Jacob Andreä.

Jacob Andreä, auch Schmidlin (Fabricius) genannt, theol. Dr., wurde den 25. März des Jahres 1528 zu Waiblingen geboren. Sein Vater war Jacob Endris, „so dem Kriegswesen in Böheim, Ungarn, Frankreich und Hispanien nachgezogen, welcher Länder Sprach er kündig worden, 1527 2. Februar sein Mannrecht bekommen und Bürger zu Waiblingen worden ist.“ Die Mutter war Anna, geb. Weisskopf, von Gundelfingen; der Grossvater Steffan II. Endris, Bürger in Mockelaw, aichstettischen Bisthums in Franken; die Grossmutter Anna, eine geb. Herdlin; der Urgrossvater Steffan I. Endris, welcher in Ingolstadt gestorben zu sein scheint, da er daselbst begraben ward; die Urgrossmutter Elisabeth, geb. Holzapfel.

Jacob, von seinem Vater nach dessen Einwanderung in Waiblingen zum Schmied bestimmt (daher der Name Schmidlin), studierte in der Folge auf Anrathen des berühmten Reformators Dr. Schnepf Theologie und erhielt den Baccalaureusgrad im Kloster zu Hirsau, wohin sich damals ein Theil der Professoren der Philosophie der Pest (1.) wegen begeben hatte. Kaum 18 Jahre alt erhielt er das Diaconat bei der Stuttgarter Stadtkirche, wo er, der jüngste unter den fünf Geistlichen Stuttgarts, nebst seiner Gattin keineswegs vor den eindringenden Truppen des Herzogs Alba sein Heil in der Flucht suchte, sondern im Gegentheil alle Predigten und kirchlichen Handlungen übernahm, ja selbst den kaiserlichen Offizieren, welche sich zu denselben und selbst zu Disputationen mit ihm herandrängten, durch seine Festigkeit Achtung und Vertrauen abgewann. Hierauf wurde er 1548, da auch er dem eingetretenen Interim (einer Verfügung des Augsburger Reichstages, bis zum Concilsbeschluss alles beim Alten zu lassen, in Folge dessen alle Mönche wieder das Land überschwemmten) weichen musste, von Herzog Ulrich, der ihn liebgewonnen, nach Tübingen berufen und 1549 daselbst zum Diaconus ernannt. Als nach dem 1550 eingetretenen Tode des Herzogs diesem sein durch alle Tugenden ausgezeichneter Sohn Herzog Christoph (2.) in der Regierung folgte und den Freund Luther’s und Melanchthon’s, den Reformator Württemberg’s, Johann Brenz, zum Stiftspropst in Stuttgart und zu seinem vertrautesten Rathgeber in Kirchensachen gemacht hatte, liess er Andreä mit Unterstützung aus den Kirchenmitteln doctoriren (1553) und setzte ihn zugleich zum Pfarrer und Superintendenten, später General-Superintendenten in Göppingen ein.

Bald darauf leistete Andreä bei Einführung der Reformation in Nachbarländern, welche ihn dazu vom Herzoge sich erbaten, Dienste, so 1554 bei den Grafen von Oettingen und 1556 bei den Grafen von Helfenstein, bei dem Markgrafen Karl von Baden und in Rothenburg a. d. Tauber. 1555 musste Andreä den Herzog auf den Reichstag nach Regensburg und dann nach Frankfurt begleiten, und im August sandte ihn sein Fürst mit Brenz nach Worms; 1557 führte ihn der Letztgenannte in die literarische Theilnahme an der erneuten Streitigkeit über das Abendmahl ein.

Als 1561 Herzog Christoph von Catharina von Medici und dem Könige von Navarra zu der Synode zu Poissy, (9. September bis 13. Oktober 1561), welche die Schlichtung der zwischen den Päpstlichen und den Hugenotten obwaltenden Streitigkeiten bezweckte, um Ueberlassung einiger bedeutender Theologen, wohl nur um den Herzog von den französischen Reformirten und deren Unterstützung so viel als möglich abzuziehen, gebeten worden war, sandte der Herzog Andreä, sowie Dr. Beurlen und Dr. Balthasar Bidenbach unter Beigabe des in der französischen Sprache besonders bewanderten Edlen Melchior: von Salhausen dahin ab. Nach 16tägiger Reise kamen dieselben in Paris an, wo sie jedoch das Collegium bereits aufgelöst fanden. Der Bischof Montluc benutzte dabei die Gelegenheit, Andreä gegen den noch in Paris weilenden Beza aufzubringen, welcher die Anerkennung der Augsburgischen Confession verweigert habe, wozu sich doch der Cardinal Guise erboten habe. Andreä und Bidenbach übergaben dem Könige von Navarra ihr Gutachten, die Augsburgische Confession betreffend, erhielten indess keine Antwort darauf. Was Dr. Beurlin betrifft, so sollte derselbe nicht mehr in’s Vaterland zurückkehren. Nach ihrer Ankunft in Paris nemlich waren die Abgesandten in Erwartung des königlichen Befehls in das Collegium des Königs geführt worden, woselbst Dr. Beurlin mit der Einsichtnahme der dortigen, aus den besten Schriftstellern bestehenden Bibliothek beschäftigt, plötzlich von einer Krankheit überfallen wurde, welche anfangs für eine Erysipelas (Rothlauf) gehalten, sich bald als die in diesem Collegium grassirende Pest entpuppte, von deren Vorhandensein die Abgeordneten zu unterrichten man nicht für nothwendig gehalten hatte. Beurlin starb den 28. October und wurde in Paris in dem dortigen heiligen Kreuz Kirchhofe beigesetzt. 1562 nahm der Herzog auf inständiges Bitten der vier Brüder Guise, insbesondere des Cardinals von Lothringen, persönlich nebst Brenz, Andrei und Bidenbach an dem in Elsass-Zabern abzuhaltenden Colloquium Theil. Auf demselben gelobten die Guisen mit Handschlag dem Herzoge, dass sie nicht wieder gegen die Hugenotten mit Heftigkeit und Gewalt vorgehen wollten. Trotzdem richteten gerade die Guisen auf dem Rückweg das bekannte Blutbad von Vassy an, womit sie die Hugenottenkriege begannen, die in der Pariser Bluthochzeit 24./25. August 1572 und in dem darauf folgenden allgemeinen Blutbade gipfelten.

Von Tübingen aus verkehrte Andreä viel und gerne mit dem aus altadligem Geschlechte stammenden Johann von Au in Wachendorf, (dessen erste Gemahlin Rosine, Markgräfin von Baden, war), einem durch Tugend wie durch Weisheit, Frömmigkeit und Grossmüthigkeit ausgezeichneten Manne, und half ihm seine Kirche der Augsburgischen Confession gemäss reformiren. Johann von Au starb 1571, 29. October, nachdem ihm am 27. August desselben Jahres seine zweite Gattin, Maria, geb. von Neuneckh, im Tode vorangegangen war. Nach dem im Jahre 1615 erfolgten kinderlosen Ableben des Neffen des Johann von Au fiel Wachendorf an die noch heutzutage blühende Linie v. Ow – Felldorf und wurde trotz des fürsorglichen Testaments Johann’s nach und nach wieder zum Katholicismus zurückgebracht.

Der Herzog selbst lernte in der Folge Andreä immer mehr schätzen, zog ihn zu allen seinen mit Brenz auszuarbeitenden kirchlichen Aufgaben und ernannte ihn zuletzt an Stelle des verstorbenen Dr. Beurlin zum Propst und Kanzler der Universität Tübingen, ein Amt, das Andreä bis zu seinem Tode bekleidete.

1565 ging Andreä mit Abt Christoph Binder nach Hagenau, wo er den Magister und Dr. der Theologie Philipp Heerbrand als Pfarrer einsetzte; nach dessen 1575 daselbst erfolgtem Tode wurde M. Georg Volmar dahin abgesandt.

Zu wie viel Fürsten und Grafen, zu wie viel Reichsstädten Andreä, dessen Verstandes- und Weisheitsruf überall hin sich verbreitet hatte, zu Reformirung ihrer Territorien in der Folge reisen musste, zu welcher Masse von Disputationen und Gesandtschaften er von seinem Herzoge erwählt wurde, ist allgemein bekannt und folgen hier nur einige davon: Nach dem Tode Herzog Heinrich’s von Braunschweig, des alten Gegners von Luther, zu dessen Nachfolger dem Herzoge Julius 1568, zu den Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg und August von Sachsen, zu den Seestädten und nach Dänemark.

Selbst Kaiser Maximilian besprach sich einst zu Prag, 16. und 17. März 1570, privatim mit Andrei über die Concordienformel, lobte dessen Weisheit und entliess ihn huldvollst.

Im Jahre 1576 folgte Andreä, nachdem er in der Zwischenzeit im Süden Mömpelgard, Strassburg, Memmingen, Hagenau, Aalen, Lindau, Pfalz-Neuburg und Regensburg bereist und viele Disputationen daselbst gehabt hatte, abermals einer Einladung nach Kursachsen, war zugleich im Kloster Bergen bei Magdeburg ein thätiger Mitarbeiter an der Concordienformel(3.) und disputierte 1586 auf Wunsch des Herzogs Friedrich von Württemberg mit seinem alten Gegner Beza zu Mömpelgard.

Die letzte öffentliche Verhandlung Andreä’s fand statt bei dem Colloquium zu Baden 1589, wo er mit dem wieder katholisch gewordenen Dr. Johann Pistorius Niddanus, Sohn des frommen und gelehrten Hessischen Superintendenten Pistorius, disputierte. In diesem Jahre äusserte Andreä noch bei voller Gesundheit gegen seinen Freund, den Dr. und Professor der Theologie Jakob Heerbrand, sein Geist verkündige ihm, dass er nicht länger lebend bleiben werde, er habe seinen Lauf vollendet. Von Baden nach Stuttgart zurückgekehrt (1589 December), erkrankte Andreä an einem heftigen Catarrhfieber, wozu sich in der Folge noch starker Husten gesellte. Den 6. Januar des folgenden Jahres (1590) liess er den Rector und Senat der Universität zu sich bitten und bekannte ihnen, dass er mit der christlichen Lehre, welche er 44 Jahre lang mündlich und schriftlich gelehrt, fröhlich vor dem Richterstuhl Christi erscheinen wolle; dessen zum Zeugniss habe er sie zu sich gebeten, da er wohl wisse, dass Papisten und Calvinisten das Gerücht ausstreuen werden, er sei eines schrecklichen Todes gestorben. Rector und Senat nahmen dies auf Wunsch des Sterbenden zu Protokoll, und sorgten für die Veröffentlichung. Die am Schluss der Urkunde befindliche Beglaubigung lautet: Actum wie obstehet uff Zinstag, den 8. tag Januarij, gleich nach der Morgenpredig zwischen 10 und 11 Uhr. Anno 1590. In gegenwertigkeit nachfolgender hiezu beruffener Personen, benantlich: Dr. An drcas Planeri, Rectoris; Dr. Joannis Brentij; Dr. Joannis Georgij Sigwardi, parochi; Dr. Nicolai Varenbüleri, Decani Juris; Dr. Ana stasii Demleri, Jure consulti; Dr. Georgij Hambergeri, Decani Medicinae; Dr. Philippi Grameri, Medici; M. Georgij Liebleri, Decani Artium; M. Christophori Stehelin, M. Eberhardi Bidembachij, Diaconorum.

Den folgenden Tag, nachdem Andreä die Nacht theilweise im Sessel sitzend zugebracht, legte er sich um 7 Uhr Morgens zu Bette und sagte zu dem neben ihm sitzenden Pfarrer: Mein lieber Pfarrer, es muss geschieden sein, da wird nichts anders aus ferner: in manus tuas, Domine, commendo spiritum meum Als ihm hierauf sein zunächst stehender Sohn M. Johann ins Ohr rief: Ob er nun glaube, dass ihm hinfort die Krone der Gerechtigkeit beigelegt würde, sah er ihn mit weitgeöffneten Augen an, nickte ihm zu, antwortete mit stockendem Athem „Ita“ (Ja), und entschlief sanft.

So verschied im Jahre 1590 den 7. Januar Morgens zwischen 8 und 9 Uhr der Mann, welcher seit dem Tode des berühmten Reformators Johann Brenz, als das eigentliche Haupt der württembergischen Kirche galt, der sich um Württemberg wie um viele evangelische Kirchen des Auslandes ein bleibendes Verdienst erworben hatte, und stets für die Einigkeit der lutherischen Kirche thätig gewesen war, seines Alters im 62., seines Predigtamts im 44. Jahre. Die württembergische Kirchen-Verfassung, die er im Auftrag Herzog Christoph’s mit Brenz ausgearbeitet und eingeführt, ist im wesentlichen die bis heute gebliebene (Synodus, General- und Special-Superintendenzen u. S. w.). Andreä hat über 150 grossentheils deutsche Schriften verfasst.

Seine 1. Gattin war Anna, geb. Entringer, (23. Juli 1583), deren Vater im Alter von 103 Jahren starb, welcher Ehe 9 Söhne und 9 Töchter entsprossten, von denen 4 Söhne und 4 Töchter den Vater überlebten; die 2. war Regina, geb. Prenzinger von München, kinderlos 16. September 1591. Beide ruhen auf dem alten Tübinger Kirchhofe, und ihre Namen finden sich heute noch auf ein und demselben Grabstein verzeichnet. Die Kinder Andreä’s, soweit über sie Näheres bekannt ist, sind:

  1. Susanna Andrei, geb. 1552, verm. mit dem Herzoglich-Württemberg. Consistorial-Director Balthasar Eisengrein.
  2. Blandina, geb. 1557, verm. mit dem Med. Dr. Anton Schweickhardt. Derselbe war ebenfalls bei Abfassung des vorbenannten Protokolls zugegen.
  3. Maria,. geb. 1560, verm. I. mit dem Pfarrer in Mühringen J. Georg Schütz; II. mit dem Professor zu Tübingen, Johann Harpprecht.
  4. Corona, verm. mit dem Med. Johann Jacob Frei.
  5. Hedwig, geb. 1571, verm. mit dem Abt zu Lorch Johanna Magirus.
  6. Jacob, geb. 1549, Pfarrer zu Hagenloch 1569, zu Dusslingen 1573, zu Metzingen 1588, welch letztere Pfarrei er 1617 mit der des Specials M, Ulrich Pauli zu Kirchentellinsfurth vertauschte. Er starb, nachdem er noch einige Zeit vorher neben seiner Pfarrei das Decanat des Capitels zu Reutlingen bekleidet hatte, 1630, 14. September, seines Alters im 81., seines Predigtamts im 60. Jahre. Seine I. Gattin war Anna, eine Tochter des Herzoglich Württembergischen Raths in Stuttgart Caspar Beer, mit welcher er die Verlobung in dem Closter zu Denkendorf bei dem Probst Bartholomäus Käs, die Hochzeit aber zu Tübingen in der Probstei (1571, 9. Januar) gefeiert hatte; die II. Catharina, geb. Mann, welch‘ letzterer Ehe 9 Söhne und 4 Töchter entsprossen sind.
  7. David, geb. 1551, Pfarrer zu Hagenloch, zu Jesingen bei Tübingen, zu Gültstein 1576–1585, verm. I. mit Agnes Greis ( Greinsin ); II. mit Margaretha Godelmann. Er starb 1588 mit Hinterlassung von 6 Töchtern und einem Sohne Namens Jacob), welcher Pfarrer in Haslach war, und ebenfalls Nachkommen hatte.
  8. Ulrich, Med. Dr. und Physikus zu Lindau 1588, verm. mit Ursula Franz, welcher Ehe zwei Töchter entsprossen sind; diese verheiratheten sich beide mit Mitgliedern der Familie Mögling, nemlich Anna mit Med. Lic. und Physikus zu Heilbronn, nachmals in Calw, Johann David DIöyling; Regina Blandina aber mit dem Med. Dr. und Professor zu Tübingen Johann Ludwig Mögling. IX. Daniel, Curiae Württemberg. Collega 1615.
  9. Johann, Special zu Herrenberg 1589, nachmals auch Herzoglich Württembergischer Rath und Prälat zu Königsbronn 1591, verm. mit Maria, des Vogts von Herrenberg, Valentin Moser Tochter.
1. Zu Tübingen hielten, wie Crusius in seiner Schwäbischen Chronik Frankf. 1733 berichtet, zur Zeit dieser schrecklichen Seuche folgende Prediger bei ihren Schäflein aus: Dr. Theodoricus Schnepf, Pfarrer, und die drei Helfer M. Jacob Gering, M. Elias Benignus (ein Johann Benignus Professor der Beredsamkeit daselbst und 1540 Decan der philosophischen Facultät hielt 1550 die Trauerrede über Herzog Ulrich ) 1585 10. September als Pfarrer zu Nürtingen, nebst M. Michael Otto; sämmtliche verwalteten ihr Amt treulich sowohl im Lehren als Krankenbesuchen.
2.Kurz nach seinem Regierungsantritt liess der Herzog die württembergische Confession auf dem Concil zu Trient übergeben (1551), welche von den päbstlichen Legaten unterdrückt, von auswärtigen Bischöfen gesucht, auch im Herzogthum Preussen als Vorschrift des Glaubens und der Lehre aufgestellt wurde. Die württembergischen Theologen aber waren die ersten Protestanten, welche sich in Trient vernehmen liessen, gleich darauf folgten die sächsischen Abgesandten,
3. Andreä erhielt, nachdem er die Concordienformel unterschrieben, von dem Kurfürsten August von Sachsen 1580, 21. Dez., beim Abschied einen vergoldeten Pokal von 73 Loth. (Auf einer alten Copie seines Wappenbriefes bemerkt.