Gilles Tillemann

Anno 1541 ist zu Brüssel in Braband widerumb ein sehr frommer Christlicher wohlthätiger mann mit namen Gilles Tillemann verbrennet worden, mit welchem die Mönch und Pfaffen sehr wunderlich umbgangen seind. Und sonderlich / dieweil sie ihn auß Gottes word nid uberzeugen konten hatten sie / wie gebreuchlich / ihre eusserdte zufluch zu der lügen und verleumbdung / daß sie dem guten mann seine wort verkehrten / und ihn bey der Obrigkeit verhaßt machten. Den ersten tag / dieweil sich Gilles mit ihnen in wort zu geben geweigert / brachten sie ein geschrey in der gantzen Statt auß / daß er mit einem stummen Teuffel besessen were / der ihm die spraach verhindert hette. Des andern tags sagten sie / daß er den bösen geist der gotslesterung im leib hette / dieweil er ihnen ihre grewliche gotslesterung nit hatte wollen bewilligen. Wer könte aber solche bestialische wunderthier zu friden stellen? Schweigestu / so bistu mit einem stummen Teuffel besessen: Antwortestu aber / so hastu den geist der gotslesterung.

Da er vom Fegfewer gefragt wurde / sagt er / In der H. Schrift were nichts davon zu finden / Sondern sie sagte / daß das blut Christi uns reinige von allen sünden. Darumb verliesse er sich zu der barmhertzigkeit Gottes / er wolte nach seinem tod stracks ins Paradeis und nicht ins Fegfewer kommen. Mit der antwort waren die Mönche nit zu friden / sondern sagten / Er solte mit ja oder nein antworten / ob ein solch Fegfewer were oder nit. Darauff sagt Gilles / Wollet ihr ja nach ewerm tod ins Fegfewer kommen / so wandert immer hin / ich wil euch daran nicht verhindern. Ja ist euch dann villeicht solch fewer nit heiß genug / so möget ihr meinte halben gar in die Helle wandern. Ich gedencke mit der gnade Gottes / weder ins Fegfewer noch in die Helle zu kommen. Diser Gillef pflag im gefengnus in seinem gebett also eiferig und in tieffen gedancken zu seyn / daß sichs nicht anders ansehen ließ / als wann er eine zeitlang entzücket were / und / so zu sagen / auß dem schlaf erwachete / wann man ihn anstieß und ansprach. Auch war er in essen und trincken so mäßig / daß man ihn nicht wol uberreden konte / nur ein klein wenig mehr speise uber die eusserste notturft zu sich zu nemen: Er thete aber solches nit auß heucheley oder aberglauben / auch nit auß mangel / dieweil jm von den bürgern zu Brüssel alle notturft reichlich mitgetheilet wurde: Sondern er hielts für unnötig / daß einer seinen leib allzu leckerig und uberflüssig speisen solte / und gläubte / daß es gnug were / wann ihm nur an seiner gesundheit nichts mangelte / in betrachtung / daß so vil blutarmer leut weren / die auch an trockenem brot mangel hetten.

Als man ihn ans fewer gebracht / und er allda einen grossen hauffen holz gesehen hatte : sagte er mit lauter stimm / Was ists von nöten / daß man disen armen cörper zu verbrennen so vil holtzes zusamen geschleppet hat / da man doch wol geringer zukommen könte. Erbarmet ihr euch nicht uber die armen / derer vil in diser statt zu tod frieren / denen ihr das ubrige holtz wol hettet außtheilen mögen.

Da die hencker damit umbgiengen / daß sie ihn zuvor würgen wolten / ehe das fewer angieng: sagt er / Es were nit nötig. Dann / sagt er / ich förchte mich nicht für dem fewer / sondern wil es meinem Herren Christo zu ehren gern ansehen und erleiden / der für mich an leib und seel vil grössere marter erlidden hat. Lasset mich nur ein wenig beten / darnach wil ich gern thun / was ihr nur von mir haben wöllet. Nach gethanem gebett / zohe er seine schuch auß / und bat / daß man sie etwa einem armen menschen geben möchte / und nach dem er seine seel in die hand des Herren befohlen hat / ließ er sich gutwillig verbrennen.

Dieweil aber diser Gilles Tillemann / als ein außbund eines frommen Christlichen mannes / gerühmet wird / wil ich mich nicht beschweren etwas weitleuftiger zu vermelden / mit wie mancherley wercken und diensten der liebe er seinen wahren und lebendigen glauben bezeuget hab. Was sonst sein herkomen angehet / war er von geringem stand / seines handwercks ein messerschmid. Er war aber nun in die 33. jar gegen jedermeniglich so freundlich und diensthaftig geweßt / daß jn ein jeglicher nicht allein wol leiden konte / sondern jn auch von hertzen lieb hatte. Und war in derselben grossen volckreichen statt niemand / der sagen konte / daß jm jemals etwas leydes von disem Gilles widerfahren were / sondern sie rühmeten vil mehr seine güte un wolthätigkeit. Sein gewonheit war / lieber von seinem rechten abzustehen / als mit jemand zu zancken / dann jm die Christliche lieb und einigkeit lieber war / dann alle zeitliche güter. Mit seinem handwerck bracht er täglich nur wenig stunden zu / zu dem ende / daß er nur leibsbergung und notturft davon habwen könte. Dann er es fur eine sünde hielt / auf eines andern arbeit und beutel zehren. Sein meiste arbeit aber / da er den tag mit zubrachte / war / die krancken besuchen / die armen und elenden trösten / die uneinigen vertragen. Und dannoch gab der liebe Gott solch gedeyen und segen zu seiner nahrung / daß es wunder war. Er aber gab das meiste von seinem gewin den armen / und war selbst mit einem geringen zu friden / und behalf sich kümmerlich. Und dieweyl er umb seiner tugend willen von vilen geliebet ward / wurd er auch bißweilen mit geschencken begabt / welche er so lang bey sich behielt / biß jn etwa ein armer ankam / demselben theilete er es miltiglich mit. Er hatte für die hungerigen seinen sonderlichen becker / für die blosen seinen schneider und schuster / für die krancken seinen Apotecker. Zur zeit der pestilenz und hunger ließ er durch einen offentlichen Außruff ein mercklich theil seines haußgeräts und guter verkaufen / daß er ein summa gelts zusammen brechte / damit er den armen krancken behülflich seyn möchte. Ja er schewete sich nicht in die häuser zu gehen / die mit der pest vergiftet waren / und daselbst dem notturftigen zu dienen. Die frembden und armen nam er in seine behausung / und sonderlich die krancken / die speiset er / die tröstet er / denen dienet er / biß sie durch Gottes hülf wider gesund wurden / und zu ihrer vorigen arbeit kommen konten. Ja er dienete solchen nicht allein am leib / sondern vil mehr an jrer seelen / in dem er ihnen die lehr des H. Evangelii sehr lieblich und deutlich fürhielt / sie zu erkantnus jrer sünden und elends brachte / und sie zugleich zur besserung jres sündlichen lebens vermahnete und anhielte. Welches dann des Antichrists trewe diener daselbst in die lenge nit haben leiden könnewn. Die verklagten ihn endlich für der Obrigkeit / und hörten nicht auf in jren predigten und sonst wider Gilles zu rufen und zu schreyen. Ja sie namen himmel und erden zu zeugen / und schwuren aufs aller grewlichst / wann man disen Gilles nicht mit dem aller ersten hinrichten würde / so würde in kurtzer zeit das gantze land auf seine meynung gebracht werden. Darauf man dann also / wie oben vermeldet / mit ihm umbgangen ist. Und sind zwar auch zur selben zeit nicht wenig gewesen / die den elenden zustand der Christenheit heftig beklaget / und gesagt haben / daß es leyder so weit kommen were / daß diejenigen / so sich des namens Christi zum höchsten rühmen / nit anders weren / als Phariseer / heuchler und scheinheiligen / die vil mehr für gotlose leute / als für rechte wahre Christen zu halten weren. Ist auch die Pfafferey und Mäncherey hiedurch zu Brüssel in grossen hassz und verachtung kommen.

Märtyrbuch:; Denckwürdige Reden und Thaten viler H. Märtyrer, Welche nach der Aposteln biß auf unsere Zeiten / hin
und wider in Teutschland / Franckreich / Engelland / Schotland / Niderlanden / Italien / Hispanien / Portugall / ec umb der
götlichen warheit willen jämmerlich verfolget / gemartert und endlich auf allerley weise entleibet seind worden.

Alles auß den Frantzösischen Geschichten der Märtyrer trewlich außgezogen.

Gedruckt zu Herborn / 1698