Erasmus Sarcerius

Erasmus Sarcerius

Erasmus Sarcerius, der Sohn eines durch Metallhandel wohlhabend gewordenen Bürgers, war zu Annaberg am 19. April 1501 geboren. Er besuchte die Schulen zu Annaberg und Freiberg, die Universitäten zu Leipzig und Wittenberg. Ein Schüler der Reformatoren, besonders Luther’s, erfasste er das neu verkündete Evangelium mit allen Kräften. Er verbreitete es zugleich mit gründlichen Sprachkenntnissen in seinen Schulämtern zu Lübeck, Rostock, Wien und Grätz. In Lübeck, wo ihn 1530 Bugenhagen zum Subrector einsetzte und wohin er später in’s Conrectorat zurückberufen wurde, stand er in inniger Freundschaft mit dem Rector und nachmaligen Superintendenten Hermann Bonnus, dem er vorzüglich in dialectischen und rhetorischen Studien Vieles verdankt. 1536 wurde er Rector zu Siegen im Gebiete des Grafen Wilhelm von Nassau und bald darauf (spätestens 1539) Pastor, daselbst und Superintendent der Grafschaft Nassau. Nicht nur im Lande, sondern mit Erlaubniss des Grafen weit und breit umher begründete und organisirte er das luthersche Kirchenthum. In Cöln, wohin er zu gleichem Zweck mit Melanchthon u.A. 1543 berufen wurde, hatte seine Wirksamkeit freilich nur geringen Erfolg. Treu und fest an der lutherschen Lehre haltend ward er durch das Interim 1548 aus seiner bisherigen Stellung vertrieben. Nachdem er eine Zeit lang als Privatmann in Annaberg gelebt, folgte er einem Rufe zum Pastor an der Thomaskirche und zum Professor an der Universität nach Leipzig. 1552 wurde Sarcerius mit Philipp Melanchthon und Valentin Paräus erwählt, die sächsische Confession im Namen der lutherschen Lehrer auf dem Concil zu Trident zu übergeben. Die Kriegsrüstung des Herzogs Moritz unterbrach diese Mission. Schon in Nürnberg erhielten die drei Theologen Befehl, nach Leipzig zurückzukehren. Im folgenden Jahre übernahm Sarcerius das Amt eines mansfeldischen Superintendenten und Predigers zu Eisleben. Mit Entschiedenheit und Strenge reinigte er die Landeskirche von unlutherschen Lehren und Gebräuchen. Auf einer unter seinem Vorsitz gehaltenen Landessynode wurde die Lehre seines Vorgängers, Georg Major, von der Nothwendigkeit der guten Werke zur Seligkeit verdammt. Die Prediger aber, welche diesem Urtheil sich nicht unterwerfen wollten, u.a. ein Landpfarrer Stephan Agrikola, mussten das mansfeldische Gebiet verlassen. Im August 1557 wurde Sarcerius von den Herzögen zu Sachsen mit Schnepf, Strigel, Stössel und Mörlin zu dem vom Kaiser Ferdinand veranstalteten Colloquium in Worms deputirt. Als hier Jullius Pflug als Präsident der katholischen Stände von den anwesenden lutherschen Theologen gefordert hatte, von den Zwinglianern, Osiandristen, Adiaphoristen und Synergisten sich feierlich loszusagen, erklärten sich Sarcerius und seine Mitdeputirten sogleich dazu bereit. Melanchthon aber wollte die Zwinglianer, Adiaphoristen und Synergisten und Brentz die Osiandristen vor einer näheren Untersuchung der Sache nicht verurtheilt wissen, und so zerschlugen sich die Unterhandlungen. 1559 ging Sarcerius als Superintendent und Senior des geistlichen Ministeriums nach Magdeburg, wo er schon den 29. November desselben Jahres, nachdem er nur vier Predigten gehalten, an der Steinkrankheit starb. Seine Gattinn Christine, die ihm eilf Kinder gebar, war ihm, in Folge der Geburt eines todten Knaben, vorangegangen. Sein Sohn Wilhelm Sarcerius gerieth als Pastor zu Eisleben in den Flacianischen Irrthum, wurde entsetzt und starb als Hofprediger zu Mansfeld. Von S.s’ Töchtern verheirathete sich Juliane mit dem berühmten Historiker Matthäus Dresser.

Erasmus Sarcerius ist als eine wahre Seule der alten lutherschen Kirche zu betrachten. Zeitgenossen und Historiker können seine lautere Frömmigkeit, Gelehrsamkeit, Festigkeit und bischöfliche Wachsamkeit nicht genug rühmen. „Ich möchte fast sagen“ – so führt Albinus in der Meissnischen Chronik einen älteren Zeugen über ihn ein – „dass die Sonne leichter von ihrem Laufe, als Erasmus von dem Bekenntniss der Wahrheit abgelenkt werden kann.“ Arnold nennt ihn einen Jeremias seiner Zeit und Nicander feiert ihn in dem Wortspiele:

Erasmus Sarcerius. Sic murus sacer eras.
Sicut eras sacer in vita rebusque secundis,
Firmus in adversis, sic quoque murus eras.

(Nicander, Ecclesia Mansfeldia, Islebiae 1674.)

Bemerkenswerth ist E.s’ ganz besondere Gabe, in Privatgesprächen zu überzeugen und für Christus zu gewinnen. Er war sich dieser Fähigkeit dankbar bewusst und äusserte, er habe über Tisch und überhaupt im Privatverkehr Mehre bekehrt, als in seinen Predigten. Dieses Urtheil darf nicht zum Nachtheile der letzteren ausgelegt werden. Dresser nennt sie mit Recht gelehrt, scharf, brennend, umfangreich und gehaltvoll. Das angeführte Zeugniss bei Albinus rühmt von ihnen, dass sie wahrhaft Stacheln in den Gemüthern der Zuhörer zurückgelassen. Selbst der Jesuit Gretser nennt ihn „einen nicht obscuren Prediger.“ Richtig ist das Urtheil Verheyden’s (Effigies theologorum qui Antichristum oppugnarunt. Hagae 1602): „E. S. war ein ausgezeichneter Redner, ein didactischer Theolog, welcher mit Hülfe der Philosophie, nach einer bestimmten Methode die heiligen Dinge behandelte,“ sobald man unter Philosophie nicht mehr als Logik versteht. Letztere hat S. gründlich studirt und auch in seinen, meistens sehr übersichtlich in „Artikel“ zerlegten, textgemässen, Predigten angewandt. Die über die evangelischen und epistolischen Perikopen gehaltenen sind in dialogischer Form abgefasst und verhältnissmässig die kunstlosesten von allen, wiewohl auch bei ihnen die dialectische Grundlage vorhanden ist.

Seine wichtigsten Schriften sind: Methodus divinae Scripturae loca praecipua explicans. Basileae 1528. 8. Dialectica. Marpurgi 1537. Rhetorica. Marburgi 1537. Postilla in evangelia dominicalia et festivalia. Francof. 1538. 8. Expositiones in epistulas dominivules et festivales. Francof. 1539. 8. Lat. Scholien zu den Büchern des neuen und zum Theil auch des alten Testaments. – Auslegung über die Evangelia der Sonntage. 2 Thle, Leipz. 1552, 8. Auslegung über die Evangelia der Feste. Leipz. 1552. 8. Auslegung über die Episteln der Sonntage. Leipz. 1552. 8. Verschiedene einzelne Predigten und kleinere Predigtsammlungen. Hausbuch, darin die reine christliche Lehre des Evangelii und dagegen der Papisten Lehre und Glauben kurzlich verfasset. Leipz. 1553. Summarien und kurzer Einhalt aller bibl. Bücher. Leipz. 1558. fol. Pastorale oder Hirtenbuch. Eisleben 1562. fol.

Quellen: Adamus, vitae theol. p. 156. Vorzügl. Molleri Cimbria literata. P. 2. pag. 159 seqq.

Die bedeutendsten Kanzelredner
der
lutherschen Kirche des Reformationszeitalters,
in Biographien und einer Auswahl ihrer Predigten
dargestellt
von
Wilhelm Beste,
Pastor an der Hauptkirche zu Wolfenbüttel und ordentlichem Mitgliede der
historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig
Leipzig,
Verlag von Gustav Mayer.
1856