Hans Sachs wurde 1494 in Nürnberg geboren, wo er sich nach zurückgelegter Wanderschaft als Schuhmacher niederliess. Seine Vaterstadt war damals blühend und mächtig durch Welthandel und Reichthümer, durch gute Verfassung für Krieg und Frieden, durch eine Menge bedeutender Männer und aufgeweckter Zöpfe. Wo bei dem Rathsherrn Wilibald Pirckheimer, dem fürstlichen Manne, die Humanisten zu Gaste gingen, wo Dürer und Peter Vischer in der Kunst das Höchste schafften, da konnte auch Hans Sachs sich breit und fröhlich entfalten, ein Volksdichter von ungemeiner Bildung, ein Handwerker mit ritterlicher Seele. Er war ein kerngesunder heiterer Mensch, der offen in Welt und Zeit schaute: von Allem dichterisch erregt, wusste er es besonnen und natürlich auszuformen.
In seiner Jugend ergriff ihn die reformatorische Bewegung in Kirche und Reich. Er begrüsste Luther als die Wittenberger Nachtigall, und seine fliegenden Blätter geisselten die Selbstsucht der Fürsten und den Unverstand der römisch gebildeten Juristen. Als die Neuerungen aber Kirche und Reich mit Zerstörung bedrohten, hatte er kein Gefallen mehr daran: in seiner Klagrede auf Luther’s Tod schalt er auf die wüthigen Sektirer und Maulchristen. Er zog sich jetzt auf seine Dichterstube zurück und nährte und erquickte sich in der Bibel und den alten Klassikern, von denen er sich Uebersetzungen verschaffte. Es ergriff ihn die gewaltige Naturwahrheit in der Bibel, er verstand die sittliche und politische Grösse der Alten, und Beides lehrte er jetzt in Erzählungen Legenden und Gleichnissen, ein ächter Volkslehrer. In seinen alten Tagen, als er die Welt nun durchaus kennen gelernt, war er ganz der heitere sonnige Mensch, der sich lächelnd über die menschlichen Thorheiten erhebt. Das ganze bunte Treiben der Welt lässt er aufs Ergötzlichste in Fastnachtsspielen Schwänken und Fabeln auftreten, und hängt jedesmal eine kräftige gute Lehre daran.
Zweiundfünfzig Jahre dichtete unser Meister, 6200 Stücke schrieb er mit eigener Hand in seine 34 Folianten zusammen, dann starb er im Jahre 1576 lebenssatt und von seinen Mitbürgern geliebt und hochgeachtet in seinem zweiundachtzigsten Lebensjahre.
Historische und biographische Erläuterungen zu Wilhelm von Kaulbach's Zeitalter der Reformation von Franz Löher Stuttgart Verlag von Friedrich Bruckmann 1863