Anna von Sachsen, auch Mutter Anna genannt, war die Tochter des Königs Christian III. von Dänemark, geboren 1531 und 1548 vermählt mit dem nachherigen Kurfürsten August von Sachsen. Die Hochzeit wurde mit ungewöhnlicher Pracht und verschwenderischem Aufwand gefeiert. Unter Anderem war ein Türkenschloss auf der Elbe errichtet, das von einer kostbar orientalisch gekleideten Mannschaft verteidigt und von eben so prächtig gekleideten Kämpfern angegriffen wurde, bis es den Letzteren gelang, dasselbe durch Feuer zu zerstören. Dabei ergötzte Feuerwerk jeglicher Art die Zuschauer. Anna zeigte recht achtbare Eigenschaften; sie stand 37 Jahre lang ihrem Gatten zur Seite und war während dieser Zeit nur wenige Wochen von demselben entfernt. Ihre Ehe wurde mit 15 Kindern gesegnet, von denen jedoch 11 frühe wieder starben. Sie übte einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Regierungsgeschäfte aus, doch meistens einen wohltätigen, namentlich was das Finanzwesen betrifft. Besonders unterstützte sie ihren Gemahl, wo es galt, den Wohlstand des Volkes zu fördern. August ließ sich die Hebung des Obstbaues angelegen sein; er schrieb deshalb „Künstliches Obst- und Gartenbüchlein“ und gab den Befehl, dass jedes junge Ehepaar im ersten Jahre zwei Obstbäume pflanzen müsse, Er führte auf seinen Reisen stets ausgesuchte Obstkerne bei sich, um sie den Landleuten zu geben. Meistens teilte Anna dieselben aus; auch war sie ihrem Gemahl bei der Abfassung der erwähnten Schrift behilflich. Bei der Bewirtschaftung der kurfürstlichen Domänen griff die hohe Frau mit höchst eigener Hand zu; sie nahm sich mit Rat und Tat des Kleinsten an und brauchte mitunter selbst Hacken und Spaten. Der Kurfürst nahm aus Liebe zu seinen Glaubensgenossen und um die Industrie in seinem Lande zu heben, eine große Anzahl aus ihrer Heimat vertriebener evangelischer Niederländer auf. Anna bot hierzu in jeder Beziehung hilfreiche Hand.
Vornehmlich war sie auf dem Ostravorwerk bei Dresden eine geschäftige Martha; sie ging im Sommer oft zu Fuß nach Ostra, um daselbst mit eigener Hand Butter für ihren Gemahl zu waschen und zu falzen. Charakteristisch ist folgende, auch dichterisch bearbeitete Erzählung. Einst an einem heißen Sommertage kam der Kurfürst nach dem genannten Vorwerk und bat die Magd um einen Trunk Milch. Er erhielt solche, aber, weil er nicht erkannt wurde, keine von der besten. Der Kurfürst leerte, durstig, wie er war, das Glas, bemerkte aber, dass die Milch nicht besonders gut gewesen sei. Die Magd, etwas beleidigt, erwidert: „Ja, wenn der alte Brummbär – damit meinte sie die Kurfürstin – uns nicht immer die beste Milch nähme, dann könnte man hier bessere haben.“ Ohne sich zu erkennen zu geben, ging der Kurfürst von dannen und erzählte den Vorfall seiner Gemahlin. Diese ließ die Magd vor sich kommen und schalt sie wegen ihrer rohen Äußerung, sagte aber nicht, wer der Gast gewesen sei. Da erwiderte die Magd: Hätte sie gewusst, dass sie einem solchen Schlingel, der Alles ausplaudere, Milch gegeben habe, dann hätte sie gewiss Nichts gesagt. Der Kurfürst, welcher hinter der Tür dieser Unterredung zuhörte, konnte das Lachen nicht unterdrücken; er trat hervor und sagte zu seiner Gemahlin:
„Drum tragen wir in stiller Ruh,\\
Den Brummbär ich, den Schlingel du!“
Wir wollen nicht entscheiden, ob die Erzählung bis ins Einzelne Wahrheit enthält; sie ist bezeichnend für das, was das Volk seiner Kurfürstin zutraute. Darum erwähnen wir auch der gewiss falschen Sage, dass Anna selbst von den Produkten des Vorwerks auf dem Markte verkauft habe.
Bekannt ist die Kurfürstin durch ihre Beschäftigung mit chemischen Arbeiten; sie hatte ein großes chemisches Laboratorium, in welchem vier Öfen standen. Während ihr Mann in Alchemie die Fabrikation des Goldes erstrebte, suchte sie heilsame Medikamente zu entdecken. 1579 entdeckte sie ein weißes Magenpflaster, wovon man in der Hofapotheke zu Dresden noch lange Proben aufbewahrte. Sic führte auf ihren Reisen selbstverfertigte Medikamente bei sich und verteilte solche unentgeltlich. Auch im Gebrauche des Stickrahmens, sowie der Spindel und Nadel war die Kurfürstin wohlerfahren und unermüdlich tätig; noch jetzt wird in der Kunstkammer zu Dresden ihr Arbeits- und Reisegerät aufbewahrt.
In anderer Beziehung können wir derselben weniger Beifall zollen. Sie bestärkte ihren Gemahl in der Härte gegen den gefangenen Herzog Johann Friedrich. Auch soll sie in ähnlicher Weise mitgewirkt haben, dass der Kurfürst mit unerbittlicher Strenge gegen die Professoren, Geistlichen und Beamten verfuhr, welche vom reinen Luthertum abgewichen waren und sich zum Calvinismus geneigt hatten (Kryptocalvinisten). Anna unterlag 1585 der Pest, welche mehrere Jahre hindurch in Dresden furchtbar wütete.