Die fünf Märtyrer von Genf in Chambery (Vernon, Laborie, Trigalet, Bataille, Taurant).

Heinrich II., ein Sohn Franz I., folgte diesem auf Frankreichs Thron 1547. Seine Frau war die Italienerin Katharina von Medici. Nach seinem Edict von Chateaubriant hatte der König 1551 das Ketzer-Gericht, welches bis dahin immer getheilt gewesen, einem Gerichtshof, der am Leben strafen dürfe, übertragen. Später bestätigte der König den Matthias Ori als Haupt-Inquisitor.

Im Jahr 1553 starben zu Lyon fünf Studenten, deren Ende der folgende Band erzählen wird. In England starben 1555 den Märtyrertod die Bischöfe Hooper, Nicolaus Ridley, Hugo Latimer und Cranmer. In Frankreich starben in demselben Jahre die fünf Märtyrer zu Chambery: Johan Vernon, ein Schüler Calvin’s, gebürtig von Poitiers, Anton Laborie von Cajar in Quercy, vormals königlicher Richter ebendaselbst und nachmals ein Diener des Worts, Johan Trigalet, Rechts-Licentiat von Nimes in Languedoc, ebenfalls Theolog, und ihre zwei weltlichen Begleiter und Glaubensgenossen Bertrand Bataille, ein Gaskogner, noch ein Studiosys der Theologie und Guirald Taurant aus Cahors in Quercy, ein Kaufmann, der auf der übrigen Wunsch die Reise mit ihnen fortsetzte, da er sie nur bis auf die Grenze hatte begleiten wollen. Diese fünf waren von der evangelischen Gemeinde zu Genf nach Frankreich ausgesandt, das Evangelium zu predigen. Ungeachtet sie gewarnt wurden, wie ihnen Verfolgungen, ja der Scheiterhaufen drohen würde, betraten sie gleichwohl getrost in ihrem Gott ihre Laufbahn, und zogen ihres Weges Psalmen singend.

Ein französischer Unterbeamter aber, der ihre Aussendung in Genf ausgekundschaftet, verlegte ihnen die Straße und fing sie auf dem Col de Tamis in Fossigny in Savoyen und brachte sie gefesselt nach Chambery. Sie wurden, wie dann Vernon der Genfer Gemeinde berichtete, vor ein geistliches Gericht geführt, der Ketzermeister in demselben war der in der Genfer Reformationsgeschichte bekannte Weihbischof Fürbitti. Um sich gehörig zu vertheidigen verlangten sie die Bibel und Calvin’s Institutionen, welche ihnen abgenommen worden waren, und die auf dem Tische lagen; sie wurden ihnen aber verweigert. Dies geschah am 10. Juli 1555. Die Regierung von Bern forderte der Gefangenen Loslassung. Umsonst. Den 14. Juli wurden sie wieder verhört; es saßen im Ketzergericht neben Advokaten auch Dominikaner und Franziskaner. Es handelte sich um die Messe, die andern Sakramente, die Gewalt des Pabstes u. dgl. Den 17. Juli wurden die fünf als Ketzer verdammt. Die Ketzerrichter hatten vergeblich gesucht, den Bataille und Taurant vom evangelischen Glauben abzubringen und hatten sie in besondre Haft gebracht. Da aber auch diese zwei standhaft blieben, wurden sie wieder zu den übrigen Gefangenen gelassen, die sich nun gegenseitig belehrten und ermunterten und auch mit Psalmensingen über ihr Elend erhoben.

Wir besitzen aus ihrer Haft, die noch etliche Monate dauern sollte, köstliche Briefe. Aus denselben wollen wir einige Hauptstellen mittheilen. Laborie schrieb den 4. Septbr. 1555 an die Genfer Prediger: „Ich habe meinen Richtern Alles gesagt, was mir der Herr gegeben, und Alles mit Schriftworten bekräftigt, also daß ich Gott höchlich für seine Hülfe zu danken habe. Wir schauten einander stracks an und ich bemerkte Thränen in den Augen einiger der jüngeren Räthe. Dem Ketzermeister sagte ich u. a.: Es wundert uns, daß Ihr die Ehe für ein Sakrament haltet, so Ihr doch dieselbe für Euch für unrein achtet und Euch selber sie verbietet, dagegen in Unzucht lebet. Taurant, welcher erst vor drei Monaten zur Erkenntniß der Wahrheit gekommen und den sie zu überreden und zum Abfall zu bringen suchten, hielt ihnen ihr unevangelisches Wesen noch schärfer vor als wir übrigen.

Mittwoch den 21. August verurtheilte uns das Parlament, Bernon, Laborie und Trigalet zur Galere auf lebenslang, den Bataille und Taurant auf zehn Jahre. Der königliche Procurator appellierte.

Wieder vor den Rath geführt, sollte ich die Hand auf ein mit grüner Farbe auf ein Brett gemaltes Kreuz legen und auf dasselbe schwören; ich weigerte mich deß, und sagte: ich wolle zum Himmel aufschauen und bei dem lebendigen Gott schwören. Dies nahmen sie an. Darauf wurden mir neuerdings Ketzereien vorgehalten. Ich vertheidigte mich wieder. Sie droheten mir mit des Königs Edict wider die Ketzer. Ich sagte: der Richter im Himmel wird einst richten, der wird die Register und Bücher aufschlagen; unsre Sache wird als die rechte erfunden, ihr aber werdet verdammt werden. –

Wir hören, wir seien alle fünf zum Feuer verurtheilt, und erwarten täglich, daß uns das Urtheil vorgelesen werde. Die vornehmsten Herren (Bern und Genf) haben sich unser angenommen; die ganze Kirche hat für uns geseufzt; wir haben die Frucht ihres Gebetes empfunden. Ich kann in Wahrheit bezeugen, daß ich in meinem Leben an Leib und Seele nie wohler gewesen, als in diesem meinem Gefängniß, weil denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen.“

Seiner jungen Gattin Anna schrieb Laborie mehrere Briefe. Wir wollen aus denselben einige Hauptstellen mittheilen: „Ich danke dem gütigen Gott, daß er mich durch deinen Brief inniglich getröstet hat und besonders auch durch die, welche dich gesprochen und mir deine Standhaftigkeit gerühmt, die dir Gott verleiht. Ich bitte dich, du wollest dies erkennen als eine besondre Gnade Gottes, die von ihm allein kommt, und du wollest dich desto mehr demüthigen, ihm gehorsam zu sein, damit er seine Gnaden und Gaben gegen dich vermehre. Denn fürwahr, wenn mein Tod keinen anderen Nutzen bringen würde (ich hoffe zu Gott, er wird nicht fruchtlos sein), denn daß du durch denselben, wie ich höre, noch mehr erweckt wirst zur Erkenntniß Gottes, so soll mir doch dies schon genug sein, den Tod mit Freuden zu erdulden. Ich bitte Gott, er wolle das angefangene heilige Werk an dir vollführen und dich je länger je mehr durch die Kraft seines h. Geistes zu sich ziehen. Wir sind nun der Stunde gewärtig, da wir zum Tod sollen geführt werden. Wir können keinen andern Ausgang sehen; wie sehr sich auch die Menschen für uns noch bemühen mögen. Daher bitte ich dich, rufe doch Gott ohne Unterlaß an, er wolle uns eine unüberwindliche Standhaftigkeit verleihen, daß wir das Werk, welches er in uns angefangen, vollenden. Fürwahr, ich habe in meinem Leben nie etwas mit größerer Begierde verlangt, als um Christi und seiner Wahrheit wegen zu sterben. Das nämliche werden auch meine Mitbrüder sagen, ich bin dessen gewiß. Bedenke dein Leben lang, daß du einen Mann zur Ehe gehabt, der wahrhaftig in die Zahl der Kinder Gottes auf- und angenommen ist. Hüte dich, daß nicht Christi Wort sich an dir erfülle: Zwei werden auf Einem Bette liegen, das Eine wird angenommen, das Andre wird verlassen werden. Das sei deine höchste Angelegenheit, Gott vom Herzen zu erkennen und zu lieben und seinem heiligen Willen gehorsam zu sein die ganze Zeit deines Lebens. Darin übe dich ihn zu fürchten und zu ehren, die Wohlthaten seiner Gnade mit Dank zu erkennen, auf daß du seine Tochter bleibest, wie ich denn jederzeit gewisse Kennzeichen der Kindschaft Gottes an dir wahrgenommen habe, damit wir dermaleinst einander wieder sehen und miteinander ewiglich Gott loben und preisen mögen in der himmlischen Herrlichkeit, zu welcher uns der Sohn Gottes, Jesus Christus berufen. Du bist noch jung; tröste dich mit Gott. Laß den Herrn Christum deinen Vater und Bräutigam sein, bis daß er dir einen andern Gatten bescheret. Ich bin gewiß, er wird dich nimmer verlassen, sondern deine Sachen über dein Wünschen ausführen. Rufe daher den Herren Christum an unablässig; fürchte und liebe ihn mit Worten und Werken. Gehe fleißig zur Predigt des göttlichen Wortes. Hüte dich vor böser Gesellschaft. Gehe gern um mit frommen und gottesfürchtigen Leuten. Thue nichts einzig nach deinem Gefallen und Gutdünken, sondern ziehe allezeit gute Leute, die uns beiden Freundschaft erzeigt, zu Rath und besonders den Herrn Johann Calvin, der dir nicht übel beistehen wird, wenn du ihm folgest, wie du billig thust, und wozu ich dich auch ermahne. Denn du weißt, daß dieser Mann fürwahr vom Geiste Gottes regiert wird. Er kann dir daher auch nichts Böses rathen. Willst du dich wieder verehlichen, wozu ich dir selber rathe, so begehre dann besonders Calvin’s Rath und beginne nichts ohne sein Vorwissen und seinen Willen. Erwähle dir einen gottesfürchtigen Gatten, sonst stehe lieber ab dich wieder zu verehelichen. Aber ich hoffe, der Herr wird dich versorgen, wie es dir nach seiner Weisheit selig ist. Rufe ihn daher an vor allem anderen und verlaß dich auf seine Güte. Ich habe ihn unablässig für dich gebeten und bete immer für dich. Du weißt, wie wir uns, so lange uns der gute Gott bei einander gelassen, so innig lieb gehabt. Gottes Friede hat immer unter uns gewohnt und du bist mir in allen Dingen gehorsam gewesen. Ich bitte dich, du wollest dich auch künftig gegen den, welchen dir Gott geben wird, gleicher Weise oder noch besser verhalten. So wird Gott allezeit mit seiner Gnade bei dir und deinen Kindern wohnen. Bedenke immerdar den Anfangsunterricht, den du von mir empfangen, (zwar war ich leider nicht fleißig genug in meinem Amte) baue fort auf demselben Grunde, damit du je länger je mehr dich Gott nahest. Vielleicht wird auch dein Vater, wenn er meinen Tod vernommen, nicht lange fern von dir bleiben und sich bemühen, dich wieder in’s Pabstthum zurückzubringen. Ich bitte dich aber um Gottes und deiner Seligkeit willen, deinem Vater hierin nicht zu gehorchen, sondern ihn abzuweisen, daß du lieber in Gottes Hause bleibest denn wieder in Satans Wohnung zurückkehrest. Ich wollte lieber, daß du vom tiefsten Abgrund verschlungen würdest, ja daß du schon lange todt wärest, denn daß du wiederum eine Päbstlerin werden solltest. Ich zweifle aber auch nicht, du wirst lieber sterben, als hierin deinem Vater gehorchen wollen. Dieser Tod würde dir auch viel besser und heilsamer sein. Bitte aber dennoch Gott, er wolle dich mit seinem h. Geist stärken. Es werden vielleicht auch meine Eltern daran denken, unser Töchterlein zu ihnen zu nehmen. Aber ich bitte dich und an Gottes Statt befehle ich dir, daß diese große Sünde und dieser Frevel nicht ausgeführt werde; es gehe dir denn darüber wie Gott will. Denn ich rufe Gott zum Zeugen an, daß ich dieses unseres Töchterleins Blut von deinen Händen fordern will; wenn es durch deine Schuld und Verwahrlosung Schaden an seiner Seele leiden wird, soll all‘ sein Blut über dein Haupt kommen und ausgegossen werden. Ich bitte dich deswegen bei deinem Dienst, den du Gott schuldig bist, bei deiner mütterlichen Pflicht, bei der Liebe, mit welcher du mir, deinem Gatten, und dem Vater deines Töchterleins verbunden bist, du wollest dir diese meine letzte Bitte lassen zu Herzen gehen und unser Töchterlein, so bald es für Lehre tüchtig, in Gottesfurcht wohl erziehen lassen. Ich hätte deinem Vater wie auch meinen Eltern gerne geschrieben. Aber ich habe dießmal nicht mehr Papier und Tinte und auch nicht mehr bekommen können. Schreibe ihnen was mir durch Gottes Gnade widerfahren, tröste sie und führe ihnen zu Gemüth die großen Gnaden und Wohlthaten, die mir Gott während meiner Gefangenschaft erzeigt hat. Gebe Gott, daß sie durch meinen Tod mehr erweicht und bewegt werden, ihn recht zu erkennen und zu ehren, denn sie bei meinem Leben durch meine Vermahnungen sich haben wollen erbauen lassen. Gott wolle sich ihrer erbarmen!“

Aus einem andern Brief Antons Laborie an seine Gattin Anna: „ Da wir noch bei einander waren, hattest du nicht so viel gute Freunde wie dir Gott jetzt, seit ich gefangen bin, erweckt hat. Diese werden nun noch besser für dich sorgen, als ich selber gekonnt hätte, das wird mir aus vielen Briefen kund. Das kommt allein vom lieben Gott; er gibt dir statt deines Mannes viel treue Väter und Brüder in Christo. Du sollst danken und hieraus lernen, wie viel besser es sei, Anfechtung, Widerwärtigkeit und Armuth nach dem Fleisch leiden, denn allezeit Ruhe und gute Tage vollauf haben. Der Glaube wird erprobt nur im Feuerofen der Trübsal. Ich zweifle nicht, du empfindest die Verfolgung mehr als ich. Deßwegen sollst du dich auch seliger achten und im Herrn trösten und all‘ dein Vertrauen und Hoffen auf ihn allein setzen. Du weißt, da wir noch in unserm Vaterland waren und ich mit großen Herren umging, die mir Gunst und Freundschaft erzeigten, daß ich damals fern von Gott war. Ja auch in Genf, da wir noch ein übriges hatten, du weißt wie kalt und nachlässig wir bald geworden, wie wenig und schläfrig wir an Gott und seine Wohlthaten gedacht. Aber da es dann uns später weniger nach Wunsch und Willen ging, da fingen wir an, unsre Zuflucht zu Gott zu nehmen, mit größerm Ernst und Eifer zu beten und in der h. Schrift zu lesen und uns gegenseitig zu trösten. Lerne also, größre Lust zu haben an Armuth denn an Reichthum, Müßiggang und Wollust und laß dir genügen an den Gütern, die uns von Christo angeboten wurden, der da will, daß wir sie in seinem Kreuz suchen und unser Kreuz geduldig auf uns nehmen und ihm nachfolgen.“

Aus einem andern Brief Laborie’s: „Liebe Schwester Anna, ich habe deinen Brief vom 15. Sept. so wie auch die Kleidungsstücke erhalten, die du mir geschickt; es ist mir lieb, daß du bei diesem Froste an mich gedacht. An den Wohlthaten, die dir Gott erzeigt, ersehe ich die Frucht meines Gebetes. Zwar mein Tod kommt dir schwer an, und du bekümmerst dich darüber heftig; ich konnte das voraus denken, denn ich kenne deine Schwachheit. Aber ich ermahne dich, daß du derselben widerstehest. Ich machte dich mit dem Gedanken vertraut, dich meiner nicht anders zu erinnern denn eines Todten, der bereits zu Asche verbrannt ist, dem du nicht weiter verpflichtet bist als zu brüderlicher Liebe, daß du für mich betest, so lange ich in diesem elenden Leibe auf Erden wohne. Tröste dich mit der Ruth, der Moabitin! Meinst du, Gott werde zugeben, daß es dir an leiblicher Nothdurft mangle? mit nichten. Er wird für dich und nicht weniger auch für deine Tochter sorgen. Du und mein Töchterlein werdet nach meinem Tode viel reicher sein, als ihr jetzo seid. Ich will dich hiermit sammt deiner Tochter dem treuen Gott befohlen haben, welcher euer gewiß sorgfältiger und herzlicher hüten wird, denn ich selbst hätte thun können.“

Auch Johan Vernons Briefe aus dem Gefängniß sind es werth, daß einige Stellen derselben mitgetheilt werden. „Wer mit einem Rechtschaffenen zu schaffen hat, darf ohne Kummer sein, besonders wenn er von ihm geliebt wird. Nun haben wir es mit Gott zu thun, der seines Sohnes nicht verschont, sondern hat ihn für uns Alle dahin gegeben, wie sollte er mit ihm uns nicht alles schenken? Verlassen wir uns auf den lebendigen Gott, der bereitwilliger ist zu geben, denn wir zu empfangen! Viele wahre Gläubige werden am jüngsten Tag wider solche Scheinchristen auftreten, welche sich einen besondern seidenen oder samtenen Christum ihres Gefallens einbilden und ein vom Kreuz und Ungemach abgesondertes Christenthum haben wollen.“ Vernon schrieb seiner Schwester: „Durch das Kreuz werden wir unserm Herrn Jesu gleichförmig gemacht nicht allein in dem, daß wir leiden und sterben wie er, sondern auch in dem, daß wir seiner Heiligung theilhaft werden und so mit ihm durch das Kreuz und die Heiligung zur ewigen Freude und Herrlichkeit eingehen.“

Trigalet schrieb seinem Schwager: „Der gütige Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, dessen Gefangene wir sind, wird uns seine Gnade erzeigen, daß wir seinen heiligen Namen preisen und seine Kirche erbauen können, sei es, daß wir scheiden durch Wasser oder Feuer aus dieser elenden Welt.“

Taurant sagt in einem Abschiedsbriefe seinem Freund: „Pein und Folterung nehme ich an als Mittel, durch welche mich Gott ihm selber näher bringen will. Fordert er mich durchs Feuer, so tröste ich mich der drei Jünglinge, die im Feuerofen zu Babel lebendig erhalten worden sind. Und ich weiß, daß Gottes Macht heute nicht geringer ist. Fordert er mich durchs Wasser, so tröst ich mich der Kinder Israel, die durchs rothe Meer unverletzt hindurchgegangen. Er mache es mit mir, wie er will, so bin ich gar wohl damit zufrieden.“

Die Brüder schrieben auch an Calvin und von ihm, dessen Trostbriefe damals durch treue Boten in alle Kerker und in die Hände der Verfolgten kamen, haben wir noch drei Briefe an die Gefangenen zu Chambery vom 5. Sept. und 8. Oct. 1555. Im Briefe vom 5. Sept. sagt er ihnen: „Laborie und Trigalet können auch betreffend ihre nächsten Verwandten getrost sein, denn sie ergeben sich gelassen in Gottes Willen.“ „Vor Allem,“ sagt er ferner, „verlasset euch auf Gottes väterliche Güte und zweifelt nicht, er halte eure Leiber und Seelen in seiner Obhut; und da das Blut seiner Gläubigen ihm theuer ist, so wird er das in Wirklichkeit auch an euch erweisen, nachdem er euch zu seinen Zeugen erwählt hat.“ In einer Berufung der fünf an den König, die sie ihm zur Prüfung zugesandt, hätte er zwar einige Ausdrücke anders gewünscht; „doch,“ sagt er, „will ich lieber, es bleibe, wie es Euch Gott eingegeben. Wenn die Welt eine solche gerechte und heilige Berufung auf das Recht nicht annimmt, so wird sie doch den Beifall Gottes haben, seiner Engel und Propheten und der ganzen Kirche. Alle Gläubigen, die sie lesen, werden Gott preisen um das, was er euch durch seinen heiligen Geist eingegeben.“ Am 5. Oct. schrieb ihnen Calvin u. A.: „Es ist eine der größten Listen Satans, durch in die Länge ziehen die zu ermüden, die er im ersten Ueberfall nicht schlagen konnte. Aber Gott wird eure Standhaftigkeit befestigen, daß ihr ausharrt bis ans Ende.“

An dem Tage, da sie zur Richtstätte geführt wurden, fand ein Mann, der sich um sie viel bemüht hatte, Gelegenheit in ihren Kerker zu kommen und ihnen eilends die Nachricht des Urtheilsspruches des Parlaments von ihnen beizubringen, und sie zu trösten und zur Standhaftigkeit zu ermuntern. Da erhoben sie ihre Stimme und dankten Gott für die ihnen gewordene Gnade. Vernon aber erschrak bei der ersten Ankündigung des Todes so, daß er an allen Gliedern zitterte, und sagte: ich fühle in mir einen heftigeren Kampf, als dem Menschen gegeben ist, auszufechten, jedoch wird der Geist dies vermaledeite Fleisch bezwingen und ich bin überzeugt, daß der gute Gott mich nicht verlassen wird. Ich bitte Euch, meine Brüder, ärgert euch nicht an mir; ich werde nicht sinken; denn Gott hat verheißen, daß er uns nicht lassen will in unsrer Trübsal; und diese Todesfurcht muß uns wohl von unsrer Schwachheit überzeugen, damit alle Ehre ihm bleibe.“

Als sie auf dem Richtplatz standen, gewann Vernon, was er sich von der Güte Gottes versprochen hatte, ein seliges Ausharren und jene Kraft, die eines Christen würdig ist. Er zuerst wurde von den Henkern ergriffen und ehe er festgebunden ward, sprach er sein Gebet: „Herr, ich bekenne vor dir, daß ich ein armer Sünder bin u. s. w.,“ auch sein Glaubensbekenntniß, und empfahl seinen Geist dem Herrn, also daß er alle Schmerzen des Todes und seine Feinde besiegte.

Anton Laborie fühlte gar keine Todesschrecken; als ob er zu einem Freudenmahle ginge, stellte er sich freudig und muthig dar. Ehe er starb, wurde er vom Henker um Verzeihung gebeten. Laborie antwortete: „Mein Freund, du beleidigst mich nicht und durch dein Thun werde ich aus einem gar schlimmen Gefängniß befreit.“ Nach diesen Worten küßte er ihn. Mehrere unter dem Volk wurden von Mitleid bewegt und weinten bei diesem Anblick. Darauf sprach er das von Vernon begonnene Gebet ganz aus, dann mit lauter Stimme sein Bekenntniß und gab seinen Geist mit bewundernswürdiger Standhaftigkeit auf.

Johan Trigalet stellte sich dem Tode ebenfalls mit freudigem Herzen und mit Heiterkeit und sagte, für seine Feinde bittend: „es sind mehrere unter ihnen, die nicht wissen, was sie thun, einige aber, die es wohl wissen und durch Satans Zauber gehalten und trunken vom Erdenglück, ihren Glauben nicht bekennen wollen. Aber mein Gott, ich bitte dich, löse ihre Fesseln.“ Darauf: „Ich sehe dich schon hoch auf deinem Thron und die Himmel geöffnet, wie du sie deinem Diener Stephan gezeigt hast“ und so gab er seinen Geist auf.

Bataille bekannte laut, sie seien nicht auf dem Richtplatz als Diebe und Mörder, sondern weil sie für die Sache Gottes gestritten. Und nachdem er gebetet, wurde er bald hingerichtet.

Der letzte, Taurant, sprach einige Psalmstellen, die deutlich gehört wurden; obgleich jung, zeigte er nicht weniger Standhaftigkeit als die andern und mit großem Eifer und starker Stimme betend, starb er.

A. E. Fröhlich in Aarau

Evangelisches Jahrbuch für 1856
Herausgegeben von Ferdinand Piper
Siebenter Jahrgang
Berlin,
Verlag von Wiegandt und Grieben
1862

Matthias Waibel

Zwischen Reformation und Revolution ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Die Revolution ist eine Ausgeburt der Finsterniß, die sich vergeblich in den Schein des Lichts zu kleiden sucht. Sie fordert Recht, aber sie selbst übet Gewalt; sie verheißt Besserung, aber sie macht das Uebel ärger. Sie ist wie ein verheerendes Gewitter, ein Strafgericht über die Menschen und Völker, das der Herr zuläßt zu ihrer Besserung, um gut zu machen, wenn sie sich bekehren, was sie übel machten. Die Reformation dagegen ist eine Tochter des Lichtes. Als das Licht des Evangeliums Christi in seiner eignen Kirche von dem Papst und seiner zahlreichen Priesterschaft in aller Welt unter den Scheffel gesetzt war, daß es dem Volke nur noch spärlich leuchtete, hat sie es wieder auf den Leuchter gesetzt. Da wurde es wieder licht in der Kirche des Herrn wie zu der Apostel Zeit und noch manches Jahrhundert danach, und lichter und besser durch manche Reform auch in der bürgerlichen Ordnung der Christenheit. Aber diejenigen, welche von der Finsterniß und der Ungerechtigkeit Nutzen ziehn nach ihrer Art, nannten und nennen bis auf den heutigen Tag die Reformation Revolution, dagegen die, welche von der Revolution, dem gewaltsamen, rechtlosen, gottlosen Umsturz des Bestehenden, für sich einen Nutzen hoffen, dieselbe gerne Reformation der Kirche und Reform des Staates nennen möchten. Nur die Unverbesserlichen können verwechseln, weil sie es wollen, was so erkennbar von einander geschieden ist, wie Tag und Nacht. Dieser Unterschied wurde im Ganzen und Einzelnen vollkommen erkennbar im Zeitalter der Reformation selbst, da sich neben dem hellen Lichte der Reformation der dunkle Schatten der Revolution des Bauernkriegs gelagert hat. Besonders deutlich tritt dieser Unterschied im Leben und Ende des Reformators im Allgäu hervor, dessen wohlverdientes Gedächtniß wir hier erneuern.

Matthias Waibel ist von ehrbaren und frommen Aeltern geboren in einem Dorfe, genannt Martinszell, welches ungefähr 2 Meilen Wegs von der Stadt Kempten im Allgäu liegt und im ehemaligen Gebiet der vormaligen gefürsteten Abtei von Kempten. Sein Vater war Hans Waibel, ein aufrichtiger, frommer Bauersmann. Dieser hat ihn nachmals vom Hirtenstab in der Stadt Kempten zu einem Bürger in Kost gethan und zwei ganze Jahre zur Schule, die dazumal der Abt im Kloster eingerichtet hatte, gezogen und angehalten. In welcher Schule denn auch Matthias dermaßen sich vor Andern in Zucht und Lehre hervorgethan, daß ihn der Abt sogar zu sich ins Kloster auf seine eignen Kosten ausgenommen und folgends bald hernach, weil er sich in Lehre und Leben alleweg fromm, fleißig und eingezogen hielt, mit etlichen jungen Mönchen von Adel, deren Pädagogus oder Aufseher er sein sollte, auf die hohe Schule gen Wien in Oesterreich geschicket hat. Daselbst ist er im Studieren gar fleißig und ernstlich fortgefahren und eines züchtigen und ehrbaren Lebens und Wandels für und für geblieben, wie denn davon wahrhaftig Zeugniß gaben viele fromme und gottesgelehrte Leute, die zum Theil noch am Leben waren, als Ludwig Rabus, Prediger der Kirchen zu Straßburg, ein Landsmann, Zeit- und Glaubensgenosse desselben, im andern Theile seiner Historien der heiligen auserwählten Gotteszeugen im Jahre 1556 auch vom Leben und Ende unseres frommen Matthias Alles gar fleißig erforscht und für die Nachwelt getreulich erzählt hat.

Nachdem nun aber Matthias von der hohen Schule wiederum heim gekommen, hat ihm der Abt von Kempten die Schule desselbigen Ortes anvertraut und ihn erstlich zu einem Schulmeister gemacht, bald darauf aber ihn auch zu einem Priester, wie zur selbigen Zeit der Brauch gewesen, weihen lassen und ihm als einem verständigen und gottseligen Manne die Seelsorge sammt dem Predigtamt in einer besondern Pfarrei, genannt die Pfarr auf dem Berg, welche Kirche außerhalb der Stadt Kempten zunächst am Kloster unter des Abtes Herrschaft gelegen ist, anvertraut und anbefohlen. In solchem Pfarramt also bei St. Lorenz hat er sich ohngefähr in die 6 ganze Jahre dermaßen in Lehre und Leben gehalten, daß er von männiglich in Stadt und Land lieb gehalten worden ist, auch einen großen Zugang frommer Christenleute bekommen hat, die, des papistischen Joches überdrüssig, mit höchster Begierde und Andacht die reine Lehre des Evangeliums von ihm angehört haben. Nenn Gott der Herr ihn bei Zeiten und gar bald aus des Antichrists Greueln in die Erkenntniß seines heiligen Wortes durch seinen heiligen Geist gnädiglich geführt hat. Und ob er gleichwohl im Anfang nach papistischer Gewohnheit noch Messe gelesen, so ist doch dies in alleweg seine vornehmste Sorge gewesen, wie er den Inhörern von der Kanzel Gottes Wort rein und lauter predigte und dasselbige auch mit nachfolgendem züchtigen Wandel, wie einem rechtschaffenen Hirten und Seelsorger zusteht, zieren möchte. Hat auch daneben alles Opfer, so ihm das Jahr durch geworden, den Armen um Gottes willen zu ihrem Unterhalt verabfolgen lassen. Und endlich ist er des Meßkrames gar müßig und ledig gestanden.

Die Summa seiner Lehre zum Volke aber bestand vornehmlich aus folgenden 2 Stücken. Das 1. Stück ist dieses: daß Vergebung der Sünden, Gottes Gnade und das ewige und selige Leben nicht durch unser Verdienst oder Thun, sondern allein durch einen rechten, wahren Glauben an den lebendigen eingebornen Sohn Gottes, den Herrn Jesum Christum, welcher um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt ist (Röm. 4, 25), erlangt und erhalten werde; das andere Stück aber ist dieses: daß aber danach aus einem solchen Glauben zum Zeugniß, daß er rechtschaffen und wahr sei, die rechten christlichen und in Gottes Wort gegründeten guten Früchte und Werke der Liebe gegen Gott und den Nächsten folgen sollen und müssen. Das ist auch die Hauptsumme des Evangeliums und der Lehre des theuern Gottesmannes Dr. Martin Luther.

Und da im Jahre 1525 aus Verhängniß des zornigen Gottes, „dessen Gericht dahin ging“, wie die Chronik der Stadt Kempten sich ausdrückt, „daß die unbarmherzige Obrigkeit und die ungehorsamen Unterthanen einander selber strafen mußten“ (was denn auch reichlich und schrecklich geschehen), nach langen vergeblichen Verhandlungen zwischen dem Abt von Kempten und seinen Unterthanen endlich eine erschreckliche Empörung der Bauern wider ihre verordnete Obrigkeit zuerst gerade in der Gegend von Kempten ausbrach, um sich von da fast über ganz Deutschland auszubreiten und dasselbe jämmerlich zu verwüsten, so hat unser Matthias, wie alle Reformatoren und zumal unser Luther, in seinen Predigten solchem Unwesen mit höchstem Ernste widersprochen, seine Zuhörer von solchem aufrührerischen Vornehmen öffentlich abgemahnt, auch angezeigt, wie sie mit solcher Unweis den allmächtigen, ewigen Gott schwer erzürnen und daneben auch Ursache geben werden, daß die reine Lehre des Evangeliums, die doch alle Christen ermahnt, einem Jeden zu geben, was man ihm schuldig ist, von den Feinden und Widersachern desselben zur Lästerung göttlichen Namens geschändet und geschmäht und also der Lauf göttlichen Wortes verhindert werde. Endlich aber, weil ohne Zweifel der heilige Geist ihm inwendig in seinem Herzen zu verstehen gegeben, wie er nicht allein mit dem Munde, sondern auch mit seinem Blut und Tod den Herrn Christum preisen und bekennen sollte, hat er oftmals in seinen Predigten neben andern Vermahnungen die Zuhörer auch vor der zukünftigen Aergerniß des Kreuzes und Todes vermahnt, so ihm etwa auferlegt und widerfahren möchte, daß sie sich daran ja nicht wollten weder seiner Person noch seiner Lehre halben stoßen und ärgern, wenn sie schon sehen sollten, daß er um seiner Predigten willen vom Widerpart gefangen genommen, geschmähet, verspottet, ja gar getödtet und erwürgt würde, sondern dagegen gedenken und sich aus Gottes Wort dessen erinnern, daß solches nicht allein ihm, sondern den heiligen Propheten im alten, den heiligen Aposteln im neuen Testament, ja dem Sohne Gottes Jesu Christo selber begegnet und widerfahren sei, und wissen, daß nach der Lehre des heiligen Apostels Paulus alle die, so da wollen in Christo Jesu gottselig leben, in dieser Welt Verfolgung leiden müssen (2 Tim. 3, 12). Und so ist es denn auch bald geschehen. Es ist eine papistische Gewohnheit desselbigen Ortes gewesen, daß man jährlich an der Herren Tag, wie sie es nannten, Gordiani und Epimachi das Heiligthum aus dem Kloster hinaus auf die Wiese, genannt die Schwaigwiese, getragen und dem armen Volk bei der Maria-Kapelle dasselbige gezeigt und dabei großen Ablaß verkündet hat. Wider diese heidnische Abgötterei und Unweis hat der gottesfürchtige Matthias als ein rechter Eiferer der Ehre Gottes und der Wohlfahrt vieler armen Seelen etwas ernstlicher, ja gar heftig und mit großer Freudigkeit aus Gottes Wort geprediget und hiemit die Herzen der falsch genannten Geistlichen wider sich erbittert. Bald aber nach solchem, damit eines zum andern käme, hat der neue Abt, genannt Sebastian Breitensteiner, seine erste Messe gesungen, darauf viele Prälaten, Edle und andre Herrn erschienen und zugegen gewesen sind. Bei derselbigen ersten Messe hat auch Matthias gepredigt und neben Anderem der Geistlichen Pracht, Stolz, Hoffart, Uebermuth und Pomp sammt dem ganzen Papstthum ernstlich gestraft und verworfen, so daß ihn auch nach gethaner Predigt des Abtes Bruder, Hans von Breitenstein, erstochen hätte, wäre die blutige That nicht vom Bürgermeister der Stadt verhütet worden. Gailin, lateinischer Schulmeister in der Stadt, nahm den Pfarrer mit sich und beherbergte ihn mehre Nächte in seinem Hause, da er in seiner eignen Wohnung außerhalb der Stadt nicht sicher war. Daher sich also der Neid und Haß der Papisten wider ihn erhoben hat, daß sie ferner Tag und Nacht ohne Unterlaß danach trachteten, wie sie ihn vertilgen möchten, auch bei dem schwäbischen Bunde, der damals wider die aufrührerischen Bauern gerüstet war, nicht allein die Aufrührer, so den Reichsständen zuwider, sondern auch alle evangelischen Prediger, die sie betreten konnten, hinzurichten, daß sie also auch bei dem Bunde hierüber Rath suchten und mit Ernst darum anhielten. Der Rath aber war bald gefunden, bewilligt und beschlossen (denn Herodes, die Pharisäer und Pontius Pilatus werden gar bald eines, wenn Etwas wider Christum und seine Glieder zu thun ist), daß man ihn nämlich bei erster gelegener Zeit auffangen und tödten sollte. Die Praktik ward auch bald erdacht und zwar auf den nächsten Sonntag nach St. Bartholomäi Tag (im Jahre 1525) und auf diese Weise.

Sein Sigrist oder Kirchner ist nämlich zu ihm gekommen an demselbigen Sonntag in den Pfarrhof der St. Mangenkirche zu Kempten, woselbst er bei dem Prediger an derselben Kirche, M. Paul Gälin, mit andern evangelischen Glaubensbrüdern versammelt war, und hat ihn berufen, er sollte daheim in seiner Pfarrei zuerst ein Kind taufen und dann dem andern Volke, so zugegen sein würde, eine Predigt halten. Wiewohl ihm nun solches die Andern alle widerriethen und ihn ermahneten, nicht hinauszugehen, sondern bei ihnen in der Stadt zu bleiben, denn man der papistischen Geistlichen Gemüth gegen ihn gar wohl erkennen konnte, hat er doch geantwortet: weil sein Amt und Beruf solches erheische und er nun auch zu Pfarrgeschäften erfordert werde, so wolle er hinausgehen und erwarten, was ihm Gott der Herr hierüber zuschicken werde. Wie er nun aus der Stadt hinaus zu seiner Pfarr gegangen, wo ihm auf dem Wege vor dem Kloster ein Kaplan begegnete und ihn warnte, und er zuvor in sein Haus gehen wollte, ist er von etlichen reisigen Knechten des Bundes bei seinem Garten überfallen und gefangen genommen worden, wobei er auch, obwohl er sich ohne Sträuben in die Hände der Blutgierigen ergab, einen Stich empfangen hat und also verwundet worden ist, daß man seine Mutter, welche zur selben Zeit noch lebte, glauben machte, sie auch nicht anders glaubte, als daß ihr geliebter Sohn am selbigen Stich gestorben sei.

Was sich aber nach seiner Gefangennehmung noch weiter mit ihm zugetragen und wie es ihm ergangen sei bis zur Zeit seines Todes, wollen wir aus einem „Volkslied von der Lehre, dem Leben, dem Gefängniß und dem Tod des theuren Märtyrers Matthias Waibel“, besonders aber aus der Geschichte der Stadt und der gefürsteten Grafschaft und Abtei Kempten von Joh. Bapt. Haggenmüller gar entnehmen.

Auf ein Pferd gebunden, wurde er eiligst nach Leutkirch entführt, 3 Meilen von Kempten, und daselbst 12 Tage lang gefangen gehalten, ohne ein einziges Verhör erlangen zu können, so man doch selbst einem Mörder nicht verweigert. Die Bürgerschaft von Kempten aber, die den frommen evangelischen Pfarrherrn gar sehr geliebet, wollte, als sie erfuhr, was geschehen, alsbald nacheilen, um ihn aus den Händen der Henker zu befreien. Weil aber kein Geleit gegeben war, so ließ der Rath die Thore der Stadt vorsorglich schließen. Doch machte der Rath sogleich ernstliche Vorstellungen bei dem Abte. Dieser weigerte sich mit Entschiedenheit und mit Grimm, eine Bitte für den evangelischen Pfarrer bei dem Bunde einzulegen. Die Stadt Leutkirch aber, welche ihn auch losbitten wollte, wies der Hauptmann, der seit dem 20. August 1525 mit etwa 12 Pferden samt dem Profoßen Achelin, dem letzten Wissenden des westphälischen oder des Fehm-Gerichts, daselbst gelegen, falsch und listig an den Truchseß Georg von Waldburg, des schwäbischen Bundes Obersten, zu dem er den Pfarrherrn bringen wolle, ihm loszuhelfen. Der Hauptmann ritt nun alsbald fort. Zwei Stunden später aber wurde ihm Waibel, auf ein Pferd gebunden, gen Waldsee eiligst nachgeführt. Auf dem Wege dahin begegneten ihm 2 papistisch gesinnte Mönche von Lenzfried. Die trieben mit ihm gottlosen Spott, aber der fromme Pfarrherr lobete Gott und stimmte Psalmen an. Zwischen Leutkirch und Diepoldshofen lenkte der Profoß einem Walde zu; bei einer Buche angekommen, verkündete er dem Pfarrherrn sein nahes Ende. Dieser grüßte vor Freuden den Baum, an dem er sterben sollte, und küßte den Strick, den man ihm alsbald um den Hals legte, betete zu Gott und vergab allen seinen Feinden von Herzen. – Dann endete der Profoß sein trauriges Geschäft.

Es fängt also an: Die Wahrheit thut mich zwingen den Hirten thu‘ ich nennen,
Aus meines Herzens Grund, Herrn Matthias Waibel gut.
Daß ich ein Lied muß singen, Wer seiner sich thut schamen,
Dadurch ich thue kund, Der hat lein Christenblut.
Wies traurig ist ergangen, Sein‘ Schäflein hat er trieben
Davon ich sing‘ und sag‘ ; Auf die Weid‘ zu guter Frucht,
Ein Hirt ward schnell gefangen, Beim Wort Gott’s ist er blieben.
Den Schafen zu großer Klag‘ . In Gottes Ehr‘ und Zucht.

Und schließt mit diesem Zeugniß von seinem Märtyrerthum, aus dem Munde seiner Henker:

Auch thaten sie umgehen „Gott Vater“, thät er sprechen,
Mit Wahrheit allbehend! „Mein‘ Geist befehl‘ ich dir,
„Keiner hab‘ je gesehen Mein‘ Tod wollst, Herr, nicht rächen.
Ein christlicheres End‘ “. Bitt‘ ich dich mit Begier“.
Er opfert‘ Gott sein Leben Also hat sich geendet
Und auch die große Schand. Das christlich Leben sein;
Er thät‘ ihn‘ n all‘ vergeben, All Leid hat sich gewendet,
Nur Liebe er empfand. Er ging in den Himmel ein.

Es war nach der Erzählung bei Haggenmüller der Abend vor Mariä Geburt, also der 7. September, nach andrer allgemeiner Annahme aber schon der 6. September im Jahre des Heils 1525, als der Reformator des Allgäus, Matthias Waibel, dessen Geburtstag für das Leben auf Erden und dessen erreichtes irdisches Lebensalter uns Niemand aufgezeichnet, an seinem Geburtstag für das höhere Leben reif und vollendet in den Himmel einging.

Das Gedächtniß der Gerechten bleibet auch bei den Menschen im Segen. Nach einigen Tagen erlaubte der Vogt zu Zeil, Martin Fürsthäuser, zwei Bürgern von Leutkirch, den Leichnam in der Feldcapelle bei St. Wolfgang auf der Haide mit Ehren zu bestatten. Das ganze Volk aber erkannte in dem frommen Pfarrherrn und Märtyrer mit Recht einen Heiligen, der in seinem heiligen Zeugentode für den Herrn und sein Reich noch mehr gewirkt, als in seinem frommen Leben. – Sein Gedächtniß sei bei uns evangelischen Christen allen alle Zeit gesegnet!

Johann Paul Hechtfischer in Benk, jetzt in Seibelsdorf (Bayern).

Evangelisches Jahrbuch für 1856
Herausgegeben von Ferdinand Piper
Siebenter Jahrgang
Berlin,
Verlag von Wiegandt und Grieben
1862

 

 

Georg Wagner

Als das helle Licht des Evangeliums von Wittenberg aus ganz Deutschland erfüllte, ward auch Baiern davon berührt. Wie anderwärts die Fürsten dem Evangelium Raum boten, so auch im Anfang die Herzöge von Baiern. Das Brüderpaar Wilhelm und Ludwig, von denen jeder ein Gebiet beherrschte, verwandelten jedoch bald ihre Neigung für das Wort Gottes in Feindschaft. Schon im Juli 1523 wurde in München ein Bäcker auf Befehl des Herzogs Wilhelm enthauptet. Ihm folgten um des Evangeliums willen noch manche andere Zeugen der Wahrheit. Viele flohen nach Augsburg, welches Herzog Wilhelm „die Grube aller lutherischen und andern verdammten Ketzereien“ nannte. Wer aber in seine Hände fiel, mußte bluten. In Landsberg starben neun Männer den Feuertod, in München wurden 29 Männer ersäuft, drei andre Männer mußten mit ihren Frauen auf den Scheiterhaufen steigen, weil sie nicht zum Glauben der römischen Kirche zurückkehren wollten. Am 16. August 1527 starb der edle Märtyrer Leonhard Käser den Feuertod

In demselben Jahre mußte ein andrer Prediger des Evangeliums sein Leben endigen, weil er nicht widerrufen wollte. Er war von Emmeringen in Baiern und hieß Georg Wagner, in der lateinischen Sprache Carpentarius genannt. Sein Lebensgang ist uns nicht näher bekannt. Kurz, er kennt, liebt und verkündigt das Evangelium. Manche haben behauptet, er sei ein Wiedertäufer gewesen, aber so weit wir die Untersuchung kennen, finden wir nichts von der Wiedertäuferei, wohl aber die mehr reformirte Auffassung der heiligen Schrift. Er war ein Mann, dessen Herz ruhte in Christo. Seine letzten Reden bewiesen das. Er saß im Falkenthurm in München. Als das Schlußurtheil über ihn gefällt war, holten ihn am 8. Februar 1527 zwei Henker ab, um ihn zum Richtplatz zu führen. Auch Barfüßermönche erschienen, um den Blutzeugen zu geleiten und auf ihre Weise zu trösten. Wagner bat sie, ihn zu verschonen und lieber in ihre Klöster zurückzukehren. Was sie ihn lehren und womit sie ihn trösten wollten, das könne er nicht brauchen.

In Begleitung der Schergen kam er vor das Rathhaus. Hier wurden ihm noch alle Artikel, die er bekannt und vertheidigt hatte, vorgelesen. Es waren ihrer hauptsächlich vier. Der erste verwarf die Behauptung der römischen Kirche, als könne ein Priester einem Menschen in der Ohrenbeichte seine Sünden vergeben. Zweitens hatte er die Lehre, nach welcher der Meßpriester das Brod in den Sohn Gottes verwandelte, verworfen, und damit zusammenhängend sprach er aus, er könne nicht glauben, daß ein Mensch unsern Herrn Gott vom Himmel zu holen vermöge. Nach dem vierten Punkte, der ihm vorgehalten wurde, läugnete er, daß die Wassertaufe den Menschen ohne weiters selig machen könne. Man gab sich noch alle Mühe, ihn zum Widerrufe und Abfalle zu bewegen, und scheute sich nicht, ihn zu plagen. Er aber blieb fest und unerschütterlich. Unter andern fragte ihn Einer: „Mein Freund Georg, fürchtest du dich denn nicht vor dem Tod, den du leiden sollst? Willst du nicht lieber frei sein und zu deinem Weib und deinen Kindern gehen?“ Zarte Bande waren mit diesen Fragen angeregt, Wagner verleugnete sie nicht, aber er kannte ein höheres Ziel, das ihm jetzt so nahe stand. In diesem Sinne erwiderte er: „Wenn mich der Richter freigeben wollte, wohin sollte ich lieber eilen, als zu meinem herzlieben Weib und Kindern?“ „Widerrufe nur,“ sagte Jener, „so kannst du wieder frei werden.“ „Nein,“ sagte Carpentarius, „es sind mir zwar mein Weib und Kinder so lieb und werth, daß ich sie dem Herzog von Baiern um all‘ sein Land und Leute, Geld und Gut nicht geben wollte, aber doch habe ich Gott noch viel lieber, um welches willen ich sie auch gerne verlasse.“

Bei der Hinführung zum Richtplatze machte sich der eben angeführte Gelehrte abermals an Wagner mitten auf dem Markte, um ihn zum Widerrufe zu bewegen. „Mein Freund Georg,“ sagte er, „ich glaube das Sakrament des Altars, und nicht bloss das Zeichen.“ Wir verstehen ihn, er meinte die Verwandlung des Brodes und Weines in den Leib und das Blut Christi. Deshalb antwortete ihm Wagner: „ich halte das Sakrament des Altars, wie ihr es nennt, für ein Zeichen des Leibes und Blutes Jesu Christi, der für uns in den Tod des Kreuzes gegeben worden ist.“ Da wandte sich auch ein Prediger am Dom zu München, Namens Schritter, an den Zeugen mit einem scheinbar unverfänglichen Vorschlage: „Georg,“ sagte er, „willst du nicht glauben an das Sakrament, so setze doch zum wenigsten deine Hoffnung auf Gott, und sprich: Ich bin meiner Sache gewiß. Gleichwohl will ich, wenn ich mich geirrt habe, es mir lassen leid sein und mich bekehren.“ Diese Versuchung abweisend antwortete Wagner: „Gott läßt mich nicht also irren.“ Der schon mehrmals genannte Schulmeister, wie ihn der alte Bericht tituliert, zeigte ihm jetzt einen Ausweg, indem er sagte: „Lieber, übereile dich nicht, erwähle dir einen frommen Christen, es sei Schritter oder ein Andrer, welchem du dein Herz eröffnest, zwar nicht beichtweise, sondern allein rathsweise.“ „Das werde ich nicht thun,“ erwiderte Georg, „denn ich habe es nicht nöthig.“

Nach diesem Gespräche fing der genannte Domprediger an, das Vater Unser dem zum Tode Verurtheilten vorzubeten. Als er den Anfang sprach: „Vater unser, der du bist in dem Himmel,“ fiel ihm Georg in die Rede mit den Worten: „Fürwahr mein Gott, du bist unser Vater, und kein andrer. Heute an diesem Tage begehre ich, bei dir zu sein.“ Der Vorbeter fuhr mit der ersten Bitte fort: „Geheiliget werde dein Name.“ Georg fügte hinzu: „Ach mein Gott, daß dein Name recht geheiligt würde!“ Der Domprediger: „Dein Reich komme.“ Georg: „Heute darf ich hineinkommen.“ Bei der dritten Bitte: „Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel,“ sagte Georg: „Hie bin ich, Vater, dein Wille geschehe, und nicht der meine!“ Schritter: „Unser täglich Brod gib uns heute.“ Georg: „Der Herr Jesus Christus, das rechte Brod, sei heute meine Speise.“ Schritter: „Vergib uns unsre Schulden, als wir vergeben unsern Schuldigern.“ Da wandte sich Georg an die Umstehenden: „Lieben Freunde, ich will Allen gerne vergeben, sowohl meinen Freunden, als auch meinen Feinden.“ Und als der Domprediger mit den zwei letzten Bitten schloß: „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel,“ schloß auch Georg mit dem sehnlichen Seufzer: „O mein Gott und Herr, du wirst mich ohne allen Zweifel erlösen, denn auf dich allein habe ich gehofft.“ Nun ging Schritter an den christlichen Glauben, indem er sagte: „Ich glaube an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde.“ Georg fügte bei: „Ach mein Gott, auf dich allein hoffe ich, an dich allein glaube ich und an keine Kreatur. Aber sie haben mich von dir abwenden wollen. Stärke mich, o Herr!“ Aehnliches setzte er den beiden andern Artikeln des Glaubens bei.

Nach solchen Gebeten fragte ihn der Schulmeister: „Georg, glaubst du so stark an Gott deinen Herrn, als du es mit dem Munde bekennst?“ „Es würde mir schwer fallen,“ antwortete der Gefragte, „ja es würde unmöglich sein, den Tod zu leiden, wenn ich nicht von Herzen glaubte, was ich mit dem Munde bekenne. Denn ich habe wohl gewußt, daß ich um Christi willen leiden müßte, wenn ich ihn bekennen und ihm nachfolgen würde. Ach mein Gott, wo des Menschen Schatz ist, da ist auch sein Herz.“ Darauf fragte ihn der Domprediger: „Georg, hältst du es für nöthig, daß man für dich nach deinem Tode bete, so will ich für die Erlösung deiner Seele eine Messe halten.“ Georg gab zur Antwort: „So lange die Seele in diesem meinem Leib sein wird, so lange bittet Gottes Sohn für mich, daß er mir wahre Geduld, Demuth und einen christlichen Glauben verleihen wolle, auf daß ich diese Marter desto standhafter ertragen könne. Wenn aber Leib und Seele von einander geschieden sein werden, alsdann habe ich keines Betens mehr vonnöthen.“

Unter solchen Reden kam man auf dem Richtplatz an. Der Henker band den edlen Märtyrer auf die Leiter. Da that Georg seinen Mund auf und erklärte dem Volke etliche Punkte des christlichen Glaubens. Einige fromme Christen traten zu ihm mit der Bitte, ein Zeichen von sich zu geben, wenn er in’s Feuer geworfen würde, woran sie seinen Glauben zu erkennen vermöchten: „Das soll das Zeichen sein, antwortete er, daß, so lange ich meinen Mund aufthun kann, ich den Namen Jesu Christi bekennen will.“ So fest stand dieser Mann. Eben richteten ihn die beiden Henker mit der Leiter auf, da sagte er zu einem christlichen Freunde, der zugegen war: „Gute Nacht!“ und bat ihn mit fröhlichem Angesichte um Verzeihung. Sobald ihn aber der Henker in’s Feuer stieß, rief er mit lauter Stimme: „Jesu, Jesu!“ Und als der Scherge abermals mit dem Haken auf ihn stieß, hörte man noch etliche Male den süßen Jesusnamen aus seinem Munde, und dann verschied er.

Das geschah am 8. Februar 1527 in der Stadt München.

Karl Friedrich Ledderhose in Neckarau.

Evangelisches Jahrbuch für 1856
Herausgegeben von Ferdinand Piper
Siebenter Jahrgang
Berlin,
Verlag von Wiegandt und Grieben
1862

 

Heinrich von Zutphen

Heinrich von Zutphen

Zu Meldorf in Süderdithmarschen hatten der dasige Pastor Nicolaus Boje und eine daselbst wohnende Witwe Wiebge Junge geb. Nanne von der evangelischen Predigt gehört, mit welcher zu Bremen ein Mönch, Heinrich von Zütphen, aufgetreten wäre und fortwährend Beifall fände. Derselbige nach seiner Geburtsstadt so genannt, sein Familienname Möller, auch ein Augustinermönch wie Luther, war aus den Niederlanden nach Wittenberg gereist, um von Dr. Luther den wahren Glauben und das rechte Predigen zu lernen. Wohl ausgerüstet ging er in sein Vaterland zurück: daselbst fing er zu Antwerpen zu predigen an, ward aber in’s Gefängniß gebracht. Mit Hülfe evangelischgesinnter Freunde entfloh er und kam über Wittenberg nach Bremen, woselbst er in der Ansgarii-Kirche von 1522 an mit großem Beifall und gesegneter Arbeit predigte.

Nach diesem Mann verlangte die beiden zu Anfang Genenneten und andere fromme Leute, daß sie ihn nach Meldorf bekämen und sandten ein Schreiben an ihn, daß er käme, ihnen das Wort Gottes zu verkündigen und sie aus dem Rachen des Antichrists zu reißen, weil derselbige so gewaltig regierte bei ihnen. Heinrich’s Freunde in Bremen wollten ihn gern behalten, fürchteten alles für ihn in Dithmarschen, er aber wußte sie zu trösten und beschloß dahin zu gehen, reiste am Montag nach dem ersten Advent ab und kam in den letzten Tagen dieser Woche glücklich über Brunsbüttel in Meldorf an, wo ihn seine Freunde mit großem Frohlocken empfingen, 1524. Aber seine Feinde ruhten auch nicht. Eine alte Schrift damaliger Zeit sagt, der Teufel roch den Braten und ward zornig mit seinen Leuten. Meldorf hatte ein Augustinerkloster, der Prior Torneborch machte sich Sonnabends nach Heide zu den 48 Verwesern (Herrn Regenten) des Landes, welche daselbst beisammen waren, gab ihnen Nachricht, daß ein Ketzerprediger, Heinrich von Zütphen mit Namen, ans Bremen nach Meldorf gekommen sei, wo man eben so viel Wesens aus ihm machen würde wie in Bremen, zur Verkehrung der ganzen Landschaft. Torneborch fand besonders Gehör bei einem Landesverweser Peter Nanne, der ein Bruder war von jener Wiebge Junge und bei dem Landschreiber Herrn Günther Werner. Diese Beiden stellten der Versammlung vor: Wenn die Ketzerei bei ihnen einrisse, wie dann das Marienlob bald fallen, Zwiespalt und Aufruhr entstehen würde, darüber sie ihre Freiheit verlieren könnten, daß sie dagegen sich Gunst und Gnade erwerben würden, wenn sie den Kerl verbrenneten. Es wurde indessen doch kein Todesurtheil gesprochen, sondern sie gaben dem Prior einen Brief mit, an das Kirchspiel Meldorf, und einen an den Pastor Boje, des Inhalts: Sie sollten den Mönch nicht predigen lassen, sie sollten ihn fortjagen bei der höchsten Strafe, nach Gelegenheit des Landes. In der Nacht auf den Sonntag ließ der Prior diesen Brief dem Pastor insinuieren, dieser erklärte darauf: dem Befehl kann ich nicht willfahren, die 48er haben um Kirchensachen sich nicht zu bekümmern, das kommt der Gemeine zu und hier hat, (Meldorf war damals eine Stadt) Bürgermeister und Rath zu sprechen. Heinrich war eben sowohl nicht erschrocken, als Boje ihm hiervon Nachricht gab und da er hörte, was Landes-Recht und Brauch war in solcher Sache, erklärte er: Ich will meinem Beruf nachkommen, will predigen so lange als es der Gemeinde gefällt, denn man muß Gottes Wort mehr gehorchen als der Menschen, will Gott, daß ich in Dithmarschen sterben soll, so ist der Himmel mir hier so nahe, als anders wo, – ich muß doch um Gottes Wort willen mein Blut noch vergießen.

Des Morgens stand er auf der Kanzel, das Evangelium des 2. Advents, Lucä 16, 25-36: „Und es werden Zeichen geschehen.“ war wie gewählt. Welchen Eindruck diese Predigt machte, kann man aus dem allgemeinen Urtheil darüber abnehmen: der heilige Geist spricht aus ihm, denn er hat uns ganz entzündet und angesteckt. Nachmittags hat er wahrscheinlich wieder und über die Epistel gepredigt; angemerkt findet sich der gebrauchte Spruch, Röm. 15, 1: „Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen und nicht Gefallen an uns selber haben!“ So wohnet die Demuth jeder Zeit in Einem Hause mit dem Muth. Am Mittwochen wieder zweimal und das Volk lief aus allen Winkeln zu Haufen, so auch des Freitags. In diesen Predigten vornämlich wurde das Volk überzeugt, daß die Mönche und Pfaffen bisher mit lauter Lug und Trug umgegangen waren. Heinrich wurde gebeten, bei ihnen zu bleiben, wenigstens Weihnachten noch. Während er so in Meldorf predigte, bewirkte der Prior einen Befehl von den 48ern, man sollte Heinrich nicht predigen lassen, bei Strafe von 1000 rhein. Gulden und das Kirchspiel solle am Montag einige Bevollmächtigte nach Heide schicken, da die Landschaft wichtiger Dinge wegen zusammen käme. Mit großem Widerwillen und Zorn wurde dieser Brief angehört, weil solcher Brief ganz gegen Verfassung und Landesbrauch anging. „Jedes Kirchspiel im ganzen Lande kann ja Priester einsetzen und absetzen, wie es will! Sie greifen zu weit, das können wir und müssen wir nimmer leiden.“ Sie beschlossen, Bevollmächtigte hinzuschicken mit freundlichen und ernsthaften Vorstellungen. Diese aber halfen nichts, die Herren waren zu sehr erbost, der eine sagte dieß, der andere sagte das, und sie konnten nicht zum Schluß kommen. Zuletzt trat der alte weise Peter Detlefs von Delve hervor und sagte: „Wir wissen ja, lieben Freunde, daß in allen Ländern großer Zwiespalt über den Glauben ist, Leute wie wir, ungelehrte, unverständige Menschen in solcher Sache, können nicht richten, darum laßt das unsere Meinung sein, daß wir die Sache aufschieben bis zu einem allgemeinen Concilium, welches ja binnen Kurzem gehalten wird, wie unser Herr Landschreiber berichtet; was dann unsere guten Nachbaren halten und glauben werden, dasselbige, denke ich, nehmen wir auch an; ist es aber der Fall, was man sagt, daß Gottes Wort nicht genugsam klar gelehrt wird und jemand ist, der es klarer und reiner lehren kann, wollen wir das nicht verbieten, denn wir können keinen Aufruhr haben; – darum sei jeder zufrieden und lasse die Sache auf sich beruhen bis zu Ostern, mittlerweile wird es sich von selbst schon ausweisen, was recht und was unrecht ist.“ Die Rede fand Beifall, davor denn ja auch kein Bauer sich schämen darf, und was Peter Detlefs wollte ward beschlossen. Die Meldorfer aber zogen mit großer Freude nach Hause, brachten der Gemeinde diese angenehme Botschaft und Jeder hoffte, daß die Sache nun wohl gut gehen würde.

Die Mönche und andere Feinde hatten sich den Ausfall in Heide nicht also gedacht und mußten nun dafür sorgen, daß das angelegte und angeblasene Feuer nicht wieder kalt würde. Torneborch reiste nach Lunden zu den dortigen Mönchen und brachte durch diese zu wege, daß einige angesehene Männer zum Rathschlagen zusammen kämen, namentlich Peter Nanne, Claus Rode, Peter Swyn; diese wollten nicht recht in die Sache eingehen, sagten: Wir haben ja nach Meldorf geschrieben, wenn es nöthig thut, wollen wir noch einmal. „Nicht schreiben, sie werden wieder schreiben und ihr werdet in die Ketzerei verflochten, wir müssen der Sache anders beikommen. Das beste Mittel ist, wir nehmen ihn des Nachts gefangen und verbrennen ihn, bevor die Landschaft und das Volk es gewahr wird.“ Der Anschlag gefiel Peter Nanne und er übernahm das Weitere. Er ging zum Landschreiber Günther und in dessen Hause wurde beschlossen, einige große, starke, verwegene Leute zu Hülfe zu rufen, welche wiederum andere an sich ziehen sollten und mit diesen zu erscheinen in Hemmingstedt den 10. December gegen Abend, wenn die Betglocke schlüge. Wie auch geschah.

Zu bestimmter Zeit kamen sie in Hemmingstedt, eine halbe Meile nördlich von Meldorf, zusammen, bei 500 Mann stark. Zuerst wurden die Wege, die nach Meldorf gingen, besetzt, damit keiner hinkommen und warnen könne, dann machte man dem Haufen bekannt, was geschehen sollte; allein dieser entsetzte sich vor solcher That. Die Hauptleute mußten mit schwerer Brüche drohen, die Mönche mußten einige Tonnen Bier zum Besten geben, da gingen sie voll und toll darauf los. Gegen Mitternacht zogen sie in Meldorf ein. Alle lagen im tiefsten Schlafe. Aber im Kloster war man munter und wach. Hier bekamen sie Licht und Fackeln. Ein Verräther, Namens Johann Maaß der Große, der im Predigerhause Bescheid wußte, stieg in die Bodenlucke und machte von innen die Hausthür auf. Den Pfarrherrn Boje rissen sie hinaus auf die Straße und schrien, er solle mit, andere dagegen, sie sollten ihn gehen lassen, dazu hätten sie keinen Befehl; den guten Heinrich konnten sie erst nicht finden, sie schrien: „wo ist der Mönch? wo ist der Mönch?“ bis sie den auch trafen, rissen ihn aus dem Bett, schlugen und stießen ihn, banden ihm die Hände fest auf den Rücken und zogen also mit ihm fort. Sie rissen so fürchterlich mit ihm herum, daß selbst sein arger Feind Peter Nanne sich erbarmen mußte und sagte, sie sollten ihn los machen, er ginge wohl von selbst. Darauf ward ein großer Kerl gerufen, Bolke Johann aus dem Dorfe Lieth, der sollte ihn leiten, wo der Unmensch aber nur Gelegenheit sahe, da führte er den armen Mann durch Pfützen und durch junges Eis, daß ihm das rothe Blut aus den Fußen sprang. In Hemmingstedt hielten sie wieder an. Heinrich war ganz erschöpft, er konnte nicht weiter und mußte es doch. Er bat, sie möchten ihm ein Pferd geben. Da singen sie an zu lachen: ob man dem Ketzer noch ein Pferd halten solle! man fragte ihn, auf welche Art er in’s Land gekommen sei und was er hier verloren habe, worauf er mild und freundlich antwortete, daß sie in ihrem Gemüth sehr bewegt wurden, da hieß es: Nur weg! Nur weg! sprecht ihr mit ihm, so macht er euch zu Ketzern. Also ging es wieder vorwärts nach Heide zu, das ist noch eine halbe Meile weiter.

In Heide brachte man ihn in einen Hauskeller, hier trieb man allerlei Spektakel mit ihm, wie ein plumpes und dummes Volk es nicht anders kann, bis der Landschreiber Günther zu ihm hinab stieg und ihn fragte, ob er nach dem Bischof in Bremen geschickt werden, oder ob er seinen Lohn in Heide empfangen wolle. Heinrich antwortete: Habe ich etwas Unchristliches gelehrt oder gethan, so könntet ihr mich wohl darum strafen, der Wille Gottes geschehe! Hört, lieben Freunde, sagte Günther, er will in Dithmarschen sterben. Morgens 8 Uhr traten sie auf dem Markt zusammen, Rath zu halten, was jetzt weiter mit dem Ketzer zu machen sei. Da schrien sie Alle: Zum Feuer! Zum Feuer! und die Kehlen, die noch etwas heller waren, setzten hinzu, so werden wir heut bei Gott und Menschen Ehre erwerben, er muß sterben. So wurde die Unschuld verdammt, unverhörter und unbezeugter Weise.

Darauf wurde ausgerufen: Alle, welche den Mönch geholt haben, sollen sich mit Gewehren versehen und ihn hinausführen zum Feuer. Da banden sie ihm Stränge und Riemen um den Leib, um den Hals, um Hände und Füße und ein Jeder hielt ein Ende derselben in seiner Hand, schleppten ihn fort, einer zog hier-, der andere dorthin, bis östlich von Heide, wo das Feuer schon angezündet war. Auf Lütjenheide, da sie vorbeikamen, stand eine Hausfrau in ihrer Thür, die sah den Jammer an und weinte, das wurde Heinrich gewahr und sagte zu ihr: Liebe Frau, weint nicht über mich, denn das ist Gottes Wille! Als sie zum Feuer kamen, wo Heinrich sich vor großer Mattigkeit niedersetzte, trat der Vogt hervor und sprach das Urtheil mit den Worten: Dieser Bösewicht hat gepredigt wider die Mutter Gottes und den christlichen Glauben, aus welcher Ursache ich ihn verurtheile, anstatt meines gnädigen Bischofs in Bremen, zum Feuertode. Heinrich antwortete darauf: das habe ich nicht gethan, doch Herr, dein Wille geschehe! Darnach betete er seinen Glauben, schlug seine Augen aufwärts zum Himmel und sagte: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun! Dein Name ist allein heilig, himmlischer Vater!

Eine kleine Labung für Heinrich. Seine Meldorfer Freunde hatten ihn doch nicht alle verlassen. Pastor Boje mußte wohl zu Hause bleiben, den sie so böse zugerichtet hatten; aber Wiebke Junge wollte sich nicht halten lassen, sondern reiste sogleich hinterher. Wie mag Heinrich’s Herz erfreuet sein, als er Wiebke Junge sah! Sie wollte ihn noch retten, arbeitete sich durch das Volk, trat vor das Feuer und redete die Mörder mit freiem Muthe an: Was wollt Ihr? was macht Ihr? ich habe ihn gerufen, ich habe ihn in’s Land gebracht. Schlagt mich, peitscht mich, und ich will noch tausend Gulden dazu verlegen, wenn ihr den Mann frei lasset bis zum nächsten Montag, damit das ganze Land ihn verhöre und dann verurtheile! Ach! das half nichts, sie stießen sie zurück.

Wenn bei schlechten Menschen eine Fürbitte nicht hilft, so thut sie Schaden. Als Wiebke Junge weggestoßen war, drangen sie heftiger auf Heinrich ein. Johann Holm von Neuenkirchen schlug ihn mit einem Fausthammer, ein anderer mit einem Stoßdegen übern Kopf, ein anderer stach ihm in die Seite, in den Rücken, in die Arme, allenthalben, wo sie nur beikommen konnten, und das zwei volle Stunden, weil das Feuer nicht brennen wollte. Nackend im Regen und Schnee, über und über blutend, stand Heinrich vor dem Feuer, seine Hände gefalten, zum Himmel aufblickend. Zuletzt nahmen sie eine Leiter und banden ihn darauf, um ihn so in’s Feuer zu schieben. Da fing er an, seinen Glauben noch einmal zu sprechen, sie schlugen ihn aber auf den Mund, konnten ihm das nicht gönnen und sagten: Erst sollst du brennen, nachdem kannst du beten. So fürchterlich hielt der Mordgeist sie besessen. Sie banden ihm den Strang so fest um den Leib, daß ihm das Blut aus Nase und Mund lief, schoben ihn auf der Leiter über das Feuer, das schlecht brannte, mehr Rauch als Flamme gab. So lag Heinrich eine Weile. Da schlug ihn Johann von Neuenkirchen mit einem Fausthammer auf die Brust und tödtete ihm das Herz im Leibe. Jetzt regete er sich nicht mehr.

Da das Feuer gar nicht auflodern wollte, zogen sie den Leichnam vom Holzhaufen herunter, hieben Kopf, Hände und Füße ab, welche sie verbrannten, den Rumpf aber begruben sie an einer Stelle, die den Namen Mönchberg bekommen hat.

Solches ist geschehen 1524 am 10. und 11. December. Dreihundert Jahre später ist dieses Feld zu einem Begräbnißplatze für die Gemeinde Heide gemacht, geweiht, und Heinrich daselbst ein Denkmal errichtet worden. – Seit 1847 steht sein Name im Schlesw.-Holsteinischen Kalender unter Dec. 10.

Claus Harms in Kiel

Die Zeugen der Wahrheit
Dritter Band
Piper, Ferdinand (Herausgeber)
Verlag von Bernhard Tauchnitz
Leipzig 1874

 

Heinrich von Zutphen

Probst, Jacob – Ein erschreckliche geschicht wie etliche Ditmarscher den Christlichen prediger Heinrich von Zutfeld newlich so jemerlich umbgebracht haben – in einem sendbrieff Doctor MArtino Luther zugeschrieben

MD XXV

Jakob Probst

Dem waren Junger Christi

MArtino Luther. Jacobus von Hypern

Gnad unnd frid von Gott dem vatter unnd unserm herren Jesu Christo / der unnser einiger mitler unnd priester in ewigkeit ist. Was sol ich sagen alerliebster Bruder? Wa soll ich anhebenn? mein seel ist in engsten / unnd mein geist schreyet zu dem herren / unnd ich hab keyn stillung. So sage ich / Sihe wie stirbt der frumm? unnd nyemants bedenckts in seinem hertzen. Die gotseligen werden umbbracht / Dann nyemants versteet es / Wann der frumm ist vom angesicht der boßheyt wegk genommen. Unser heinrich der unerschrocken prediger gottis worts / ist umbbracht worden / und ist also umbkommen / als were jm Gott nicht holdt geweßt.

Doch ist seyn blut kostlich vor Got / wiewol es vor den Ditmarschen ist gering wordenn. Ach herr wie lang schreyen wir und du wilt uns nicht erhören. Warumb sihestu die verachter an unnd schweigest stil wenn der gotloß den undertritt der frummer ist dann er? Ja vatter also hat es dir wolgefallenn / Wann der junger ist nicht mer dann sein meister / noch der knecht uber sein herren. Es ist dem junger genug wenn er ist als sein meister / unnd dem knecht / wenn er ist als sein herre / haben sy den haußvater genennt Beelzebub / wie vil mer werden sy die haußknecht also heyssenn / Unnd darumb sollenn wir unns vor jn gar nicht förchtten / wann das ist jr stund / und der gwalt der finsternuß / Darumb tragen wür liiebhaber der warheit leyd unnd geen trawrig hereyn. Die feynde aber frewen sich und geen mit aufgerecktem halß / doch bekümmeren wir uns also umb des heinrichen tod / das wir uns nit weniger dess vor Got dem herren erfrewen / und seind des gewiß / das wir einen newen mertrer und getzewgen Christi haben. Sy aber frewen sich vor der welt / Ich byn auch ungezweyfelt jr frewd werd seyn wye ein augenplick.

Aber vernempt die sach mit wenig wortenn / wann mein gemüt ist betrübter denn das ich vil kunt schreiben. Heinrich ist in Ditmarschen beruffen worden vom pfarherr zu Meldorff einem frommen Christlichen und Evangelischen mann / mit wissen und bewilligung etlicher der fürnemsten desselben orts. Darauff ist er als ein williger und rechtschafner gezeüg Christi dahyn gezogen / und hat sein vertrauen auf Got den herren gestelt / wiewol es jm von guten freünden ist widerraten worden / die hatt er nicht hören wollen / wann er sagt / er were von Got beruffen.

Als er nun gen Meldorff in Ditmarsch ist kommen / haben jn die Christen auffs freüntlichst angenomen. Die münchen aber als feynde des waren Gotisdienst und der Christlichen warheit / sind seiner zukunft betrübt worden / haben gelauffen gerannt / sie bemüet unnd so emsiglich angehaltten / das sy endtlich bey etlichen des lands obristen so vil erlangt habenn das man dem Heinrichen das predigen verbotten hatt.

Weil er aber wüßt das man got mer solt gehorsam sein dann den menschen / Derhalben hat er am andern sontag im advent zwu predig gethon / also das sich der alle so sy gehört / erfreüt und got seiner gaben gedanckt unnd gelobt haben. An sant Niclastag hat er auch zwu predig gethon / do ist das volck schyer auß allen winckeln zugelauffenn. Deßgleichen hatt er auch am tag unser lieben frawen entpfengknus zwir gepredigt / also das sich meniglich ob seiner leer verwundert hatt.

Nun haben sich die münch in dem mit höchstem fleyß bearbeyt / geheult und ein aufrur gemacht / Unnd iren willen erlangt. Wann am freytag volgent in der nacht nach zwelff ur vor dem dritten sontag im Advent / seind die münch kommen mit latern beleuchtet und bey fünffhundert wapner mit jnen / die seind vol hamburger byers geweßt / und seind als die veynde dem pfarherr zu Meldorf in sein hauß gefallen / haben den merterer Christi jemerlichen auß dem bette gezogen / darnach eynem pferdt an schwantz gebunden unnd also mit grosser frolockung gen der heyde ein grosse meyl wegs vonn Meldorff gefürt und geschleyft.

Als sy gen der Heyde kommen seind / haben sy den guten man in eines pfaffen keller geworffen / sye aber alle getruncken gespilt und gesungen.

Auf den morgen haben sy den frommen man mit höchster schande zum fewr geschlept.

Do hatt sich ein Christlich weib zwischen den guten mann und das fewr gestelt / und jn zuerhalten Tausent gulden zu geben geboten / byß er mit recht uberwunden verbrant wurd. Aber do hat nyemant wellen hörn / Sonder ist das gut weyb jemerlich an kopff geschlagen worden / das sy also hat müssen entweichen.

Nu ist das urteil so hernach folget / durch einen gesprochen worden der diß jars nit Richter ist / Aber er hat vom richter der das urteil gesprochen solt haben zehen guldin genommen und solch urteil gesprochen.

Urteyl

Diser ubelthetter der Gott und sein mutter gelestert hat soll verbrent werden.

Darauf hat der frumm man geantwurt. Das hab ich nit gethon. Aber das geschrey hat uber hand genommen / verbrent jn verbrennt jn.

Unnd als der Christlich mann den himlischen vatter für sy gebeeten hat / ist er von jn verlacht und verspeyet worden.

Nu ist das fewr vor allen menschen die vorhanden gewest seind / zweymal außgangen und erloschen. Das haben sy (wie solchen leutten wol gebürt) für zawbrey außgeben.

Als er auch von jnen etlich wunden entpfangen / der man under zweyntzig nicht an jme gezelet hatt / ist er in das dritte fewr geworffen worden / Also hat er Got dem vater sein geist auffgeben.

Nun ist sein Cörper den gantzen tag uber / gantz unnd unverbrannt gebliben.

Des Andern tags / welchs der drit sontag im Advent gewest ist / haben sy dem todten cörper die hende und füsse abgehawen / ein new feür gemacht und sy darinn verbrannt / Dann den strumpf als man sagt / haben sy begraben / und umb den cörper getantzt.

Also sterbenn die diener Christi / Also werden die wortt des meister erfült. Ich kan nit mer schreyben. Bitt die Götlich maiestat / das sy uns auch ein solche bestendigkeit geben woll. Ach das ich doch nur ein tröflin solcher gnad und bestands gehabt het / so rwet ich yetz on alle sorg in dem herren Christo. So weltz ich mich yetz in mancherley ellend trübsalen / jamer engsten unnd sünden. Gehabt ewch wol / der gayst Christi sey mit ewch. Mein allerliebster vatter in Christo Martine / dyse geschicht hett ich den zu Antorff geschriben / Aber der bott war weg gelauffen und hett den Brieff hye gelassen. Darumb schick ichs deiner vätterlichen lieb / und flehe dein gütigkeyt durch Jesum / du wellest unns mit einem einigen Sendbrieff trösten / an die gantz Christlich gemeyn zu Bremen zu schicken. Demnach bit ich dich du wellest mir das nicht abschlahenn / Dann ich nicht alleyn / sonder vil Bitten darumb. Preyse den mertrer Christi / und straff die arglistigkeyt der münchen. Ich bit dich du wellest mir meine unschicklicheit verzeihen / mein seel ist trawrig byß in todt / Dann mich verdreüßt lenger zu lebenn weyl ich allenthalbenn so vil ubels sehe. Demnach ist mein altter Adam nit gestorben. Bitt Got für uns.

Aus dem Original abgeschrieben.

Heinrich von Zutphen

Luther, Martin – Vom Bruder Heinrich, in Dithmar verbrannt

1524

… Da nun Gott der Allmächtige die Zeit ersahe, daß der gute Henricus mit seinem Blute die Wahrheit, von ihm gepredigt, bezeugen sollte, sandte er ihn unter die Mörder, die er darzu bereitet hatte. Denn es begab sich im vier und zwanzigsten Jahr kleiner Zahl nach Christi Geburt, daß er gerufen ward von Nicolao Boye, Pfarrer, und andern frommen Christen derselbigen Pfarre zu Meldorf in Dithmar, ihnen das Wort Gottes zu verkündigen, und sie aus des Antichrists Rachen zu bringen, denn er gewaltig daselbst regiert; welche Berufung er als von Gott annahm, und derhalben ihnen zusagte, da er zu ihnen kommen wollte.

Darnach auf Montag der ersten Woche im Advent zog Henricus mitten durch das Stift von Bremen in Dithmar, und kam gen Meldorf, da er denn hin berufen war, da er auch mit großen Freuden von dem Pfarrer, sammt andern frommen Christen, empfangen ward. Alsbald er darkommen war, wiewohl er noch keine Predigt gethan hatte, ward der Teufel zornig mit seinen Gliedmaßen, und insonderheit erregte er Augustinum Torneborch, Prior des schwarzen Klosters, die man nennet Jacobiter oder Prediger, welcher von Stund an lief zu seinem Mitgesellen M. Johann Snicken, des Officials von Hamburg Vicarien oder Commissarien, und hielt Rat, was zu thun stünde, damit ihr Reich nicht unterginge.

Endlich beschlossen sie, daß sie vor allen Dingen zuvorkommen müßten, daß er nicht predigte; denn wo er würde predigen, daß ihn der gemeine Mann hörete, so würde ihre Schalkheit an Tag kommen, und würden darnach nichts ausrichten können; denn sie wußten wohl, wie es zu Bremen zugegangen war. Auf diesen Beschluß machte sich der Prior Predigerordens des Morgens früh auf, denn er vor großer Sorge die Nacht nicht viel schlief, und kam gen der Heide auf Sonnabend vor dem andern Sonntag des Advents, vor die acht und vierzig Regenten des ganzen Landes, und beklagte sich höchlich und zeigte an, wie der Mönch von Bremen gekommen wäre, das ganze Land Dithmar zu verkehren, wie er denen von Bremen gethan hätte; hatte auch zu Hülfe M. Günter, des Landes gemeinen Kanzler, und Peter Hannen, beide große Feinde des Wortes Gottes. Diese zween halfen dem Prior mit allem Fleiß, und hielten den andern sechs und vierzig Ungelehrten, Einfältigen vor, wie ein groß Lob in ganzem Niederland, und wie großen Dank sie insonderheit bei dem Bischof von Bremen verdienen würden, wo sie diesen ketzerischen Mönch zum Tode bringen würden. Da sie das hörten, die armen ungelehrten Leute, schrieben sie bald, und beschloßen ihn zu tödten, den sie doch nicht gesehen, vielweniger gehöret noch überwunden hatten. …

In mittlerer Zeit ruhete der Prior sammt M. Johann Snicken nicht. Denn da der Prior sah, daß seine Bosheit nicht konnte fort gehen, zog er mit Doctor Wilhelmo, Prediger-Ordens zu Lunden, zu den grauen Mönchen, die man Barfüßer nennet oder Minores, da Hülfe und Rath zu suchen, wie er seinen Willen vollenden möchte; denn dieselbigen Mönche fast geschickt sind, mit ihrer Gleisnerei die armen Elenden zu verführen.

Alsbald schickten die grauen Mönche nach etlichen von den Regenten, als mit Namen Peter Nannen, Peter Swin und Claus Roden, und zeigte ihnen mit großen Klagen, wie denn ihre Gewohnheit ist, wie der Ketzer predige und das Volk verführe, welches ihm zum Theil anhängig wäre; wo sie nicht da zusehen würden und den Ketzer umbrächten, würde Mariä Lob sammt den zwei heiligen Klöstern zu Boden gehen. Das war die Schrift, da sie den Ketzer gedachten mit umzubringen; als denn geschah. Als die armen unverständigen Leute das höreten, wurden sie zornig und antwortete darauf Peter Swin: Man hätte dem Pfarrer sammt Henrico geschrieben, weß sie sich halten sollen; wärs vonnöthen, sie wollten noch einmal schreiben.

Antwortete der Prior: Nein, denn ihr müßt den Sachen anders beikommen. Denn, beginnet ihr dem Ketzer zu schreiben, wird er euch antworten, und würdet ohne Zweifel auch mit ihm in die Ketzerei kommen, ehe ihrs gewahr würdet; denn würde er zu Wort kommen, möchte man ihm nichts anhaben. Da beschloßen sie einen Rath, daß man ihn in der Nacht heimlich müßte fangen, und alsbald verbrennen, ehe es das Land inne würde, und er zu Wort käme. Solcher Rath gefiel ihnen allen wohl, und sonderlich den grauen Mönchen. Auf solchen Rath wollte Peter Nannen, als ein sonderlicher Freund des Priors, den Dank verdienen, und zog zu sich etliche Ammeral (Hauptleute) aus andern Dörfern, mit Hülfe und Rath M. Günters.

Man sollte hie billig der Namen schonen; nachdem sie aber Ehre gesucht haben zu erlangen, muß man sie ihrer Ehre nicht berauben. Das sind die Namen der Hauptleute: Peter Nannen, Peter Swins Sohn, Henick zu Lunden, Johann Holm, Lorenz Hannemann, Ludwig Hannemann, Bastel Johann Bren, Claus von Weslingburen, Brosi Johann zu Wockenhausen, Marquard Krämer zu Henstede, Ludecke Johann zu Wessing, Peter Großvogt zu Hemmingstedt. Diese Hauptleute sammt den andern, die sie bei sich hatten, wurden gefordert auf die Pfarre zu der Neuenkirchen, und kamen in M. Günters des Schreibers Haus zusammen, und hielten Rath, wie sie ihn fiengen und nicht zu Wort kommen ließen; denn das Urtheil schon geschloßen war, daß sie den guten Henricum verbrennen wollten.

Beschieden sie sich zusammen auf den andern Tag nach Conceptionis gen Hemmingstedt, eine halbe Meile von Meldorf, und belegten mit Fleiß die Straßen zu Meldorf, auf daß sie niemand warnete. Ward auch verordnet, daß auf allen Dörfern, als die Nacht kam, und man Ave Maria läutet, sie zusammen kämen. Und kamen zusammen bei die fünfhundert Bauern. Als sie nun zusammen gekommen waren, ward öffentlich angezeigt, aus was Ursache sie gerufen wären. Denn niemand, ohne die Hauptleute, wußten die Ursache und was sie thun sollten. Als der gemeine Mann das hörete, wollten sie zurückziehen und solche böse That nicht begehen. Aber die Hauptleute geboten ihnen, bei Leib und Gut nicht fortzuziehen. Hatten auch gesoffen daselbst drei Tonnen Hamburger Bier, daß sie desto muthiger wären. Und kamen in der Mitternacht um zwölf Schläge mit gewappneter Hand gen Meldorf.

Die Jacobiter oder Predigermönche gaben ihnen Licht und Fackeln, daß sie ja sehen könnten, und der gute Henricus nicht entlaufen könnte. Hatten auch einen Verräter bei sich, mit Namen Hennicks Hanß, welcher alle Dinge verrathen hatte; fielen mit Gewalt in die Pfarrei, zerschlugen alles, was da war, wie der vollen unsinnigen Bauern Gewohnheit ist, Kannen, Kessel, Kleider, Becher; was sie aber fanden von Silber und Gold, nahmen sie mit. Fielen auch zu dem Pfarrer ein mit Gewalt, hieben und stachen und schrieen: schlag todt! schlag todt! Einestheils stießen ihn auf die Straße nackend in den Dreck, und nahmen ihn gefangen, er sollte mit ihnen gehen. Das andere Theil schrie, man sollte ihn gehen laßen, denn sie hätten keinen Befehl, ihn zu fangen. Darnach, als sie ihren Muthwillen mit dem Pfarrer geübet hatten, fielen sie zu dem guten Bruder Heinrich ein, und nahmen ihn nackend aus dem Bette, schlugen, stachen, wie die unsinnigen vollen Bauern, und banden seine Hände fast hart auf den Rücken, zogen und stießen ihn also lang, daß auch Peter Nannen mit Barmherzigkeit bewegt wurde, der sonst ein giftiger Feind des Wortes Gottes war, und sagte, daß man ihn gehen ließe, er würde wohl folgen; befahl ihn Balke Johann zu leiten, der ihn mehr schleifte denn führte. Als sie ihn gen Hemmingstedt brachten, fragten sie ihn: wie er ins Land gekommen wäre, und was er da suchte? Antwortete er ihnen freundlich mit der Wahrheit, da sie auch bewegt wurden, und riefen: Nur weg mit ihm, wo wir lang ihn höreten, würden wir mit ihm Ketzer werden! Da begehrte er, daß man ihn auf ein Pferd setzen wollte, denn er sehr müde und matt war, und seine Füße ihm ganz wund waren; denn er in dem Kalten und Eise die Nacht nackend und barfuß gegangen und geführet war.

Als sie das höreten, spotteten sie und verlachten ihn, und sprachen: Ob man dem Ketzer Pferde halten solle, er müßte wohl laufen; schleppten ihn also die Nacht bis zu der Heide. Da brachten sie ihn in eines Mannes Haus, mit Namen Raldenes, und wollten ihm einen Stock mit eisernen Ketten angehängt haben. Aber der Hausvater hatte Mitleiden, und wollte solches nicht leiden. Da er ihren Muthwillen nicht wollte gestatten, brachten sie den guten Heinrich in eines Pfaffen Haus, mit Namen Herr Reimer Hotzecken, ein Diener des Officials von Hamburg, gaben ihn den vollen Bauern zu verwahren, die ihn fortan die ganze Nacht verspotteten und verhöhneten. Unter andern kam zu ihm Herr Simon, Pfarrer von Altenvorden, und Herr Christian, Pfarrer von der neuen Kirchen, beide fast ungelehrte Verfolger des Wortes Gottes; fragten ihn, aus was Ursache er das heilige Kleid abgelegt hätte? Welchen er freundlich aus der Schrift antwortete; aber sie verstandens nicht, was er sagte.

Kam auch zu ihm M. Günter, fragte ihn, ob er wolle lieber an den Bischof von Bremen geschickt sein, oder lieber in Dithmar seinen Lohn empfahen? Antwortete Henricus: Habe ich etwas Unchristliches gelehret oder gehandelt, könnten sie mich wohl darum strafen; der Wille Gottes geschehe. Antwortete M. Günther: Hört, lieben Freunde, er will in Dithmar sterben. Aber das Volk insgemein wartete die ganze Nacht ihres Saufens. Des Morgens um achte giengen sie auf dem Markt zu Rathe, was ihnen zu thun stände. Da riefen die vollen Bauern: Immer verbrannt! zum Feuer zu! so werden wir heute von Gott und von den Leuten Ehre gewinnen; denn je länger wir ihn leben laßen, je mehr er mit seiner Ketzerei verkehrt. Was hilft viel langes Bedenken? Er muß doch sterben. Also ward der gute Heinrich unverhöret zum Feuer verdammt.

Darnach ward ausgerufen: Alle, die ihn hätten helfen fangen, sollten mit ihrer Wehre mit zum Feuer hinaus ziehen. Da waren auch die grauen Mönche oder Barfüßer, stärkten die armen Leute und sprachen: Jetzund gehet ihr der Sachen recht nach; und hetzten das arme elende trunkene Volk. Da nahmen sie ihn und banden ihn an Hals, Füßen und Händen, führten ihn mit großem Geschrei zu dem Feuer. Als dieß geschah, stund eine Frau in ihrer Hausthüre, und sah dieses Elend und Jammer, und begann bitterlich zu weinen; sagte der gute Heinrich zu ihr: Liebe Frau, weinet nicht über mich. Als er an die Stätte kam, da das Feuer bereitet war, saß er nieder vor großer Schwachheit. Da kam der Vogt, Schöffer Maes, durch Geld dazu erkauft, wie man gläublich saget, verdammt den guten Bruder Heinrich mit dieser Sentenz oder Urtheil zum Feuer: Dieser Bösewicht hat geprediget wider die Mutter Gottes und wider den Christenglauben, aus welcher Ursache ich ihn verurtheile, von wegen meines gnädigen Herrn, Bischofen von Bremen, zum Feuer. Antwortete der gute Bruder Heinrich: Das habe ich nicht gethan; doch, Herr, dein Wille geschehe; warf auf seine Augen in den Himmel, und sprach: Herr, vergib ihnen, denn sie wißen nicht, was sie thun; dein Name ist allein heilig, himmlischer Vater!

Da gieng hinzu eine gute christliche Frau, Clauß Jungen Frau mit Weibs-Namen, eine Schwester Peter Nannens, wohnhaftig zu Meldorf, vor das Feuer, und erbot sich, man sollte sie zur Staupen schlagen, auf daß ihr Zorn gebüßet würde; dazu wolle sie tausend Gulden geben, man solle den Mann nur wieder einsetzen bis auf den nächsten Montag, daß er von dem ganzen Lande verhöret würde, und dann verbrannt. Da sie das hörten, wurden sie rasend und unsinnig, und schlugen die Frau zu der Erde, traten sie mit Füßen, schlugen mit aller Gewalt den guten Märtyrer Christi. Einer schlug ihn mit einem Stoßdegen in den Hirnschädel. Aber Johann Holm von der neuen Kirche schlug ihn mit einem Fausthammer; die andern stachen ihn in seine Seite, in den Rücken, in die Arme, wo sie ihn nur erreichen konnten; und nicht einmal, sondern so oft er begann zu reden.

Da ermahnte und hetzte das Volk M. Günter, und rief sie an und sprach: Frei zu, lieben Gesellen, hier wohnet Gott bei! Darnach brachte derselbige M. Günter einen ungelehrten grauen Mönch zu ihn, daß er beichten sollte; sprach aber zu ihm der Märtyrer Christi: Bruder, habe ich dir auch etwas zu leide gethan oder je erzürnet? Antwortete der Mönch: Nein. Sprach zu ihm der gute Bruder Heinrich: Was soll ich dir denn beichten, das du mir vergeben solltest? Da schämte sich der graue Mönch und trat zurück. Das Feuer aber wollte nicht brennen, wie oft sie es anzündeten. Nichts destoweniger übten sie ihren Muthwillen an ihm, und schlugen ihn mit Helleparten und Spießen. Das verzog sich wohl zwei Stundenlang, in welcher Zeit er in seinem Hemd nackend vor den Bauern stund mit aufgehobenen Augen in den Himmel. Zuletzt kriegten sie eine große Leiter, auf welche sie ihn fast hart banden, auf daß sie ihn in das Feuer würfen. Da hob der gute Märtyrer Christi an, seinen Glauben zu sprechen; schlug aber einer her mit einer Faust in sein Maul, und sprach zu ihm: Er sollte erst brennen, darnach möchte er lesen was er wollte. Da trat einer mit einem Fuß auf seine Brust, und band ihn also hart an einer Sprosse an seinen Hals, daß ihm Maul und Nase blutete, auf daß er ersticken sollte, denn er sah, daß er von so viel Wunden nicht sterben könnte.

Darnach richteten sie ihn auf mit der Leiter. Da setzte einer die Helleparte an die Leiter, dieselbige helfen aufzurichten; denn das Land keinen Scharfrichter hat. Da glitt die Helleparte von der Leiter ab, und durchstach den heiligen Märtyrer Christi mitten durch. Warfen also den guten Mann mit der Leiter auf das Holz. Aber die Leiter sprang zu der Seite ab. Da lief zu Johann Holm, und nahm den Fausthammer, und schlug ihn auf seine Brust, also lang, daß er starb, daß er sich darnach nicht regete. Brieten ihn also auf den Kohlen; denn das Holz wollte nicht brennen.

Das ist kürzlich die wahre Historie von dem Leiden des heiligen Märtyrers Henrici von Zutphen.

Luther Deutsche Briefe - Schriften - Lieder - Tischreden,
Ausgewählt und lebensgeschichtlich verbunden von Dr. Tim Klein,
München-Ebenhausen/Leipzig bei Wilhelm Langewiesche-Brandt
1917

Heinrich von Zutphen

Heinrich von Zutphen

Zutphen, Heinrich von

Heinrich von Zütphen, ein Augustinermönch im Anfange der Reformationszeit, der mit kühner Beredsamkeit an mehreren Orten für die evangelische Sache auftrat, bald aber einen grausamen Märtyrertod erlitt. Die Stadt Bremen verdankt ihm den Anstoß zur Einführung der Reformation. H., dessen Familienname unbekannt ist (die frühere Annahme, er habe Moller oder Müller geheißen, hat sich als ein Irrthum erwiesen), trägt seinen Beinamen von seiner Vaterstadt Zütphen in den Niederlanden, wo er wahrscheinlich 1488 geboren ist. Ueber seine Jugendzeit wissen wir nichts. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts trat er zu Dordrecht unter die Augustiner und erhielt den Klosternamen Johannes, den er jedoch später nie gebraucht hat. 1508 finden wir ihn unter den Studierenden an der neugegründeten Universität Wittenberg. Die Gemeinsamkeit des Orden und Congenialität der Gesinnung brachte ihn Luther nahe, der ihn in seinen Briefen mit Auszeichnung nennt. 1505 wurde H. Vorleser im Wittenberger Kloster, bald aber berief man ihn nach Köln als stellvertretenden Prior des dortigen Augustinerklosters; 1515 finden wir ihn als Prior des heimischen Klosters zu Dordrecht. Bei solchem Bildungsgange mußte H. ein Anhänger der Bewegung werden, die 1517 von Wittenberg ausging und namentlich in den Niederlanden einen empfänglichen Boden fand; wurden doch die Augustiner fast überall Parteigänger Luther’s. Schon 1517 und 1518 hören wir von einer Verfolgung der Evangelischen in Dordrecht. H. scheint daran noch nicht betheiligt gewesen zu sein, hat aber muthmaßlich seine Priorstelle niedergelegt, da sich 1520 für diese ein anderer Name findet. Wir treffen H. in diesem Jahre wieder in Deutschland und zwar, vielleicht auf Luther’s Empfehlung, in der Umgebung des sächsischen Kurfürsten, mit dem er zu Köln der Uebergabe der päpstlichen Bannbulle wider Luther durch Carracioli und Aleander am 10. December beiwohnte. Er hat darüber einen noch erhaltenen Bericht verfaßt. Dann kam er aufs neue nach Wittenberg, wo er unter Melanchthon seine Studien fortsetzte und die akademischen Grade eines Baccalaureus und eines Licentiaten erwarb, 1521. Nun aber fühlte er sich reif genug, in seiner Heimath für die Reformation aufzutreten, 1522. Ein Edict Karls V. und dessen blutige Ausführung durch die Statthalterin Margarethe schien zwar alle Mühe daselbst vergeblich zu machen; angesichts der zahlreichen Hinrichtungen hatte selbst Heinrichs Freund, der Antwerpener Augustinerprior Jacob Probst, widerrufen, derselbe, der später, seinen Widerruf bereuend, H. nach Bremen gefolgt ist; H. aber scheute sich nicht, gerade in Antwerpen aufzutreten. Das Volk strömte ihm zu, aber die Feinde ruhten nicht. Am 29. September 1522 wurde der kühne Mönch bei einer Predigt am Ufer der Schelde verhaftet. In der Nacht sollte er nach Brüssel geschleppt werden, sein Schicksal schien entschieden. Aber das Volk, an der Spitze die Frauen, erbrach das Gefängniß mit Gewalt und setzte den bewunderten Prediger in Freiheit. H. floh. Er sah für den Augenblick keine Möglichkeit, in den Niederlanden zu wirken, und beschloß, nach Wittenberg zurückzukehren. Auf dieser Reise, die er über seine Vaterstadt Zütphen und, wohl der Sicherheit halber, auf einem Umwege machte, kam er nach Bremen, wo er einen ungeahnten Wirkungskreis finden sollte. – Die Stadt Bremen hatte sich, wie ganz Niedersachsen, der Reformation bisher fern gehalten, obwohl Empfänglichkeit für sie vorhanden war. Man wußte hier von Heinrichs Schicksal und seinem Kommen; deshalb wurde er von angesehenen Männern sofort angehalten und um eine Predigt ersucht. H. war bereit und predigte am Sonntag den 9. November 1522 in einer Capelle der Anscharii-Kirche. Man bat ihn nun zu bleiben, und mit Bewilligung seines Provinzialoberen blieb H. in Bremen, dessen Reformator er jetzt werden sollte. Die Geistlichkeit setzte natürlich alle Mittel in Bewegung, den Neuerer zu hindern oder seiner habhaft zu werden, der Rath aber, der allerdings keine entschiedenen Schritte für H. that, duldete ihn doch und hinderte das Volk nicht, sich seiner und seiner Sache thatkräftig anzunehmen. Man ließ H. auf das vom Erzbischof Christoph (s. Bd. IV. S. 235 ff.) angesetzte Provincialconcil zu Buxtehude (10. März 1523) nicht ziehen, zerstörte die der Stadt nahe und gefährlich gelegene Abtei St. Pauli, und berief an die Stadtkirchen zwei neue Prediger des Evangeliums, nämlich jenen Freund Heinrichs Jacob Probst und den Amsterdamer Johann Timann (1524). Bei diesem günstigen Verlauf der Dinge glaubte H. einem neuen Rufe folgen zu müssen. Er war aufgefordert worden, nach Meldorf im Lande Dithmarschen zu kommen, wo seit einiger Zeit der evangelische Prediger Nicolaus Boje (s. Bd. III. S. 85) für die Reformation arbeitete. Nur wenigen Bremern zeigte er sein Vorhaben an und zog, um die Feinde nicht aufmerksam zu machen, heimlich fort (28. November 1524). Auf dem neuen Schauplatz ging es anfangs gut. In Meldorf nahm man den Fremdling freudig auf und hörte begierig seine Rede. Aber es sollte nicht lange dauern. Das stolze Bauernvolk der Dithmarsen, welches solange seine Freiheit gegen die umliegenden Fürsten behauptet, liebte keine Glaubensänderung. Dem Prior des Meldorfer Dominikanerklosters, Augustinus Torneborch, wurde es daher leicht, die Gemüther gegen den Ketzer zu entflammen. Es wurde ein heimlicher Schlag gegen denselben beschlossen und ausgeführt. Man überfiel in einer Nacht das Meldorfer Pfarrhaus und schleppte den unglücklichen Mönch unter den rohesten Mißhandlungen nach dem Orte Heide, wo er am anderen Morgen einen qualvollen Tod im Feuer fand. Das war am 11. December 1524. Ein jähes Ende hatte den 36jährigen Mann aus einer verheißungsvollen Laufbahn gerissen. Aber auch das trug seine Frucht. In Wittenberg beklagten Luther und Melanchthon den Frühvollendeten aufs schmerzlichste, und ersterer sandte den Bremern einen Trostbrief nebst einer Erzählung von Heinrichs Wirken und Märtyrertod, die nicht wenig zu der ernsten Durchführung der Reformation in Bremen beitrugen. Auch im Lande Dithmarschen fand dieselbe bald Eingang. Das Andenken des Blutzeugen aber hat sich der evangelischen Kirche unvergeßlich eingeprägt. Seit 1830 erhebt sich an der Stelle seines Märtyrertodes ein Denkmal. Viele Schriften haben sein Leben und Leiden dargestellt.