Mechtilde und Barbara von Württemberg.

1400-1503.

„Hus die Gans“ war (1415) zu Konstanz verbrannt; er hörte im Geiste den Wittenberger Schwan ein anderes, nicht mehr durch Rauchdampf und Feuer zu erstickendes Lied von Gnade und Wahrheit singen. Indessen ließen sich die einmal wach gewordenen Stimmen, die nach Verbesserung der Kirche riefen, nirgends mehr unterdrücken.

Die Kirchenversammlung zu Konstanz und noch mehr die zu Basel (1431) machte eine Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern zur Losung des Jahrhunderts. In Rom fehlte der Wille und die Kraft dazu. Das Verderben der Geistlichkeit und der Klöster nahm überhand; je mehr dieselben zu Ehren und Gütern kamen, desto weniger wollten diese zu den klösterlichen Schwelgereien ausreichen. Was nun ein ernster Wille zum Bessern vermochte und – nicht vermochte, das zeigt uns der edelste und in der Liebe seiner Untertanen reichste Herr der damaligen Zeit, der vom Grafen zum Herzog erhöhte Eberhard im Bart von Württemberg. Gottes Geist und Leitung machte aus dem fast schon verlorenen Sohne einer bereits überall aus den Fugen gehenden Zeit einen Mann, der an Tugend und an Ehren reich wie keiner vor seinem Volke als Vorbild alles Löblichen herzog. Wer kennt ihn nicht, den herrlichen Mann, der mitten in seinen Jugendverirrungen sich aufraffend „Attempto“ sprach, „Ich hab’s gewagt“ und nun erfahren durfte, dass frisch gewagt ist halb gewonnen! Was er aber seiner Zeit und seinem Lande geworden und gewirkt, das hatte er nächst Gott und etlichen treuen Männern seiner Mutter und seiner Gemahlin zu danken.

Die Gräfin Henriette von Mömpelgard, eine herrschsüchtige, unruhige, schrankenlose Französin, ersah nach dem frühen Tode ihres Gemahls Eberhard (1419) für ihren älteren Sohn Ludwig eine Gemahlin in Mechtilde, der ältesten Tochter des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz. Graf Ludwig war ein guter und frommer Fürst. Er und sein Bruder Ulrich („der Vielgeliebte“ von der Geistlichkeit genannt, die er so wohl bedachte, dass ihrer 900 zu seinem Leichenbegängnisse erschienen,) samt ihren Gemahlinnen gefielen sich ganz besonders in frommen Stiftungen zu einer Zeit, wo bereits der alte Vergabungseifer abzunehmen begann. Schon zu Anfang ihrer Regierung, noch ehe sie das Land geteilt hatten, gründeten und begabten sie mit ihren Frauen im stillen Felsentale bei Urach die Karthause Güterstein, um von ihrer dortigen Hofhaltung aus dem Gottesdienste ordentlich abwarten zu können. Auch nach der Teilung des Landes fuhren sie fort in ihren Stiftungen; die Geistlichen fanden immer mehr Eingang bei Hofe. Der Probst Spönlein von Herrenberg stand in Graf Ludwigs besonderem Vertrauen. Er war Doktor der Gottesgelahrtheit und der Arzneifunde zugleich. Als der erstgeborene Sohn der Mechtilde, Ludwig, von der fallenden Sucht heimgesucht wurde, hieß derselbe ihm Zettel und Amulette anhängen, auch allerlei Gelübde zu St. Velten, St. Apollonius und St. Ludwig tun. Als Mechtilde ihren zweiten Sohn gebar (11. Dez. 1445), war der Graf gerade auf Besuch bei dem Probste zu Herrenberg. Acht Tage darauf nahm er zu Urach die Taufe vor. Zu Paten des jungen Eberhard wurden gebeten der Bischof Heinrich von Konstanz und der Abt von Maulbronn, auch die meisten übrigen Gäste waren geistliche Herren. So hatte sich der württemberger Grafenhof aus einem ritterlichen in einen kirchlichen verwandelt. Leider starb der fromme Graf (1450) schnell an einer pestartigen Krankheit viel zu frühe für die Söhne, und diese kamen unter Vormundschaft. Nach wenigen Jahren starb (1457) der ältere Sohn Ludwig und der zwölfjährige Eberhard ward einziger Erbe. Kaum konnten die Vormundschaftsräte erwarten, bis er das vierzehnte Jahr erreichte, um ihn in die Regierung einzusetzen und über denselben ungehindert zu herrschen. Letzteres geschah auch zum Schaden des Landes, zum Verderben für Eberhards Leib und Seele, zum Jammer der Mutter, die den vaterlosen Sohn vom fünften Jahre an unter Aufsicht gehabt und ihn in der Zucht und Vermahnung zum Herrn nach der Weise ihrer Zeit und Kirche zu erziehen gesucht hatte. Der edle Samen aber, den die treffliche Mutter in ihn gelegt, konnte vor dem Versucher durch alle Jugendsünden und Verirrungen, in die der zuchtlose Herr sich verstricken ließ, nicht verderbt werden.

Frau Mechtilde wird gerühmt als Fürstin von hoher Tugend und Weisheit und von hellerer Einsicht in die Schrift, als manche Geistliche damals hatten. Eine Liebhaberin der Kunst, „dero guter Lümde (Leumund) aller Weisheit, Tugend und Menschlichkeit so groß ist, dass der mit Loben nit mag werden gemehret, noch mit Schelten gemindert“, heißt sie Nicolaus von Wyle, dem sie an ihrem Hofe, wo strenge Sitte und Zucht herrschte, „eine Tochter in ihrem Frauenzimmer erzogen, er wollte nicht, dass sie in dieser Zeit in einem Kloster reformierter Schwestern gewesen wäre“.

Leider, dass die Vormundschaftsräte es ihr verleideten, die Erziehung des Grafen zu vollenden. Als er dreizehn Jahre alt war, tat sie Verzicht auf die ein Jahr lang geführte Mitvormundschaft. Am Ende des folgenden Jahres trat sie in die zweite Ehe mit Erzherzog Albrecht von (Vorder-) Österreich. Das war dem Lande leid und ihr selbst unheilvoll, denn ihr Gemahl war ein übler Haushälter und nach seinem Tode wurde sie in bösen Streit verwickelt. Um so mehr blieb in ihrem Herzen „hie gut Württemberg allweg“ und sie wollte nach ihrem Tod bei ihrem ersten Gemahl in der Karthause Güterstein begraben werden. Für ihre Kinder aber hat sie zu sorgen nicht aufgehört, ja sie scheint jenen Schritt sogar um derselbenwillen getan zu haben, damit sie desto unabhängiger und von ihrer Residenz, Rothenburg am Neckar, aus, desto näher dieselben, die erst in Urach, dann in Tübingen mit den Vormündern lebten, überwachen und beraten könne. Für Eberhard hatte sie ohnehin eine besondere Vorliebe, immer blieb sie seine vertraute Freundin, sie wusste sein Jugendfeuer zu mäßigen und er hörte gerne auf ihren weisen Rat. Vielleicht war auch sie bei der trefflichen Wahl des ausgezeichneten Lehrers Johann Fergen (Nauclerus) für Eberhard beteiligt. Diesem Manne, der Eberhards vertrauter Freund und Ratgeber lebenslang blieb, befahlen die Vormünder, aus dem jungen Fürsten keinen Lateiner zu machen, sondern nur deutsch lesen und schreiben zu lehren! Das konnte der Wille Mechtildens nicht sein, denn sie war selbst mit den römischen Schriftstellern wohl vertraut und schrieb lateinische Briefe. Das Werk des Italieners Boccaccio „von den berühmten Frauen“ hat der Arzt Steinhöfel in Ulm deutsch übersetzt der Gräfin zugeeignet und der Stadtschreiber von Esslingen, Nikolaus von Wyle meldet in seinem „Lob der Frawen, wie die Frawen allzyt übertreffentlich gewesen synt“ von ihr, sie habe ihn einst im Beisein etlicher Edeln gefragt, ob er ihr noch nicht verdeutscht habe das Büchlein des alten römischen Weisen Seneka von den Sitten? Darauf habe er geantwortet: Nein, weil er etwas gefunden, das er nicht genug verstünde, entweder aus Mangel an Einsicht, oder weil es unrecht geschrieben stünde. Als sie nun weiter gefragt, was das wäre, habe er die Worte: Si vis omnibus esse notus, fac prius neminem noveris, gemeldet, welche also lauten: „willst du jedermann bekannt sein, so mach vor, dass du niemand kennst.“ Zu der Stunde habe sie nach kurzem Stillschweigen und Bedenken die Worte wiederholt und gesagt: ich meine, es habe diesen Sinn: „willst du, dass männiglich guts von dir sage, so richt dich vor dazu, dass du jedermanns Ding müßig stehest, dich auswendiger Dinge nicht bekümmerst, und allein ein Genügen habest an dir selbst, hierdurch wirst du männiglich bekannt.“ Nikolaus setzt hinzu, er habe seither Doktores der heiligen Schrift darüber gefragt und gefunden, dass Ihre Gnaden ihm alle seine Kunst aberraten hab.

Die Vormundschafts-Räte waren Männer von Adel ohne gelehrte Kenntnisse und wollten auch Eberhard nur zu einem wackeren Rittersmann bilden in einer Zeit, wo das Schwert doch nicht mehr allein entschied. Eberhard, schwachen Leibes, aber lebhaften Geistes, wurde, weil nicht in die Zucht des Lernens gebracht, vom Vater schon etwas verzärtelt und auch von der Mutter nicht allzu hart gehalten, ein ausgelassener Knabe und leichtsinniger Jüngling. Die Mutter verlor die Gewalt über den ungezügelten, ehrgeizig nach den Zügeln der Regierung greifenden Sohn, der nun ein wüstes Leben mit seinen neuen jungen Räten führte, in Frauenhäuser und selbst in Nonnenklöster eindrang, um mit seinen lustigen Gesellen darin Tag und Nacht zu schwelgen. Namentlich im Kloster zu Offenhausen bei Urach wiederhallte es von Mahlzeiten, Trinkgelagen und Tänzen. Die Basen und Freundinnen der jungen Ritter wurden gegen die strenge Priorin in Schutz genommen. Bald rechnete es sich jede junge Nonne zur Schande, wenn sie von keinem Liebhaber hätte erzählen können. Auf weitere Sünden und ihre Folgen war keine andere Strafe gesetzt, als kurze Entfernung aus dem Kloster, – damit die Wände nicht (von Kindern) beschrien würden und ein kleines Geschenk an den Beichtvater. Solche Sittenlosigkeiten herrschten in den meisten Klöstern damals, so hatten sich die Zeiten seit der heiligen Elisabetha verändert, so mussten die Steine nach einer Reformation schreien lernen.

Aber Eberhard erwachte aus seinem Rausche; vieles kam zusammen seine schwache Gesundheit, der Zerfall seines Hauses, sein noch mehr ausschweifender Vetter, dessen auch er sich noch schämen musste, das Andenken an seine erlauchten Vorfahren, die Erinnerungen seines sterbenden Vaters, ein Wort des Lehrers vom Herkules am Scheidewege, am meisten aber ein Wort des „alten Vaters“, des Priors von Güterstein und seine treue Mutter brachten ihn zur Besinnung: Attempto „ich wag’s“, wurde der Wahl- und Wahrspruch seines neuen Lebens. Er pilgerte (1468) ins heilige Land, die Palme, der Baum des Morgenlandes, der je mehr er beschwert wird, desto herrlicher wächst, nahm er sich mit in sein Wappen; „im Barte“, den er unterwegs sich hatte wachsen lassen, blieb er fortan; Italien besuchte er auf dem Heimzuge; reich an Kenntnissen, mit gekräftigter Gesundheit und neuer Liebe zur mütterlichen Heimat kehrte er von Neapel, Rom, Florenz, Bologna her über Verona, Meran, Landeck, Kempten, Memmingen und Ulm ins schöne württemberger Land zurück.

Sechs Jahre darauf, ein Jahr nachdem (1473) der Uracher Vertrag das Haus und Land Württemberg gesichert, ließ Markgraf Albrecht von Brandenburg den nun 29jährigen Fürsten auf seines Bruders, des Kurfürsten Johannes Enkelin, des Markgrafen Ludwigs von Mantua Tochter, Barbara, aus dem Hause Gonzaga, aufmerksam machen. Ritter Georg von Ehingen warb glücklich für Eberhard. Ein großes Fest wurde zur Heimführung bereitet. Der Markgraf von Mantua brachte seine Tochter selbst heraus; die Pfalzgrafen Ott und Philipp, Eberhards Mutter und andere Verwandte, mehrere Bischöfe und Prälaten, viele Grafen, Freiherrn und Edle, auch Städte-gesandte, in allem 14000 Gäste kamen in dem kleinen Urach zum 4. Juli 1474 zusammen; fünfhundert Eimer Landwein, zwölf Eimer Rheinwein und vier Eimer Malvasier wurden ausgetrunken. Für das Volk floss der Wein aus Brunnenröhren.

Eberhard fand in seiner Gemahlin seine angenehmsten Erwartungen erfüllt. Sie übertraf an Schönheit die meisten Frauen ihrer Zeit((In der öffentlichen Gemälde-Sammlung zu Stuttgart strahlt ihr altes Bildnis mit den regelmäßigen geistvollen Zügen als eine wahre Perle.)). Nach Geist und Herz besaß sie vorzügliche Eigenschaften und ihre Kenntnisse bewiesen eine sorgfältige Erziehung. Durch beides gewann sie Eberhards Liebe und Achtung. Sie schrieb lateinische Briefe und verstand die deutsche Sprache vollkommen. Ob sie gleich in Italien viel Glänzenderes gesehen, so wusste sie sich doch in den Kreis der deutschen Hausmutter zu finden. Welch ein Abstand von den herrlichen Ufern des Po gegen die Wälder und Gebirge Württembergs, und doch war sie recht gerne auf ihrer Maierei im Schönbuch (Hasenhof bei Waldenbuch), von welcher sie die fürstliche Küche versorgte. Als einst das Land von Teuerung gedrückt war, hörte man sie auf der Weinsteig (bei Stuttgart) sagen: „sie wolle gerne (mit den Landleuten) Speck und Erbsen essen;“ welche Rede lang zu ihrem Andenken ein Sprichwort blieb. – Eine Meile vom Hasenhof, in demselben Walde, näher bei Tübingen, hatte Eberhard ein Jagdhaus, genannt im Einsiedel, wo er oft verweilte; auch ein Stutenhaus mit Gärten war dabei, darin ergötzte er sich an der Pferdezucht, wie seine Gemahlin an ihrer Melkerei, welche mit auserlesenen Kühen und Rindern besetzt war.

Ein schönes Leben erblühte denn an dem Uracher Hofe. Eberhard hat nach seiner Vermählung die strengste Sitte beobachtet. Bei der Reformation der Frauenklöster nahm er seine Gemahlin mit, um mit ihrem Beistande die Sachen zu ordnen. Sie erfreute ihn mit einem Sohne, Ludwig, und einer Tochter, Elisabeth. Ob er wohl einen Sohn habe, schreibt Eberhard an einen Edelmann im Jahre 1487, sei es doch nicht genug, ihn gelüste noch mehr derselben zu überkommen. Allein Sohn und Tochter starben wieder frühzeitig und seine Gemahlin gebar nicht mehr. Schmerzlich bittere Empfindungen für sein ganzes Leben. Eberhard sah an seiner kenntnisreichen Mutter und Gemahlin den milden Einfluss der Wissenschaft und Religion auf das Leben. Tief bedauernd, dass seine Jugend durch die Vormünder so vernachlässigt war, suchte er nun das Mögliche hereinzubringen durch Anstellung berühmter Gelehrten, wie seines Lehrers Nauklerus, des ausgezeichneten Gottesgelehrten Biel und des geistvollen Reuchlin, durch fleißiges Anschaffen und Lesen von Büchern, unter welchen sein Handbuch, ein deutsches, in schöner Schrift auf Pergament niedlich gemaltes Evangelium Johannis mit angehängten Gebeten war. Auch eine (1482 unternommene) zweite Reise nach Italien in Reuchlins Gesellschaft sollte ihn fördern. Zu Florenz sah er da bei Lorenz von Medici die fürstliche Gemahlin mit ihren Töchtern auf der einen und die Söhne mit ihrem Lehrer auf der andern Seite des Saales beschäftigt, dass er begeistert und seiner Barbara gedenkend ausrief: „Ja wohl, was könnte schöner sein als diese Zucht und Ordnung!“ In Rom erhielt er die goldene Rose, die der Papst nur dem ausgezeichnetsten Fürsten jährlich weihte, aber er sah auch, wie Luther später, Vieles, was ihn von seiner unbegrenzten Verehrung des heiligen Stuhles zurückbrachte. Einer der zwei Kardinäle, die ihn in des Papstes Auftrag zur Peterskirche begleiteten, wurde an seiner Seite von einem Banditen erstochen. „O heiliges Rom“!

Eberhards Mutter Mechthilde hatte mit ihrem zweiten Gemahl, Erzherzog Albrecht (1463) die Universität Freiburg gestiftet. Wie bezeichnend für unsere Zeit; nicht sowohl Klöster mehr als Schulen waren jetzt das wesentliche Mittel innerer Mission. Ihr Beispiel und was er selbst zu Heidelberg gesehen, bewog ihn ein gleiches zu tun und er rühmt es ausdrücklich in den Urkunden, dass seine Mutter hauptsächlich durch ihre Stiftungen mitgewirkt habe, durch Begründung der hohen Schule zu Tübingen „der ganzen Christenheit zu Trost, Hilfe und Macht wider die Feinde unseres Glaubens, unserer ganzen Herrschaft Württemberg zu Lob, Ehre und Nutzen helfen zu graben den Brunnen des Lebens, woraus von allen Enden unersichtlich tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlöschung des verderblichen Feuers menschlicher Unvernunft und Blindheit geschöpft werden möge.“(1477). Bedürfte es nach solchen Worten noch weiteren Zeugnisses, in welchem Geiste Mutter und Sohn die Universität aufgerichtet wissen wollten, so mögen wir hören, wie einer der ersten Lehrer, Scriptoris hieß er, offen erklärte, in der Kirchenlehre müsse von nun an alles nach dem Worte Gottes geprüft werden und was da nicht stehe, z. B. die katholische Lehre von der Verwandlung des Brotes in den Leib Jesu (Fronleichnam) sei klarer Irrtum. Freilich wurde er ob seiner freimütigen Predigt gegen die Missbräuche der Priester und Klöster durch seine Ordensbrüder vertrieben. Gabriel Biel auch, der Lehrer des Staupitz in Tübingen behauptete geradezu, christliche Fürsten haben das Recht, kirchliche Gesetze zu geben, die Kirchenversammlung stehe über dem Papste und dieser könne irren, weshalb man für ihn beten, nicht aber seinen Pantoffel küssen müsse. So leuchtete Tübingen als eine Stadt auf dem Berge im Morgenrot einer bessern, evangelischen Zeit. Ein fremder Gottesgelehrter aber, der von Rom nach Tübingen kam, fand es seltsam, dass man hier den heidnischen Weisen Aristoteles verlasse und die Bibel hervorsuche, in der man doch nichts weiter finde, als was auch der gemeinste Menschenverstand begreifen könne.

Eines forderte und förderte das andere. Gleich nach Gründung der Universität sollten die zuchtlosen Klöster gesäubert werden, hier zu reformieren hielt Eberhard für eine heilige Aufgabe. Mussten ihn doch seine Erinnerungen von Offenhausen als ein Brandmal im Gewissen brennen. Wie musste es aussehen damals, wenn z. B. zu Adelberg ein Manns- und Frauenkloster als „Madelberg“ beisammen war! Trotz dem Widerstreben der Nonnen wurden sie von dort nach Laufen versetzt. Die Bischöfe unterstützten die Sache schlecht; mit Umsicht, aber streng suchte Eberhard Königsbronn, Denkendorf und andere Klöster vor äußerem und innerem Verderben zu retten. Hatte seine Mutter die hohe Schule stiften helfen, so war bei der Reformation der Klöster seine Gemahlin am Platze. Barbara hatte vom Papste die besondere Vergünstigung erhalten, mit einer gesetzten Zahl Jungfrauen in allen Frauenklöstern, welche in den Württembergischen Landen lagen, einzukehren. Von diesem Vorrecht machte sie nun auch Gebrauch, um ihrem Gemahl bei dem Reformationsgeschäfte beizustehen. Offenhausen, wo er den Anfang gemacht, wollte noch immer nicht in Ordnung kommen. Er kam wieder selbst und wollte ganz unerbittlich sein; doch bewilligte er den Nonnen auf ihr Verlangen einen alten ehrlichen Beicht-Vater. Diesem ging es wie vorher den Muster-Nonnen, welche man von Pforzheim berufen hatte. Sie legten ihm Scherben und andere zerbrechliche Dinge auf die Treppe, um seine Ankunft zu hören und das Verbotene wegschaffen zu können. Er erkrankte und erhielt einen andern Nachfolger; dieser wurde auch weggebissen unter dem Vorwande, dass er aus der Beichte schwatze. Die Nonnen hatten eine Zeitlang wenig Novizen aufgenommen, um desto mehr für sich zu behalten; jetzt nahmen sie Töchter des benachbarten Adels auf, von welchem sie sich besonderen Schutz versprachen. Dies untersagte Eberhard. Als die Nonnen merkten, dass ernstlichere Anstalten gegen sie gemacht wurden, wollten sie noch wegbringen, was sie konnten, oder verkauften und vergruben, was im Kloster war. Eberhard ließ aber noch zu rechter Zeit die Kirchenkostbarkeiten und Briefe nach Güterstein bringen. Er schickte seinen Kanzler mit neuen Reformierschwestern und einem Beichtvater, dann kam er selbst mit seiner Gemahlin und einem ansehnlichen Gefolge. Die alten Nonnen wurden der Verwaltung entsetzt; einige entdeckten, was sie versteckt hatten, und versprachen Besserung. Da sie dies wieder nicht hielten, wurden sie in andere Klöster gesteckt. Einige endigten ihr Leben als elende Landstreicherinnen. Als nach drei Jahren ein Blitzstrahl die Kirche traf, und eine der Reformierschwestern tötete, wollte die Sache wieder wanken. Doch blieb die neue Verwaltung standhaft; man lernte sich mit Wenigem begnügen; es wurden junge, unverdorbene Mädchen aufgenommen, und so kam das Kloster endlich in guten Ruf.

Das Frauenkloster zu Kirchheim haben die Grafen gemeinschaftlich reformiert. Eberhard fand bei seinem Besuch die Anstalten der Reformierschwestern so gut, dass er ihnen aus Höflichkeit sagte, er wolle seine Gemahlin zu ihnen schicken, „um sie auch geistlich zu machen“.

Eberhard war kein Feind der Mönchsorden, aber ein unversöhnlicher Feind ihrer Ausartung. Er hoffte sie zeitgemäß verbessern zu können und ließ sich selbst in die Brüderschaft von zwölf verschiedenen Orden aufnehmen, um sich deren Fürbitten und guten Werke teilhaftig zu machen. Dennoch erwartete er weniger von den einmal für immer verblühten Klöstern, als von den Collegialstiften; ihnen gab er eine verbesserte Regel nach der Congregation der Chorherren zu Windsheim (Windesem bei Zwoll), welche schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts von Gerhard Groote, Canonicus zu Utrecht, und Florentinus Radewin – diesen Vorläufern der Reformation – gegründet worden. Es lag darin die wohltätige Absicht, die Weltgeistlichen ihrer ersten Bestimmung wieder näher zu bringen, indem sie neben den Andachtsstunden hauptsächlich mit dem Volksunterricht, dabei auch mit Handarbeit und mit Bücherabschreiben sich beschäftigen sollten. Eine ihrer Hauptvorschriften war, die Bibel in deutscher Sprache zu lesen. Die Regel dieser Congregation sollte die Mitte halten zwischen der Ungebundenheit der gewöhnlichen Weltgeistlichen und der geisttötenden Sklaverei des Mönchwesens. Diese Chorherren hießen Brüder des gemeinen Lebens (von ihrem gemeinschaftlichen Zusammenleben), bei dem gemeinen Mann Kappen- oder Gugelherren (von ihrer Tracht). Mit der Einführung dieser Regel gewann Eberhard zugleich Männer, wie Gabriel Biel.

Jenes Jagdhaus im Schönbuch, das ihm so manchen frohen Tag zurückrief, das er nach seiner Rückkehr aus dem heiligen Lande zunächst nach Güterstein besucht hatte, und wohin er auch von dem nahen Tübingen öfter kam, war ihm nicht zu wert, dass er es nicht zu einer neuen Stiftung obiger Art, die er ganz aus seinen eigenen Gütern machte, hätte widmen wollen. Er tat dies in demselben denkwürdigen Jahr, da er, von einer schweren Krankheit genesen, den Esslinger Vertrag schloss, einen Regiments-Rat aus den drei Ständen des Landes ersah, und darauf sein Testament errichtete.

„Nach langem Nachdenken,“ sagt Eberhard in der Stiftungsurkunde, was er wohl in schuldiger und billiger Dankbarkeit und zur Ehre Gottes, von welchem alle Güter und Herrschaft kommen, und zur Mehrung des göttlichen Dienstes, auch zu seinem und der Seinigen Seelenheil, besonders aber zur Wiederkehrung und Erstattung unrechten Gutes, so er den rechten Erben nicht wüsste, stiften und aufrichten möchte, seien ihm durch innere Erleuchtung eingefallen, da er in seiner Herrschaft und Regierung dreierlei Stände habe, Geistliche, Adel, Städte und gemein Volk, aus diesen dreien Ständen einen Konvent zu errichten, damit diejenigen, welche gern in Ruhe und Abgeschiedenheit Gott dienen wollten, und doch die Strenge anderer Orden zu scharf fänden, unter dem sanfteren Joche dieser heiligen Versammlung, ohne weitere Beschwerung, mit Besserung ihres Lebens Gott getreulich dienen und ihr Seelenheil mit Sicherheit erlangen möchten.

In diesem Stifte, so verordnet Eberhard weiter, sollen 12 Canonici, Priester und Kleriker, nach der Zahl der 12 Apostel, unter einem Probst oder Vater, sodann 24 Laienbrüder oder Conversen unter einem Meister, das von zwölf vom Adel oder rittermäßige aus der Herrschaft Württemberg oder in deren Ermanglung aus dem Lande Schwaben, die andern zwölf aber aus ehrbaren Bürgern von der Landschaft Württemberg, zusammen in Gemeinschaft leben, und ein Kapitel ausmachen, das dem General-Kapitel der „Brüder des gemeinen Lebens“ in deutschen Landen und dessen Satzungen unterworfen sein solle. Ihr Name soll sein St. Peters Brüder, ihre Kleidung sollte blau sein. Zu diesem Stifte der blauen Mönche zu St. Peter im Einsiedel vergabte Eberhard mit Zustimmung seiner Gemahlin als Mitstifterin sein neues Haus in der Widem im Schönbuch, nebst andern Gebäuden, Gründen und Gütern. Ferner vermachte er ihm 18000 Gulden von dem Erbe seiner treuen Mutter, welche nachdem sie wiederholt ihm Friedensstifterin und Vermittlerin zwischen Gegnern gewesen, in dem stillen Güterstein zum ewigen Frieden eingegangen war.

Ein gemeinsames Leben sollten die Brüder führen, alle Güter sollten sie gemein haben, ein Herz und eine Seele sein, Tag und Nacht Gott dienen, züchtigen Wandels sein, freundlich und friedlich als Brüder gedenken, dass sie alle gleich von einem ersten Vater Adam kommen, auch durch Eine Pforte des Todes für das strenge Gericht und Urteil Gottes kommen sollen, so sollen sie über ihren Zorn nie die Sonne untergehen lassen, ihre Rede nicht unnütz, sondern Ja Ja, Nein Nein sein lassen; während des Essens soll Stille herrschen und der Leser deutsche Bücher lesen, aus der Bibel, die heil. Evangelien, von dem Leben der Heiligen, „auf dass, so der Leib gespeist wird, die Seele nit leer und hungrig bleibe.“ Keiner soll müßig gehen, sondern allzeit etwas Gutes schaffen, als beten, lesen, schreiben, Bücher binden, drehen, schnitzeln, hobeln, Garn stricken, Wasser brennen. Ein Almüsner soll die übrigen Speisen und das Almosen täglich austeilen, besonders hausarmen Leuten von den beiliegenden Dörfern. So sollen sie voll Almosen sein und guter Werke, sittig und keusch; keine Frauensperson soll in den Beschluss des Hauses eingehen, ausgenommen die Frau des Landes, wenn diese des Jahres einmal und nicht weiter darein begehrt mit ihren Jungfrauen, doch nicht weiter, als in die allgemeinen Gemächer, auch nicht nach Vesperzeit darin bleiben.

Bei seinen damaligen Gesundheitsumständen und Gemütsstimmungen (1492) hatte Eberhard wohl im Sinne, selbst unter den blauen Mönchen seine Tage zu beschließen. Er wollte wenigstens laut seinem letzten Willen an diesem stillen Orte begraben sein. (1580 brannte das Stift ab und von seinen Steinen wurde die „edle Schule“ zu Tübingen gebaut). Ein Jahr nachdem er zum Herzog erhoben war, kam Eberhard zu seiner Ruhe (1496), noch ehe das Stift ganz besetzt war; und wohl ihm, denn er hätte nur sehen müssen, wie sein bester Wille ohne dauernden Erfolg blieb. Dass Menschen aus allen Ständen, arm und reich, Geistliche, Edle und Bürger in Gemeinschaft leben und sich gleich betrachten sollten, wie hoch dachte dieser herrliche Mann; dass Alles in altapostolischer Einfalt und Gemeinschaft stehen soll, welch ein wichtiger Versuch zur Rückkehr in die Zeit vor der katholischen Kirche. Aber es war bald steter Unfriede im Stifte zwischen den Laienbrüdern vom Ritter- und Bürgerstande, die alten Orden waren ihm tödlich feind. Eberhard hoffte vergeblich das Mönchstum aus sich selbst zu verbessern; umsonst war sein heißester Wunsch: noch eine allgemeine Kirchenversammlung, eine Reformation in Haupt und Gliedern zu erleben. Es war kein Rat noch Hilfe, ehe der Bergmannssohn von Eisleben, der bei Eberhards Tod bereits bei Frau Cotta in Eisenach wohlversorgt war, mit dem Hammer (des göttlichen Wortes), der Felsen zerschmeißt, an die versteinerte Kirche des „Nachfolgers Petri“ seine Schläge getan. Eberhards Nachfolger im Regimente, „der jüngere“, forderte alsbald die verwitwete Herzogin auf, das Stift aufzuheben, ungeachtet er seinem Vetter die Erhaltung desselben urkundlich zugesichert hatte.

Barbara erhielt von ihrem Manne außer dem Widdum1 Wittum (lateinisch Vidualitium), Widum, Widdum, Witthum oder Wedem ist ein Begriff aus der mittelalterlichen Rechtssprache. Das Wort „widum“ und „wittum“ leitet sich von derselben Wurzel her wie „widmen“; Widum und Wittum bezeichnet also ein „gewidmetes Gut“, in Tirol und Südtirol heute noch gebraucht als Bezeichnung für einen Pfarrhof. Im deutschen, mittelalterlichen Recht wurde damit auch die Witwenversorgung aus dem Nachlass genannt, da auch diese „gewidmete Güter“ waren; die Verknüpfung des Wortes Widum mit Witwe (und die daraus resultierende Schreibweise mit tt anstelle von d) ist eine Volksetymologie. , das Eberhard „seiner lieben Gemahlin“ verschrieben, zum Andenken seinen Trinkbecher von lauterem Golde.

Zwei Jahre nach seinem Tode erschreckte sie der Tumult gegen den jüngern Eberhard so sehr, dass sie ihre besten Sachen nach Ulm flüchtete. Nach achtjährigem Witwenstande starb sie zu Böblingen in ihrem Widdumsitze den 21. Mai 1503 und wurde im Frauenkloster zu Kirchheim begraben, wo sie eben so gerne war, als ihr Gemahl zu Einsiedel. Ihr Gedächtnis lebt noch heute bei den Einwohnern des Schönbuchwaldes, die als Nachbarn ihres Hasenhofes verschiedene Rechte und Gnaden ihr verdanken. Aber auch wer nur einmal von ihnen gehört, dem wird Eberhards Mutter und Gemahlin unvergesslich bleiben.