Als des deutschen Kaisers Wort noch galt im Reiche und die Anerkennung auf eine besondere Hausmacht zu gründen noch nicht genöthigt war, als die christliche Kirche das Volksleben weihete und von dem Kaiser beschirmt ward ohne ihm abzubringen, was sein war, als nach groben Ausbrüchen der Rohheit die Ordnung wieder kräftiger gehandhabt ward, und unter den sächsischen Königen Deutschlands Wissenschaft und Kunst neu erwachten, lebte der thätige, kunstreiche und fromme Bischof Bernward. Aus angesehenem Geschlechte in der Mitte des 10. Jahrhunderts geboren, ward er früh dem geachteten Lehrer an der Domschule zu Hildesheim Thangmar zugeführt, und bald erwarb er sich durch seine Fähigkeit, seinen Fleiß, seine Fortschritte und seine Gewissenhaftigkeit die besondere Liebe seines Lehrers. Thangmar erzählt selbst, wie er den jungen Bernward auf seinen Geschäftsreisen gern mit sich genommen und bei diesem nähern Umgange mit ihm zu seinem Erstaunen ungeachtet des zarten Alters viele liebenswürdige Eigenschaften an ihm entdeckt habe. Fast den ganzen Tag, schreibt er, brachten wir oft zu Pferde mit wissenschaftlichen Uebungen zu und behandelten wohl einen Gegenstand so ausführlich, als ob wir in der Schule wären. Bald ergötzten wir uns am Versbaue und gingen dann wieder zu Uebungen in ungebundener Schreibart über; bald trugen wir Beweise in gewöhnlicher Rede vor, dann wieder in künstlichen Vernunftschlüssen, wobei er mir oft, doch sehr bescheiden, scharfsinnige philosophische Fragen vorlegte. Der Jüngling richtete seine Aufmerksamkeit auf alles Wissenswürdige, und während er für die schönen Künste begeistert war, hielt er die Beschäftigungen des Handwerkers und die Gegenstände des gewöhnlichen Haushalts seiner Beachtung nicht unwerth. So Vieles konnte er umfassen, weil seine Lernbegier durch Nichts unterbrochen wurde.
Nach Beendigung seiner Studien auf der Domschule rief ihn sein Großvater mütterlicher Seite, der Pfalzgraf Athelbero, welcher sich bei seiner Altersschwäche nach Hülfe und Aufheiterung sehnte, zu sich; und bald ward Bernward ihm so werth, daß er Alles, was er nur unternahm, mit diesem seinem Enkel berieth und ihn, obwohl er mehrere Söhne und Töchter hatte, an Sohnes Statt annahm. Nur eine Zeit lang entließ er ihn zu einer Reise nach Mainz, um ihm durch seinen Freund, den mächtigen Reichskanzler und Erzbischof Willigis, die höhern priesterlichen Weihen ertheilen zu lassen. Als Bernward mit den Weihen zurückgekehrt, kam er den Bitten seines Großvaters gern entgegen, bis zu seinem Ableben bei ihm zu bleiben, übernahm nicht nur dessen lästige Geschäfte, sondern auch unermüdlich Tag und Nacht die Pflege des kranken Greises, und schlug uneigennützig selbst die ihm angetragene Propstei des Klosters Deventer aus, um ihn nicht verlassen zu müssen.
Nach dem Tode des Pfalzgrafen 987 kam er an den kaiserlichen Hof. Kaiser Otto II. war im Jahre 983 in Rom plötzlich gestorben und hatte seinem dreijährigen Sohne Otto III. sein großes Reich hinterlassen. Die Mutter des jungen Königs, die Griechin Theophania, wählte Bernward zum Caplan des Pallastes und noch in demselben Jahre unter Zustimmung der Großen des Reichs zum Lehrer und Erzieher ihres Sohnes, der sich unter seiner Leitung nicht nur durch gute Fortschritte in Kenntnissen und Geschäftstüchtigkeit auszeichnete, sondern auch vor den mancherlei Versuchungen, womit sich selbstsüchtige Schmeichler an ihn drängten, bewahrt blieb. Die Kaiserin starb unerwartet; sogleich ernannte ihn der neunjährige Kaiser, der seinem Lehrer mit großer Achtung ergeben war, zum Canzler und gestattete seinem besonnenen Rathe einen bedeutenden Einfluß auf die Anordnungen in seinem großen Kaiserreiche.
Nicht lange daraus wurde er aus diesem Wirkungskreise zu einem geistlichen Amte berufen, wofür er von Jugend auf vorzugsweise Neigung gehegt hatte und dem er von der Zeit an sein Leben widmete. Einstimmig zum Bischofe von Hildesheim erwählt, wurde er am 15. Januar 993 als solcher geweiht. Er betrat sein großes und wenig bebautes Arbeitsfeld mit seltner Reife des Geistes, und gab sich ihm mit ganzer Kraft, Aufopferung und Treue hin. Alles, was uns die Geschichte von ihm berichtet und was die von ihm erhaltenen Werke erkennen lassen, zeugt eben so sehr von seiner innigen Frömmigkeit als von seiner praktischen Tüchtigkeit. Dafür zeugt, daß er in sehr mannigfaltigen Unternehmungen Bedeutendes leisten konnte, während er die Pflege des Gottesdienstes und des christlichen Lebens in den ihm anvertrauten Gemeinden als seine Hauptaufgabe festhielt; und daß er, obgleich seine großen Leistungen sichtbar hervortraten und die Kirche ihn mit verführerischem Glanze umgab, sich seiner Unwürdigkeit vor Gott und der Gnade des Allerhöchsten, welcher er Alles zu verdanken habe, stets bewußt blieb. Er beschränkte sich nicht darauf, daß er täglich in der Kirche mit der Geistlichkeit dem kirchlich angeordneten Chorgesange beiwohnte, sondern er verweilte meistens noch stundenlang im einsamen Gebete und in frommen Betrachtungen. Wartete er nach der herrschenden Ordnung der Kirche der Messe, so nicht minder der Predigt des Worts in der Gemeinde und der Belehrung der Unwissenden über die einfachsten Grundwahrheiten des Christenthums, und bekräftigte seine Lehre durch seinen guten Wandel. Nahm er sich der Armen in der Weise seiner Zeit an, indem er täglich mehr als hundert Dürftige speisete, so ließ er sich nicht weniger angelegen sein, jede kunstreiche und nützliche Arbeit zu fördern.
Nur durch seine vielseitigen Kenntnisse und Kunstfertigkeiten ward es möglich, daß er in dieser letztern Rücksicht so bedeutend hervorragt; denn er ließ nicht nur mit vielen Zeitgenossen die Schreibkunst üben, um gute Abschriften theologischer und philosophischer Bücher zu gewinnen, sondern besuchte auch regelmäßig die Werkstatten der Künstler und Handwerker, richtete nach eigener Erfindung Ziegelbrennereien ein, um durch Einführung der Ziegelsteine den häufigen Feuersbrünsten entgegenzuarbeiten, und leitete in seiner eignen Werkstätte selbst zur Malerei, Bildhauerei, zur Schnitzkunst, Erzgießerei und zum künstlichen Einfassen in edle Metalle an. Wenn er auf seinen Wegen durch seine Gemeinde Knaben spielen sah, so ließ er sich gern mit ihnen in ein Gespräch ein, und entdeckte er an ihnen einen guten Verstand, so veranlaßt er die Eltern, sie ihm in die Werkstätte zu senden. Die Fähigsten nahm er später mit sich auf seine Reisen, um ihren Geschmack an Meisterwerken zu bilden. Die Arbeiten seiner Hand, die uns erhalten sind, eignen sich ohne Ausnahme für die Werkstätte eines kunstliebenden Bischofs. Wenigstens erwähnt mögen hier werden das goldene kreuzförmige Reliquienkästchen, die beiden ehernen Thorflügel mit Abbildungen aus der alt- und neutestamentlichen Geschichte, und die aus Erz gegossene Säule mit einer Darstellung der evangelischen Geschichte. Das bedeutendste Werk des frommen Bernwards ist die Stiftung des großen Michaelis-Klosters. Er begann es bald, nachdem er das bischöfliche Amt übernommen hatte mit der Erbauung der Kreuz-Capelle auf einem damals neben der Stadt gelegenen Hügel und arbeitete daran bis an sein Ende. Je ferner nun solche Stiftung der Frömmigkeit unserer Zeit liegt, um so nothwendiger ist zu beachten, in welchem Sinne ihr ein Mann wie Bernward seine schönsten Kräfte und sein ganzes Vermögen opfern konnte. Er verwahrt sich gleich anfangs gegen jeden Verdacht des Stolzes und der Prahlerei, da er wohl wisse, daß jede Anmaßung Gott ein Gräuel, bekennt sich ergriffen von der Unermeßlichkeit seiner Vergehungen und gedemüthigt durch das Bewußtsein, daß er um der göttlichen Barmherzigkeit willen aus der tiefsten Niedrigkeit und Armuth zu seinem hohen Berufe gelangt sei; er wolle unsern Herrn Jesum Christum ehren, desgleichen die Jungfrau Maria, den Erzengel Michael und alle himmlischen Tugenden; er trage Verlangen, mit allen lieben Brüdern in Christo zu leben und begraben zu werden. In diesem Sinne hat er das große Opfer dargebracht und in diesem Sinne müssen wir ihn verstehen. Beachtenswerth ist zugleich, daß er bei diesem weitaussehenden Unternehmen stets der Kurze und Unwissenheit des menschlichen Lebens eingedenk und in diesem Andenken an den Tod nicht nur um so thätiger war, sondern auch wahrend der Ausführung stets darauf bedacht, sollte er von seiner letzten Stunde überrascht werden, wenn auch nicht das Ganze, wenigstens Etwas, was in seinem Bestande gesichert sein würde, vollbracht zu haben. Er übergab das Kloster, wie gleich anfangs die Kreuz-Capelle dem Benedictiner-Orden, und schenkte ihm mit Zustimmung seines Bruders, des Grafen Tamms, sein ganzes Vermögen. In der Kirche dieses Klosters, welche 1022 eingeweiht wurde, suchte er im romanischen Baustyle das Höchste darzustellen, was die Baukunst mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln leisten könnte, und noch heute wird in ihr, obwohl ungeschickte Hände später an ihr Verbesserungen versucht haben und sie später ganz vernachlässigt und theilweise zerstört ist, ein werthvolles Denkmal kirchlicher Baukunst anerkannt.
Ueber seine neuen Unternehmungen versäumte er die von ihm vorgefundenen Werke nicht. Namentlich sind noch werthvolle Arbeiten vorhanden, wodurch er den Dom schmückte. Dies und anderes leistete er zu einer Zeit, wo, während der junge Kaiser seine Liebe und Thätigkeit vorzugsweise Italien zuwandte, räuberische Schaaren der Slaven tief in Sachsen einfielen und um so mehr zu fürchten waren, je mehr das Bisthum aufblühete und reichere Beute erwarten ließ. Er sah sich genöthigt, die Stadt mit Mauern und Thürmen zu umgeben, und führte die Befestigung mit solcher Sorgfalt aus, daß er alles Aehnliche im Sachsenlande überbot. Wo sich die beutegierigen Feinde nur blicken ließen, entbot er seine Dienstmannen, sie zu vertreiben, und wo ihre Einfälle zu fürchten blieben, ließ er feste Burgen erbauen. Dadurch bot sein Bischofssitz so große und seltene Sicherheit, daß er der zweite Gründer Hildesheims genannt worden ist.
Sein Ansehen eröffnete ihm eine Wirksamkeit über die Grenzen seines Bisthums hinaus; er war der Beichtvater der Mathilde von Quedlinburg, welche während der Abwesenheit ihres Neffen, des Kaisers, dem deutschen Reiche vorstand, und half ihr noch in ihren letzten Stunden. Auch seine ärztlichen Kenntnisse wurden weit gerühmt und aufgesucht. Die Eifersucht des Erzbischofs Willigis verwickelte ihn in langwierige und gehässige Streitigkeiten über die bischöflichen Anrechte auf Gandersheim, und nöthigte ihn seine Zuflucht zum Kaiser und zum Papst zu nehmen.
In Rom, wohin er sich begab, fand er nicht nur Gelegenheit, dem Kaiser, seinem frühern Schüler, die alte Treue und den aufrührerischen Römern gegenüber seinen festen Muth zu beweisen, sondern auch für seine Angelegenheiten die gesuchte Theilnahme sowohl des Kaisers als des Papstes Sylvester II., der einst auch des Kaisers Lehrer gewesen war; allein beide starben zu früh, als daß es ihnen gelungen wäre, seine Streitigkeit mit dem Erzbischofe zu beendigen. Da sich, weil der junge Kaiser unerwartet und ohne Erben gestorben war, mehrere Fürsten um die deutsche Krone bemüheten, entschied sich Bernward für den Herzog Heinrich, der dem erloschenen Kaiserhause zunächst verwandt war, und wirkte durch seine Stimme nicht unwesentlich mit, daß auf ihn die Wahl fiel. Der neue Kaiser Heinrich II. war Bernward in der Jugend befreundet gewesen, hatte mit ihm einst die Domschule besucht und blieb ihm auch nach seiner Erhöhung besonders geneigt, so daß er ihn nicht nur in Hildesheim aufsuchte, sondern ihn auch häufig zu sich lud, um seinen Rath zu benutzen, der ihm selbst in der Kriegswissenschaft werth war. Der Bischof mußte ihn sogar auf einem Feldzuge als Anführer der von ihm gestellten Dienstmannen folgen. Den Bemühungen des Kaisers verdankte denn auch Bernward nicht nur, daß der Erzbischof Willigis von seinem Unrecht überzeuget ward und sich mit ihm aussöhnte, sondern daß das Bisthum eins der reichsten und mächtigsten in Deutschland wurde.
Da sich der Bischof in den letzten Jahren seines Lebens oft leidend fühlte, beeiferte er sich um so mehr, die von ihm unternommene Stiftung zu Ende zu führen. Zur Einweihung der zuletzt erbauten Capelle fühlte er sich bereits zu schwach. Er übertrug sie daher dem ihm seit vielen Jahren innig verbundenen und durch manchen Freundschaftsdienst bewährten Bischof von Schleswig, Eggehard; ließ sich dann in die neue Kloster-Capelle bringen, um nach der Frömmigkeit seiner Zeit vor seinem Tode das Ordenskleid der Benedictiner anzulegen, und verschied einige Tage darauf den 20. November 1022, auf seinen Wunsch dahin zurückgebracht, nach andächtigem Gebete an dem Altare mit den Worten: „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ in den Armen seines Bruders Tammo und seines Freundes Eggehard. Tiefe Betrübniß erfüllte die ganze Stadt, die in ihm ihren Beschützer, ihren Wohlthäter, ihren geistigen Vater verloren hatte. In der Ueberzeugung, daß eine christliche Todeserinnerung auf das Leben einen heilsamen Einfluß übe, hatte er sich seinen steinernen Sarg selbst gemeißelt. Worauf er bei dem Gedanken an seinen Tod seine Hoffnung gegründet, zeigen die dem Sarge eingegrabenen Worte Hiob 19, V. 25-27: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt und ich werde am jüngsten Tage von der Erde auferstehen u. s. w.“, wie auch die Schlußworte auf dem gleichfalls von ihm selbst gearbeiteten Leichensteine: „Wehe, ick habe meines hohen Amts nicht wohl gewartet! Frommer Friede möge meiner Seele sein, und Ihr singet dazu Amen!“
.Cordes in Hildesheim.