Girolamo Savonarola

Girolamo Savonarola

Hieronymus Savonarola.

In der Vorrede zu Savonarolas Auslegung des 51. Psalms sagt Luther: „Obwohl an den Füßen dieses heiligen Mannes noch etwas von dem Kot menschlicher Theologie1Die Scholastik. haftet, so hat er dennoch es ausgesprochen und behauptet, wie aller Ruhm der Werke so gar nichts vor Gott und wie nötig der alleinige und gründliche Glaube im Gericht und Tod sei, ohne alle Werke, darauf man sich verlassen könne. Er erlitt den Tod, weil er Rom, den Abgrund alles Verderbens, reinigen wollte. Aber siehe, er lebt und sein Gedächtnis ist im Segen. Christus kanonisiert ihn durch uns, sollten gleich die Päpste und Papisten miteinander darüber zerbersten.“ Und dann, wenn auch lang vergessen, ist das Gedächtnis Savonarolas seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts wieder bei uns aufgelebt, und seit Meister Rietschel seine Gestalt als eines Vorläufers des Reformation auf seinem Lutherdenkmal verewigt hat, lebt sein Name im Bewusstsein des evangelischen Volks als der eines evangelischen Glaubenshelden. Andrerseits hatten ihn aber unterdessen die Römischen, trotz ihres Todesurteils, wieder für sich in Anspruch genommen, nicht bloß als schwachen, sondern als einen der vorzüglichsten Söhne ihrer Kirche. Ja, nicht bloß im Kloster San Marco ist der Heiligenschein um sein Bildnis erhalten, den ihm der Pinsel Fra Bartolomeos sofort nach dem Märtyrertod verlieh, die Papisten haben ihn doch auch beinahe kanonisiert: ein Papst (Benedikt XIV.) erklärt ihn im Heiligenregister der Heiligsprechung für würdig, gegenüber dem früheren Urteil ging es zwar nicht gut an, diese wirklich zu vollziehen, aber man hat doch einen seiner begeistertsten Anhänger, Philippo Neri, zum Heiligen gemacht. Was Wunder, wenn auch, je nach dem Standpunkte, die Beurteilung des großen Mannes so verschieden ausfällt, dass man ihn bald für einen Heiligen, bald für einen Reformator, bald für einen ehrgeizigen Politiker, einen Betrüger, einen in Selbsttäuschung Befangenen, einen Wahnsinnigen hält. Besonders stehen die gleichzeitigen Chronisten und Schriftsteller unter dem Einfluss ihrer jeweiligen politischen und religiösen Stellung, und wer sich nur auf ihre Berichte verlässt, wird je nach Wahl der Berichte ein anderes Urteil erhalten2Daher behandeln ihn Bayle und Buddeus mit Verachtung, Rastrelli mit Hass, dagegen der Dominicaner Barsanti mit wundergläubiger Begeisterung.. Unserem Landsmann Rudelbach, wenn man ihm auch mancherlei Irrtum nachweisen kann, gebührt das Verdienst, nicht bloß die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt und der Theologen auf die großartige Erscheinung Savonarolas wieder hingelenkt, sondern vor allem ihn aus sich selbst und seinen Werken, insbesondere auch aus seinen Predigten beurteilt zu haben (1835). Neben Rudelbach sind, von ihm angeregt, der Franzose Perrens (1855) und der Italiener Villari (1859) die Hauptrepräsentanten der gegenwärtigen Anschauungen über Savonarola. Rudelbach sieht in ihm den Märtyrer des Protestantismus (zugleich einen Propheten nach Art Joachims und der h. Brigitta), weswegen er sich von Villari sagen muss, dass er die Gedanken Savonarolas in das Prokrustesbett seiner eigenen Tendenz zwänge, Villari betrachtet ihn als den glänzendsten Vertreter der Renaissance (?!) und sucht ihn zugleich als treuen Katholiken zu reklamieren, was aber nicht ohne Zwang und Windungen abgeht. Perrens urteilt: „Er war demnach ein geschickter Politiker, und obgleich er uns nicht das Musterbild eines vollkommenen Christen darstellt, so kann man doch hinzufügen, dass, einige Charakterschwächen und einige Verirrung bei seinem Auftreten abgerechnet, er ein treuer Schüler des Evangeliums war.“ Wir werden indirekt diese verschiedenen Urteile mit prüfen, wenn wir Savonarolas Anschauung nach seinen Predigten kennen lernen3Die Auswahl der nachfolgenden Sammlung ist daher hauptsächlich in Rücksicht auf diesen Zweck getroffen. Soweit dies im engen Rahmen möglich, sollte Savonarola nicht bloß in verschiedenen Momenten seines Lebens, bei Behandlung verschiedener Gebiete, in seiner Art der Darstellung, sondern auch nach seiner Lehre gezeigt werden..

Wir werden da nicht bloß bewegt von dem ergreifenden Drama dieses Lebens, sondern wir stehen bewundernd vor dieser einzigartigen Gestalt: wir sehen einen Propheten, gotterfüllt und Zornesblitze schleudernd wie die Propheten des alten Bundes, – einen Volksredner, mit seiner Beredsamkeit Volk und Staat lenkend, wie die Redner der Alten, ein Demosthenes, ein Cicero, dem in der christlichen Kirche höchstens Chrysostomus vergleichbar, – wir sehen einen Reformator, der das Morgenrot einer neuen Zeit ahnt und an seinem Teil beiträgt, zu zertrümmern, was morsch und faul ist, wir sehen das Alles an einem Prediger, der Gottes Wort wieder verkündigt, der auch hierin einzigartig in seiner Zeit dasteht und auch für die Predigt der Kirche reformatorische Bedeutung hat.

Girolamo Savonarola4Savonarola ist die richtige italienische Betonung, über die man bei uns manchmal Zweifel trifft. ward am 21. September 1452 zu Ferrara geboren, wo sein Großvater als Arzt am dortigen Hofe in großem Ansehen stand. Auch er ward zum Studium der Medizin bestimmt, erhielt die erste Ausbildung von dem Großvater, die Einführung in die Philosophie, d. h. in die Scholastik von seinem Vater. Seine Mutter bildete aber auch später noch seine einzige Vertraute, der er sein Herz ausschüttete. Das Leben und Treiben an dem üppigen Hofe widerte ihn bald an, er zog sich in die Einsamkeit zurück, um sich von dem mystischen Element in der Scholastik des Thomas Aquinas erfassen zu lassen und – die Bibel zu lesen. Von seiner Stimmung gibt besonders das Gedicht de ruina mundi Zeugnis:

„Ich sehe umgestürzt die ganze Welt,
Und hoffnungslos vernichtet
Jedwede Jugend, jede schöne Sitte;
Kein lebend Licht find‘ ich,
Ja keinen, der sich seiner Laster schämt.“

1475 ist er bei Gelegenheit einer großen Festlichkeit verschwunden und in das Dominikanerkloster zu Bologna getreten; noch am Tage seines Eintritts schrieb er einen herzbewegenden Brief an seinen Vater, die Verzeihung der Seinen zu erflehen. Er wollte im Kloster nur die niedrigsten Dinge verrichten, ein Leben der Buße führen und nicht, wie er sagt und wie es allgemein geschah, von Aristoteles in der Welt zu Aristoteles im Kloster übergehen. Allein er war zu Anderem ersehen. Sieben Jahre blieb er in Bologna, betend, sich kasteiend und die Bibel lesend, die er fast auswendig konnte. Immer mehr wurden seine Oberen auf seine Gaben aufmerksam und man beauftragte ihn mit dem Unterricht der Novizen; widerwillig, aber gehorsam kehrte er zu den Scholastikern zurück. Schon aber kam sein Schmerz über das Verderben der Kirche in dem Gedicht de ruina ecclesiae zum Ausdruck. Vor der Üppigkeit der Welt war er geflohen, Üppigkeit fand er an seinem Zufluchtsort selbst, und in Rom übertrafen seit Pius II. Tod die heiligen Väter die schlimmsten Fürsten an Lasterhaftigkeit. Ein Sixtus IV., ein Innozenz VIII. haben jedenfalls zu Savonarolas Charakterentwicklung und zu seinem Abscheu vor den verdorbenen Würdenträgern beigetragen, der dann wider den Letzteren und den unerreichten Alexander VI., Borgia, zum Ausbruch kam. Bald ward er vom Lehrstuhl auf die Kanzel befohlen und 1482 zunächst in seine Vaterstadt gesandt, aber der Prophet galt auch hier nichts im Vaterlande. Oder lag das an dem Propheten selbst? Durch einen Krieg, in den der Papst fast ganz Italien gestürzt hatte, ward Savonarola nach Florenz vertrieben, wo er in das Kloster San Marco eintrat, aber auch hier fand der neue Bruder wenig Anklang. Der junge Mönch mit dem alten Sinn, der gefurchten Stirn und den Flammenaugen, mit der tonlosen Stimme und den eckigen Gebärden hatte wenig Anziehendes, zumal er seine Predigten vortrug wie Lektionen, und weder durch gemeinen Gassenjargon die Menge zu ergötzen, noch durch Kokettieren mit heidnischem Unglauben und Brillieren mit Zitaten aus dem Alten die Gebildeten zu interessieren verstand. Im Gegenteil, er predigte heftig gegen die Laster, verachtete die Dichter und Philosophen und schien kein anderes Buch zu kennen als das schlechte Latein der Bibel. Das war nichts für die Stadt des üppigen Lebens und der wiederauflebenden klassischen Bildung; seine Zuhörer wurden immer weniger, 1483 hatte er in der Kirche San Lorenzo nicht mehr als 25. Alles lief zu den Predigten des Mariano de Gennazzano, des Günstlings der Medici, der den Schöngeistern durch seine glänzende Rhetorik, seinen gewählten Satzbau, seinen harmonischen Tonfall gefiel und mit dem Lorenzo von Medici sich gern in gelehrte Dispute einließ. Savonarola wollte das Predigen ganz aufgeben; da führten ihn seine Wanderjahre weiter.

Er ward 1484-85 für die Fastenpredigten nach dem kleinen Städtchen San Geminiano geschickt, wo er, in den Bergen von Siena verborgen, sich freier entwickelte; dort stellte er zum ersten Mal die drei Sätze auf: Die Kirche wird gezüchtigt werden und dann erneuert und zwar bald. Schon vernimmt er in seinem innigen Gebetsverkehr mit Gott direkte Antworten und Offenbarungen, die den Charakter der Vision tragen; die Geschichte des alttestamentlichen Volks und der Propheten, sowie der Apokalypse geben ihm zu seinen Bußpredigten und seinen Zukunftsbildern gleicherweise Anhalt an der Schrift. Voll und ganz brach seine innere Gewalt durch die äußeren Hemmnisse 1486 zu Brescia hindurch, wo er die Gestalten der 24 Ältesten der Apokalypse so gewaltig zu den Brescianern reden ließ, dass sein Name schon in ganz Italien genannt wird. Wieder nach Florenz zurückgekehrt, predigte er dort zunächst nicht, sondern legte erst in einer Zelle vor einem kleinen Kreis Auserwählter die Apokalypse aus; der Kreis wuchs, man zog unter den Rosenstrauch im Garten von San Marco, bis er schließlich auf vieles Bitten eines Sonnabends erklärte: „Morgen werden wir in der Kirche sprechen und das soll Lektion und Predigt zugleich sein.“

Der 1. August 14905Diese und andere Zeitangaben findet man oft unrichtig, so bei Rudelbach, Rothe, Schaff. Es beruht dies auf einer Nichtbeachtung des Unterschieds der alten florentinischen Zeitrechnung von der allgemeinen. sah die Kirche von San Marco erfüllt von einer neugierigen Menge, zum ersten Mal ertönten hier seine drei Sätze, seine Stimme erschallte schier übermenschlich – und ganz Florenz sprach von ihm und seinen Predigten. Die Gläubigen fanden in seinem biblischen Standpunkt ersehnte Speise, die Menge ward durch seinen ernsten Bußton von Schauern ergriffen, die Gebildeten auch disputierten über ihn, obwohl sie, wie es in der heidnischen Bildung der Zeit lag, gegen ihn waren. Aus letzterem Grunde schrieb er, um zu zeigen, dass auch er philosophische Bildung habe und vielleicht um die Gebildeten an sich zu ziehen, philosophische Schriften6„Grundriss der Philosophie“. „Logik“. „Moral“. „Über die Einteilung und den Rang der Wissenschaften“. „Auch hierin neu, erkennt er keine andere Autorität an, als die eigene Erfahrung und schreitet so vom Bekannten zum Unbekannten fort. Villari bezeichnet ihn als Campanellas Vorläufer und Quell., zugleich aber auch religiöse Schriften moralischen Inhalts.7Über die Demut, das Gebet, die Liebe zu Jesu Christo und das Leben der Witwen. Alle diese Schriften sollten dazu dienen, seine Predigt zu unterstützen, sie sind meist aus einem augenblicklichen Impuls schnell hingeworfen, wie er dann auch später die Zeiten, da er wenig oder gar nicht predigte, dazu benutzte, auf diese Weise zu seiner Gemeinde in einer Art von Hirtenbriefen zu reden.8Außer einer Anzahl Schriftauslegungen und Episteln meist apologetischen Inhalts sind seine bedeutendsten und gelesensten Schriften: Das Kompendium der Offenbarungen, Der Dialog über die prophetische Wahrheit, Von der Einfachheit des christlichen Lebens und Der Triumph des Kreuzes.

Das Hauptgewicht legte er selbst aber immer auf seine Predigt, durch die er so gewaltig wirkte, dass er bald der geistige Führer und Herr von Florenz war, dass ganz Italien, ja Europa auf ihn lauschte und selbst der Sultan sich seine Predigten übersetzen ließ. Die Klosterkirche von San Marco langte nicht mehr zu, so zog man seit den Fasten 1491 in den Dom; die Menge strömte so herzu, dass auch dort der Platz nicht langte und an den Seiten Emporen gebaut werden mussten. Von weither kamen sie, an besonderen Tagen ganze Pilgerkarawanen, und es bildete sich die Sitte, dass die Bürger jenen Fremdlingen entgegengingen, sie begrüßten, erquickten und in ihre Häuser luden. Das Volk fühlte, hier war Einer, der nicht bloß aus Zorn über seine Sünden es um diese strafte, sondern ein Jünger im Geiste des Herrn, von dem es heißt „ihn jammerte des Volks“, der in der Liebe dieses Herrn um die verlornen Seelen warb. Dabei reißt auch die Glut seiner Phantasie die Menge fort und seine Drohungen kommender Strafen übten auf die Gemüter eine magische Gewalt aus.

Zunächst führte ihn nun seine Predigt wider das heidnische Wesen in Leben und Bildung in einen Kampf auf Leben und Tod mit den Herren der Stadt, dem Hause Medici: die Üppigkeit und Freude am heidnischen Altertum, die diese dem Leben der ganzen Stadt aufprägten, betrachtete er als das Haupthindernis einer dauernden Umkehr des Volks. Lorenzo der Prächtige suchte den Mönch erst durch Drohungen einzuschüchtern, vergebens; er besuchte, als Savonarola Prior geworden war, die Messe in San Marco und machte dem Kloster Geschenke, Savonarola machte bittere Bemerkungen darüber in der Predigt und schenkte das Geld den Armen. Weder machte er Lorenzo, dem Neuerbauer des Klosters, den üblichen Besuch, als er Prior ward, noch begrüßte er ihn, wenn derselbe selbst in den Garten des Klosters kam und ihn erwartete. Obwohl der Prinzipe erzürnt auf ihn war, musste er doch die Charakterfestigkeit achten und als er zum Sterben kam, ließ er „den einzigen echten Mönch, den er kannte“ rufen, ihm die Absolution zu erteilen, da ihm sonst noch niemand die Wahrheit zu sagen gewagt habe. Lorenzos Nachfolger, Pietro Medici, war wohl ein eleganter Kavalier, aber unfähig das Werk seiner Väter aufrecht zu erhalten. Er unterstützte gegen sein eigenes Interesse Savonarolas Gesuch an den Papst um Selbständigmachung des Klosters von San Marco aus der lombardischen Kongregation, Savonarola wollte dadurch dem entgehen, dass er wieder, wie 1493, wenn er missliebig wurde, zur Predigt fortgeschickt werden konnte; die Klöster von Toskana schlossen sich San Marco zu einer neuen Kongregation an, deren Generalvikar Savonarola wurde. Das Volk von Florenz und besonders ein Teil des Adels sehnten sich zurück nach der Republik, schon unter Pietros Großvater, Cosimo, war ein Ausstand ausgebrochen; als Pietro in seiner Unsicherheit sich im November 1494 Karl VIII. von Frankreich in die Arme warf, brach der Aufstand in hellen Flammen aus und die Republik ward proklamiert. Freilich blieb ein Teil der Bürgerpartei, die besonders Savonarola anhingen, im Herzen mediceisch und ein großer Teil des republikanischen Adels hasste diesen wegen seiner Sittenstrenge, so dass seine politischen Gesinnungsgenossen oft seine erbittertsten Feinde waren. Dies erklärt auch, wie es möglich war, dass schon nach wenigen Jahren der Rat von Florenz Savonarola selbst verurteilte. Jetzt aber brauchten sie ihn dringend. Er hielt das Volk in Zucht, gab überall guten Rat, wenn er befragt wurde, so auch bei Aufstellung der neuen Verfassung, deren erster Paragraph nur über Savonarolas Kanzel geschrieben stand: „Jesus Christus, König von Florenz.“ Als Karl VIII., der auch nach dem Regierungswechsel „Beschützer von Florenz“ blieb, trotz der mit Capponi geschlossenen Verträge durch das einquartierte Heer die Stadt schwer bedrohte, war es Savonarola, der durch sein persönliches Einschreiten Hilfe brachte9Die Notizen in seinen Predigten, die für seine Geschichte von Bedeutung sind, sind noch nicht genügend beachtet.. Überhaupt hat dieser irdische Beschützer, auf den Savonarola für die Kirche große Hoffnungen gesetzt, und das Bündnis mit ihm der Stadt viel Kummer gebracht; auch die auf ihn gesetzte Hoffnung, dass er den Papst absetzen werde, hat er nicht erfüllt, sondern mit demselben paktiert. Darum erfüllte sich die angekündigte Strafe an ihm. Als Savonarola am 28. Dez. 1496 der bedrängten Stadt einen besonderen Gnadenbeweis verheißen, vertrieb der Wind schon am andern Tag die feindliche Flotte und trieb die erhoffte Zufuhr in den Hafen von Livorno herein. Solche und ähnliche Zeichen, dass Gott mit ihm sei, machten die Angriffe seiner Feinde in und außer der Stadt wirkungslos, Volk und Rat von Florenz standen treu zu ihm auch in dem erbitterten Kampf gegen Rom.

Der Papst erkannte allmählich den gefährlichen Feind, der ihm in dem sittenstrengen Mönch erwachsen war, er ermahnte ihn freundlich, bot ihm den Kardinalshut an, bis er ihm schließlich bei Strafe der Exkommunikation das Predigen verbot. Savonarola predigte (1495) trotzdem in bedrängter Zeit noch einige Male, schrieb an Kaiser und König wegen Berufung eines Konzils wider den Papst, so dass dessen Zorn in hellen Flammen ausbrach. Dann schwieg Savonarola, betend, sich prüfend und erwägend, ob seine Predigt notwendig sei oder nicht. Unterdessen hatte auch die Signoria10(im Mittelalter) höchste Behörde der italienischen Stadtstaaten für ihn doch die Erlaubnis zum Predigen wieder erwirkt und er benutzte nun die Fastenzeit 1496 besonders, sich Rom gegenüber zu rechtfertigen, Buße zu predigen, und die schon begonnene Sittenreform zur Vollendung zu bringen. Zum wütenden Ärger des üppigen Adels hatte er es schon in der Zeit des Predigtverbots verstanden, der Stadt und ihrem Leben durch die „Reform der Kinder“11Bis zum 18. Jahre, wo die florentinische Jugend erst das Gewand der Erwachsenen bekam. Wir haben das fanciulli daher meist entsprechender mit „Jugend“ übersetzt. ein ganz anderes Gepräge zu geben, das besonders in der sonst so frivolen, ja obszönen Karnevalszeit zum Ausdruck kam. Man vergleiche seine eigene Schilderung in der 1. Fastenpredigt 1496. Durch die Jugend ließ er Spiele, unsittliche Bücher, Bilder usw. sammeln und nach feierlicher Prozession verbrennen (vgl. seine Ermahnung an die Jugend). Der Hass seiner Feinde war schon so groß, dass ihn bei seinem ersten Wiederauftreten der Rat durch eine Wache geleiten ließ, die Zahl der Gegner wuchs und am Himmelfahrtsfest 1497 störten sie den Gottesdienst so, dass Savonarola nicht zu Ende predigen konnte und mit genauer Not der Ermordung in der Kirche entging. In Folge seiner immer schärferen Angriffe gegen Rom, erfolgte nun die endgültige Exkommunikation Mai 1497, die nicht nur den eifersüchtigen Franziskanern in Florenz eine willkommene Handhabe gab, sondern auch zur Folge hatte, dass die Frechheit sich wider den einst so Gefeierten breit machte und binnen Monatsfrist das unsittliche Leben in Florenz aufblühte, wie kaum zur Zeit der Medici. Trauernd zog er sich zu seinen Klosterbrüdern zurück, bis die Not der Stadt seine Anhänger immer dringender mit der Bitte werden ließ, dass er das Volk stärke und tröste. Er tat es, obwohl im Bann, und predigte von Septuagesimä 1498 ab wieder mit unerhörter Kühnheit und mit dem Gefühl des nahen Endes.12In eben dieser Predigt von Septuagesimä, den 11. Febr. 1498 (Predigten über den Exodus I) sagt er: Die ganze Theologie, alle kanonischen und bürgerlichen Gesetze, alle Zeremonien der Kirche sind um der christlichen Liebe willen verordnet, und die ganze Welt ist von Gott zur Liebe geschaffen. Wer also etwas gegen die christliche Liebe gebietet, die das A und O unseres Gesetzes ist, anathema sit, der sei von Gott exkommuniziert. Und wenn es ein Engel sagte, alle Heiligen und die Jungfrau Maria (was natürlich nicht möglich ist) anathema sit. Wenn ein Gesetz, ein Kanon, ein Konzil es sagte, anathema sit. Und wenn irgend ein Papst dem, was ich hier sage, je widersprochen hat, so sei er exkommuniziert! Ja, Bürger und Frauen, wir müssen alle bereit sein, für diese Wahrheit zu sterben. Ich wende mich zu dir, o Herr, du bist für die Wahrheit gestorben. Ich bitte dich, nur für sie lass mich sterben, zum Heil deiner Auserwählten und dieses Volks. Als eine ihm feindlich gesinnte Signoria gewählt ward, die, vom Papst gedrängt und bedroht, ihn am 17. März 1498 ersuchte, das Predigen einzustellen, hielt er am folgenden Tag noch eine Predigt mit dem Bewusstsein, dass es seine letzte sei. Noch einmal redete er zum Volk bei der Feuerprobe auf dem Marktplatz. Von den Franziskanern, nicht von ihm provoziert, sollte dieselbe die Wahrheit seiner Lehre oder der Behauptungen seiner Gegner erweisen, indem je ein Franziskaner und ein Dominikaner zwischen brennenden Holzstößen hindurchging. Sein Schüler Domenico war voll Begeisterung bereit, die Franziskaner aber wollten nun nicht und suchten die Sache durch nichtige Dispute über Formalitäten hinzuziehen, bis am Abend ein Befehl der Signoria das Nachhausegehen befahl. Die Enttäuschung des wundergierigen Volkes machte sich in einer grenzenlosen Wut Luft, die sich über dem unschuldigen Haupte Savonarolas entlud. Das Kloster ward gestürmt, Savonarola ward in den Kerker geschleppt und, ohne dass man bei aller Mühe einen Scheingrund fand, vom geistlichen und weltlichen Gericht zum Feuertod verurteilt. In den schweren Tagen vor seinem Tode hat er im Kerker jene herrlichen, gebetsartigen Meditationen über den 51. und 31. Psalm geschrieben, die unseren Luther bewogen, ihn als evangelischen Glaubenshelden zu „kanonisieren“. Ruhig und ergeben, nachdem er mit den gleichzeitig verurteilten Brüdern Domenico und Silvester das Abendmahl genossen, beschritt er den Scheiterhaufen, dem Bischof, der in seiner Verwirrung sagte: Ich scheide dich von der streitenden und triumphierenden Kirche!“ antwortend: „Von der streitenden, nicht der triumphierenden, denn das kannst du nicht!“ mit solchem Tone, dass es den Umstehenden unvergesslich blieb. Meist trauernd stand dasselbe Volk umher, das erst so wütend schien, sie hofften bis zuletzt ein Wunder. Sein Andenken blieb; er war auch noch im Tode lange der geistige Führer von Florenz, wie auch politisch die streitenden Parteien sich über seiner Asche die Hand reichten, so dass es lange dauerte, ehe die Medici und der Papst dort wieder zur Herrschaft gelangten.