Bugenhagen (Joh.) wurde zu Wollin in Pommern, wo sein Vater Ratsherr war, am 24. Junius 1485 geboren und von diesem seinen Vaterlande wurde er oft schlechthin Dr. Pommer genannt. Den Anfang seines Studirens machte er in Wollin und setzte dasselbe sehr früh auf der hohen Schule zu Greifswald fort, wo er sich der Weltweisheit und Gottesgelehrsamkeit widmete. Schon in seinem 20sten Jahre, andere sagen im 18ten, erhielt er den Ruf nach Treptow an der Rega als Rector an der dortigen Stadtschule, welche er durch seine Geschicklichkeit in einen guten Zustand versetzte. In dieser Zeit fing er vorzüglich an, die heilige Schrift, die Kirchenväter und Erasmus Werke zu studiren; er erklärte der Jugend die heilige Schrift und predigte auch. Auf Anrathen seiner Freunde ließ er sich zum Prediger weihen; seine Predigten fanden Beyfall, auch catechisirte er fleißig und erklärte verschiedene Bücher des neuen Testaments. Von ohngefähr ward ihm im Jahre 1520 über Tisch bey dem Inspector der Treptowschen Kirchen, Sluterius, eine eben damals herausgekommene Schrift Martin Luthers gezeigt, in welcher er vornemlich die Lehre der Päbste von den sieben Sacramenten bestritt und widerlegte. Kaum hatte es Bugenhagen mit den Augen flüchtig durchlaufen, so rief er aus, Ei, ei, das ist ein sehr gefährlich Buch, der Mann ist ja einer von den größten Ketzern, die seit Christi Geburt gelebt haben. Seine Neugier bewog ihn aber doch, es mit zu nehmen und im Hause aufmerksam durchzulesen. Nach etlichen Tagen gestand er, daß Luther allein unter den damaligen Lehrern von dem christlichen Glauben richtige Begriffe habe. Wir alle sind blind, der Mann, der dies Buch geschrieben hat, sieht allein die Wahrheit. Er brachte die meisten Geistlichen zu Treptow bald zu eben dieser Ueberzeugung.
Von dieser Zeit an bezeigte er für Luthern ungemein viel Achtung: eifrig studirte er nun seine Schriften und wurde von der Wahrheit immer mehr überzeugt. Er vertheidigte Luthern bald laut und einmal in einer öffentlichen Gesellschaft, ja er wagte es, Luthers Lehre mit großer Freymüthigkeit in verschiedenen Predigten vorzutragen. Kein Wunder, daß er Feinde und Verfolger bekam; vorzüglich beleidigte er seine Vorgesetzten, die die Kühnheit unmöglich verschmerzen konnten, daß ein Mann, der ihnen subordinirt war, klüger seyn wollte, denn sie. Um der Ungnade seines Landesherrn und der Verfolgung des Bischofs von Camin zu entgehen, begab er sich im Jahre 1521 nach Wittenberg, wo er öffentliche Vorlesungen hielt und sogleich für würdig erkannt wurde, unter die Lehrer aufgenommen zu werden. Er wurde schon im folgenden Jahre zum Pastor der dortigen Kirche bestellt, und bald darauf auch zum Professor der Theologie und Generalsuperintendanten des Kurkreises. Erst im Jahre 1535 nahm er auf Befehl und Kosten des Kurfürsten von Sachsen die theologische Doctorwürde in dessen Gegenwart an.
In diesem dreyfachen Amte stand er bis an seinen Tod, und gab einen der vornehmsten, nützlichsten und unermüdetesten Gehülfen Luthers bey der Reformation ab. Er wurde auch zu vielen wichtigen Versammlungen, Berathschlagungen und Anstalten gezogen; war z.B. einer von den Abgeordneten sowohl bey der ersten Visitation der sächsischen Kirchen im Jahre 1527, als bey der zweyten im Jahre 1533. Im Jahre 1530 hatte er an dem ersten Entwurf, welcher zur Verfestigung der Augsburg. Confession gemacht wurde, und im Jahre 1536 an der Vereinigung der sächsischen Kirche mit einigen Reichsstädten, welche bisher in der Lehre vom heiligen Abendmahl mehr den Schweizern zugethan gewesen waren, seinen Antheil; ja er war es hauptsächlich, welcher bey der letztern Gelegenheit durch seine Sanftmuth die Einigkeit beförderte. Aber nichts hat ihn berühmter gemacht, als die vielen glücklichen Reisen, welche er zur Ausbreitung der evangelischen Lehre in und außer Teutschland vorgenommen hat. Man rief ihn von einem Orte zum andern, um durch seine Predigten und Rathschläge die daselbst aufblühende Verbesserung der Kirche zu befördern, die Kirchen und Schulen mit tüchtigen Lehrern zu besetzen, den Gottesdienst einzurichten und überhaupt zu dieser Zeit einer der größten Bewegungen in der Kirche lehrbegierigen Gemeinen eine weise Mittelstraße vorzuzeichnen, von der es so leicht und so gefährlich war, sich zu entfernen; zuerst verlangte man ihn im Jahre 1528 nach Braunschweig, welcher Stadt er unter andern Diensten auch diesen leistete, daß er eine Kirchenordnung für dieselbe aufsetzte. Noch in eben demselben Jahre baten die Hamburger den Kurfürsten, seinen Herrn, ihnen Bugenhagen zu gleichen Absichten auf einige Zeit zu überlassen. Er stellte darauf die Reste des Aberglaubens ab, hielt häufige Predigten, brachte die meisten Mönche und Nonnen daselbst so weit, daß sie ihre Klöster und zugleich ihre Kirchen verließen und eröffnete im Dominikanerkloster eine seitdem sehr berühmte Schule. Auch Hamburg bekam von ihm seine Kirchenordnung, und eben dergleichen Verdienste erwarb er sich in den Jahre 1530 und 1531 um die Reichsstadt Lübeck, welche ihn gleichfalls verlangte, und wo das Volk noch vor seiner Ankunft eine gewaltsame Reformation angefangen hatte, die er nicht billigen konnte.
Auf Begehren der Herzöge von Pommern, kam er 1534 in sein Vaterland, und befestigte dasselbe nach vielen Arbeiten, die er zum Besten der Kirche unternahm, in seiner Verfassung, wiederum durch eine Kirchenordnung. Insonderheit aber ist ihm Dänemark ungemein viel schuldig. Der König Christian der Dritte verlangte seine Gegenwart im Jahre 1537, um die bereits angefangene Reformation zu ihrer Reife zu bringen. Bugenhagen krönte zuerst den König, und darauf ließ er sich die Beförderung der reinen Lehre und der guten Ordnung in der dänischen und norwegischen Kirche, fünf Jahre hindurch, welche er daselbst verblieb, sehr angelegen seyn. Er setzte viele tausend neue Prediger, und auch die sieben neuen evangelischen Bischöfe ein, that nützliche Vorschläge zum Gebrauch der alten Kircheneinkünfte, schrieb nebst einigen Theologen eine Kirchenordnung für Dänemark, Norwegen und Schleßwig-Holstein und bewog den König, die erste dänische Uebersetzung der ganzen heiligen Schrift, aus Luthers teutscher, verfertigen zu lassen. Auf seine Vorstellung geschah es auch, daß dieser Herr im Jahre 1539 die Universität Kopenhagen feyerlich erneuerte. Bugenhagen wurde auf ein halbes Jahr zum Rector derselben ernannt, halt ihre Gesetze verfertigen und lehrte die Theologie auf derselben öffentlich.
Da er endlich 1542 nach Wittenberg zurückgekommen war, trug man ihm auf, die Kirchen des Herzogthums Braunschweig von dem Gebiete Herzog Heinrichs des Jüngern, dessen sich damals die Schmalkaldischen Bundsgenossen bemächtigt hatten, nebst einigen andern zu visitiren, der Reformation in denselben fortzuhelfen und eine Kirchenordnung für sie aufzusetzen. Die letzte Kirche, um welche er sich auf diese Art verdient machte, war im Jahre 1543 die Hildesheimische.
Dieses waren seine Beschäftigungen, so lange Luther lebte, von welchem er ungemein hoch geschätzt wurde. Er leistete demselben bey seiner Uebersetzung der heiligen Schrift Beystand und erkannte die Wichtigkeit dieser Unternehmung so lebhaft, daß er jährlich ein eigenes Fest in seinem Hause feyerte, um Gott für den Segen zu danken, welchen die Kirche durch diese Uebersetzung erlangt hatte. Im Schmalkaldischen Kriege blieb er bey aller bevorstehenden Gefahr zu Wittenberg, um seine Gemeine aufzurichten. Er behielt auch beständig ein großes Ansehen in der sächsischen Kirche. Allein, da er mit Philipp Melanchthon und andern kursächsischen Theologen im Jahre 1548 das sogenannte Leipziger Interim aufsetzen half und darinn aus Liebe zum Frieden und Ehrfurcht gegen die Fürsten, der römischen Kirche mehr nachgegeben wurde, als die strengere Wahrheit und die Reinigkeit des Gottesdienstes zu erlauben schien, wurde Bugenhagen mit in die heftigen Streitigkeiten verwickelt, welche darüber in der evangelischen Kirche entstanden. Doch beklagte er sich mehr über die Bitterkeit, mit welcher man ihn angriff, als daß er sich durch Schriften vertheidiget hätte. Er starb am 20sten April 1558, nachdem er seine letzten Jahre in einer gänzlichen Entkräftung zugebracht hatte. Sein Name wird unvergeßlich bleiben. Er besaß eine gründliche Gelehrsamkeit, einen seltnen Eifer für die Ausbreitung der Religion und eine sanfte Friedfertigkeit; auch begnügte er sich mit einem mittelmäßigen Einkommen und schlug die Bisthümer Schleswig und Camin aus. Sein Sohn Johann starb 1592 zu Kamberg als Probst.
Erneuertes Andenken der Männer die für und gegen die Reformation Lutheri gearbeitet haben. Von Heinrich Wilhelm Rotermund, Dompastor. Erster Band. Bremen, 1818 In Wilhelm Kaiser’s Comptoir für Literatur und Kunst.