Antonius Corvinus

Antonius Corvinus

Kapitel 1.

Jugend und Lehrjahre. 1501-1526.

Antonius Corvinus wurde am 27. Februar 1501 in der im Stift Paderborn gelegenen Stadt Warburg geboren, weshalb er sich denn in der im Jahre 1529 erschienenen Schrift: „Warhaftig Bericht, daß das Wort Gottes ohne tumult, ohne Schwermerey zu Goßlar und Braunschweig gepredigt worden“ Antonius Corvinus Zythogallus (=Warburgensis) nennt. Von seinen Eltern wissen wir nichts, als daß der Vater Rabe oder Rabener hieß, welchen Namen der Sohn nach der gelehrten Sitte der damaligen Zeit in Corvinuß umwandelte.

Seinen ersten Unterricht erhielt er in der gelehrten Schule, welche die Dominicaner in Warburg hielten. Als er heranwuchs, entschloß er sich zum Mönchsleben, und wurde zuerst in das Cisterzienser-Kloster zu Riddagshausen, später in das zu Loccum aufgenommen. In der Zwischenzeit studirte er im J. 1520 zu Leipzig, unterstützt von seinen Jugendfreunden den edeln Herren von Steinberg. wie man aus dem der Auslegung des 4. Psalms angehängten Gespräch mit einem Marburger Bürgermeister über Beichte, Buße und Empfahung des Sacraments ersieht, wo er denselben mit den Worten anredet: „Jr habt für etlichen Jaren. wie Jr wisset, mit mir in Leipzig studirt, und wiewol Jr als ein weltkind nach der heiligen schrifft nicht viel fragtet, so ward Jr dennoch in dem Büchlein Erasmi, welches er von dem christlichen Ritter geschrieben, wol so viel unterrichtet, daß Jr euch billig durch keines Franciscancrs lügen oder Heucheley soltet haben verfügen lassen.“ Er blieb denn auch dem hochadligen Geschlechte der von Steinberg für die empfangenen Wohlthaten dankbar verpflichtet, wie man aus der Widmung seiner Auslegung des 4, Psalms (vom J. 1538) an Curt von Steinberg ersieht.

In Riddagshausen lebte Corvin unter Aufsicht des 36. Abts Hermann (gest. 1531). Seine Kenntniß von Luthers Lehre erlangte er höchstwahrscheinlich, als er in Leipzig studirte. Seine Hinneigung zu derselben war die Ursache, daß er nach seiner Rückkehr in das Kloster zu Loccum von dem Abte desselben als Anhänger der lutherischen Lehre ausgestoßen wurde, wie er selbst in seinem Gespräch mit Anton Sander darüber, daß er das Wort Gottes in den Kirchen zu Braunschweig und Goslar rein gelehret, im J. 1529 also schreibt: „Es ist bei 6 Jaren, daß mich wie einen lutherischen Buben mein Abt verjaget hat.“

Doch diese Ausstoßung geschah zu seinem eigenen Heile, Ausgerüstet mit einer gründlichen Kenntniß der classischen Literatur, wovon sich in seinen Schriften überall reichliche Spuren finden, begab sich Corvin von Loccum nach Wittenberg, um daselbst in der durch das Studium der heiligen Schrift und der Schriften Luthers erkannten Wahrheit sich weiter zu gründen. Im Verkehr mit Luther und unter Melanchthons Leitung setzte er seine theologischen Studien mit Ernst und Eifer fort und sein kluges bescheidenes und leutseliges Wesen, verbunden mit seinem Eifer in der Erforschung der göttlichen Wahrheit durch das fortwährende Studium der heiligen Schrift und der Kirchenväter erwarb ihm die Zuneigung dieser seiner Lehrer in hohem Grade. Melanchthon schrieb ihm später immer wie einem lieben Freunde, rühmte seine Gaben und hatte namentlich Wohlgefallen an seiner Schreibweise und an seiner herzlichen und blühenden Redegabe, und ermahnt ihn, fortzufahren, dieselbe zur Förderung der Ehre Christi zu gebrauchen. Wie sehr Luther Corvin schätzte, ersieht man aus seinen zu dessen Postillen geschriebenen Vorreden, wie er z. B. die im J. 1535 erschienene Schrift Corvin’s: „Kurze Auslegung der Evangelien für Pfarrer und Hausväter“ empfiehlt, weil diese Auslegung kurz, lauter und in Uebereinstimmung mit den Evangelien sei und es daher sehr nützlich sein würde, wenn sie mit dem Worte der heiligen Schrift dem Volke vorgelesen würde. Die Zuneigung dieser Männer zu Corvin erklärt sich aber auch aus dem, was sein Zeitgenosse, Johann Caselius, über ihn äußert: „Es war kein Mensch milder und bescheidener als er; keiner, der in so schlichter, lauterer Sprache zu reden wußte.“

Als Landgraf Philipp der Großmüthige von Hessen im Jahr 1526 die Vorbereitungen zur Errichtung der ersten evangelischen Universität zu Marburg traf, welche 1527 ins Leben trat, so begab sich auch nebst andern, unter Luther und Melanchthon gebildeten, wittenbergschen Doctoren und Magistern unser Corvin nach Marburg und trat mit Empfehlungsschreiben der Häupter der Reformation ausgerüstet in die Dienste des Landgrafen, dem er bei der Vorbereitung zu Gründung der neuen Universität und bei der Stiftung derselben im folgenden Jahre mit Rath und That behülflich war.

Kapitel 2.

Corvins Arbeitsjahre. I. Im Hessischen Dienste. 1526-1541.

Corvin erkannte, gleich dem ersten schottischen Prediger und Märtyrer des Evangeliums, Patricius Hamilton, der ebenfalls im Frühjahr 1527 von Wittenberg nach Marburg kam, um der Eröffnung der neuen Universität beizuwohnen, die hohe Bedeutung der letztern für den siegenden Fortschritt der Reformation, und suchte dieselbe auf alle Weise zu fördern, besonders ausgezeichnete Gelehrte als Professoren der Universität herbeizuziehen. So schrieb er im Jahr 1526 von Marburg aus an Johannes Drach oder Draconites, damaligen Pastor zu Waltershausen in Thüringen, der zwar nicht damals schon, sondern erst späterhin im J. 1534 auf Corvins Anregung eine theologische Professur an der neugegründeten Hochschule annahm, und dieselbe bis zum J. 1546 bekleidete.

Wie in Wittenberg, so erwarb sich Anton Corvinus auch bald in Marburg durch seine Gelehrsamkeit, seine Bescheidenheit und ächte Gottesfurcht, die Liebe und Achtung der dort versammelten ausgezeichneten Männer, welche Landgraf Philipp an seine neue Universität berufen hatte, und von denen schon im J. 1526 zehn auf die Eröffnung derselben warteten.

Nachdem im Frühjahr 1527 der Plan zur Errichtung der Universität zur Reife gelangt war, schritt der vom Landgrafen zum Rector der neuen Universität ernannte Professor des Civilrechts, Johann Ferrarius, am 31. Mai zur feierlichen Einweihung der Hochschule, wobei der Canzler Figinus oder Feige die Einweihungsrede hielt. Bei der darauf vorgenommenen Immatriculation von 104 Akademikern zeichneten sich außer den Studenten auch Professoren, Pastoren und Staatsbeamte, sowie einige Ausländer, z. B. Patricius Hamilton und seine schottischen Freunde in das Marburger Album ein.

Die alte Stadt Marburg konnte sich nun einer Versammlung ausgezeichneter Theologen und Gelehrten rühmen, wie sie niemals zuvor in ihren alten und abschüssigen Straßen gesehen hatte.

Obwol es scheint, als sei Anton Corvinus nicht eigentlicher Professor der Theologie in Marburg gewesen, so hat er doch durch seine Erklärungen der heiligen Schrift, besonders durch seine populären und eindringlichen Predigten von den Kanzeln dieser Stadt die Sache der Reformation sehr gefördert, indem er ihren Bürgern das Wort Gottes lauter und rein verkündigte, und besonders durch seine treue Seelsorge mit großem Segen wirkte. Hiervon zeugt insbesondere das schon oben erwähnte, der Auslegung des 4. Psalms angehängte Gespräch zwischen ihm und dem Bürgermeister, wie man die Kranken in Sachen, die Beichte. Buße und Empfahung des Sacraments belangend, unterrichten und im Gewissen zu Friede stellen soll.

Neben Erhard Schnepf oder Sneps. den man den Demosthenes der hessischen Kirche genannt hat, standen die beiden Pfarrer Anton Corvin und Justus Winter (Hibernus) aus Harle, als Mitpfarrer an der Haupt- oder Marienkirche in Marburg, sämmtlich so wie auch Adam Krafft (Crato), Kymeus, Draconites, Lonicerus u. a, der sächsischen Reformation zugethan. Ihre lutherische Richtung bekennen damals auch Daniel Graser, Johann Pistorius, Balthasar Reid, Joh. Rosenweber u. a. hessische Prediger. Nur der Pfarrer Hartmann Ibach, welcher im J. 1529 an der Stelle des 1528 nach Goslar abgegangenen Corvinus Subdiakonus oder Untercaplan in Marburg wurde, hatte eine von jenen abweichende Richtung; aber sein Auftreten daselbst trat gänzlich zurück gegen die Wirksamkeit von Adam Krafft, Schnepf, Corvinus und Winter. Er starb schon 1532 am Blutsturz.

Franz Lambert, welcher im J. 1526 von Straßburg, wo er Prediger war, von dem Landgrafen Philipp von Hessen berufen wurde, um die Einführung der Reformation in seinen Erbstaaten unter seine Leitung zu nehmen, kam keineswegs als ein in der Lehre Luthers Feststehender nach Hessen. Der Name Lamberts wird wegen der Homberger Synode (am 21. October 1526) in der hessischen Kirchengeschichte zwar meist mit Verehrung oder mit Bewunderung genannt, aber es läßt sich nicht leugnen, daß derselbe während der 3 Jahre, die er nach der Synode noch gelebt, dazu gedient hat, Partei zu machen, indem durch die Synode in Hessen ein Geist geweckt wurde, der sich bei jeder Bewegung an die Schweizer anschloß.

Corvin’s Wirksamkeit blieb jedoch nicht lange auf seinen Wohnort Marburg beschränkt, sondern der Landgraf benutzte ihn als ein rüstiges Werkzeug der Reformation zugleich zur Verbreitung der Grundsätze der neuen Lehre innerhalb und außerhalb seiner Lande. Je mehr die Pflanzung der evangelischen Kirchen von dem Eigennutz des Adels, von der Unwissenheit des geistlichen Standes, von der Widerspenstigkeit der Gemeinden und der Nachlässigkeit der städtischen Behörden bedrohet wurde, desto mehr müssen wir die unermüdete Anstrengung des hessischen Fürsten bewundern, womit er gegen alle diese Hindernisse kämpfte und dieselben zu besiegen wußte. Er bemühete sich zuerst allenthalben aufgeklärte, mit dem Evangelium vertraute Prediger aufzufinden, die er selbst besoldete, reichlich beschenkte, und dahin sandte, wo es am nöthigsten war, anfangs bloß in sein Land, dann auch in benachbarte Gegenden, die sich der hessischen Kirche anschlossen. So verschaffte Corvin auf Antrieb seines Landesherrn der Reformation Eingang in das Waldecksche, indem er die beiden Grafen von Waldeck, Philipp den ältern und Philipp den jüngern. zu derselben überführte.

Außerdem sorgte der Landgraf von Hessen für treffliche Visitatoren der Kirchen und Schulen, unter denen Adam Krafft von Fulda und Heinze von Lüder, nachmaliger Obervorsteher der Hospitäler zu Haina u. a. O. die ersten waren, und versah sie mit den nöthigen Mitteln, Kirchenzucht zu handhaben, und die von allen Seiten angegriffenen Kirchengüter zu erhalten und zu bessern.

Mit Genehmigung seines Landesherrn, des Landgrafen Philipp, nahm Anton Corvin im Jahre 1528 den, auf Amsdorfs Empfehlung, an ihn ergangenen Ruf als Prediger an der St. Stephanskirche zu Goslar an. Hier, wo Amsdorf die Einführung der Reformation leitete, wirkte neben demselben der Superintendent Dr. Johann Amandus und nunmehr auch der Pfarrer Anton Corvinus. Von dem Verlauf der in Goslar eingeführten Reformation ertheilte Corvin in einem Briefe vom Jahre 1529 an den fürstlich hessischen Canzler Johannes Lersener Nachricht, woraus man erfährt, daß Corvin den Bürgern dieser Stadt einige Jahre das Evangelium predigte, aber mancherlei Widerstand zu bekämpfen, und unter den Angriffen der Anhänger der alten Lehre viel zu leiden hatte; und in einem Briefe Corvins an obigen Lersener und den Secretarius Nordeck vom J. 1529 heißt es: „Wie ich mich bei Euch gehalten, dazu die Wahrheit gepredigt habe, also will ich hinfort, ob Gott will, der gebür mich halten; hab ich verwandelt die stette, nach Berufung des Herrn, so hab ich doch nicht verwandelt das gemüth.“

Zwar war in Goslar die freie Ausübung der Religion gestattet; aber ein Theil der Mitglieder des Stadtraths so wie der ganzen Bürgerschaft war der Predigt des Evangeliums so sehr entgegen, daß manche von ihnen den Lauf derselben mit unglaublichem Haß zu hindern versuchten. Vorzüglich war dies das Streben des Dekans und der Canoniker zu St, Simon und Judä. Dadurch entstanden Streitigkeiten mit dem Pfarrer Anton Corvin, und der Parteihaß wurde so heftig, daß ein Aufruhr zu drohen schien. Als Luther dies erfuhr, warnte er die Goslarer in einem Schreiben vom letzten Mai 1529 aus Wittenberg mit ernsten und frommen Worten vor Empörung, und ermahnte sie zur Geduld und zur Standhaftigkeit im Glauben.

Da Corvin einige Bildsäulen (die fünf Stürzungen genannt) von dem Stephanskirchhofe und die Bilder aus den Kirchen hatte entfernen lassen, so erregte dies unter seinen Gegnern eine so große Erbitterung, daß sie die „lutherischen Bilderstürmer“ beschuldigten, sie dienten durch das Wegnehmen der Bilder nur ihrem Geize, indem sie die silbernen Bildsäulen zu ihrem Nutzen verwendeten und die Perlen an den heiligen Gewändern, sammt den übrigen Kirchenschätzen, unter sich vertheilten. Man warf dem Corvin Schändung der Heiligthümer und neue Schwärmerei vor, und diese Verläumdungen breiteten sich so aus, daß er sich genöthigt sah, sich in einer eigenen Schrift dagegen zu vertheidigen, in welcher er zeigte, daß die steinernen Bildsäulen des Heilands von den dazu von ihm beauftragten Kuratoren von dem Kirchhofe ohne Tumult weggeräumt worden seien, weil einige aus dem Volke dieselben täglich angebetet hätten, und daß man aus dem nämlichen Grunde die silbernen Bilder hinweggethan, um sie zum Nutzen der Kirche zu verwenden, was gewiß kein Verständiger mißbilligen werde.

Neben seinem pfarramtlichen Berufe machte sich Corvin sehr verdient um die Verbesserung des Schulwesens in Goslar. Noch zehn Jahre später gedachte er von Witzenhausen aus freundlich der Goslarschen Jugend, indem er zu ihrem Gebrauche in den Schulen ein lateinisches Schulbuch herausgab.

Doch bald wurde dem Corvin seine reformatorische Wirksamkeit zu Goslar durch die Unruhen verleidet, welche durch seinen Collegen M. Knigge und den Diaconus Johannes Grawert, wie auch durch Amandus selbst erregt wurden. Dazu gesellten sich äußere Unruhen, indem Herzog Heinrich von Braunschweig die Stadt Goslar, gegen die er schon früher feindselig gesinnt war, zu dieser Zeit hart bedrängte.

Amandus starb im J. 1530, aber unter seinem Nachfolger Paulus von Rhoda dauerten die innern wie die äußern Unruhen in Goslar fort, so daß daselbst das Reformationswerk unmöglich gedeihen konnte. Da verließ auch unser Anton Corvin Goslar und kehrte nach Hessen zurück, indem er im Jahre 1530 einen Ruf des Landgrafen Philipp als Prediger nach der niederhessischen Stadt Witzenhausen freudig annahm. Ueber den nähern Zeitpunkt, wann Corvin sein Pfarramt in Witzenhausen angetreten, lauten die Nachrichten verschieden. Gewöhnlich läßt man ihn im J. 1532 von Goslar nach Marburg zurückkehren, und von da erst im J. 1538 dem Rufe nach Witzenhausen folgen. Aber aus archivalischen Nachrichten und Briefen geht mit Sicherheit hervor, daß Corvinus schon im Jahre 1530 seinen Wohnort in Witzenhausen gehabt und das dortige Pfarramt verwaltet hat. So unterschreibt er sich in einem Gutachten, welches eine Synode von hessischen Theologen über das Recht der Gegenwehr gegen den Kaiser ausstellte, vom J. 1530, als Antonius Corvinus zu Witzenhausen, nebst Tilemann Schnabell, Joh. Campis, Balthasar Raidt, Joh. Kymeus, Jo. Lenyngus, Adam Fulda, Egbertus Suollanus, Georg Moller und Conr. Ottinger.

Wir bemerken nun, wie sich Anton Corvin in immer weiteren Kreisen am Werke der Kirchenverbesserung betheiligte. Bald lehrend, bald predigend, zog er von Ort zu Ort, und fesselte die Gemüther seiner Zuhörer durch die Gabe seiner, auch von Melanchthon gepriesenen Beredtsamkeit, mit der er dieselben für die neue Lehre gewann. Gewiß hat er auch zu verschiedenen Malen von der Kanzel der Kirche zu Sontra in Niederhessen das Evangelium verkündigt; denn wie sollte sonst der hessische Geschichtschreiber Wigand Lauze, Corvins Zeitgenosse, auf den Gedanken gekommen sein, ihn in den Jahren 1536 und 1537, wo er doch in Witzenhausen, größtentheils aber in Marburg wohnhaft war, als Pfarrer in dem Städtchen Sontra oder Suntra zu bezeichnen.

Corvins Arbeit am Reformationswerke erweiterte sich insbesondere dadurch immermehr, daß fast keine bedeutende Religions-Verhandlung stattfand, zu der die hessischen Theologen zugezogen wurden, bei der wir nicht auch unsern Anton Corvinus betheiligt sähen. Die wichtigsten Gutachten über religiöse und kirchliche Gegenstände, die von den hessischen Theologen aufgestellt wurden, hat er nicht nur mit unterzeichnet, sondern mehrere derselben selbst verfaßt und mit eigener Hand geschrieben. Mein als ein Mal bediente sich der Landgraf Philipp, welcher damals einen weit umfassenden Einfluß hatte, seiner zu Missionen, um außerhalb seiner hessischen Lande die Ausbreitung der Reformation zu fördern.

Unter den gedachten Versammlungen war die erste der am 21. Mai 1532 abgehaltene Convent zu Ziegenhain. Das wichtige Bedenken und Gutachten, das der Landgraf bei dieser Gelegenheit von den hessischen Theologen einforderte, hat Corvin eigenhändig verfaßt und mit unterschrieben. Auf diesem Convent wurde von den versammelten Theologen auf des Landgrafen Befehl über die Bedingungen des mit dem Kaiser zu schließenden Friedens, besonders über die Frage verhandelt: „ob der Religionsfriede blos auf die damaligen Anhänger der augsburgischen Confession und auf die, welche damals der evangelischen Lehre schon wirklich beigepflichtet, oder auch auf diejenigen, welche später etwa zutreten und erst künftig das Evangelium annehmen würden, sich erstrecken solle.“ Die hessischen Theologen gaben ihr Gutachten, abweichend von den Ansichten Luthers und Melanchthons, dahin ab, daß es der christlichen Liebe zuwider sei. Andere preis zu geben oder um deren Seelenheil sich nicht zu bekümmern, „denn es ist ja“ – heißt es im Gutachten – „unleugbar und gewißlich wahr, daß alle vor uns, neben uns, nach uns Gläubigen Eine Kirche, Ein geistlicher Leib seien, in Christo, welches geistlichen Leibes wir allesammt unter einander Gliedmaß sein. Wie aber ein Gliedmaß gegen das andere sich halten, wenn wir gleich die Schrift nit hätten, mag Jeder an seinem eigenen Leibe lernen. Denn in dieser Sache sind unser eigenen Gliedmaß unsere Prediger und Schulmeister. Ist Ein Gott, Ein Vater, Eine Kirche, Ein Leib, Eine Hoffnung, so kann man keine Brüder gegenwärtig oder zukünftig verstoßen, man wolle denn den Herrn mit verleugnen.“ Unterzeichnet ist dies Gutachten von den hessischen Theologen: Erhard Schnepff. Georg Müller. Johann Campis. Adamus Fuldensis (auch Krafft, Crato, Vegetius genannt), Conrad Ottinger. Joh. Lening (Milsungensis). Johannes Fontius. Antonius Corvinus. Dieses Gutachten bestimmte den Landgrafen Philipp, der die Ausschließung aller künftigen Anhänger des Evangeliums für unbrüderlich und unchristlich und für eine offenbare Verletzung der zu Schmalkalden übernommenen Verpflichtung hielt, in seiner Ansicht, eben so wie das Gutachten des Lüneburger Reformators und Superintendenten zu Celle, Urbanus Rhegius, welcher ihm unter andern erklärte, die alten Christen würden lieber den Tod, als einen solchen Vergleich gewählt haben; es komme jetzt allein darauf an, ob man Frieden mit den Papisten oder mit Christus haben wolle.

Auch bei dem gegen Ende Decembers 1534 in Cassel zwischen Melanchthon und Bucer gehaltenen Gespräch über das Abendmahl, welches zur Vorbereitung der Wittenberger Concordienformel diente, war Anton Corvin gegenwärtig,

Ueber Corvins 11-jährige Wirksamkeit in Witzenhausen, hat sich trotz aller angewandten Mühe nichts ermitteln lassen. Er soll daselbst eine Kapelle gestiftet haben. Ferner zeigt ein archivalisches Schreiben des Witzenhäuser Stadtraths an Statthalter und Räthe zu Cassel, vom 28. Mai 1530, wie derselbe über den ihnen zugeordneten Prädicanten Antonius Corvinus schon beim Eintritt in das dortige Pfarramt bei den Räthen eine Beschwerde darüber erhebt, daß er auf eine schriftliche Aufforderung des Magisters Adam (Krafft), sammt dem Kastenmann V. auf dem Rathhause erschienen und verlangt habe, die überflüssigen Kelche und das Silberwerk ihrer Kirche zu verkaufen und gemeinem Kasten zuzuwenden. Da aber die Stadt wegen Brandes und anderer Ursachen willen sehr verarmt und mit viel Schulden belastet sei, so bitten Schultheiß, Rath, Gilden und Gemeine zu Witzenhausen, die fünf Kelche, das Silber- und Seidenwerk, und die Tafeln, von denen „silber und golt abzuschaben sei,“ zum Besten dieser armen Stadt zu verkaufen und solches derselben „zu Notdurft gemeynen Nutz bleiben zu lassen.“

Die Verwaltung seines Pfarramts zu Witzenhausen hinderte Corvin nicht, von seinem Landesherrn, dem Landgrafen, zu verschiedenen Sendungen in wichtigen, die Religion betreffenden Geschäften auswärtigen Kirchen zum Besten, gebraucht zu werden. Die erste Veranlassung dazu gaben die wiedertäuferischen Unruhen, die sich seit dem J. 1532 in Münster ereignet hatten. Gegen Ende Decembers 1533 geschah der Anfang des nachfolgenden Aufruhrs, so daß der Bischof Franz von Waldeck vor Ostern 1534 die Stadt Münster belagerte, wobei er von dem Landgrafen zu Hessen und dem Kurfürsten von Sachsen mit Truppen, Munition und Geschütz unterstützt wurde. Der Landgraf war unter den Ständen des Reichs einer der ersten, welcher unaufgefordert seine Truppen gegen die Wiedertäufer zu Felde ziehen ließ.

Wegen der durch Johann von Leyden, Knipperdolling und Rottmann entstandenen Empörung versammelten sich am 13. December 1534, auf Veranlassung des Landgrafen zu Hessen, in Coblenz die kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Räthe. und erließen eine ernste Warnung und Vermahnung an die Wiedertäufer, mit der Drohung, daß, wenn sie dieselbe unbeachtet ließen, alle Stände des h. röm. Reichs dem Bischof von Münster Hülfe gegen sie leisten würden. Allein sie ertheilten darauf eine trotzige und närrische Antwort. Zu gleicher Zeit schickten sie an den Landgrafen Philipp ein besonderes Schreiben, worin sie unverschämter Weise die Überschrift setzten: „Unserm lieben besondern“ und die Anrede: „Leve Lips!“ – Mit diesem Schreiben übersandten sie dem Landgrafen auch ihre Schrift von der Restitution oder Wiederbringung christlicher Lehre und Lebens, ein Buch, das, wie Corvinus sich ausdrückt, in Wahrheit teuflisch, unchristlich und schändlich sei, das auch wol eine Restitution möge genannt werden; „denn,“ sagt er, „wie sie alle Dinge zu Münster restituirt haben, habe ich mit Joanne Kymeo wol gesehen. Gott gebe, daß dergleichen Restitution ja nicht viel geschehe, sonst würde in Germania kein Stein auf dem andern bleiben!“

Landgraf Philipp hatte die in diesem Buche enthaltenen irrigen Artikel in seiner Wied er antworte dermaßen widerlegt, daß es, wie Corvin sagt, einem großen und erfahrenen wolgeübten Ideologen genug gewesen wäre. Er bezeichnete dann seinen Theologen zur Widerlegung mehrere Irrlehren, wie die von der Taufe, von den sogenannten guten Werken, der Menschwerdung Christi, der Erbsünde, die falsche Prophezeiung der nahen Ankunft Christi, die Gütergemeinschaft, die Absetzung der Obrigkeit und die aufrührerische Erwählung ihres Schneider-Königs. Im März 1535 übersandten die Wiedertäufer dem Landgrafen ein anderes Buch von der Verborgenheit der Schrift, worin sie drei Welten annahmen, eine bis Noah, eine andere der babylonischen Gefangenschaft, der Besiegung des Antichrists und der falschen Propheten, des Pabstes und Luthers, und eine dritte, der Gerechtigkeit. Dieses Buch gab der Landgraf fünf seiner Theologen, unter denen sich auch Corvin befand, zur Widerlegung. Dieselben warfen in ihrer Antwort den Wiedertäufern ihre Anmaßung der Schrifterklärung, ihre Verstockung und ihren teuflischen Hochmuth schonungslos vor. – „Also viel“ – so schließt im Namen der Prädicanten Corvins Antwort – „haben wir euch zum Besten, diesmal auf euer Büchlein von Verborgenheit der Schrift, in der Eile anzeigen wollen, der Meinung, ob wir euch durch Gottes Hülfe aus dem Irrthum reißen und wiederum auf den rechten Weg der Wahrheit bringen mochten, welches wir euch von Herzen wünschen; wo nicht, daß wir doch alsdann an eurem Verderben, welches wir ungern sehen, vor Gott und aller Welt entschuldigt seien. Der allmächtige Gott, in dessen Hand wir alle sind, wolle euch und uns allen durch Christum gnädig sein. Amen.“ Datum Cassel anno 35. mense Majo. – „Dies ist“, fügt Corvin hinzu, „die letzte Schrift gewesen, die neben unsers G. F, u. H. von Hessen Schreiben, denen von Münster etliche Wochen vor der Eroberung zugeschickt worden ist; aber es hat solche unsere Wolmeinung nichts bei den tollen Leuten ausgerichtet, bis die Stadt erobert, und das aufrührerische Reich, so sie aus Muthwillen und Selbstgewalt, wider Gottes Wort und kaiserlich Recht, angefangen, durch das Schwert ganz und gar gestürzt und zerstört ist!“

Die Einnahme der Stadt Münster durch den Bischof Franz und seine Bundesgenossen, am 20, Juni 1535. machte der tollen Herrschaft der Wiedertäufer und ihren Greueln in dieser Stadt ein Ende. Ihr König Johann von Leyden und seine beiden ersten Gehülfen Knipperdolling und Krechting fielen in die Gewalt der Sieger, welche den König gefesselt nach Beuerger bringen ließen, während die beiden andern zu Horstmar gefangen gehalten wurden. Da diesen dreien, als den schuldigsten, eine abschreckende Todesstrafe drohete, so wollte der Landgraf noch einen Versuch zu ihrer Bekehrung und Besserung machen, um sie als reuige Sünder sterben zu sehen und ihre Seelen zu retten, und sandte deßwegcn im J. 1536 unsern Anton Corvinus und Johannes Kymeus nach Münster, um mit den gefangenen Häuptern der Wiedertäufer eine Unterredung zu halten. „Nach der Eroberung der Stadt“ – erzählt Corvinus – „ist mit dem gefangenen König, Johann von Leyden, desgleichen mit Knipperdolling und Krechting, mancherlei geredet worden, aber vergeblich. Zuletzt, nachdem dieselben mehrere Monate im Gefängnus gesessen, habe auch ich, Antonius Corvinus, und Dr. Johannes Kymeus. ein Gespräch und Disputation mündlich mit ihnen gehalten. Der allmächtige Gott behüt uns vor solcher Schwärmerei, Sünden und Schanden, und sei uns allezeit gnädig umb Christus willen. Amen.“

Zuerst hatten die beiden Prädicanten eine Unterredung mit dem Könige in seinem Gefängniß zu Beuerger, in Gegenwart glaubwürdiger Zeugen. Sie suchten das Gespräch fein „glimpflich“ einzuleiten, und fingen an von seinem Reich, Regiment und Lehre mit ihm zu reden, worauf sich dann zwischen ihnen eine lange Unterredung vom Reiche Christi, von der Obrigkeit, von der Rechtfertigung durch den Glauben, von der Taufe und dem h. Abendmahl, von der Menschwerdung Christi und endlich vom Ehestand entspann. Beim letzten Gespräch sagte der König: „Es sei besser viel Eheweiber, denn viele Huren zu halten,“ und schied mit den trotzigen Worten: „Wolan, so lasset Gott in diesem Falle unsern Richter sein!“ Hierauf entließen ihn die Prädicanten mit den Worten: „Gottes Gericht wird euch in diesem und andern Fällen zu schwer ankommen. Wenn wir euch rathen sollen, so wäre es besser, ihr erkenntet euren Irrthum, und bätet Gott um Gnade, denn daß ihr halsstarrig bleibet und das Verderben Leibes und der Serie auf euch ladet. Amen!“ Am folgenden Tage zogen Corvin und Kymeus nach Horstmar, um mit Knipperdolling und Krechting zu verhandeln. Nach 8 Tagen sandte jedoch der König zu ihnen, nochmals um Gehör bittend, und. wie sie sich als allenthalben Nutzen zu schaffen, schuldig erkannten, so kehrten beide zu ihm zurück. Diesmal gab er in allen Stücken nach, aber nur um sein Leben zu retten. Auch unterschrieb er sieben, ihm von den Prädicanten gestellte, Artikel, die er sämmtlich annahm, mit eigener Hand also: „Ick Johann von Leyden, met myner eighene Hand ondertekent,“ – „Wie kommen sie aber überein mit der vorigen Disputation?“ fragt Corvin den Leser. „Solchs soltu zu richten haben, denn ein Bubenspiel ist’s, ein Buben spiel bleibt es!“ – Noch geringern Erfolg hatte die Unterredung mit Knipperdolling und Krechting, die sich roher und trotziger benahmen. Da es ihnen mit dem Disputiren nicht gelingen wollte, so schickten ihnen die Prädicanten Schreibzeug ins Gefängniß, um ein Bekenntniß aufzusetzen. Die schriftliche Widerlegung dieses Bekenntnisses schloß Corvin mit den Worten -. „Gelanget demnach an euch unsere freundliche Bitte, ir wollet von eurem irthum abstehn, oder vielfältige mishandlung erkennen und behertzigen, und Gott durch Christum um gnad bitten, denn er ja barmhertzig und gnedig ist, und hat auch kein gefallen am Tode des Sünders, sondern will, daß er sich bessere und das Leben habe.“ –

Ueber diese Verhandlungen mit den Wiedertäufern stattete Antonius Corvinus von Witzenhausen aus, wohin er im J. 1536 aus Münster zurückgekehrt war, in einer eigenen Schrift ausführlichen Bericht ab, welchen er Bürgermeister und Rath zu Osnabrück widmete, nebst einer Zuschrift voll treuer Warnung.

Die Stadt Osnabrück bedurfte dieser Warnung sehr. Nur mit Mühe hatte der Rath eine Bewegung zu Gunsten der Münster’schcn Wiedertäufer niederzuhalten vermocht, als ihre Boten im Jahr vorher in die Stadt kamen. Corvin schreibt in dieser Zuschrift Folgendes: „Es hat nu deutsche Nation lange Zeit gehabt und Gottes Wort gehört und das Evangelium, solte auch wol längst derhalben gelernt haben, wenn sie nicht blind sein wolte, wie man diese letzte böse, schreckliche Zeit erkennen und sich mit Besserung des Lebens drein schicken soll. Aber es soll vielleicht nicht sein, und haben’s freilich unsere Sünden verdient, das wir Deutschen allezeit ehe fühlen müssen, denn wir glauben wollen, und zwar werden die Häupter unserer Religion nicht bessere Wege und Mittel suchen zur Concordia und Einigkeit, denn bisher geschehen, ist zu besorgen, Gott werde uns dermaleins, um unserer Undankbarkeit willen, ein Stücklein sehen lassen, dagegen das Münster’sche Bilde zu rechnen (denn also nennet nu Johann von Leyden sein Affenspiel selber) eitel Kinderspiel gewesen sei. Denn der Teufel, so von Anfang an falscher Lehre und Blutvergießen Lust gehabt, wird auch nicht eher feiern, bis er sein Mütlein wol an uns gekület hat. So wollen auch wir, Gott erbarme es, nicht eher ablassen von unserer Lästerung, Verfolgung, Sünden und Lastern, bis Gott gezwungen werde, seinen göttlichen Zorn und Grimm über uns zu schicken.“ – „Doch, daß nichts desto weniger die armen einfältigen Herzen, dieweil die Häupter Christlicher Religion, so gar nichts zu solchen Sachen thun wollen, vor den greulichen Secten und Aergernissen dieser Zeit gewarnt werden, Ich auch, als ein Diener des Worts, meinem Amt genug thu, hab ich nicht allein die Disputation, die ich und mein Herr und lieber Bruder, Johannes Kymeus, mit dem Fastnachts-König von Münster jetzt neulich zu Beverger zweimal, und folgends mit Knipperdolling und Krechting zu Horstmar, auch zweimal gehalten, sondern auch alles, was unser Landgraf durch seine Gesandten schriftlich und mündlich in dieser Sache gehandelt, summarie der ganzen Welt vor Augen stellen wollen, um vor so gewaltigen greulichen Irrthümern zu warnen.“ – „Ist auch gut, daß die ganze Welt erfahre, was unter der neuen Müncherei und Gleisnerei der Täufer verborgen liegt. Und wer sich hinfort nicht warnen lassen will, der stehe sein Ebenteuer und lerne durch Erfarung, was die Wiedertäufer für ein Kraut seien. Der barmherzige Gott, der wolle euch und uns nicht allein vor so greulichen Irrthümern, Rotten und Secten, sondern auch vor allem Uebel gnädiglich behüten. Datum zu Witzenhausen in Hessen. Anno XXXVI. VII. Martin

Schon bis dahin hatte sich Corvinus als theologischer Lehrer und Schriftsteller zu einem hohen Grade von Anerkennung unter seinen Glaubensgenossen emporgeschwungen, so daß man ihn den gelehrtesten und thatkräftigsten Reformatoren an die Seite setzte. Auch hatte er sich vieler Beweise der Achtung und des Vertrauens seines Landesherrn zu erfreuen, dessen Rathgeber er in den meisten kirchlichen Angelegenheiten von einiger Wichtigkeit blieb.

Am 17. November 1536 nahm er in Marburg unter dem Dekanat seines Freundes Helius Eobanus Hessus die Magisterwürde an. Auch verlebte er den größten Theil dieses und des folgenden Jahres zu Marburg, womit sich aber recht gut vereinigen läßt, daß er zu gleicher Zeit Pastor in Witzenhausen war; denn nach dem Freiheitsbriefe der Universität war es den Pastoren gestattet, ihre Einkünfte in Marburg zu verzehren. Ihr Aufenthalt in Marburg sollte so angesehen werden, als ob sie residirten, d.h. an dem Wohnorte ihres Pfarramts sich aufhielten.

Die größere Muße, deren sich Corvin um die Zeit, wo er außer der Verkündigung des göttlichen Wortes kein eigentliches Amt bekleidete, zu erfreuen hatte, läßt sich an der bedeutenden Anzahl seiner Schriften erkennen, die er in den beiden erwähnten Jahren drucken ließ. Dieselben enthalten meist Schriftauslegungen in verschiedener Form, als kurze Summarien über die Episteln, kurze Auslegungen der Evangelien, Postillen und Predigten in einer populären und verständlichen Sprache, die, wie seine früher erschienenen Katechismen und theologischen Gespräche, schnell unter dem Volke verbreitet wurden und selbst über die hessische Grenze hinaus in Westphalen in großen Umlauf kamen.

Wie sehr Corvin die Verdienste des Landgrafen Philipp als Hauptvertheidiger der evangelischen Kirche und um die Verbreitung der evangelischen Lehre anerkannte und von welcher Dankbarkeit gegen ihn er sich durchdrungen fühlte, erkennen wir aus seinem Dedicationsbriefe an den Landgrafen in einer im J. 1537 von ihm herausgegebenen lateinischen Auslegung der Sonntagsevangelien, in welchem er unter andern sagt: „Weil der Landgraf durch Gottes Gnade zu wahrer Erkenntniß der christlichen Lehre gelangt und der Hauptvertheidiger der heiligen katholischen Kirche sei, so müßten alle Christen für die durch ihn ihnen zu Theil gewordenen Wohlthaten danken, und Gott bitten, daß er den Landgrafen nach seinem väterlichen Willen erhalten und zur Beförderung der christlichen Religion beschützen möge. Er habe demselben dies Werk gewidmet, um seine Dankbarkeit gegen Gott für so viele Wohlthaten zu beweisen, die so vielen Christen durch ihn zu Theil geworden wären. – „Gott der Vater, bewache und leite“, fügt er hinzu, „E. F. G. allezeit aufs glücklichste zur Ehre und zum Ruhme der katholischen Kirche und zu E. F. G. beständigem Wohle. Datum in Vuizenhusio 1536.“ –

Mit gleicher Dankbarkeit gegen den Landgrafen spricht Corvin sich in der Zueignungsschrift der in dem nämlichen Jahre von ihm erschienenen Colloquia theologica, worin er demselben unter andern sagt: „Wem hätte ich dieses Büchlein von der Gottseligkeit besser widmen können, als E. F. G., die sich der Gottseligkeit so sehr befleißigen? Euere mir erzeigten Wohlthaten hätten wol ein größeres Geschenk verdient. Da ich aber weder Gold, noch Silber, noch Edelstein habe, so gebe ich. was ich kann, und zweifle nicht daran, daß E. F. G. dieses geringe Geschenk freundlich aufnehmen werden. . Uebrigens bitte ich Eure Hoheit durch Christum, daß Sie Sich um die Wissenschaften fernerhin verdient machen mögen. Sie werden es aber thun, wenn Sie in dieser Angelegenheit des Kaisers Sigismund Exempel nachahmen werden; denn derselbe liebte selbst die Gelehrsamkeit, so daß er ausgezeichnete gelehrte Männer stets zu ehren suchte.“ Am Schlusse redet er den Landgrasen mit den Worten an: „Gott behüte Euch, durchleuchtiger Herr, und E. F. G. sei eingedenk, Ihr Herr sei im Himmel, bei welchem kein Ansehn der Person ist.“

Inzwischen hatte der Pabst durch die Bulle vom 6. Juni 1536 das Concil nach Mantua ausgeschrieben. Die schon oft verhandelte Concilfrage wurde auf protestantischer Seite wieder aufs neue lebhaft erörtert, woran auch Corvin thätigen Antheil nahm, und, wie wir im Frühern gesehen, das im J. 1532 aufgestellte Gutachten unterschrieb, welches in seinem historischen Theil besonders mit realer Gelehrsamkeit nachwies, daß die sämmtlichen großen Concilien von den Kaisern berufen seien, und ein außerdeutsches Concil verwarf. In Bezug auf das Concil. wird gesagt, komme es nicht darauf an, ein frei-christliches zu versprechen, sondern festzusetzen, daß nur das reine Gotteswort die entscheidende Stimme bei der Theilnahme am Concil haben solle.

Im folgenden Jahre 1537 ging Anton Corvinus in Begleitung des Landgrafen Philipp nach Schmalkalden, um der dortigen Zusammenkunft der evangelischen Fürsten und Stände beizuwohnen. An der Hauptthat dieser stattlichen Versammlung, der Erneuerung des Bekenntnisses und der neuen sorgfältigen Prüfung der augsburgischcn Confession sammt der Apologie, nach der Richtschnur der heiligen Schrift, nahm auch Corvin Antheil und unterschrieb nebst den übrigen 48 versammelten Theologen, unter denen er im Verzeichnisse die dreizehnte Stelle einnimmt, nicht nur die von M. Luther aufgestellten schmalkaldischen Artikel, sondern auch den von Melanchthon verfaßten Artikel von der Gewalt und dem Primat des Pabstes.

Vom Schmalkaldischen Convent kehrte er nach Marburg zurück, wo er seine reformatorische Wirksamkeit fortsetzte, bis er sich im J. 1538 nach Witzenhausen zurück begab, um sein dortiges Predigtamt aufs neue zu verwalten.

Von Witzenhausen aus wurde Corvin, mit Bewilligung des Landgrafen Philipp, im Auftrage der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg nach Nordheim gesandt, um daselbst die Reformation einzuführen. Der Anfang dazu war bereits gemacht und er vollendete das Werk durch seine Predigt und durch die Abfassung einer Kirchenordnung für Nordheim, welche im J. 1539 in Wittenberg gedruckt und von dem Rath, den Gilden und der Gemeine daselbst angenommen wurde. Dieselbe trägt ganz den Stempel der Besonnenheit und Milde, die Corvins Werke überhaupt an sich tragen. Nachdem er die nothwendigen Anordnungen getroffen, kehrte er nach Witzenhausen zurück, verlor aber auch späterhin im Dienste der Herzogin Elisabeth das geistige und kirchliche Wohl der Stadt Nordheim nicht aus den Augen.

Im J. 1539 begleitete Corvin den Landgrafen zu dem wegen der Religionsveränderung zwischen dem Kaiser und den protestantischen Reichsständen verabredeten Convente zu Frankfurt a. M.

Im nämlichen Jahre erhielt er einen ehrenvollen Ruf als erster Prediger nach der Stadt Riga in Liefland, welchen er aber, wie aus seiner Zueignungsschrift zu seinen im J. 1540 herausgegebenen Evangelien-Predigten an den Rigaischen Senat zu ersehen ist, ablehnte, weil die Pflicht der Dankbarkeit ihn an den Dienst des Landgrafen von Hessen binde, so daß er wegen der ihm erzeigten Wohlthaten ohne dessen Bewilligung dessen Fürstenthum nie verlassen werde.

Wohl aber war nun die Zeit erschienen, wo sich ihm ein neuer großer Wirkungskreis für seine reformatorische Thätigkeit eröffnen, wo er Reformator der Fürstenthümer Calenberg und Göttingen werden sollte.

Der erste Schritt zu diesem wichtigen Ereigniß geschah am 6. October 1538, an welchem Tage die Herzogin Elisabeth dem Landgrafen Philipp ihren Uebertritt zur evangelischen Kirche anzeigte, und zugleich denselben bat, er möge dem Corvin erlauben, dann und wann von Witzenhausen herüber nach Münden, wo sie residirte. zu kommen, um ihr und den Ihrigen das Evangelium zu verkündigen und das Sacrament unter beiderlei Gestalt zu reichen. Der Landgraf genügte gern ihrem Wunsche, und so oft es die Herzogin verlangte, legte Corvin den 4- bis 5stündigen Weg zurück, ertheilte der Herzogin in ihrem Schloß zu Münden Unterricht in der evangelischen Lehre, predigte ihr und ihrem Hofgesinde und theilte das heilige Abendmahl unter sie aus. Voll Freude setzte der Landgraf von dem durch Elisabeth in Aussicht gestellten Fortschritt der Reformation den Kurfürsten von Sachsen in Kenntniß. Dieser befürchtete, Elisabeth möchte im ersten Eifer das Reformationswerk überstürzen, aber unnöthiger Weise: denn in wenigen Ländern ist die Einführung der Reformation so sicher und ruhig, ohne Drängen und Uebereilung geschehen, als in Elisabeths Fürstenthümern. Darum vermochte sie auch hier solche gewaltige Stürme zu überdauern, die sie späterhin durchkämpfen mußte.

Gegen Ende des J. 1539 begab sich Corvin auf des Landgrafen Anordnung mit Adam Krafft und Dionysius Melander aus den Reichstag nach Worms, um dem dortigen Religionsgespräch, das im folgenden Jahre in Regensburg fortgesetzt wurde, beizuwohnen.

Auch unterschrieb Corvin bei der im März 1540 zu Schmalkalden gehaltenen Zusammenkunft der evangelischen Stände das gegen Caspar Schwenkfeld, Christian Franke und andere Fanatiker aufgestellte Gutachten.

Im selbigen Jahre fand in Ziegenhain ein Convent hessischer Theologen statt, über dessen Verhandlungen eine im Regierungsarchiv in Cassel aufbewahrte autographische Urkunde Auskunft giebt, in welcher an den Landgrafen Philipp von Hessen Bericht darüber erstattet wird: „was die gelerten zu Ziegenhain tractirt haben Anno 1540. Betreffend die Religion und Artikel des Glaubens. Item die geistlichen Güter.“ – Zur Abfassung dieses Gutachtens und Bedenkens hatte der Landgraf neun hessische Theologen verordnet, die dasselbe in folgender Reihenfolge unterschrieben haben: 1. Tilmanus Schnabell. S. Adam Fulda. 3. Joannes Kymeus. 4. Gerardus Noviomagus 5. Antonius Corvinus. 6. Joannes Lenyngus. 7. Balthasar Rhodus. 8. Joannes Pistorius. 9, Daniel Greser.

Dieses von Corvinus abgefaßte und eigenhändig geschriebene Gutachten beginnt mit folgendem Vorwort an den Landgrafen Philipp: „Nachdem wir auf E. F. G. erfordern und befelh, itzo am ersten tage des monats Januarii zcu Ziegenhain ankomen, haben wir auf denselbigen befelh unser, der Protestirende stende, zu Augsburg übergebene Confession, deßgleichen die Apologia, vleißig vnd so viel Got gnade gegeben hat, mit ernst verlegen vnd bewogen, vnd befunden, das etliche Artikel nicht streitig sein, vnd von vnserm Widerteil eben so wol, als von vns bekant vnd geglaubt werden, Als nemlich von got vnd dem gotlichen Wesen, welches der erste ist. Jtem von der Erbsünde, wie wol sie etwas hie In an vns tadeln, welcher der andre ist, Jtem von zweyerley naturen In Christo, welcher der dritte ist. Jtem das in der Kirchen die Heuchler mit den rechtgläubigen vermengt sein, deßgleichen das die Hochwirdigen Sacramente krafft vnd macht haben, wenn sie gleich durch einen bösen Diener administrirt werden, welcher der achte ist. Jtem, das wir die tauff nötig haben zur seligkeit, welcher der neunte ist. Jtem, das im abentessen der wäre Leib vnd das wäre Blut Christi außgeteilet werden durchs wort, welcher der zehend ist, Jtem, das wir privatam absolutionem behalten, welcher der eilffte ist. Von diesen vnd dergleichen Artikeln so nicht streitig sein, viel zu schreiben, vnd E. F. G. mit unnötigem geschwetz weiter zu belästigen, haben wir für unnötig angesehn.

Aber in andern Artikeln so streitig sein, vnd von vnserm Widerteil angefochten, vnd für ketzerisch gehalten werden, haben wir vns mit vleiß vnd ernst besprochen vnd beredt. Denn wir vns je schuldig erkennen, In so wichtigen vnd die gantze Christenheit belangenden sachen E. F. G. vleiszigen gehorsam zu leisten. Doch haben wir hie nach gehabter mühe vnd arbeit abermals befunden, das auch dießmal E. F. G. mit keinem unnötigen geschwetz zu beladen seien, vnd das aus zweierley Ursachen. Erstlich ists unleugbar, das die Confession vnd sonderlich die apololis mit großem vleiß gestelt, befestigt vnd confirmirt ist, nicht allein aus gotlicher schrisst, sondern auch aus den fürnhemesten Vätern, vnd were zwar schimpflich von vns, das wir als discipili diese sache besser zu machen unterstehen wolten, als sie vnser lieber Herr vnd Preceptor Philippus Melanchthon gemacht hat.

Zum andern iß auch das am tage, das gemeldte Apologia von vnsern Widersachern biß daher wol etlicher maßen getadelt vnd gelestert. aber doch mit keinen bestendigen Argumenten vmbgestoßen oder angefochten worden ist, wie auch ohn allen Zweisel, wenn sie gleich alle Jre kunst versuchen, wol vnumgestoßen bleiben. So seind auch über solche apologie noch fürhanden gemelts vnsers Preceptoris Philippi loci. In welchen vnser Ler Artikel dermaßen bekrefftigt vnd befestigt werden, das auch die Widersacher solch Buch als vnüberwindlich haben vnangefochten biß anher müssen bleiben lassen, wollen von andern Büchern, so Ingleichen Argumenten durch andere geschrieben sein, schweigen.

In Beziehung auf die folgenden Artikel, über die wir berathschlagen sollen, und die in der Apologie nicht außdrücklich verfasset sind, haben wir uns folgender Maßen vergleichen wollen. Erstlich auf die Frage: Ob man dem gegenteil möge nachlassen, nur Eine Meß in einer Kirche zu halten, biß das sie es besser lernen und unterrichtet werden? ist unser der beschrienen Predicanten itzo zu Ziegenhain Bedenken, das man von der substantz administration und rechtem Brauch des heil. Abendmals gar abbrechen oder weichen kann. Der, der es eingesetzt, und seiner Kirchen recht zu brauchen gelassen und befolhen hat, ist gots sun, vnd unser aller Herr Jesus Christus selber und würde derselben ungestrafft nicht lassen hingehen, wenn wir als Jünger und Diener dieses Herrn, etwas in Sachen seines Wortes und Sacraments zu ändern, oder anders zu machen, denn ers gemacht, unterstehen wolten. Es heißt in diesem fall, beim Worte stehen und nicht nachgeben, das Wort vertheidigen und nicht weichen, gesetz nhemen und nicht geben, sonderlich weil man solche Institution des Abendmals nicht von einem schlichten menschen, wie gesagt, sondern von Christo, des lebendigen gots sun, überkommen haben. Auch handelt es sich hier, wie der heilige Paulus in der Epistel an die Galater sagt, nicht irgend von einem menschlichen testament, sondern vom testament unsers Hern Jesu Christi, von welchem wir des Vaters im Himmel ernstlich Befelh haben: Diesem gehorchet! –

Auf den andern Artikel: Wie weit und fern in äußerlichen Ceremonien zu weichen sei? Ist unser bedenken und meynung, wenn wir bey unserm Widerpart das erhalten können, das sie uns die Sache der Rechtfertigung rein lassen, und des glaubens gerechtigkeit, so allein aus der gnade Christi, nicht aus Gesetzes Werken und eigenem Verdienste kommt, mit uns bekennen und leren wollen, so wollen wir Jnen aus christlicher Liebe, als Irrenden und Schwachen in diesem Fall weichen und etliche Bräuche und Ceremonien um frieds willen gern mit Jnen brauchen und halten, nicht das es notige cultus zur Seligkeit sein sollten oder mußten, sondern um guter ordnung willen.

Auf den dritten Artikel, ob die Bischofe vnterbischofe setzen mögen, und ob man die Bischofe bei Jren Bisthümern als eine weltliche Obrigkeit bleiben lasse? Ist unser der Prädicanten Antwort, daß wir keinen christlichern Rath in dieser sache zu finden oder zu geben wissen, als Lutheri meynung und wort, das er in dem Buche de conciliis geschrieben hat.

In beziehung auf den vierten Artikel, des Pabsts Autorität und Primat belangend, den Philippus Melanchthon, wie er denselben zu Schmalkalden gehandelt, abermals unsern Meister und praeceptorem bleiben lassen, denn wir nicht vertrauen, es besser zu machen.

Auf den letzten Artikel, die geistlichen Güter betreffend, ist unser der beschriebenen Predicanten sententz und endliche meynung, das dieselben von den Kirchen in keinem Wege entwandt und andern, denen sie nicht gebüren, gegeben werden mögen, will sich auch nicht gebüren, das E. F. G. dieselbigen irgend anders, denn zu Erhaltung der Pfarrer, der schulen und Hospitaler zu brauchen vornehmen. Wenn aber, wo diese Dinge alle wol bestellt, von den geistlichen Gütern etwas übrig wäre, so würde es christlich und nützlich sein, man hätte im Lande einen gemeinen Kasten, darin alles auf Fürsorge gesammelt und nicht eher angegriffen würde, bis das Vaterland in unvermeidliche Not kommen oder der Religion halber angegriffen oder bekriegt würde u. s. w.“

Nach erfolgten Unterschriften dieses Gutachtens fügt Corvinus, im Namen sämmtlicher Predicanten, noch folgende Aufforderung an den Landgrafen hinzu: „Auch gnediger Fürst und Herr, were hoch von nöten, weil viel arme siechen vmbherlaufen vnd sich in die siechen Heuser armuts halben nicht kaüffen können, E. F. G. hette vmb gots willen einen gelegen ort Im Lande zu einem gemeinen siechen Haus ersehen vnd verordnen lassen, Den es fordert ja Christliche Liebe, solchen armen verlassenen Leuten auch zu dienen, wirt got E. F, G, ohne Zweisel reichlich wider vergelten.“ –

Kurz vor dem Regensburger Reichstag war Corvin durch heimliche Nachstellung von Feinden des Evangeliums in große Lebensgefahr gerathen. Melanchthon gedachte dessen in einem unter dem 16, Dezember 1540 von Regensburg aus an Luther gerichteten Briefes mit den Worten: „Ich hoffe, daß Corvin lebt, obwohl es gewiß ist, daß Meuchelmörder gegen ihn ausgeschickt worden sind. Aber Gott wacht über uns“

Vollkommener Aufschluß über dieses wichtige Lebensereigniß Corvins giebt ein autographischer Brief von ihm an den Landgrafen Philipp (in dem Casseler Regierungs-Archiv), aus welchem hervorgehet, daß Corvin durch heimliche Nachstellung eines Pfaffen aus dem Kloster zu Heiligenstadt in solche Lebensgefahr gekommen sei; „denn vorm Jahre sei ihm derselbe zugeschickt worden , um ihn zu verderben. Und wer solches ihm geheißen, würde er wol, so man ihn fragte, bekennen, wie er’s ihm (dem Corvin) bekannt habe. Die Veranlassung dazu war, wie er sagt, eine H.-sache, welche ihm gewaltige Feinde zuzog und ihn in solche Fährlichkeit brachte, so daß er zuletzt besorgte, er müsse die Pfarre verlassen und mit Hohn und Spott davon gehen, indem er sehen müßte, wie von seinen Feinden das Wort Gottes aufs höchste geschmähet und gelästert werde. Besonders beschwert er sich über den Junker Cr. v. B., und bittet den Landgrafen um Schutz gegen denselben, welcher dem Worte Gottes und allen evangelischen Predigern von Anfang an feind gewesen sei, und ihn jetzt darüber anfechte, weil Corvin dessen Köchin u. H- nach ihrem Willen mit einem Junggesellen ehelich zusammen gegeben, da ihm dieselbe erklärt habe, sie sei Sinnes, das böse Leben zu verlassen, gegenwärtigen Gesellen zu nehmen und sich in ein christlich Leben zu begeben. Darüber aufgebracht, habe sich der Junker der Köchin halber nach Heiligenstadt begeben, weil er dieselbe nicht von sich lassen wollte, und dort hätten die Pfaffen sich mit ihm berathen, wie sie ihn ins Elend und Verderben bringen möchten.

Auch in die unglückliche, so vielfach gemißbrauchte Geschichte der Doppelehe des Landgrafen Philipp finden wir unsern Corvin verwickelt. Philipp hatte auch ihn neben Justus Winter, Adam Krafft und Feige für sich zu gewinnen gewußt, und nachträglich unterschrieb er auch das von Melanchthon und Luther abgefaßte Gutachten. Corvin gehört aber jedenfalls zu den minder Schuldigen bei dieser ärgerlichen Sache; der größte Theil der Schuld fällt auf den hessischen Hoftheologen, Dionysius Melander, dessen Ruf auch sonst nicht der beste ist. Darum entschuldigt auch Melanchthon den Corvin in einem Briefe an Burkhard Mithob, der ihn um dessen Stellung zur Sache befragt hatte, vielleicht da es sich gerade um Corvins Betheiligung an dem Reformationswerke im Fürstenthum Calenberg handelte.

Kapitel 3

Arbeitsjahre. II. In Braunschweig-Lüneburg. 1541-1547.

Herzog Erich der ältere vermählte sich, nachdem seine erste Gemahlin, eine geborne Prinzessin von Sachsen, am 10. Febr. 1524 kinderlos gestorben war, am 17. Juli 1525 mit der damals erst fünfzehnjährigen Markgräfin von Brandenburg Elisabeth, einer Tochter des Kurfürsten Joachim I., dessen Gemahlin Elisabeth, eine geborne dänische Prinzessin, wegen ihrer Treue für das Evangelium auf dem Schlosse zu Lichtenberg in der Verbannung lebte. Dort besuchte die jüngere Elisabeth ihre still in der Trübsal duldende Mutter mehrmals, wogegen ihr Vater, trotz seines Eifers gegen das Lutherthum, nichts zu erinnern hatte, und hier schon senkte sich der Same des Evangeliums, von einer solchen Mutter ausgestreut, tief in des Kindes Herz. Bei ihrer Vermählung mit Herzog Erich I. war Elisabeth noch der römischen Kirche zugethan. aber schon bei der Geburt ihres ersten Kindes. Erich II., sehen wir sie den Gemahl um die Freilassung mehrerer um der Predigt des göttlichen Wortes willen Gefangenen bitten, welche der über die Geburt eines Erben hocherfreute Herzog gern gestattete. Zur Entscheidung Elisabeths für die Annahme des evangelischen Bekenntnisses trug nicht wenig bei, daß ihr Bruder, der Markgraf Johann von Küstrin, auf einer Reise nach Wittenberg zu Luthers Lehre übertrat. Johann besuchte seine Schwester im J. 1538 in Münden, bei welcher Gelegenheit Corvin auf des Markgrafen Wunsch zum erstenmal von Witzenhausen herüber kommen mußte. Unmittelbar nachher that Elisabeth den entscheidenden Schritt zur Annahme des evangelischen Glaubens. Während ihr Gemahl auf einem Kriegszug an der Weser begriffen war, ließ sie den Pastor Brecht von Großen-Schneen nach Münden kommen, und nahm mit ihren Jungfrauen und Mägden am Sonntage Judica aus seinen Händen das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Erich, bei seiner Zurückkunft hiervon unterrichtet, stutzte zwar bei dieser Nachricht, sagte aber: „Weil sie uns in unserm Glauben nicht hindert, so wollen wir sie auch in ihrem Glauben nicht hindern und unbetrübt lassen.“ So ließ Erich seine „herzliebe Ilse“ ruhig gewähren, blieb aber selbst in der römischen Kirche.

Seit dem Augenblicke, wo Elisabeth die von Corvin ihr verkündigte Auslegung der heiligen Schrift mit Innigkeit umfaßte, sah sie die Aufgabe ihres Lebens bestimmt vor sich liegen; es war die Förderung der Reformation und deren Einführung in ihrem Lande, auf dem Wege freundlicher Berathung. Landgraf Philipp und der Churfürst Johann Friedrich standen ihr bei der Ausführung dieses wichtigen Plans zur Seite. Vor allem suchte sie zuerst bei sich selbst mit Hülse ihres treuen Corvins einen festen Grund in der evangelischen Erkenntniß und in ihrem christlichen Glauben zu legen. Ihrem treuen Halten am göttlichen Worte stellt ihr Corvin in einer seiner letzten Schriften ein sehr schönes Zeugniß aus. Nach ihres Gemahls Tode (starb 1540 zu Hagenau) fing Elisabeth allmählich an, die päbstlichen Mißbräuche abzuschaffen und die Reformation nach der augsburgischen Confession in ihrem Lande einzuführen. – Zu dem Ende trat Corvinus im J. 1542 mit Genehmigung des Landgrafen Philipp in den Dienst der Herzogin Elisabeth über, die ihn als Aufseher der gesammten Kirchen und der Geistlichkeit ihrer Fürstenthümer bestellte. Doch ist er nie ganz aus den Diensten des Landgrafen entlassen worden, sondern in gewissem Maße von demselben bis an sein Ende abhängig geblieben, da er noch im J. 1548 vom Landgrafen eine Präbende zu Rotenburg genoß. Auch bezeichnete der Landgraf noch in einem Antwortschreiben an Elisabeth vom 6. October 1552 den Corvin als seinen alten der Herzogin geliehenen Diener.

Ehe jedoch Corvin aus hessischen Diensten in die der Herzogin Elisabeth übertrat, übernahm er noch auf Veranlassung des Landgrafen Philipp eine Sendung in die Grafschaft Lippe, um eine hitzige Streitsache zwischen den Predigern in Lemgo beizulegen, was ihm als Schiedsrichter auf eine erfreuliche Art gelang. Zu gleicher Zeit wurde er vom Landgrafen beauftragt, das Kirchenwesen in dieser Grafschaft auf einen geordneten und gleichmäßigen Fuß zu setzen. Mit der größten Schnelligkeit bewerkstelligte er die Untersuchung der kirchlichen Zustände und die Prüfung der Prediger, bestellte Visitatoren und führte das Institut der Synoden ein, so daß er mit Recht als der eigentliche Stifter der evangelischen Kirche in der Grafschaft Lippe zu betrachten ist.

Als General-Superintendent von Calenberg und Göttingen betrieb nun Corvin von Münden aus das Werk der Kirchenverbesserung mit einer seltenen Frische und Freudigkeit; er stellte bei allen Pfarrkirchen gläubige Prediger an. wachte sorgfältig über das christliche Leben der Gemeinden, und suchte mit christlicher Strenge das Untergraben der evangelischen Lehre durch Sectengeist zu verhüten. So gewann das Reformationswerk durch seine Sorgfalt und unermüdete Thätigkeit sowohl im Fürstenthum Calenberg und Göttingen, als in Hildesheim und unter seiner Mitwirkung auch im Braunschweig-Wolfenbüttel’schen Lande einen überaus gesegneten Fortgang

Außer dem Hofrichter Dr. Justinus Gobler und dem M. Heinrich Campe, dem Lehrer des jungen Prinzen Erich, waren es vorzüglich zwei ausgezeichnete Männer, welche unermüdet und mit lebendigem Eifer das Streben der Fürstin und ihres Corvinus beförderten, Burkhard Mithob. der Leibarzt und Rath der Herzogin Elisabeth, Melanchthons inniger Freund, früher im Dienste des Landgrafen Philipp, und Justus Waldhausen aus Hameln, der wenige Monate nach Erichs I. Tode, von Luther und Melanchthon angelegentlich empfohlen, am Mündener Hofe erschien. Durch Mithob gewann auch Melanchthon großen Einfluß auf die Reformation des calenbergischen Landes, und an den von Münden aus in dieser Beziehung erfolgten Schritten hatte derselbe bedeutenden Antheil,

Im Herbste 1540, bald nach ihres Gemahls Tode, verhandelte Elisabeth über die Einführung der Reformation mit ihren Landständen, welche ihre Einwilligung dazu ertheilten: „Gottes Wort anzunehmen und dabei zu bleiben.“ In Folge des zu Pattensen im J. 1541 gehaltenen Landtages wurde darauf ein Edict erlassen, nachdem dasselbe von Melanchthon durchgesehen und einiges daran verändert worden war. Die Ceremonien sollten nach demselben anfangs unverändert bleiben; dagegen suchte man die Pfarreien möglichst mit tüchtigen evangelischen Predigern zu besetzen. Schon im J. 1540 hatte der Rath von Münden auf Veranlassung der Herzogin Elisabeth Caspar Coltmann als ersten evangelischen Prediger angestellt; in der Schloßkirche aber predigte der Pfarrer Martin Listrius. seitdem Corvinus mit der Kirchen-Inspection des gesammten Landes beauftragt worden war. Corvin selbst hatte keine bestimmte Pfarrei, sein Wohnsitz aber, wenn er sich nicht auf Visitationsreisen befand, war in Pattensen.

Um dem neuen evangelischen Kirchenwesen in ihrem Lande einen sichern Halt zu geben. ließ Elisabeth nunmehr durch Corvinus mit Hülfe seiner Freunde im J. 1542 eine Kirchenordnung ausarbeiten. Diese von Corvin verfaßte, von Luther und Melanchthon durchgesehene und in Wittenberg gedruckte Kirchenordnung war eine der ausführlichsten des 16. Jahrhunderts und wurde gegen Pfingsten 1542 erlassen. In der Einleitung zu derselben sagt die Herzogin unter andern zu ihren Unterthanen: „Es leuchte ihr das Beispiel ihres durchleuchtigen Herrn, des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, ihres lieben Bruders und anderer Fürsten vor, und wie diese nicht aus Fürwitz und Neuerung, sondern aus unvermeidlicher Noth, mit Rath und Zuthun frommer und gelehrter Leute, die groben Mißbräuche abgethan und Gottes Wort rein und lauter zu predigen befohlen, so sei auch sie gesinnt, eine Ordnung aufzurichten, nach welcher sie sich richten möchten, bis ein Christlich freies Concilium zusammen getreten.“

In der Vorrede zum zweiten, den äußern Kirchendienst umfassenden Theil dieser münden’schen Kirchenordnung, sagt Elisabeth: „Ob sie wol wisse, worin das wahre Christenthum bestehe, habe sie doch um der Schwachen willen, viele Ceremonien beibehalten.“ In einem ausführlichen Abschnitt entwickelt Corvin darin die evangelische Lehre einfach, klar und mit großer Gelehrsamkeit, alles gründend auf den Befehl, Gottes Wort rein und lauter zu predigen, alle Lehre richtend an der Schrift, auch mit beständiger Vergleichung der Kirchenväter.

Corvin hatte diese mündensche Kirchen-Ordnung in hochdeutscher Mundart herausgegeben; da sich aber viele Pfarrherren darüber beschwerten, daß sie dieselbe nicht recht verständen, so übersetzte er, um ihnen keine Entschuldigung des Ungehorsams oder der Faulheit zu lassen, den Theil derselben, der von den Kirchengebräuchen handelt, in das Niedersächsische, und gab denselben im Jahre 1544 auf’s neue heraus.

Diese Ordnung wurde den Klosterleuten noch mit einer besondern Zuschrift zugefertigt, in welcher ihnen eine eigene Klosterordnung in Aussicht gestellt wird, worüber sich Elisabeth in einem zu Münden ausgestellten Schreiben vom 4. November 1542 an die Klostervorsteher der beiden Fürstenthümer also äußert: „Mir ist glaubhaft berichtet, daß ihr euch in das göttliche und hochwürdige Wort des Herrn, welches wir seit zwei Jahren rein, lauter und klar zu predigen befohlen, zu schicken wenig geneigt seid. Nun ist es unser Amt, als einer regierenden Fürstin. Gottes Wort bei unsern Unterthanen überall zu fördern. Darum haben wir für nöthig erachtet, weil eure Wohlfahrt und Seligkeit uns kümmert, eine sonderliche Ordnung für euch stellen zu lassen.“ Diese, ebenfalls von Corvin verfaßte Klosterordnung führt den Titel: „Ordnung für die Closterleuth. in welcher sonderlich angezeigt wird, was solche orden für einen grunth. In der heiligen Schrift und fürnehmsten Vetern haben, deßgleichen wie sich hinfort solche Leute In dem löfflicken Förstendome Hertogen Ericks des jüngern holden schöllen. Gedruckt zu Hildenssen dorch Henningk Rüden. M.D. XLIIII.“ Aus dieser Klosterordnung läßt sich auch zur Genüge erkennen, mit welcher Besonnenheit und zarten Schonung die fromme Fürstin insbesondere in das Leben der Klosterschwestern eingriff.

Um diese Ordnungen wirklich ins Leben treten zu lassen, trug die Herzogin Elisabeth dem neuen Superintendenten Antonius Corvinus im J. 1542 auf. die Kirchen und Klöster ihres Landes zu visitiren. Dieser General-Visitation, bei welcher Corvinus die oberste Leitung hatte, wohnten auch Laien bei, indem auf der Fürstin Befehl ihm Dr. Mithob und Justus von Waldhausen als Visitatoren beigeordnet wurden, so wie noch andere zehn Mitvisitatoren aus dem Calenbergischen und Göttingischen. Auch soll die Herzogin sich dabei des guten Raths des General-Superintendenten im Lande Lüneburg und Hofpredigers in Celle, Urbanus Rhegius, bedient haben.

Die Instruction, welche Elisabeth diesen Visitatoren in 19 Artikeln zustellte, und treulich und gewissenhaft zu befolgen befahl, zeugt von der tiefen Einsicht und dem hohen Ernste, mit welchem die Fürstin die Frage von der Neugestaltung der Kirche ihres Landes behandelte. Mit welcher sorgfältigen Treue und Gewissenhaftigkeit aber Corvin nebst seinen Mitvisitatoren die ihnen in der erwähnten Instruction von der Herzogin ertheilten Vorschriften und Befehle befolgt habe, geht aus einem Schreiben Corvins hervor, worin er derselben über die im J. 1544, von Reminiscere bis Judica vorgenommene Visitation Bericht erstattet. In diesem Schreiben berichtet Corvin an die Fürstin: Er sei mit Mengershausen itzo in etlichen Klöstern als Willingshausen, Mariensehe, Barsigehausen, Wunstorf und Werden gewesen, und habe ihren Befehl in Religionssachen ausgerichtet. In Barsigehausen und Mariensehe hielten sich die Pröbste sammt den Jungfrauen christlich und wohl; sie seien auch mehrentheils zum Sacrament gewesen. Zu Wenigessen hätten ihm die Jungfrauen zugesagt, sie wollten mit Empfangung des Sacraments sich in Gehorsam schicken, hätten’s aber noch nicht gethan, auch die Kleider nicht abgelegt. Zu Wunstorf seien die Nonnen zum Sacrament gewesen; er habe sie aber wegen ihres neulich bezeigten Ungehorsams gegen die Herzogin weidlich capitelt, und ihnen angezeigt, daß sie bei derselben schwerlich wieder zu Gnad kommen würden, wenn sie sich nicht vor ihr demüthigen und die Schlüssel zum Silberwerk in der Fürstin Hände stellen wollten. Zum Werder seien die Jungfrauen auch nicht zum Sacrament gewesen, ungeachtet der Probst und der Prädicant sie treulich dazu aufgefordert. Er habe aber die Gründe. die sie davon abgehalten, freundlich widerlegt und sie zufrieden gestellt, so daß sie wegen ihres Ungehorsams um Verzeihung bäten und sich bereit erklärten, zum Sacrament zu gehen und die Kappe abzulegen. In Willingshausen hätten sich die Nonnen größtentheils zum Sacrament und zu Ablegung der Kappen nicht begeben; es seien aber 7 Jungfrauen, die das Wort lieben, und der Herzogin gern gehorsam sein wollten, wenn sie sich nicht vor der unartigen Domina und vor dem gottlosen Probste scheueten. Corvin ertheilt der Herzogin den Rath, mit den fürstlichen Räthen zu erwägen, ob die Domina, laut der Visitations-Instruction, nicht abzusetzen und eine gottselige an ihre Stelle zu setzen sei. Ferner berichtet er, wie die Domina von Willingshausen ihn durch den Pater des dasigen Klosters mit 4 Thalern habe bestechen wollen, und ihn verläumdet habe, indem sie zwei Küster gen Eskerde geschickt und dort öffentlich habe sagen lassen, Corvin habe in ihrem Kloster etliche Gulden genommen, und ihnen den Brauch des Sacraments in einerlei Gestalt nachgegeben. Sie könnten sich auch bei ihm wohl abfinden.

Unterm 14. Februar 1544 schreibt er aus Pattensen an seine Mitvisitatoren: „Erhöre, daß sich der Pastor zu Spede mit Fressen, Saufen, Schmeißen, Schlagen, so er mit seinem Weibe thue, und anderm ungeschickten Wesen dermaßen halte, daß er ihm in solchem Ministerio nicht länger zu dulden scheine; deßgleichen hätten einige Freunde derer von Hildesheim aus den Pastor von Harst bekannt, daß er ihnen Fehdebriefe geschrieben, was er ihm doch bei Verlust der Pfarre verboten hätte; so höre er auch, daß sich der Strentz nicht bessere. Er befiehlt ihnen daher, als Mitvisitatoren, von Amts wegen, einen Jeden mit seiner Dorfschaft vor zu bescheiden, und sich der Wahrheit zu erkunden, und ihnen, wenn sich’s also befindet, anzusagen, daß sie sich auf künftige Ostern auf andere Dienste schicken. Denn er könne sie keineswegs länger dulden,“

In einem Schreiben vom 20. Februar 1544 bittet Corvin die Herzogin, Räthe zur Abhörung der Rechnung im Kloster Escherde abzuordnen, und den unverbesserlichen Probst zu Willinghausen abzusetzen, oder einen gottesfürchtigen, ehrlichen Mann ihm an die Seite zu setzen. Auch wolle er den Pastor zu Adensen im Gericht Calenberg wegen seines unzüchtigen, dem Evangelio zur Schmach gereichenden, Lebenswandels absetzen.

In seinem Schreiben aus Pattensen vom Mittwoch nach St. Matthäi 1544 bittet Corvin. da außer Derneburg kein Kloster im Lande der ergangenen Ordnung gemäß halte, so möchte die Herzogin einen ernstlichen Brief an ihn schreiben, als zürne sie ihm, daß die Ablegung der Kappen und die Theilnahme am Sacrament nicht geschehe, mit dem Befehl, daß er von Amts wegen solches fordere. In ihrem Antwortschreiben an Corvin, datirt Münden am Sonntag nach Invocavit, sagt die Herzogin, sie begehre gnädiglich und befehle ernstlich, er wolle in Betracht seiner gethanen Eide, mit höchstem Fleiß und Ernst darauf sehen, daß ihre Klöster und Stifte ohne langen Verzug und Aufschub sich der Klosterordnung, sonderlich in den h. Sacramenten und der Ablegung der Kappen, gehorsam erzeigen, damit sie nicht genöthigt werde, mit größerer Schärfe zu verfahren.

Auf seine Empfehlung eines jungen Mönchs zu Wittenborg, der gerne studiren und dem Fürstenthum im Predigtamt dienen wollte, und auf dessen Bitte, den Mönchen des dortigen wohlhabenden Klosters zu befehlen, dem jungen Mann, zur Erreichung seines Zweckes, die nöthigen Mittel darzureichen, schreibt sie ihm: Sie habe seine Fürbitte für den jungen Mönch im Kloster Wittenborg gern vernommen und dem Pater so wie dem ganzen Convent geschrieben, sie sollten dem jungen Gesellen zwei Jahre hinter einander, jedes Jahr 20 Gulden Münze aus den Einkünften des Klosters reichen. Corvin möge nun erklären, auf welcher Universität, zu Wittenberg oder Marburg, der junge Mönch am förderlichsten seinen Zweck erreichen könne, aber von ihm Caution und Versicherung nehmen, daß er ihr und ihrem Sohne vor andern dienen wolle. Zeige sich dann nach Verlauf von zwei Jahren, daß das Geld gut angewandt sei, so solle er auch noch mit einem Stipendio versorgt werden.

In einem Schreiben aus Pattensen, vom Dienstag nach Jacobi 1544, bezeigt Corvin der Herzogin seine herzliche Theilnahme hinsichtlich der Schwäche, die sie fühle, und des Kreuzes, unter dem sie leide; er wisse aber, daß der liebe himmlische Vater sie nicht trostlos lassen werde, weil in allen Kirchen von so vielen frommen Leuten so ernstlich und treulich für sie gebetet werde. Er tröstet dann die Fürstin und bittet sie. den herrlichen Spruch Matth. 5 immerdar vor Augen zu haben, da Christus sagt: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wol belohnet werden.“ Außerdem meldet Corvin der Herzogin in diesem Briefe- Das Buch, so er zu ihrer und der Räthe Unschuld gemacht, solle treulich gedruckt und J. F. G. zugeschickt werden. Es war dieses eine Vertheidigungsschrift der vorgenommenen Visitation, gegen die Angriffe und Verläumdungen Corvins und seiner Mitvisitatoren, welche unter dein Titel erschien: Apologie der Christlichen Visitation, in Hertzogen Erichs Fürstenthum geschehen, wider eines grawen Münchs lästerschrift, und etlicher Papisten schandlügen gestellet. Durch Antonium Corvinum. Hildesheim. 1543.

In dem freundlichen Wort an die Kloster-Jungfrauen, welches Corvin dieser Vertheidigungsschrift voranschickt, spricht er zu denselben: Es habe ein Grawer Münch über ihn und seine Mitvisitatoren eine Lästerschrift an sie gefertigt und dermaßen mit Lügen gespickt, daß er sich genöthigt gesehen, dieselben zu widerlegen. Weil jener ihn denn dahin dringe, daß er zuweilen die Nonnerei angreifen und von den halsstarrigen Nonnen reden müsse, so bittet er sie freundlich, ihm dasselbige zu gut zu halten; denn er wolle hiemit die gehorsamen, so sich in Gottes Wort und geschehene Visitation schicken, nicht gemeint haben, was er hierdurch öffentlich bekenne.

Der Hauptinhalt dieser Apologie besteht in der Widerlegung eines Schreibens von einem ungenannten Barfüßer-Mönch an etliche Nonnen seines Anhangs, in niedersächsischer Sprache, welches Corvin seiner Widerlegung Wort für Wort inserirt, indem er auf ein Stück nach dem andern antwortet. Gern hätte er den Autor dieses Schreibens kennen gelernt, um desto freier mit ihm reden, und ihm seine Lügen vor die Nase halten zu können. „Ich könnte zwar,“ sagt er, „einen solchen ungelerten Wolff, der nicht anders, weder seine art ist, reden kann, nemlich lam, lam, lam, wol verachten und unvermerkter sache vorüber passiren lassen, weil er bei verständigen und erfarenen Leuten mit seinem gewesche nicht viel ausrichten würde, Weil ich aber aus andern dergleichen lügen mehr füle und weiß, daß nicht allein der Satan aus diesem Münchs oder Wolff redet, sondern solche Tragödie durch alle Papisten gemeltes Fürstenthums angerichtet wird, So will nu zu errettung der warheit und tröstung der schwachen, als einem Visitator, der solch Christlich werk neben andern ehrlichen, gottseligen frommen leuten, beide von Adel und auch sonst, aus Befehl der Obrigkeit ausgerichtet, zu, schweigen nicht gebüren, sondern fordert vielmehr die unvermeidliche Noth, daß ich meinem Amte nach solchen Lästerern mit der Wurheit das Maul stopfe.“ – Nachdem, berichtet Corvin, im Anfange seiner Lästerschrift dieser „Meuchelwolff“ die armen Nonnen beklagt hat, daß sie durch die Visitatoren betrübt und belästigt werden sollen, wollt‘ er’s gern ändern, wenn es in seiner Gewalt wäre; weil er’s aber nicht kann, so will er’s Gott, der die lachenden Luterschen nach dieser Zeit weinen machen soll, befohlen haben. Darauf läßt der Wolff immer mehr die Wolffsohren aus dem Schafskleide hervor gucken und läßt seinen wider Gottes Wort gefaßten Zorn sehen. Er bezeichnet die Visitatores als desolatores, subversores et destructores, ausgesandt vom Vater der Lügen, und vermahnet die Nonnen, beständig zu sein in den Geboten der christlichen Kercken, „vnde dat Sacrament nenerleye wiß zu entfangen na öhrer Wise,“ dann tröstet er die armen Nönnchen mit Zusagung der ewigwährenden Freude im Himmelreich für solche schwere Anfechtung, und hebt an die Visitarores schändlich zu lästern, um sie bei ihnen verdächtig und verhaßt zu machen. Darauf erwidert ihm Corvinus, daß sie, die Visitatores, sich solches Amts, das sie, ihrer Obrigkeit gehorsam, ausrichten, nicht schämen, und auch hinfort Fleiß anwenden werden, desolatores impiae doctrinae (Verwüster gottloser Lehre), subversores impiorum cultuum (Umstürzer gottloser Gottesdienste) et destructores monasticae hypocrisis (Zerstörer mönchischer Heuchelei) zu sein und Zeit ihres Lebens zu bleiben. Für seine Person, sagt er, wolle er zehnmal lieber mit den armen Lutherschen, weil sie Gottes Wort für sich hätten, ein Ketzer, als mit diesem Meuchelmönch ein hochberühmter Christ sein. – In Beziehung auf die Warnung dieses Wolfis an die Jungfrau’n: „Hütet euch und leset nicht!“ – sagt Corvin, er wisse wol, wofür diesem Wolf graue, nemlich, daß die Jungfrau’n von seiner und seines gleichen falscher Lehre abfallen, und, wenn sie den Wolf unter dem Schafskleide aus dem Worte Gottes und ihren Büchern zu erkennen anfiengen, von ihm nichts mehr halten würden. In dem oben erwähnten Briefe Corvins von Diensttag nach Jacobi theilt derselbe der Herzogin Elisabeth auch noch eine Schilderung der Synode mit, welche er auf ihren Befehl am 14. Juli 1544 zu Pattensen angeordnet hatte. Zu derselben hatten sich alle Priester zwischen Deister und Leine eingefunden, und in die vier Herbergen, welche Corvin zu ihrer Aufnahme bestellt hatte, waren gegen 120 derselben eingezogen. In einer dieser Herbergen hielt Corvin mit ihnen seine Mahlzeit, stand aber bald nach dem Essen auf, und ließ allen ansagen, sie sollten um neun Uhr schlafen gehen, und morgens sehr frühe um vier Uhr sämmtlich in der Kirche erscheinen, was denn auch geschah. Den andern Tag wurden das Lied: Komm, heiliger Geist, etliche Psalmen, te deum mit den gewöhnlichen Collecten gesungen, und darnach aufs herrlichste die Meß vom h. Geist angesagt. Nachdem hierauf eine gute Predigt gehalten worden, hat Corvin schriftlich von der Kanzel verlesen lassen, warum er solchen Synodum verschrieben, wie er bei den alten gehalten worden, und was er dabei beabsichtige, nämlich Gleichheit in der Lehre und in den Ceremonien, und die Beförderung eines ehrbarlichen Wandels unter den Kirchendienern. – „Da es an die Communion kam“ – erzählt Corvin weiter – „ging ich vor meinen Brüdern her zum Sacrament und ging ein gut Theil mit mir, worauf dann die Messe beschlossen wurde.“ – „Nach der Kirche schlug Ich an die Kirche an, wie Ich mit den Präsidenten, so Ich zu mir nahm ein Gerüchte nach dem andern hören, und jedem Pastor gut Bescheid geben wollte, welches also geschehen, und sind aller Pastoren Gebrechen gehört, und ist auch Erkundigung geschehen, wie sich ein jeder gebessert und nach geschehener Visitation gehalten habe, die schuldigen gestraft, die frommen getröstet, und alles ordentlich ausgerichtet, wie ich denn solchs mit eigener Hand aufgeschrieben, und wenn e. f. g. in dieses Niederfürstenthum kommt, e. f. g. zeigen will. Man hat auch alle Tage, so lange die Priester dagewesen sind, zwei Mal gepredigt, und sind zwei zu Prädicanten confirmirt worden.“

Ferner berichtet Corvinus in einem Schreiben vom Schlosse Calenberg, Donnerstag nach Balthasar 1547, an Herzog Erich zu Braunschweig und Lüneburg, über seine Bemühung und Arbeit in Aufschreibung und Einforderung der freiwilligen jetzigen Priestersteuer, so dem Herzoge auf Verhandlung seiner fürstlichen Mutter eingeräumt sei. Das würden ihm die Amtleute zu Erichsburg und Calenberg bezeugen. Corvin hatte auch hier wieder mit Lügen und Verläumdung zu kämpfen und sagte unter andern: Jedermann sticht itzo auf die armen Diener des Worts, als wäre kein schädlicher Volk auf Erden, als eben sie seien, und bittet den Herzog, zwischen ihnen und ihren Feinden ein strenger Richter zu fein, und um deßwillen, deß Wort sie predigen, einem Jeden, so er angeben werde, zu gnädiger Antwort gestatten, und nach verhörten Sachen dann die Gnad oder Straf ergehen zu lassen.

Für ihre Residenzstadt Münden ließ Elisabeth durch Corvin ebenfalls eine besondere Ordnung aufstellen, die den Titel führt: „Reformation, gesetz und Statuten unser von Gots gnaden Elisabet gcbornen Marggräfin zu Brandenburg, Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg, Witwe, So wie zu nutz, gedeien und aller wolfarth dieser löblichen Stadt Münden, als unser besonderen lieben Underthan und getrewen geordnet wollen haben.“

Aber auch anderwärts wurden Corvins Dienste begehrt.

In Hildesheim waren etliche hundert Bürger durch Luthers Lieder erleuchtet worden. Als die schmalkaldischen Bundesfürsten die Lande des von ihnen vertriebenen Herzogs Heinrich von Braunschweig in Besitz genommen, ließ die Stadt Hildesheim den Landgrafen durch eine Gesandtschaft evangelischer Frauen, die ihm in das Lager von Wolfenbüttel einen samtenen Leibrock und ein samtenes Barett mit einem Perlenkreuz und schönem Federschmuck zum Geschenk überbrachten, begrüßen und um Geistliche zur Einführung der evangelischen Lehre bitten. Der Landgraf ließ den Frauen für ihr Geschenk 150 Goldgulden auszahlen, und schickte mit Dr. Bugenhagen und Dr. Heinrich Winkel auch Dr. Anton Corvin dorthin. Diese Männer, feierlich eingeholt, predigten das Evangelium und richteten die Gottesdienste daselbst ein. wurden aber, nachdem sie die nothwendigsten Anordnungen getroffen, nach Braunschweig zurückberufen, um dort ihr Reformationswerk zu vollenden.

Am 9. October 1542 waren Corvinus, Bugenhagen und Görlitz, welcher die braunschweigisch-wolfenbüttelsche Kirchenordnung verfaßte, zu Visitatoren ernannt worden und schon am 12. October begannen sie ihre Arbeit mit dem Kloster Königslutter, am 13. visitirten sie Marienthal, den 14. das Kloster St. Lutgers in Helmstädt und das dortige Nonnenkloster, den 15. das Kloster zu Schöningen und vollendeten die Visitation im Laufe des Winters. Im folgenden Jahre 1543 ließen der Landgraf Philipp von Hessen und der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen die Kirchenordnung. welche sie für das von ihnen eroberte Braunschweig hatten stellen und verfertigen lassen, im braunschweigisch-wolfenbüttelschen Lande durch die genannten Reformatoren einführen.

Wie rastlos und unermüdet Corvins Thätigkeit war, ersieht man daraus, daß Göttingen, Lippe, Hildesheim, Braunschweig, Wolfenbüttel und das Fürstenthum Calenberg im Laufe von 2 Jahren vollständig visitirt worden waren. Während dieser Zeit hatte Anton Corvinus, der Generalsuperintendent von Göttingen, Calenberg, drei Kirchenordnungen verfertigt, und arbeitete nun, in Gemeinschaft mit Dr. Bugenhagen und M. Winkel, an der vierten, der Hildesheimer Kirchenordnung, welche jedoch erst i. J. 1544, mit einer Vorrede Corvins, zu Hannover gedruckt wurde, und hauptsächlich von Bugenhagen verfaßt ist. Corvins Vorrede war in heftigerm Tone geschrieben, als er sonst zu schreiben gewohnt war, was sich wol aus der Lage der bischöflichen Stadt genugsam erklären läßt. Nach Beendigung dieser Arbeiten wandte sich Anton Corvin mit erneutem Eifer dem Reformationswerke in seiner eigenen Diözese zu. Außer der General-Visitation ordnete die Herzogin Elisabeth zwei Synoden an, von denen die eine, oben geschilderte, im J. 1544, für das Land zwischen Deister und Leine, zu Pattensen, und die andere im Monat Januar 1545, für das Fürstenthum Oberwaldt, in Münden gehalten wurde. Auf diesen beiden Synoden wurde die Kirchenordnung besprochen, bestätigt und ergänzt, und allen Predigern bei Strafe der Absetzung vorgeschrieben, sich an Gottes Wort und die Kirchenordnung gewissenhaft zu halten.

Aus dem Sendbriefe, welchen Corvin auf der zu Münden im J. 1545 gehaltenen Synode an sämmtlichen Adel in Herzog Erichs Landen erließ, läßt sich erkennen, wie treulich er sein schweres Amt als General-Superintendent verrichtet, und wie er unermüdet gestrebt hat, das liebe Wort in Schwang zu bringen und wie viel Ursache er zu bittern Klagen gegen die Widerspenstigkeit der Klosterleute hatte.

Um die nämliche Zeit schrieb Anton Corvin eine Vertheidigungsschrift gegen seine Verläumder, unter dem Titel: „Ein christlich Lied Antonii Corvini wider alle gifftigen Zungen seiner Feinde und Widersacher, die viel Lügen in seinem Rücken dichten und gleichwol unter sein äugen nichts sagen oder bekannt sein wollen. Im Tone: Wo der Herr nicht bei uns hält rc.“ Es besteht aus 18 Strophen, von denen wir als Probe Strophe 12-14 und 18 hier anführen wollen:

Str. 12. Von anfang Haben solche Leut
Gott’s wort gänzlich verachtet,
wie denn gehört wird wol noch heut,
wie man’s zu dämpfen trachtet.
Die Warheit hat man gern beyseits,
und loben viel die alte weis,
wird jenen doch nicht gelingen,

  1. Also geschieht den Dienern auch,
    So Gottes Wort recht leren,
    Wer Gott liebet, ist nun ein gauch
    und könnt‘ man den umbkeren,
    daran kein fleis gesparet wird,
    durch böse buben das geschieht,
    die auf Gott gar nicht achten.
  2. Täglich ich das erfaren muß,
    viel lügen’s auf mich leiden,
    Niemand wil aber stellen den fuß,
    mein angesicht sie meiden.
    Der ein leugt dies, der andre das,
    dichten auf mich ohn alle maß,
    Seynd selber buben und schelmen.
  3. Diß lied sol den geschenket sein,
    So meiner übel denken,
    Sie sein groß, reich, alt oder klein,
    Zu Gott will ich mich lenken,
    dem dienen ohn all Heucheley,
    und warten da deß Creutzes frey,
    Bekehr Gott all meine Feinde!

Im J. 1546 trat die Herzogin Elisabeth in ihrem 36. Jahre, auf dem von ihrem ersten Gemahl, Erich I., als Leibzucht ihr verschriehenen Schlosse zu Münden, mit dem Grafen Poppo von Henneberg in eine zweite Ehe.

Nunmehr begann für das Calenberger Fürstenthum eine neue Zeit, eine Zeit voll schwerer Prüfungen, in welcher das dem Corvin selbst und seinem Reformationswerke drohende Verderben mit schnellen Schritten hervorbrach.

Kapitel 4

Leidensjahre. 1547-1553.

Erich II, erhielt von seiner Mutter Elisabeth eine vortreffliche Erziehung, und wurde von derselben, wie wol selten ein Fürstenkind, mit der größten Sorgfalt und Treue erzogen. Dabei leitete sie nicht blos die Mutterliebe, sondern zugleich das Bewußtsein der ihr obliegenden Pflicht, einen christlichen, von der Wichtigkeit und dem Ernst seiner Aufgabe durchdrungenen Regenten für seine Unterthanen heran zu bilden. Bei dem Unterricht, den sie ihrem Sohne ertheilen ließ, erschien es ihr von der größten Wichtigkeit, daß sie denselben durch Corvin in die trauteste Bekanntschaft mit der heiligen Schrift und dem Worte Gottes einführte. An jedem Sonntage mußte der junge Erich mit den adeligen Knaben seiner Umgebung in der Kirche zu Münden vor dem Altare knieen und die Litanei anstimmen, auf welche Elisabeth mit ihren Hoffräuleins antwortete. Denn die fromme Mutter hielt es nicht für zu viel, daß der fürstliche Knabe beim Beten und Singen gebraucht werden sollte. In der Vorrede zu den „frömmesten Artikeln der christlichen Religion in christliche Gesenge gebracht“ erinnert Corvin die Herzogin bei Gelegenheit ihrer zweiten Vermählung an diesen Umstand mit den Worten: „Ach, wie hat mir’s oftmals im Hertzen so sanft gethan, wenn E. F. G. hertzlieber Son, mein gnädigster Fürst und lieber Herr, auf den knien für den Altar eigener Person gesessen ist, und die Christliche Litania samt anderen Edlen Knaben gesungen und E, F,G. mit dem gantzen Frauenzimmer darauff geantwortet hat.“

Der junge Erich schien nun durch seinen Lehrer Dr. Heinrich Campe und insbesondere durch Corvins Unterricht in der evangelischen Lehre so fest gegründet, daß Niemand ahnete, er könnte jemals seinen Glauben verleugnen und dem Evangelium feind werden. Als die verwitwete Herzogin Elisabeth im J. 1544 mit ihrem damals scchszehnjährigen Sohne Erich auf ihrer Reise zum Besuche bei dem kurfürstlichen und herzoglichen Hofe in Sachsen, unterwegs in Nordhausen den Pfarrer Johannes Spangenberg zur Mahlzeit einladen ließ, so hörte derselbe in freudiger Rührung den jungen Erich und den Prinzen Georg von Mecklenburg deutsche und lateinische Tischgebete halten und einige lateinische Psalmen, nach Eobanus Hessus. hersagen. – Bei ihrer Durchreise durch Wittenberg wurde Dr. Luther von ihr zur Tafel gezogen, welcher sich ebenfalls an dem Dankopfer der beiden Jünglinge erquickte, die auf seine Fragen nach den Hauptstücken des Catechismus genügende Antworten gaben. Luther ermahnte darauf die fürstliche Mutter, von diesem Wege nicht zu weichen, weil nur auf ihm für ihren Sohn Sicherheit vor den Verlockungen des Argen und bei den ihm bevorstehenden Versuchungen zum Abfall zu hoffen sei. Zu gleicher Zeit ermahnte er auch des Prinzen Seelsorger, Corvinus. in einem ernsten und kraftvollen Schreiben, anzuhalten im Gebete und in der Wachsamkeit nicht zu ermüden, damit seines jungen Herrn Seele von der erkannten Wahrheit nicht abfallen möge. Daß Luthers Befürchtungen, der junge Fürst werde, wenn er mit den Widersachern des Evangeliums und mit hohen Verwandten am Kaiserhofe viel Gemeinschaft haben würde, durch das hohe Ansehn derselben leichtlich zum Abfall getrieben werden, nur zu gegründet waren, werden die nachfolgenden Ereignisse nur zu bald zeigen. Nach erhaltenem Segen Luthers reiste Elisabeth mit ihrem Sohne Erich und dem Prinzen Georg von Wittenberg weiter nach Meißen. Sie kam aber von dort bald wieder in ihre Residenz nach Münden zurück, starker und befestigter im Glauben als jemals.

Später, im J. 1546, als die Gefahr schon näher gerückt war, ahmte auch dem Corvin das ihn und sein Werk bedrohende Unheil. In der Vorrede zu der Schrift: „Die fürnemesten Artikel rc.“ erzählt er, daß der junge Herzog Erich zu Pattensen in Corvins Hause über Tisch zu diesem gesagt habe: „Corvine, alles was wir im Wambs haben, wollen wir für das liebe Wort setzen, und nimmer davon weichen!“ – Und in seiner Zuschrift an Elisabeth sagt er ausdrücklich, er wolle noch nicht an der Wahrheit des Wortes, das der junge Fürst zu ihm gesprochen, zweifeln, er bittet Gott, ihn beim Glauben zu erhalten, dann werde das Fürstenthum aus aller Beschwerung errettet werden; aber er schließt mit den Worten: „Sollte es aber nicht geschehen, Welchs der barmherzige Gott gnädig abwenden wolle, kündt solchs on merklichen schaden vieler leut seelen, und auch äußerlicher Wolfahrt nicht abgehen.“

Dem achtzehnjährigen Erich, unruhigen Geistes, ward es bald an dem kleinen Mündenschen Hofe zu enge. Und als nun plötzlich vom Kaiser Karl V. eine Einladung an ihn erging, einem Tage in Regensburg beizuwohnen, auf welchem man sich mit Deutschlands Fürsten über die gegen die kirchliche Spaltung zu ergreifenden Heilmittel besprechen wollte, da vermochte Erich II. nicht, dieser mächtigen Versuchung zu widerstehen, und trotz der Thränen und Bitten seiner Mutter und trotz der Abmahnungen seiner treuen Räthe und Landstände beschloß er, die verhängnißvolle Reise zu unternehmen.

Noch hatte es den Anschein, als sei es dem jungen Fürsten Ernst um den Glauben. Als er sich kurz vor seiner Abreise nach Regensburg entschloß, in Gegenwart der ganzen Gemeine das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu genießen, trug sich ein merkwürdiges Ereigniß zu, welches in den Mündener Jahrbüchern folgender Maßen beschrieben wird. Der Pfarrer Caspar Coltmann wollte dem Herzog die Vergebung der Sünden nicht eher ankündigen, bis er sich wegen Beibehaltung seiner Religion würde erklärt haben. Er führte den Fürsten in die Sakristei, wo er denselben in Gegenwart seiner Mutter ermahnte und warnte. Erich legte nochmals sein Glaubensbekenntniß ab, stellte sich dann außerhalb der Sakristei vor den großen Altar der Hauptkirche des St. Blasius, indem er die rechte Hand auf die Brust legte und zu dem lebendigen Gott schwur: „Alles, was er in Busen und Wamms habe, nebst seinem Leib und Leben, wolle er um seines gethanen Bekenntnisses und um der protestantischen Religion willen in die äußerste Gefahr setzen, und lieber in die Schanze schlagen, ehe er sich durch List und Gewalt von der einmal erkannten Wahrheit wolle abwendig machen lassen und abtrünnig werden.“ Nach dieser öffentlichen und feierlichen Verpflichtung gab Pfarrer Coltmann dem Herzog die Absolution, und am folgenden Tage ging Erich auf evangelische Weise in der St. Blasiikirche zum heiligen Abendmahl.

Unmittelbar darauf trat Erich seine Reise nach Regensburg an, und zog in das glänzende Hoflager des Kaisers, der eben im Begriff war, gegen die evangelischen Fürsten zu rüsten. Der Eindruck, welchen die Persönlichkeit des Kaisers auf des jungen Fürsten Herz machte, und die Gemeinschaft mit den eifrigsten Widersachern des Evangeliums, in die er gerieth, ließen ihn bald den in der Sakristei zu Münden abgelegten Schwur vergessen, so daß er der dadurch für ihn entstehenden Versuchung zum Abfall unterlag. Daß er am Hoflager des Kaisers zwei seiner nächsten Verwandten, Georg von Braunschweig, einen Bruder Heinrich des jüngern, und Philipp Magnus, einen Sohn des letztern, erblickte, daß er mit dem Bischof von Hildesheim und dem Markgrafen von Brandenburg eine glänzende Schaar des Adels der braunschweig-lüneburgischen Lande dem kaiserlichen Banner folgen sah, konnte auf die unstete Seele des fürstlichen Jünglings nicht ohne gewaltigen Einfluß sein. Und so kam es, daß er von der Pracht und dem Zureden der glänzenden Versammlung bethört, nicht nur in Dienste Kaiser Karls V. trat, sondern sich auch dazu verleiten ließ, mit den katholischen Fürsten und Bischöfen ein enges Bündniß zu schließen und die augsburgischen Religionsverwandten als seine Feinde zu betrachten und zu behandeln.

Erich hatte dem kaiserlichen Lager zu Regensburg 400 Reiter zugeführt und warb nun auf Befehl des Kaisers ein Heer, um mit demselben die protestantischen Seestädte zu züchtigen. Da er aber am 29, Mai 1547 vom Grafen Albrecht von Mansfeld bei Drakenburg an der Weser geschlagen wurde, so eilte er flüchtig durch seine Lande zum Kaiser nach Halle, von wo er im Spätsommer des nämlichen Jahres in sein Fürstenthum zurückkehrte, um die in Regensburg übernommene Verpflichtung zu erfüllen, die päpstliche Lehre und die abgeschafften Ceremonien wieder einzuführen, die Klöster wieder herzustellen, und die evangelischen Prediger zur Annahme des Interims zu zwingen. In diesem kaiserlichen Edicte wurde die Wiederannahme der päpstlichen Lehre und der unterlassenen Ceremonien ernstlich geboten, und die Prediger, die sich dessen weigerten, mit Absetzung und Landesverweisung bedrohet. Dies alles geschah zur größten Betrübniß seiner edlen Mutter und seiner Gemahlin Sidonia. die beide der evangelischen Lehre unerschütterlich treu blieben, wahrend die entgegengesetzte Richtung, die sein eigenes Leben genommen, ihn für immer von ihnen trennte.

Nachdem das Interim erschienen war, und der Erzbischof von Mainz bei der Herzogin Elisabeth sehr darauf drang, daß sie demselben in ihrem Fürstenthum Geltung verschaffen sollte, faßte die Fürstin den Entschluß, durch Dr. Antonius Corvinus, Dr. Joachim Mörlin und andere Gelehrte eine Widerlegung des Interims verfertigen zu lassen. Um diese Angelegenheit in Erwägung zu ziehen, berief sie ihre Prälaten und Geistlichen im Juli 1547 zu einer Synode in Münden zusammen, in welcher die, nach ihrer Vorschrift von Corvin und Morlin ausgearbeitete Widerlegung des Interims angenommen und von den versammelten Geistlichen, die sämmtlich auf dem Schlosse zu Münden ihre Herberge gefunden hatten, unterschrieben wurde. Von Seiten der Prälaten war jedoch nur Johann Trappe, der Abt des Stifts Bursfelde, bei der Versammlung zugegen, welchen Corvinus, nachdem die Widerlegung durch allgemeine Zustimmung Billigung gefunden, mit folgenden Worten anredete: „Herr von Bursfelde, hie gilt kein Gelde. Es gilt die Seel, dazu die Haut. Schreibt unter, so werdet Ihr Christi Braut,“ worauf dieser Abt, nebst den übrigen, die Confutation demüthig unterschrieben hat.

Als der junge Fürst vom Kaiserhofe wieder nach Hause kam, war die kindliche Ehrfurcht und Liebe gegen seine edle Mutter so sehr in seinem verblendeten Herzen erstickt, daß er dieselbe bei seiner Ankunft in Münden nicht einmal eines Besuchs würdigte, sondern gerades Weges durch diese Stadt nach Hilwardshausen und von da nach dem Kloster Bursfelde ritt. Der dortige Abt, Johann Trappe, nicht weniger leichtsinnig als sein Herr, hatte seine Unterschrift der Widerlegung des Interims auf dem Mündener Schlosse längst vergessen; er gelobte dem Herzog, das Pabstthum wieder anzunehmen, legte sein Mönchskleid wieder an, predigte lutherisch, hielt aber die Messe nach römischer Weise.

Nunmehr erließ Herzog Erich das strenge Gebot, die katholische Lehre in den Klöstern wieder einzuführen und die evangelischen Prediger bei den Stadt- und Landgemeinden ihrer Pfarrstellen zu entsetzen. Ohne die Ausführung der von ihm angeordneten Glaubensveränderung abzuwarten, war er aufs neue aufgebrochen, um den Erzherzog Maximilian nach Spanien zu begleiten, wo sich derselbe mit der Infantin Maria, Kaiser Karls V. Tochter, vermählen wollte. In seiner Abwesenheit wurde die Gegenreformation durchgeführt. Auf dem flachen Lande hatte dieselbe keine große Schwierigkeit, da viele lutherische Pfarrherren sich dazu verstanden, das Interim zu unterschreiben. Diejenigen, welche sich weigerten, dasselbe anzunehmen, wie die Pfarrherren Heinrich Beck in Pattensen, Moritz Filter in Weende, Valentin Heiland in Dransfeld, ferner die Pfarrer in Uslar, Eldagessen, Elze und vielen anderen Orten, wurden ihres Amtes entsetzt und aus dem Lande vertrieben. In den Klöstern beider Fürstenthümer wurde während Erichs Abwesenheit der katholische Gottesdienst wieder eingeführt, so daß z. B. in Hilwartshausen die Kloster-Jungfrauen die abgelegte Nonnentracht wieder hervorsuchten, und wie früher ihre Horen und Metten hielten. In den Städten dagegen fand die Durchsetzung des Interims mehr Widerstand und seine Einführung gelang nur zum Theil.

Am Ende des Jahres verfolgte Erich sogar den von ihm selbst berufenen achtbaren Superintendenten Antonius Corvinus und behandelte ihn, als Hauptverfertiger der Widerlegung des Interims, mit schonungsloser Härte. Auch Dr. Joachim Mörlin mußte als Mitverfertiger desselben aus Göttingen flüchten. Diesen empfahl Elisabeth an den Markgrafen Albrecht von Brandenburg, indem sie ihm ein stattliches Pferd verabreichen ließ und ein sicheres Geleit für ihn besorgte; denn ihr Hofmeister, Lippold von Hanstein, Corvins Freund und Beförderer seines Reformationswerks, erschien damals in Göttingen mit 14 Reitern und geleitete Mörlin über Allendorf und Mühlhausen nach Erfurt. Auch die Stadt Hannover mußte des Herzogs ganzen Zorn erfahren, weil sie entschieden für den schmalkaldischen Bund gehandelt, und vermochte nur gegen eine Summe Geldes die Freiheit und Ehre der Stadt ungeschwächt zu erhalten.

Soeben war Herzog Erich von dem kaiserlichen Hofe in den Niederlanden, in Begleitung eines Trupps spanischer und niederländischer Soldaten, heimgekehrt, da traten die katholisch gesinnten Gegner Corvins zusammen und trugen dem Fürsten so viele Beschwerden über Corvin, sowol hinsichtlich seines Verfahrens bei der Kirchenverbesserung und seiner Visitation, als in Betreff der Verwerfung und Widerlegung des Interims vor, daß der junge Fürst bei der Gereiztheit seines Gemüths gegen seinen Superintendenten einen bittern Haß faßte, der ihn zu einem außerordentlichen Schritte veranlaßte. Er ließ sofort den ihm mißliebig gewordenen Corvinus sammt dem Pastor Walther Hocker von Pattensen durch den Befehlshaber des Schlosses Calenberg. mit Hülfe einiger spanischer Soldaten, in der Stille der Nacht, aus dem Bette holen und verhaften, um beide nach dem unweit Hannover an der Leine gelegenen Schlosse Calenberg in das Gefängniß abzuführen. Diese Gewaltthat geschah am 1. November 1549 unter den gröbsten Mißhandlungen der Soldaten, die in seinem Hause auf vandalische Art wütheten, und seine Bibliothek zum großen Theile als ketzerische Schriften ins Feuer warfen und verbrannten. Einen großen Einfluß auf der Gefangenen Schicksal hatte unstreitig der Rath des Erzbischofs Christoph von Bremen, eines der erbittertsten Feinde der evangelischen Lehre, der sich als naher Verwandter des jungen Herzogs damals gerade an dessen Hofe aufhielt. Selbst dieser Kirchenfürst mißbilligte jedoch die vandalische Vernichtung der Corvinschen Büchersammlung, und riß mit eigener Hand manches Buch wieder aus den Flammen. Einer der wildesten, dem Priesterstande angehörigen spanischen Soldaten, der in der Nähe des Calenbergs in der Leine zu schwimmen versuchte, ertrank dabei, und dies Ereigniß wurde vom Volke für ein Gottesgericht gehalten.

In einem Schreiben aus seinem Gefängnisse zu Calenberg am Dienstag nach omnium Sanctorum (5. November) 1549 an seine gnädige Frau von Henneberg beklagt sich Corvin bitter, „daß der Herzog, Ew. F. G. herzlieber Sohn, mich armen alten Mann am vergangenen Sonnabend aus meiner Behausung gefenglich sambt dem Pastor zu Pattensen, Walter Hocker, bis zum Calenperge hat füren und daselbst bishero gefenglich bewaren lassen, weil ich ein Ratschlag oder Bedenken aufs Interim gemacht und den die Pastores habe unterschreiben lassen.“ Nun sei der Herzogin bewußt, daß sie auf der Bischöfe emsiges Anhalten ihm solches befohlen und nach der gehaltenen Synode das Büchlein, das er mit eigener Hand geschrieben, bei sich behalten, damit es nicht in anderer Leute Hände komme. Weil dann der junge Fürst solchen Ratschlag oder Bedenken kurz um von ihm haben, oder ihn sonst nicht los geben wolle, so bittet Corvin die Herzogin, solch Buch ihrem Sohne bald zu überschicken, damit er aus diesem Gefängnisse erlöset werden möge.“

Auf diesen Brief antwortet Elisabeth dem Corvin am Donnerstag nach omnium Sanctorum, „daß der Rathschlag und Bedenken auf Unser der damals Mutter und regierenden Landesfürstin Geheiß geschehen.“ Sie habe auch ihrem Sohne wahrhaften Grund und Bericht gegeben, daß sie Corvin als ihren und ihres Sohnes bestellten Diener, der ihr Gehorsam zu leisten schuldig gewesen, vermocht habe, solchen Ratschlag und Bedenken zu stellen, und von den Pfarrherren und Kirchendienern unterschreiben zu lassen. Weil also der Ratschlag und Bedenken nicht Corvins, sondern ganz und gar eigenthümlich ihr selbst sei, so habe sie darum also fort ihren Sohn ernstlich und mütterlich ermahnt, ihn und Walther Hocker zu entlassen und von seinem Vornehmen gegen die Kirche abzustehen. In ihrem zweiten Brief wünscht sie Anthonio Corvin und Walter Hockern Gottes Gnade und Barmherzigkeit, Trost und Stärke in ihren Leiden um der Wahrheit willen, und ermahnt sie, nicht zu wanken, sondern beherzt zu sein und ritterlich zu streiten, zu bekennen den reinen Glauben und anzuhalten am Gebete.

In ihrem Schreiben vom 5. November ruft Elisabeth über ihren Sohn Erich aus: „Ach, wehe und immer mehr wehe über dich, wenn du nicht ablassest und dich nicht besserst.“ Sie lag krank darnieder in Ohnmacht und Schmerzen, und war vom Weinen so schwach, daß sie den Brief nicht selbst schreiben konnte, sondern ihn dictiren mußte. Die Landesräthe forderte sie in einem Schreiben auf, ihrer Eide und Pflichten eingedenk, dem schrecklichen Wüthen und unchristlichen Vorhaben ihres unsinnigen Sohnes Einhalt zu thun und die armen unschuldig Gefangenen vom Herzog frei zu erbitten. Auch schrieb sie in dieser Angelegenheit an ihren Bruder, den Markgrafen Hans von Brandenburg und Küstrin und an die Fürsten von Anhalt, und bat um Rath und Beistand zur Erledigung der beiden Gefangenen.

Aber all das viele und unermüdliche Schreiben half der frommen und mitleidigen Herzogin Elisabeth zur Befreiung Corvins aus dem Gefängnisse so viel als nichts. Eben so wenig fruchteten ein Schreiben des Herzogs Moritz von Sachsen und des Landgrafen Wilhelm zu Hessen, aus dem Feldlager zu Frankfurt a, M. vom 6. Juli 1552 an den Herzog Erich, und ein anderes an die Landesräthe und Landstände in Braunschweig, unterm 19. Juli des nämlichen Jahres, um Befreiung Corvins und Hockers. In dem letztern sagen sie: sie seien mehrmals glaubhaft berichtet worden, daß ihr Herzog Erich den Antonius Corvinus und Walter Hocker wegen der christlichen Lehre gefänglich eingezogen und daß Corvinus im Gefängnisse beinahe das Leben darüber zugesetzt. Dieweil nun beide gedachte arme Prediger und Seelsorger ihrer christlichen Religion halber in Haft und Gefängniß kommen, und in Betracht, daß derselbe des Landgrafen Wilhelm Herrn Vater’s Diener gewesen und in das Land zu Braunschweig geliehen worden: so trügen sie billig als Christen mit diesen Personen ein christliches Mitleiden, und achteten sich schuldig, ihnen als gedrückten Lehrern göttlicher Wahrheit die Hand zu bieten und sie in ihrem Elend nicht zu verlassen. Sie begehren daher an sie sämmtlich und sonderlich, von ihrer und ihrer zugeeigneten Stände wegen, daß sie die beiden armen Prädicanten ohne weitern Aufenthalt ihres langwierigen Gefängnisses auf eine gewöhnliche Urfehde losgeben und ihnen verstatten, sich an andere Orte zu wenden. Sollte ihr Suchen vergebens sein, so gedächten sie, ihnen die Schuld zuzuschreiben, und wenn dann ihnen oder gemeiner Landschaft Beschwerung und Schaden zugefügt würde, so hätten sie dieselben niemand anders als sich selbst zuzuschreiben.

Fast drei Jahre währte die Kreuzschule, welche Corvin durchzumachen hatte, ehe er seine Erledigung aus dem Gefängnisse auf dem Calenberge erlangte; denn erst im October 1552 erfolgte seine und Walter Hockers Entlassung aus demselben. Erst den vereinten Bemühungen der Herzogin Elisabeth, des Justus von Waldhausen und des Markgrafen Albrecht von Brandenburg gelang es, den beiden Gefangenen die Freiheit wieder zu verschaffen. Insbesondere machte der Markgraf durch seine ganze Persönlichkeit, seine Kriegserfahrung und seinen bewährten kriegerischen Muth auf den jungen Herzog Erich einen unwiderstehlichen Eindruck, so daß sich dieser zu ihm hingezogen fühlte und mit ihm gegen den Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel ein Bündniß schloß. Die Schilderung, welche Waldhausen zu Hannover, wo derselbe mit der Herzogin Elisabeth, mit Erich, ihrem Sohne und dem Grafen Poppo ihrem Gemahl zusammengekommen war, in Gegenwart des Markgrafen Albrecht, von den Bedrückungen der augsburgischen Confessionverwandten durch den Herzog Erich, und von der durch ihn dem Corvin und Hocker widerfahrenen schmählichen und harten Behandlung entwarf, erfüllten den Markgrafen mit so heftigem Unwillen und Staunen, daß derselbe dem Herzoge mit sehr starken und derben Worten zuredete, und durch sein Dreinreden, verbunden mit den Thränen und dem Flehen der Mutter und Waldhausens Bitten, den Herzog Erich so weit zur Nachgiebigkeit stimmte, daß er versprach, Corvin und Hocker aus der Haft auf dem Calenberge zu entlassen.

Auf dem kurz darnach zu Hannover ausgeschriebenen Landtage, auf welchem der Vorschlag zu einer Steuerentrichtung und Kriegsrüstung, so wie zur Verproviantirung und Besetzung der Festungen Erichsburg, Calenberg und Neustadt geschah, verpflichtete sich Herzog Erich gegen seine Ritterschaft und Landstände, fortan die Reformation, wie dieselbe nach der augsburgischen Konfession eingeführt worden, nicht mehr anzufechten, jedoch unter dem Vorbehalt, daß man auch ihn und die Klöster bei der katholischen Religion sollte unangefochten bleiben lassen. Auf diese Erklärung wurde ihm von der Ritter- und Landschaft die begehrte Summe auf etliche Jahre bewilligt. Des andern Tages zog Herzog Erich von Hannover auf den Calenberg, die Erichsburg und Münden, und ließ von da eiligst ein gemeines Ausschreiben an das ganze Fürstenthum ausgehen. Er erklärte in diesem Ausschreiben, daß, nachdem er auf dem Landtage zu Hannover seiner gemeinen Landschaft fürstlich zugesagt und versprochen habe, sie bei der rechten, reinen und wahren Christlichen Religion zu schützen, handhaben und bleiben, auch das allein seligmachende Wort Gottes unverhindert in seinem Fürstenthum predigen zu lassen: so gebiete er allen Pfarrherrn, Capellanen und Predigern seines Fürstenthums, so zuvor ihres Amtes entsetzt und entwichen, einem Jeden hiemit in Kraft und Macht dieses Briefes, ein jeglicher wolle wiederum sich in seine Vocation begeben, Gottes Wort rein, lauter und klar predigen und lehren, auch die Sacramente nach Christi Einsetzung administriren und reichen, wie sie das vor Gottes jüngstem Gericht zu verantworten gedächten. Darauf gelobt er. alle und jeden insonderheit, der sich in seinem Amte treulich finden ließe, zu schützen und zu vertheidigen. Er habe deßhalb der hochgeborenen Fürstin und Frauen Elisabeth, gebornen Markgräfin zu Brandenburg. Gräfin und Frauen zu Henneberg, seiner freundlichen lieben Frau Mutter, hierin weiter an sie mündlichen Befehl gegeben, und ihrer Gnaden diese Sache gänzlich anheim gestellt.

Nach ihrer endlichen Befreiung schrieben die beiden Gefangenen, Corvinus und Hocker, am 21. October 1552 an ihre gnädigste Fürstin Folgendes: „Am heutigen Tage kam unser gnädiger Herr zum Calenberge und verhieß uns aus dem Gefängnisse los und quitt zu geben. Der Handel wurde durch den Landdrosten und Canzler Warneck ausgerichtet, und es bedarf nur noch der Versiegelung der Caution in der Herbeischaffung von Bürgen. Denn es schien verabredet, daß acht vom Adel und die vier großen Städte anstatt unser geloben, daß wir dein Fürsten allezeit zu Recht stehen wollen. Da S. G. auf dem Walle giengen, hat er uns gesehen. Da wir S. G. Neueren gezeigt, hat er uns mit Abziehung des Hutes wiederum geehrt. Daraus wir ersehen, daß alle Ungnade gefallen sei. Bitten demnach, weil sich Gott wider so gnädiglich sehen lassen. E. F. G. wollen christlich und mütterlich S. F. G. unter Augen gehen, und Alles, was Erbitterung gewähren möchte, also lindern und „mindern, daß der junge Herr durch unsre Lindigkeit ja mehr wiederum herzugebracht werde. Wer weiß, was Gott im Sinne hat.“

Graf Poppo von Henneberg, Elisabeths zweiter Gemahl, nahm auch an Corvins Befreiung herzlichen Antheil; denn er schrieb von Münden aus am 20. November 1552 „an unsern Rath und lieben getrewen Lippold von Hanstein, daß der allmächtige Gott, wie er verhoffte, das Herz seines lieben Herrn und Sohnes verändert und Corvinus ledig gegeben.“

In den ersten Tagen des Jahres 1553 langte Corvin aus seinem Gefängnisse auf dem Calenberg krank in Hannover an. Dort hatte er sich wahrscheinlich durch Mangel an Bewegung eine Unterleibs-Krankheit zugezogen, wie er selbst zu sagen pflegte: „Ich habe allzuviel auf dem Calenberg gefressen; das wird mir leid thun!“ Auch die wieder erlangte Freiheit vermochte die Krankheit nicht zu brechen, so daß er kaum noch drei Monate zu Hannover am Leben blieb. Sein Geist blieb bis an sein Ende kräftig und stark, was man daraus ersteht, daß er während seiner leiblichen Krankheit noch ein erbauliches Gebetbuch schrieb, ein Gebetbuch nach den Hauptstücken der christlichen Lehre, oder einen Catechismus in Gebeten. Schwachheits halber vermochte er das Register zu diesem Gebetbuche selbst nicht mehr anzufertigen. „Vielleicht“, sagt er in seiner Vorrede zu demselben, „wird Gott irgend ein frommes Herz erwecken, so ein Register oder Anzeiger stellen wird; ich habe es Schwachheits halber nicht thun können, hätte es sonst gern gethan.“

Am 5. April 1553, am heiligen Ostertage, entschlief Dr. Antonius Corvinus, im 52sten Jahre seines Lebensalters, sanft in dem Herrn. Sein Leichnam wurde von acht Predigern – zur Bestattung nach der Kirche von St. Georg und St. Jacobi getragen. Er liegt vor dem Altar dieser Kirche, im mittleren Chore, begraben. Gegenüber an der Mauer ist seine Grabschrift zu lesen.

Als man seinen Leichnam zur Erde bestatten wollte, und mit allen Glocken geläutet wurde, hat der zufällig in Hannover anwesende Herzog Erich einen seiner Junker gefragt, was das viele und große Geläute zu bedeuten habe? Und als der Junker dem Herzog geantwortet, man wolle Corvin begraben, sind letzterm die Augen übergegangen, und er hat sich der Thränen nicht enthalten können, hat sich dann aus der Stube in die Kammer zurückgezogen, und ist über eine Stunde darin verblieben, um in der Stille den Mann zu beweinen, der sein und , seines Volkes Lehrer und Seelsorger gewesen.

Kapitel 5.

Corvins Familienverhältnisse

Von Corvins Eltern wissen wir nichts, als den Namen des Vaters Rabe oder Rabener. Ebenso wissen wir von seiner Ehegattin nur so viel, daß sie den Taufnamen Margaretha führte, und eine fromme, für die Erziehung ihrer Tochter sehr besorgte Mutter war. Dies erfahren wir aus einem Schreiben Corvins vom J. 1543, an seine geliebte einzige Tochter Barbara, worin er derselben die Tugenden ihrer Mutter zu einem nachahmungswürdigen Exempel vor Augen stellt. Mit diesem Schreiben übersandte er ihr bei Gelegenheit ihrer Verheirathung mit Anton Mithob, einem Bruder des berühmten Burkard Mithob, des Freundes von Melanchthon, eine Abhandlung „von der Haußhaltung eines Christlich frommen Weibs“ aus dem XXXI. Cap. der Sprüche Salomo’s. Diese Abhandlung enthält vortreffliche Haus-Haltungsregeln, welche er seiner lieben Tochter ertheilte, und worin er unter andern ihr ans Herz legte: „Demnach ist mein getreuer und väterlicher rath, du fürchtest und liebest Gott allein, haltest den jede und alle Zeit vor Augen, rufest mit deinem Gebete täglich zu ihm, ja du kerest vor allen Dingen vleiß an, daß du ihm durch den innerlichen schmuck des Geistes und Glaubens gefellig seiest, denn solches wird sonderlich und vor allen Dingen von einer Christlichen Ehefrau und Haußmutter erfordert. Und wenn solchs geschehen, so wird dich denn dies Büchlein aufs artigste leren, wie du dich im äußerlichen wandel gestellet“ Hannover am Drei-Königsfest sagt Corvinus, daß er dieses Buch, den erwähnten Catechismus in Gebeten, erst nach seiner Erledigung aus dem Gefängnisse, also während seiner Krankheit zu Hannover geschrieben habe. Daraus ergibt sich die Unrichtigkeit der Behauptung Barmgs a. a. O. S. 73: „Corvin sei erst nach dem Feste der h. drei Könige aus dem Gefängnisse befreit worden,“

Diese Abhandlung findet sich angeschlossen an die Auslegung des 128. Psalms, mit der Zueignung an Barbara. Gedruckt zu Hildesheim durch Henningk Rüden. „gegen deinen lieben Haußwirt, gegen seine Kinder, wenn dir Gott die geben wird, und dein ganzes Haußgesinde halten sollst. Und eben in solchen Häußlichen Werken magst du mit guten Ehren auch das Exempel deiner Mutter Margarethe, meiner lieben Haußfrauen, vor Augen stellen, die dich weder zum stoltz noch anderm geprenge, sondern zur arbeit, wie billich und recht, von kind auf erzogen hat, dessen sie bei vielen Leuten ehr und rhum eingelegt und billich dcrhalben gelobt wird.“ Darauf ermahnt er sie, wenn sie, wie sich’s gebüre, ihm gehorsam sein und seine Tochter bleiben wolle, so solle sie Gott ohne Unterlaß um seine gnade bitten, daß sie ihr Lebenlang in seiner Furcht und Liebe bleiben und sich neben dem auch alle Zeit wie eine Christliche Haußmutter in ihren Haußhalt schicken möge. Wolle sie sich dann auch, ihrem lieben Haußwirt zu ehren, mäßiger und züchtiger Weise schmücken, so wolle er das, als ihr Vater, gern geschehen lassen; allein sie solle sich davor hüten, daß sie nicht das Exempel solcher Weiber nachahme, die nur Müßiggang, Wollust und zeitlichen Schmuck und alles, was eitel sei, lieben. Denn es führe solch verdammlicher Stolz, teuflische Hoffart und Pracht eben so wol in Verdammnis, als andere grobe Laster und Sünde und Untugend. „Der barmherzige Gott“ – so schließt er seine Ermahnungen – „stärke und erhalte dich, um Christus willen, durch die Kraft seines Geistes, in rechtschaffenem Glauben, Liebe und aller Gottseligkeit und Erbarkeit, auf daß ich sampt deiner lieben Mutter an deinem lieben Haußwirt, Dir und künftigen deinen Kindern, unsre Lust und Freude sehen und erleben mögen. Amen. Datum am Sonnabend nach Jacobi 1543.“

Barbara führte denn auch mit Anton Mithob eine glückliche aber kurze Ehe, da dieser schon neun Jahre nach ihrer Verheirathung, noch bei Lebzeiten Corvins, starb. Sie verehlichte sich darauf zum zweiten Male mit Daniel Hudemann im J. 1553, wovon Letzerer mit den Worten Nachricht ertheilt: „Darauf ist Daniel Hudemann von Eimbeck zu Dassel zum Schulmeister angenommen worden; kam dann nach Münden als Cantor. nahm des Herrn Corvini Tochter, Anton Mithobs Witwe zur Ehe, ward darauf Secretarius und Hofgerichts-Procurator und in den Rath und endlich zum Bürgermeister in Münden erwählt.“

Von seiner Gattin Margaretha wurden dem Corvin auch zwei Söhne geboren, die aber schon in ihrer Kindheit starben. Sein erster Sohn Johannes wurde ihm im J. 1537, und sein Sohn Gnadrich im December 1540 in Marburg durch die Pest entrissen. Schon vorher waren ihm zwei Töchter, Agnes und Elisabeth, gestorben. –

Kapitel 6.

Rückblick auf Corvin als Reformator und Prediger.

Schon Uhlhorn in der Schrift: „Ein Sendbrief an den Adel rc.“ S. 42 macht über Anton Corvin die richtige Bemerkung, daß derselbe nicht zu den großen schöpferischen Geistern unter den Reformatoren gehöre, die ein Neues zu schaffen berufen, ihrer Zeit die Bewegung geben, welche durch Jahrhunderte fortdauert. Corvin ist erst durch Luthers Schriften mit dessen schöpferischen Ideen bekannt geworden; er wurde von ihm und Melanchthon geleitet und weiß sich überall von ihnen in dem Grade abhängig, daß er nicht blos die von ihm verfaßten Kirchenordnungen, wie es damals allgemein Sitte war, sondern auch seine Predigten und Postillen, seine Erklärungen biblischer Bücher, seine theologischen Gespräche, selbst seine Gesänge nach Wittenberg sendet, um von den großen Häuptern der Kirche geprüft und gebilligt zu werden, wie denn Luther zu verschiedenen seiner Werke anerkennende Vorreden geschrieben hat. Aber er gehört zu den Männern, die als Mittelglieder die große Bewegung fortleiteten und das evangelische Leben in die Länder und Völker einpflanzten, und die neue Lehre überall hin zu verbreiten und bekannt zu machen bemüht waren, zu den Männern, die sich wie ein Gefolge um die Helden des Evangeliums schaarten, um ihr Werk zu unterstützen und zu fördern, und in diesem Kreise von Beförderern der Reformation, zu dem auch ein Kymeus, ein Sutellius, ein Justus Winter, ein Patricius Hamilton gehörten, ist er wahrlich keiner der unbedeutendsten und geringsten.

Corvinus gehört mit Bugenhagen zu den Reformatoren, welche sich durch die Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse, in der ersten Zeit der Reformation, und besonders als Muster einer bessern Predigtweise in erbaulicher Behandlung der Pericopen verdient gemacht haben. Nicht wenige Pfarrherren begnügten sich damals damit, in ihren Predigten die unwissenden Priester und die Heiligthümer und den Götzendienst anzugreifen, und streuten den Samen des Zankes und des Hasses aus, anstatt ihre Zuhörer mit dem Geiste christlicher Eintracht und Frömmigkeit zu erfüllen. Spalatin klagte dem Melanchthon und Bugenhagen jenen Mißbrauch der Pericopen und wünschte, daß sie denselben bekämpfen möchten. Deßwegen suchte zuerst Melanchthon an sonntäglichen Pericopen (am 5. und 6. nach Epiphaniä) zu lehren, wie man über alle Pericopen heilsam und erbaulich predigen könne, und nun stellte Bugenhagen Themata auf, welche die Pfarrherren am Sonntage vor dem Volke auf eine erbauliche und nützliche Art auslegen und erklären konnten, und im J. 1525 gab derselbe eine Sammlung von Thematen über alle Sonntags-Pericopen heraus. Auch unter Corvins zahlreichen theologischen Schriften sind mehrere besonders darauf berechnet, unter den armen und unwissenden Pfarrherren die Predigt über die Evangelien und Episteln für das Volk erbaulicher und verständlicher zu machen und ihnen den Weg zu zeigen, wie sie mit größerm Segen predigen könnten. Durch seine Schriftauslegungen, so wie insbesondere durch seine Auslegungen der Episteln und Evangelien, welche nach Luthers Urtheil dem Volke mit Nutzen vorgelesen werden sollten, hat er sich großes Verdienst erworben. Melanchthon bewundert seine glückliche Redegabe und hört nicht auf, ihn zu ermahnen, durch dieselbe, so wie durch seine Fähigkeit, so angenehm und blühend zu schreiben, die Ehre Christi zu fördern. In seinem Schreiben an Corvin zu Witzenhausen im J. 1535 lobt er sein deutliches orationis Zenns, das er selbst nicht zu erreichen vermöchte, aus dem auf sein ingenium zu schließen, so daß er nicht anders, als ihn lieben könnte, und wegen dieser Anmuth seiner Rede und seines Geistes ermahnt er ihn, mit Eifer fortzufahren, das Evangelium zu lehren, welches zu vieler Menschen Erbauung und Trost dienen werde.

Wie in Bugenhagen, so vereinigten sich in Corvin solche Eigenschaften, die das Gedeihen seiner reformatorischen Bestrebungen zu fördern geneigt waren, insbesondere eine weise Mäßigung und Klugheit und eine Neigung zu rastloser Thätigkeit, die göttliche Wahrheit zu verbreiten, die Luther an das Tageslicht gezogen. Hiezu gesellte sich eine aufrichtige, lautere Frömmigkeit und Gottesfurcht, und sein inniges Gebetsleben, von dem insbesondere das kurz vor seinem Tode während seiner Krankheit zu Hannover geschriebene Gebetbuch über den Katechismus Zeugniß giebt.

Seine Gelehrsamkeit ist sehr umfassend und gründlich: besonders in den Vätern ist er überaus bewandert. Wie fleißig er auch die klassischen Studien betrieben, davon zeugen seine Schriften und Briefe. Mit Humanisten verkehrte er gern und viel. Der Nestor der Humanisten in Westphalen, Hermann von dem Busche, war ihm befreundet, und noch näher stand ihm Helius Eobanus Hessus, mit dem er in einem heitern und scherzhaften Briefwechsel stand; doch liebte er bei seinem durchaus sittlichen Wesen nur unschuldigen Scherz.

Durch eifrige Erforschung der Schriften des alten und neuen Testaments und der Kirchenväter war er früh zu einer klaren Erkenntniß des göttlichen Erlösungswerkes gelangt, und sein ganzes Leben hindurch war er bemüht, das Heil, das er in Christo gefunden, auch andern mitzutheilen. Bezeichnend für seinen Glauben war das Symbolum, das er in viele seiner Schriften schrieb: Spes mea in Christo. Seine einzige Hoffnung war auf Christum, den Gekreuzigten, gerichtet.

Von großer Bedeutung war seine Gabe der Kirchenregierung und seine die Kirchen organisirende Thätigkeit. In dieser bewies er eine außerordentliche und unermüdliche Arbeitsamkeit und, im Dienste sich selbst verzehrend, die größte Umsicht und Sorgfalt. Dabei machte er sich keiner Uebereilung schuldig, war zwar unerschütterlich fest und entschieden, aber geduldig und nicht verzagend, wo der erste und zweite Versuch mißlang. Ueberall zeigte er große Sanftmuth und Milde, war voller Schonung gegen Andersdenkende, wie man bei seinem Verhalten gegen Amandus in Goslar und gegen die Wiedertäufer in Münster bemerkt. Nur, wo er das Wort Gottes verachtet, geschmähet und angefeindet sieht, wie gegen seinen Verfolger in Witzenhausen, gegen den Bischof von Hildesheim und gegen den Herzog Heinrich von Braunschweig, kann seine Entschiedenheit fast bis zur Heftigkeit sich steigern.

Er besaß sehr viele Freunde, wie sich aus seinem reichen Briefwechsel mit einer großen Anzahl gelehrter Männer und herzlicher Freunde ergiebt, war selbst ein treuer, zärtlicher Freund, der ihr Wohl, wo er vermochte, zu fördern suchte. Sein Lebenswandel überhaupt war rein, keusch und eines christlichen Predigers durchaus würdig.

Im Kämpfen für die Wahrheit der christlichen Lehre war er voller Gottvertrauen, ohne alle Menschenfurcht, in Leiden und Trübsalen voller Geduld und Standhaftigkeit, fern von aller Rachsucht gegen seine Verfolger und Feinde. Nur seine Verläumder, wenn es sein Reformations- und Visitationswerk betraf, züchtigte er scharf und bestrafte sie mit bitterer Satyre. wie in seinem Liede „von den giftigen Zungen“ und in seiner Apologie der Visitation gegen den verläumderischen Meuchelmönch.

Vor allem zierte ihn seine große Treue gegen das Evangelium und gegen seine von ihm hochverehrte Fürstin, die Herzogin Elisabeth, die er überall in seiner Amtsführung bewies und welche die Seele seines Wirkens und Lebens war bis an sein Ende.

Das Leben der Altväter der lutherischen Kirche für christliche Leser insgemein aus den Quellen erzählt. In Verbindung mit Mehreren herausgegeben von Moritz Meurer. IV. Band. Reformatorische Männer aller Länder: Corvin’s Leben von Collmann. Georg von Anhalt’s Leben von Schmidt. Brenz’s Leben von Wild. Mykonius Leben von Meurer. Leipzig & Dresden. Justus Naumann’s Buchhandlung. 1864.