werde der letzte sein. Die Generalstaaten und das Volk erwiesen der Allverehrten die herzlichste Teilnahme. Der Sohn ihres seligen Bruders gab ihr das Geleit bis Rheenen, zehn Meilen weit.
Ihre Krankheit nahm immer zu, und da sie ihren fieberhaften Zustand nicht länger verbergen konnte, beschwor sie ihren Begleiter, der Mutter nichts davon merken zu lassen, da das Übel bei ihr vorübergehend sei. In Duisburg musste man sie nötigen, das Bett zu hüten. Kaum hatte sie einige Arznei genommen, so entschloss sie sich zur Fortsetzung ihrer Reise; ihr Beichtvater, dem sie es anvertraut hatte, dass sie ihre Krankheit für unheilbar halte, berichtete an den Kurfürsten, wie ihre Sehnsucht nach Gemahl und Kindern in ihr fast das Krankheitsgefühl unterdrückt habe. „Wenn mir Gott die Gnade erweist, sprach sie einmal, mein Ziel zu erreichen, so will ich gern sagen, Herr nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren.“ Ein anderesmal sagte sie: „Gott hat mich zu dem Scheiden in der Schule der Leiden gestärkt, er hat die Zeichen seiner Rute in mein Fleisch gedrückt aber auch seine Furcht in mein Herz versiegelt.“ Dann richtete sie ihre Blicke gen Himmel und betete: „Es ist mir lieb, Herr, dass du mich gedemütigt hast, aus deiner Züchtigung erkenne ich, dass du mich liebest, dass ich dein Kind bin und dass du Acht auf mich hast, dass du meinen Tod nicht begehrst, sondern dass du aus einem tiefen Schlafe mich erwecktest. Du hast mir gezeigt, dass das Wesen dieser Welt vergeht, dass aber wer deinen Willen tut, bleibt in Ewigkeit.“
Sie hatte ihren Geistlichen Spanheim gebeten, während einer Ruhezeit zu predigen und er sprach über das Wort „Gott mit uns.“ Bei Wiederholung der Predigt wandte sie besonders folgende Stellen auf sich an: „Gott mit uns, welch ein Trost in trauriger Einsamkeit, in gefährlichen Wüsteneien, in abmattenden Kindbetten, im Hause des Weinens, bei den tausendfach listigen Ränken !“
Als die Nachricht von ihrer Krankheit nach Berlin kam, befahl der Kurfürst seinen besten Ärzten, ihr entgegenzueilen; er selbst, sobald er das Nötigste geordnet, flog mit seinen zwei Söhnen mehr als er fuhr und ließ sein Gefolge und selbst die Ärzte hinter sich. Am 25. April traf er die Gattin, nachdem er auf dem ganzen Weg ohne Rast und Schlaf gewesen war. Bald traf auch ihr geistlicher Gewissensrat Stosch, so wie ihre Schwester, die Herzogin von Dessau ein, und dieses Zusammensein mit ihren Liebsten war für sie so erquickend, dass sie sich zu erholen schien. Dennoch glaubten die Ärzte nicht, dass sie die weitern dreißig Meilen bis Berlin aushalten könne. Der Kurfürst brachte eine Sänfte für sie in Vorschlag und so wurde sie zurückgetragen. Nachdem sie bei ihrer Mutter hatte verweilen dürfen und jetzt zu „ihrem Herrn“ zurückkehren durfte, „mög Gott es mit ihr machen nach seinem heiligen Willen“, antwortete sie auf Spanheims Glückwunsch zur Heimkehr.
Sie war von ihrem nahen Ende fest überzeugt, äußerte aber nichts davon. Der Gedanke an die Trennung von ihrem Gatten kam ihr hart an, doch war es ihr ein Trost, dass sie vorangehen und ihm gleichsam eine Stelle bereiten könne. Ihre Kinder, deren sie stets in ihrem Gebete gedachte, ließ sie nur selten in ihr Zimmer und fast nicht an ihr Bett kommen, sie befahl, dieselben auf etliche Tage aus dem Schlosse fortzubringen.
Im ganzen Lande wurden Kirchengebete für die Landesmutter gehalten. Der Kurfürst, wo er ging, stand seufzend und händeringend. Als die Ärzte keinen Trost zu geben vermochten, setzte er sich nieder und schrieb folgende Stiftungsurkunde nieder:
„Nachdem der Höchste meine herzvielgeliebte Gemallin gar hartt undt schwer mit Crankheitt heimgesuchet, vndt das auch alle Menschliche mittel vmbsonst vndt verlohren sein, So habe ich eine Gelübtte dem höchsten getan das ich daferne Ihre Liebden von diessem lager wieder aufkommen, ich Ihnen zu ehren ein Armenhauß bauen, vndt zu Vnterhaltung deffelbigen Jahrlichen 6000 Reichsthaler verordnen will, so zu ewigen Zeiten von meinen Nachkommen dar zu stellen ausgefertigt werden. Des Befund habe ich diesses eigenhendig geschrieben vndt unterschrieben geben zu Berlin d. 4ten Mai Anno 1667. Friedrich Wilhelm.“
Aber ungeachtet jeder ersinnlichen Menschenhilfe und ärztlichen Pflege sank die Hoffnung auf das teure Leben immer mehr. Der Kurfürst wachte selbst öfter bei ihr und tröstete sie mit Schriftworten. Ehe sie zu schwach wurde, versammelte sie ihre Dienerschaft um sich, dankte ihnen für ihre Liebe und Treue, bat ihnen etwaige Beleidigung ab, empfahl sie der Obhut Gottes und der Treue ihres Gemahls. Herzzerreißend war ihr Abschied von den Kindern, bei dem nur sie in hoher Ruhe blieb. Sie übergab dieselben mit Genehmigung des Kurfürsten dem treuen Schwerin mit der Bitte, sie fern vom Hofe in seinem einsamen Altlandsberg zu erziehen, um von ihren Studien und Übungen nicht abgehalten und durch die Verleitungen des Hofes nicht irre gemacht zu werden. Darauf segnete und entließ sie dieselben.
Der Hofprediger Stosch kam täglich um vier Uhr Nachmittags zu ihr. Am siebzehnten Juni empfing sie ihn mit den Worten: „Es ist mir lieb, eines Dieners Christi Ansprach zu vernehmen. Den Prozess den der Herr mit Elia gehalten, worin er ihm einen Sturm, ein Beben der Erde und ein Feuer hat erfahren lassen, ist auch über mich ergangen; nun hoffe ich, es werde auch ein sanftes Sausen nachfolgen, Er werde mir mit Gnade und Hilfe erscheinen.“ Herzlich dankte sie Gott für seine Führungen während sie selbst nie mit sich zufrieden gewesen war. Stosch musste mit ihr aus dem zweiundzwanzigsten Psalm beten, sie fühlte sich sehr erquickt und bat um seine Wiederkehr am morgenden Tag, was sie vorher nie tat, da er immer pünktlich erschien.
Über Nacht hatte sie viel Linderung verspürt; Stosch drängte es, heute eine Stunde früher zu kommen. Als er eintrat bat sie ihn und die Andern zu beten. Er bat zuerst um leibliche Hilfe, als er fortfuhr, wenn Gott es anders beschlossen habe, und statt des Zeitlichen das Ewige darreichen wolle usw. da hob sie ihre gefalteten Hände höher und betete brünstiger. Als sie nach einiger Stille die Augen wieder aufschlug, fragte Stosch, ob sie fühle, dass Gott ihr gnädiger Vater sei, antwortete sie mit einem deutlichen Ja! Dann schlief sie ein und kurz vor sechs Uhr war unmerklich ihr Atem entschwunden. Regungslos lag sie schon eine Weile da, als Stosch den in sich versunkenen Fürsten ansprach: „Sie ist Ew. Durchlaucht wie eine Garde auf Wegen und Stegen gewesen; aber der Trost bleibt, dass die letzten Seufzer dieser frommen Seele künftig um Christi willen die Kraft eines täglichen Gebetes haben werden.“ Indessen hatte der Kurfürst die Hand seiner, wie man dachte, entseelten Gattin ergriffen, fühlte aber ganz deutlich einen dreimaligen Druck derselben. Dies war das letzte Lebenszeichen der im Herrn Entschlafenen. Sie war 39 Jahre 29 Wochen alt und zwanzig ein halb Jahr in der Ehe gewesen. Ihre Hülle ward, wie sie sich immer erbeten, sanft und stille abgebrochen. Zu ihrem Leichentext hatte sie sich erwählt Hiob 13,15: (nach reformirter Übersetzung): „Ob mich der Herr gleich töten wird, will ich doch auf ihn hoffen.“ Zugleich hatte sie Stosch beschworen, in dieser Predigt sich aller Schmeicheleien zu enthalten. Die Leiche wurde von den höchsten Dienern des Staates getragen und im Dome beigesetzt. Der Kurfürst und die Kinder folgten dem Sarge, weiterhin die zwölf Knaben und zwölf Mädchen ihres Waisenhauses. Alles ging zu Fuß in einer sackähnlichen, die ganze Gestalt verhüllenden Trauerkleidung. Neben ihrem Sarge stehen jetzt die Särge ihrer Söhne Karl Emil und Ludwig, welche in der Blüte der Jugend ihr in die Ewigkeit nachgefolgt sind. Die Denkmünzen auf ihren Tod stellen sie dar mit einer nur einfachen Reihe Perlen um den Hals, wie sie im Leben sie trug. Auf einer Denkmünze ist eine Kugel mit daraufstehendem Kreuz das zwei Engel stützen: wenn das Kreuz auf ihrem schwankenden Leben zu schwer werden wollte, so traten die Engel Gottes hinzu und dienten ihr. In einem sie darstellenden Gemälde ruft der Kurfürst vor ihr mit schmerzlicher Miene aus: O Louise, wie oft vermiss ich deinen Rat! Denn allerdings ist er oft mitten in einer Ministersitzung aufgestanden um sich bei ihr Rat zu erholen; sie war „klug wie die Schlange und ohne Falsch wie die Taube“ aber zornig auch fast wie der Löwe, wenn sie Ungerechtigkeiten, Schleichwege und Unwahrheit entdeckte im Übrigen voll Sanftmut, Demut, Geduld und Duldsamkeit, Treue und Gewissenhaftigkeit, mild gegen Andere, streng gegen sich selbst, täglich aus Buße und Glauben neue Kräfte des Liebens und Hoffens schöpfend.