Conrad Sam

Nachricht von Conrad Sams, des ersten ordentlich beruffenen Ulmischen Reformators, Leben, Verdiensten und Schriften.

Womit Scholarchat und Convent des Ulmischen Gymnasiums zu der gewöhnlichen Feierlichkeit am Ostermontage alle Hohe Gönner und Freunde gehorsamst und ergebenst einladet.

Ulm, 1795.
gedruckt bey Christian Ulrich Wagner, dem ältern.

Wir haben in den beiden vorigen Osterprogrammen das Andenken eines um unser Gymnasium wohl verdienten Rectors, des Mart. Balticus, zu erneuern gesucht, das gegenwärtige soll dazu bestimmt seyn, unsern Mitbürgern einen Mann bekannter zu machen, der sich um unsere Vaterstadt durch eine allgemeinere Verbreitung der Evangelischen Lehre und eine muthige und glückliche Vertheidigung derselben gegen ihre ersten heftigen Widersacher unsterblich verdient machte, der die Ehre verdiente, Luthers, Zwingli’s und Oekolampads Freund zu seyn, und von andern Orten her um seinen klugen Rath ersucht zu werden. Conrad Sam ist es, dem hier ein Denkmal errichtet werden soll, und den unsere Mitbürger schon zum Theil aus den Hauschroniken, zum Theil aber, und noch besser aus des seel. Predigers und Professors Funks vortrefflichen kurzgefaßten Reformations-Historie, Ulm, 1718. 8. kennen können. Allein wir hoffen, weit mehreres zur nähern Kenntnis von ihm vorbringen zu können, da das Glück unsern Eifer in Aufsuchung der Nachrichten zu seiner Lebensbeschreibung begünstigte. Zwar sind wir weit davon entfernt, zu glauben, daß wir etwas vollkommnes liefern können, und ohne Zweifel würde Hr. Superintendent und Stadtbibliothekar Schelhorn in Memmingen etwas besseres geben können, wenn ihm die Menge seiner Amtsgeschäfte erlaubte, sein Versprechen zu erfüllen, das er am Schlusse der Vorrede zum zweiten Theil seiner kleinen historischen Schriften dem Publicum gab, das Leben Sams zu beschreiben, das er in diesem Theil schon hatte einrücken wollen, wenn wir nicht bereits vieles von Sam in unsere Disputation von den Schicksalen der Abendmahlslehre in der Ulmischen Kirche eingerückt gehabt hätten. Doch wir kommen nun zur Sache.

Conrad Sam – sein Name wird auch Som und Saum geschrieben gefunden – war 1483 zu Rothenacker, einem zwischen Ulm und Biberach liegenden Herzoglich Würtembergischen Dorfe, gebohren, und besuchte in der Folge unsere damals schon berühmte lateinische Schule, wo sein nachmaliger heftiger Gegner, Faber, sein Mitschüler war. Nachdem er sich hier gute Vorkenntnisse gesammelt hatte, gieng er nach Tübingen, um da seine Kenntnisse zu erweitern, wo er sich am 25. Oct. 1498 in die Matrikel einschrieb. [Er schrieb sich ein: Conrad Som de Munderkingen. Diese Benennung ist auffallend. Denn überall heißt er: von Rothenacker. Vielleicht hielten sich seine Aeltern jetzt (1498) in Munderkingen auf. Vermuthlich in Tübingen erhielt er die Licentiaten Würde; daß er sie hatte, wissen wir aus Eberlins Zeugniß.] Er hatte sich zu einem Lehramte in der Kirche tüchtig gemacht, und wurde auch zu der Pfarre in Brackenheim befördert. Bald nachdem Luthers Grundsätze in Schwaben bekannt wurden, schenkte auch er ihnen seinen Beifall. Dieß hatte Luther schon im Jahr 1520 durch einen uns sonst unbekannten Magister Heilingen erfahren. Weil aber gerade damals Eck durch die von ihm ausgewirkte und mit einer unseligen Thätigkeit verbreitete Bannbulle gegen Luthern und alle seine Anhänger überall die Freunde der Wahrheit in den Verdacht der Kezerey, und zum Schweigen oder zum Abfall zu bringen suchte, und die damalige Erzherzoglich Oesterreichische Regierung im Herzogthum Würtemberg die neuen Grundsätze zu unterdrücken eifrig gemüht war, so glaubte Luther dem Sam Muth einsprechen zu müssen, und dieß that er auch in einem geistvollen Briefe an ihn, der glücklicher Weise von Aurifaber aufbehalten worden ist. [Lateinisch steht er T.I. Epp. Luth. p 285 und in der Walchischen Samml. von Luth. Schriften deutsch, Th. XXI. S. 717. Luther würdigte ihn fortan seiner Freundschaft, und schickte ihm von Zeit zu Zeit seine Schriften, die noch mit dessen Hand bezeichnet auf unserer Stadtbibliothek sich befinden. Daß diese Freundschaft in der Folge unterbrochen wurde, wird der Verfolg der Erzählung von sich selbst vermuthen lassen.] Diese Aufmunterung von diesem Manne und sein eigner Eifer für die Wahrheit gab keiner Untreue gegen dieselbe in seiner Seele Platz; aber bald traf ihn deßwegen ein sehr widriges Schicksal. Joh. Eberlin, der hier zu allererst bessere Grundsätze zu verbreiten gesucht und dafür den Haß seiner Conventsbrüder im Barfüsserkloster in so hohem Grade sich zugezogen hatte, daß er um seiner Sicherheit willen sein Kloster und Ulm verlassen mußte, kam auf seinen Wanderungen auch zu Sam nach Brackenheim, hielt sich aber nur 3 Stunden bey ihm auf. Dieß wurde bald verrathen, und recht froh waren seine Feinde, eine Gelegenheit gefunden zu haben, ihm beizukommen. Denn er, nicht nur selbst schon lange der Kezerey verdächtig, sondern jetzt noch sogar als Enthalter und Beherberger eines mannes, den die angesehensten Lehrer zu Tübingen, Lemp und Blansch, schon ehehin beneidet hatten, und jetzt wegen seiner irrigen Meinungen – wie sie glaubten – noch mehr haßten, konnte nun nicht länger bei seiner Pfarre, die ihm jährlich 110 fl. – eine grosse Summe für die damaligen Zeiten, eintrug, gelassen werden. Er wurde also, nachdem er 9 Jahre sein Amt gewissenhaft verwaltet hatte, abgesetzt. [Eberlin erzählt dieß in seiner Schrift: Mich wundert, daß kein geld im land ist. Eylenburg, 1524. 4.] Natürlich befand er sich jetzt in nicht geringer Verlegenheit – ohne Amt, ohne bestimmtes Einkommen, allein die Vorsehung ließ diesen treuen Freund der Wahrheit nicht hülflos, und selbst sein nachheriger Gegner, Joh. Faber, der gewiß damals schon seine Grundsätze nicht billigte, that ihm jetzt gar viel Gutes – dieß sey zu seiner Ehre gesagt. Indessen bahnte ihm die Vorsehung einen Weg zu einem ansehnlichen Posten, auf dem er einen viel weitern Wirkungskreis zu Beförderung der Wahrheit bekam. Sam hatte hier in Ulm einen Stiefbruder, Sebast. Fischer, Schuhmacher, dem er von Zeit zu zeit von Brackenheim, wo er sich auch nach seiner Absetzung noch aufgehalten hatte, sehr geistreiche Briefe zuschrieb, die dieser seinen Bekannten zum Lesen mittheilte, die diese wieder weiter verbreiteten, und die wegen ihres schönen Innhalts häufig abgeschrieben wurden. Gerade damals 1524 suchte der Theil der Bürgerschaft, der besonders durch des sanften Diepolds gründlichen Unterricht erleuchtet der Evangelischen Lehre beipflichtete, bei dem Magistrat um einen Evangelischen Prediger und namentlich um den Sam an, und zu dieser Bürger größten Freude wurde ihre Bitte ihnen gewährt. [Funk, S. 695. f. und Stölzlin Histor. Patr. Mst.] auf der Stelle fertigte der Magistrat einen boten an ihn nach Brackenheim ab, der ihm die Vocation überbringen sollte, allein dieser traf ihn nicht. Denn kaum eine Stunde vor seiner Ankunft war Sam weg und nach Ulm geritten, um seinen Stiefbruder zu besuchen, wo er am Veitstag (den 15. Jun.) Abends um 3 Uhr ankam. Bey beiden war das Erstaunen gleich groß, bey Fischern über Sams unerwartet schnelle Ankunft, bey Sam über die Nachricht, daß ihm gerade ein Ruf nach Ulm zu einem Evangelischen Prediger zugeschickt worden sey. Gleich am folgenden Tage meldete er sich auf dem Rathhause, wo er die Bestätigung seines Rufes, und die Zusicherung des Gehalts von 100 fl. erhielt, doch mit dem Bedinge, wenn die drey Probpredigten, die er nun halten sollte, gut würden ausgefallen seyn. Er hielt sie auch in der Barfüsserkirche, die ihm zu seinen Predigten angewiesen wurde, noch vor Johannis, des täufers, Tag mit allem Beyfall derer, die seinen Ruf veranlaßt und befördert hatten, und seine Vorträge wirkten so gut, daß er den Diepold, Schramm, Weithals und Schichting bald zu ordentlichen Collegen bekam. Wie er nun hier wegen seines redlichen Eifers für die Wahrheit sich Liebe und Hochachtung erwarb: so schätzte man ihn auch auswärts wegen seiner Einsichten und Billigkeitsliebe. Als Beweise davon verdienen folgende zwey Umstände angeführt zu werden. Der Magistrat zu Memmingen hatte 1525 ein Religionsgespräch veranstaltet, wozu der dortige Evangelische Prediger Schappeler sieben Artikel zum Grund gelegt hatte. Noch ehe dieses Gespräch wirklich vor sich gieng, ersuchte der Magistrat den Urbanus Regius, einen Augsburgischen Evangelischen Prediger von hellen Einsichten, und den Sam um ihr Gutachten über jene Artikel und andere Puncte, welche bey der vorzunehmenden gänzlichen Reformation zur Sprache kommen mußten. Auch nur aus dem summarischen Auszuge aus Sams Gutachten läßt sich abnehmen, mit welch reifer Ueberlegung, eindringendem Geiste und wohlwollendem Herzen er es abgefaßt habe. [Schelhorns Memmingische Ref. Hist. S. 67. ff.] In eben diesem Jahre loderte der Baurenkrieg in Schwaben und andern Gegenden Deutschlands in voller Flamme, und ausser den bekannten zwölf Artikeln hatten die Bauern auch noch eine ganz unsichtbar gewordene Schrift: Handlung, Artikel und Instruktion, so fürgenommen worden seyn von allen Rotten und Hauffen der Bawern [Sie ist ganz abgedruckt in den Materialien zur Geschichte des Bauernkriegs, Chemnitz 1791. 8. Wir besitzen selbst zwey mit diesem Abdruck, den Titel ausgenommen, wortwörtlich übereinkommende Ausgaben, in welchen Sam nicht steht. Aber in einer dritten steht er, die von den eben angezeigten sehr abweicht.] bekannt gemacht, von deren billigem Innhalt man schon dardurch sich überzeugen kann, daß Luther, dem sie auch zu Gesichte kam, daraus die Hofnung schöpfte, daß noch alles gut werden könne. Unter denen Doctoren nun, die darinn zu aussprechung des göttlichen Rechts vorgeschlagen wurden, war auch Sam. Allein eine solche vorgeschlagene gütliche Verhandlung kam nicht zu Stande, und Sam konnte von dem in ihn gesetzten Zutrauen keinen thätigen Gebrauch machen.

In eben diesem Jahre brach auch der sogenannte Sacramentstreit aus oder der Zwist über die Bedeutung der Worte Christi: Das ist mein Leib, das ist mein Blut, den Carlstatt, Luthers College, veranlaßt, und Zwingli in Zürich und Oekolampad in Basel, aber mit einer andern Wendung, fortgeführt hatten, deren Behauptungen Luther widersprach. Man ist gewiß geneigt zu glauben, Sam habe sich für Luthers seines Freundes, Meynung erklärt, und er erklärte sich – nicht dafür, sey es, daß das Näherseyn Zwinglis und Oekolampads, oder ihre mit aller möglichen Stärke, und einnehmendem Schmucke des Ausdrucks vorgetragene Darstellung und Vertheidigung ihrer Vorstellung vom h. Abendmahl ihn für ihre Meynung gewann. Indessen nahm sich ein Ungenannter wider Sams Wissen, Willen und Dank die Freyheit, seinen Namen einer Schrift vorzusetzen, worinn Zwinglis Grundsätze über die Abendmahlslehre mit einer streitsüchtigen Bitterkeit, die Sam besonders in öffentlichen Schriften nicht liebte, gegen Luthers seine gerettet werden [Ain schöner und wohlgeteutschter grüntlicher bericht, für den gemeinen menschen, ob der leyb Jesu Christi im himel – – zu suchen od‘ auff erden im brot wesentlich zu verhoffen sey etc. Geprediget zu Ulm durch den predicanten im Münster mit gutem verstand. 1526. 4. Ein defectes Exemplar haben wir aus der Schwarzischen Sammlung in Altdorf ehemals benützt, sonst aber noch kein vollständiges angetroffen. Zwinglis günstiges Urtheil von dieser Schrift steht in Epp. Oecol. et Zwingl. p. 171. b.], die aber wegen ihrer sonstigen Gründlichkeit selbst Zwinglis Beyfall erhielt. Von ietz an mußte nun Sam an dem Streite öffentlich Theil nehmen. Denn Joh. Schradin, Evangelischer Prediger zu Reutlingen, hatte in dem ersten Anfall von Hitze eine Widerlegung iener Schrift niedergeschrieben und drucken lassen, worinn er den Sam äusserst hart und zwar namentlich, behandelte. [Auf den newen und groben Irrthumb vom Nachtmal des Herren, durch den Predicanten zu Ulm im münster mit gutem verstandt geprediget. Reutlingen.] Aber wie mag Schradin erstaunt seyn, und sich seiner Uebereilung geschämt haben, als ihm Sam in einer Gegenschrift bewies, er sey nicht Verfasser iener Schrift, die seine Galle zu einem solchen Ergusse gereitzt habe, als er ihm männlich edel vorrückte, daß es ihm mehr Ehre gebracht und eine vortheilhaftere Meinung von seiner Klugheit erweckt hätte, wenn er – sie standen vorher in freundschaftlichem Briefwechsel – bei ihm angefragt hätte, ob er wirklich Verfasser sey, wie Theob. Billican, der Nördlingische Reformator, gethan hatte, als er voll Gefühl seines guten Gewissens laut klagte, so eine Mißhandlung hätte er von einem Freunde um so weniger erwartet, als seine Feinde geschäftig genug seyn, die giftigsten Verläumdungen gegen ihn auszustreuen! [Ein erzwungne antwurt Conradi Sam, Predigers zu Ulm, uff das unfrüntlich büchlin Hansen Schradins von Reutlingen, so er zu schmach sein hat lassn außgan. Gedruckt zu ulm. i. mertz des 27 jars.] Zur Entschuldigung Schradins läßt sich höchstens dieß anführen, daß ihn der Verdacht einer Doppelzüngeley Sams aufbrachte; denn dieser hatte kurz vorher mit wahrer Offenherzigkeit, oder zärtlicher Schonung seinem ganz lutherisch gesinnten Freunde geschrieben, er schwebe noch wegen Zwingli’s und Luthers Abendmahlslehre in der unbehaglichsten Verlegenheit, und wisse noch nicht, für welche er sich erklären soll. Ein Wink von Sam für seinen Freund, daß er wenigstens nicht so fest, wie er, von Luthers Vorstellungsart der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl überzeugt sey, und iener sich gefaßt halten soll, auch eine Erklärung zu hören, die mit seinen Vorstellungen nicht übereinkomme! Zu eben der Zeit, da Schradin den Ausfall auf Sam gethan hatte, sah dieeser sich von einem andern Freunde öffentlich angegriffen. Er hatte im freundschaftlichen Briefwechsel dem Andr. Althammer, der damals Pfarrer in Eltersdorf bei Nürnberg war, seine Zweifel gegen die Lutherische Lehre vom Abendmahl, welcher dieser eifrig zugethan war, offenherzig entdeckt, und in einem dieser Briefe hatte er sich besonders übe diesen Satz herausgelassen, er sehe nicht ein, was die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl nützen soll. Die Antwort darauf ließ Althammer drucken, und gewiß erstaunte Sam nicht wenig, eine so heftige Antwort gedruckt zu lesen, die noch dazu nichts neues enthielt, was nicht schon Luther selbst und zwar stärker vorgebracht hatte, und am meisten mußten dem redlichen Sam die Spötteleien von Prophetastern, Mamelucken, und dergleichen und die gehässigen Consequenzen mißfallen, die Gegner der Lutherischen Meinung gehen als Werkzeuge des Satans auf nichts geringers um, als Christo seine Gottheit zu rauben. Sein Verstand, der nur Gründe verlangte, um durch ihre Prüfung der Wahrheit näher gebracht zu werden, fand hiebei wenig Nahrung, aber sein Herz fand Gelegenheit, sich hier von einer schönen Seite zu zeigen – er schwieg und verzieh.

So sehr ihn nun diese beide Freunde mishandelt hatten, so sehr schätzten ihn Zwingli und Oekolampad, bezeugten ihm in Briefen [Epp. Zwingl. et Oecol. p. 187. 189. 205. 209.] die zärtlichste Freundschaft, unterstützen ihn mit Rath und Trost bei diesen auswärtigen Angriffen, zu denen noch Anfälle hier kamen. Denn sein voriger Gönner und Wohlthäter, Joh. Faber, klagte ihn bei dem hiesigen Magistrat als den gefährlichsten Irrlehrer an, und suchte seiner Klage dadurch mehr Eingang und Nachdruck zu verschaffen, daß er sich darauf berief, seine Lästerungen des h. Abendmahls in einer Predigt selbst von ihm gehört zu haben. [Diesen Klagbrief Fabers nebst Sams Antwort haben wir in unsern Beiträgen zur Gesch. der Litterat. und Reform abdrucken lassen, S. 165 ff.] Allein Sam vertheidigte sich mit so vieler Anständigkeit und Wahrheit, daß iene Klage ohne schlimme Folgen für ihn blieb. Schon ein Jahr vorher – Faber klagte 1526 – hatte ihn ein Barfüssermönch, Joh. Winzeler, von der Kanzel in seinen öftern Controverspredigten gröblich verunglimpft, die ein Ungenannter fleissig nachgeschrieben hat, [Sie sind noch auf der Stadtbibliothek. Den Geist derselben findet man kurz, aber gewiß richtig, angegeben in Haids Ulm mit seinem Gebiete, S. 196.] ia seine Ungezogenheit gieng so weit, daß man von Seiten des Magistrats sich veranlaßt sah, ihn aus der Stadt zu schaffen. Das Jahr darauf, gerade zu der Zeit, da Faber seine Klage eingeschickt hatte, trat Veit Kalteisen in Winzelers Fußstapfen, aber mit ähnlichem Erfolg. Und doch kam noch ein rüstiger Held, Joh. Ulrici von Kaisersberg, der sich stark und geschickt genug wähnte, mit Sam eine offentliche Disputation zu halten. Sie wurde auch wirklich am Tag Domonici, (d. 24 Mai,) gehalten, [Wir besitzen die Acten in einer gleichzeitigen guten Abschrift.] und zwar vor dem Magistrat. Drei Artikel waren abzuhandeln, die Sam vorlegte, und die die Anruffung der Maria, die Verdienstlichkeit der guten Werke, den Nutzen des h. Abendmahls betraffen. Bald merkte der Mönch, daß er sich an Sams Streitunfähigkeit gewaltig geirret habe, und wollte sich dadurch aus der Schlinge ziehen, in die er sich selbst gefangen hatte, daß er sagte, er könne die weltliche Obrigkeit nicht für Richter in Glaubenssachen erkennen. Allein da man ihn nicht entwischen ließ, und Sam Beweise aus der Bibel forderte: so gab er die schlaue Antwort: „Lieber, wo stat es geschrieben, das ulm eine stat ist.“ Die Folge war, daß man den Guardian wissen ließ, dem Kaisersberg das Predigen nieder zu legen, und endlich wurde diesem gar ausgebotten. Allein nun rächte er sich für die Prostitution, die er sich selbst zugezogen hatte, auf eine Art, die seine Bosheit eben so sehr als seine Schwäche verrieth. Er steckte sich hinter dem D. Eck in Ingolstadt, den gehässigsten und listigsten aller Feinde der Reformation, und hetzte ihn nicht nur dem Sam auf den Hals, sondern selbst dem Magistrat machte Eck durch seine Zudringlichkeit so viel Unruhe, daß die Sache sehr weitläuftig wurde. Sie kann etwa an einem andern Orte erzählt werden. Den Sam forderte er öffentlich zu einer Disputation heraus, [Wider den Gotzlesterer unnd Ketzer Cunraten Sam, genannt Rotenacker – – anbietung einer Disputation, von wegen des hochwürdigen sacrament des altars. 4. s. 1 et a. I. Bgen. der Brief ist unterschrieben an Barbaratag (den 4. Dec.) 1527. Kürzlich gedenkt der Sache Bucer in einem Brief an Zwingli, den Hottinger in Hist. Eccles. N. T. P. VI p. 575. s. anführt, aber unrecht ins Jahr 1531 sezt.] und diese Ausforderung nahm Sam sogleich an, da gerade mit dem Anfang des Jahrs 1528. die bekannte Disputaton zu Bern gehalten wurde, und lud ihn in einem an ihn erlassenen Schreiben ein, dahin zu kommen. Sam erschien, aber Eck nicht, sondern schrieb an Sam nach Bern, die Zeit sey zu kurz gewesen, um persönlich zu erscheinen, und fliegen könne er nicht, da er doch drei volle Wochen Zeit dazu hatte, und sonst flog, wenn er einen Sieg zu erringen hofte [Dieß erhellt aus Sams Protestation, die in den Acten dieser Disputation, in der Quartausg. S. 169. in der Quartausg. S. 191. und in dem Abdruck in der Walch. Ausg. Luth. Schriften, Th. XVII. S. 2271.]. Konnte hier Sam sich keine Ehre dadurch erwerben, daß er seine Uiberlegenheit über einen so gewandten Streiter zeigen konnte, so konnte er es auf eine andere fruchtbare Art. Denn er predigte am dritten Sonntag nach Epiphaniä, und erklärte das Evangelium auf eine so faßliche und praktische Weise, daß sein Vortrag gewiß gefiel und wirkte. [Die Predigt steht in der Sammlung von Predigten, die damals in Bern gehalten worden, die zu Zürich 1528. 8. herausgekommen. Bogen H vj. h.] Und ist es gewiß, daß er nachher auch in Zürich predigte, [Lafaters Historia des ursprungs des – Zwyspalts zwischen Luthers und Zwinglis, 1563. 8. S. 34.] so ist es ein Beweis, daß er in Bern gern gehört worden sey. Und doch setzte ihn Eck nicht aus, denn noch im Jahr 1530 gelüstete es ihn, eine Lanze mit ihm zu brechen, [- – Articulos 404 – – Jo Eckius offert, le disputaturum – – Ingolst. 1530. 4. der 239 und 278. Artikel oder Thesis ist gegen Sam namentlich gerichtet.] oder vielmehr er streute dem Publicum Sand in die Augen; denn auch ein weniger scharfsichtiger Mann, als Eck wirklich war, mußte sehen, daß eine feierliche Disputation während des berühmten Reichstags, wo Melanchton anwesend war, den er von der Leipziger Disputation her noch zu gut kannte, einen wenigstens sehr zweideutigen Ausgang für ihn haben könnte. Kurz aus der Sache wurde nichts. Mit allem seinem Geschrey und Geschreibe gegen Sam hatte er nichts ausgerichtet, als daß etwa ein einfältiger Joh. Findling eine eigene haersin Somianam zu erdichten Anlaß nehmen konnte [Lutheri Antilutherana eopera, fratris Io. Apobolimei, alias findling. 1528. Bogen A. 2. b. Unser Exemplar ist defect.]. Von Sams Verrichtungen in unserer Kirche, oder vielmehr von den Veränderungen, die durch seine Vorträge und Vorstellungen veranlaßt worden sind, muß in einer besondern Reformationsgeschichte Ulms gehandelt werden; eine summarische Nachricht findet man in des seel. Hrn. Prf. Haids oben angeführter Schrift S. 171 und 174. ff. Seine Predigten waren, nach den Fragmenten zu urtheilen, die uns seines Bruders Sohn aufbehalten hat, sehr freimüthig, aber auch local praktisch, und diese Fragmente erregen den gerechten Wunsch, die grosse Sammlung derselben zu lesen, die eben derselbe gesammelt ha, und von denen unten noch einmal die Rede seyn wird. Vermuthlich war es Sam, dem der hiesige Magistrat das Bedenken über die Schwabacher Artikel abforderte, welches veranlaßte, daß Ulm dem Bündnisse, das zwischen einigen Evangelischen Ständen geschlossen werden sollte, nicht beitretten konnte. Das mehrere hierüber findet man in Haids oben angeführter Schrift S. 175. f.

Im Jahre 1530 wurde zu Augsburg ein Reichstag gehalten, der durch die Uibergabe des Glaubensbekenntnisses von einigen Fürsten und Städten so merkwürdig geworden ist. Ob Ulm damals dem Kaiser Karl V. ein eigenes Glaubensbekänntniß durch seine Abgesandten, Bernh. Besserer und Hieron. Gienger, habe überreichen lassen, haben wir in unserer oben gedachten Disputation untersucht, und nach den dort angeführten Zeugen, zu denen noch Adam Weiß [In seinem Tagebuch von diesem Reichstag, das in Georgis Uffenheimischen Nebenstunden B. I. abgedruckt ist. Die hieher gehörige Stelle steht S. 736.] gehört, können wir uns noch nicht überwinden, die nachricht derselben für grundlose Sage zu halten, ob gleich bis iezt sich noch keine bestimmtere Aufklärung gefunden hat. Daß aber Sam gewiß der Verfasser derselben gewesen seyn würde, kann wohl keinem Zweifel unterworfen seyn. Indessen ist ein Bedenken von ihm über die Augsburgische Confession uns zu Handen gekommen, das seinen Einsichten und seiner Mässigung gleich viel Erhe macht. Allein wie hätte er auch das Meisterstück eines Melanchthons bitter tadeln können, von dem Luther selbst aufrichtig und in aller Rücksicht wahr genug sagte, daß er nicht so leise hätte tretten können? Sams Bemerkungen gehen nur über die Artikel von der Beicht und Absolution, vom Abendmahl und der Messe, und haben die Absicht zu zeigen, wie leicht sich der zwischen den Luthern und Zwingli hierüber obwaltende Streit heben lasse, wenn diese Confession zum Grunde des Vergleichs gelegt würde.

Im folgenden Jahr fand Sam erst recht Gelegenheit, sich als den für die Verbreitung und Befestigung der reinen Lehre hier thätigen Mann zu zeigen, da der hiesige Magistrat die wirkliche Reformation in Stadt und Land vornahm. Es wäre theils zu weitläuftig, theils aus Mangel an vollständigen Nachrichten nicht wohl möglich, alle Verhandlungen einzeln aufzuzählen, bei denen er zu Rathe gezogen wurde, oder mitwirkte. Nur im Allgemeinen bemerken wir, daß er die überlegtesten Vorschläge that, behutsam, aber standhaft das ausführte, was seiner Thätigkeit auszuführen angewiesen war, und den Zweck nie aus dem Gesichte verlohr, der Wahrheit überzeugte Verehrer zu verschaffen. Auch – und dieß mußte hier bemerkt werden, war er es, der eine gründliche Verbesserung des Unterrichts so einleuchtend empfahl, daß sie auch wirklich vorgenommen wurde, und seiner, und des Rectors Brodhags Vorstellung haben wir es zu verdanken, daß auf Errichtung einer öffentlichen Bibliothek von den aus den Klöstern zusammengebrachten Büchern Bedacht genommen wurde. Mit rastlosem Eifer, nie ermattender Wachsamkeit, und sich stets gleicher Sanftmuth stand er der hiesigen Kirche vor, und nützte durch seine öffentliche Religionsvorträge, so wie er durch seinen musterhaften Wandel die Kraft der Wahrheit an seinem Herzen erprobte, und dadurch ein Vorbild an seiner Gemeine wurde. Daher die Achtung seiner Obern gegen ihn, daher das gute Vernehmen mit seinem Collegen, Frecht, der wohl gar nicht Zwinglisch dachte, daher die Liebe seiner Gemeine zu ihm, daher die immer enger werdende Freundschaft zwischen ihm und Zwingli und Oekolampad, deren Tod er aber noch in diesem Jahre beweinen mußte. Allein seine vielen Arbeiten mußten auch seine körperlichen Kräfte erschöpfen, und dieß zeigte sich bald. Denn im J. 1532. hatte er schon einmal einen Anfall von Schlag auf der Kanzel, und im folgenden Jahre am Freytage der Veitswoche, da er um acht Uhr früh aus seinem Hause gieng, [Es war also wohl boshaft erdichtete Sage, die Thomann in seiner Weissenhorner Chronik anführt, er habe wollen zu einem Wolleben und guten Gesellen gehen.] rührte ihn der Schlag wieder. Er wurde in sein Haus zurückgebracht, und verschied des Nachmittags um 2 Uhr in stiller Gelassenheit. Noch denselben Abend wurde sein Leichnam von seinen Collegen unter einer zahlreichen Leichenbegleitung zu Grabe getragen und auf dem jetzt so genannten fremden oder Spital-Kirchhof begraben, wohin damals alle diejenigen begraben wurden, die Evangelisch waren. Er hatte in einer neunjährigen kinderlosen Ehe mit seiner Frau, Elisabetha, die aus dem Baierischen gebürtig war, und die er als Witte geheurathet hatte, gelebt; diese bekam ein jährliches Gnadengehalt von 20 fl. freie Wohnung, und etwas Holz. Seine Bibliothek kam dafür zur Stadtbibliothek, und vermöge eines schon bei seinen Lebzeiten mit ihm gemachten Vertrags; man hatte ihm 1531. 25 Gulden gegeben, um sich Bücher anschaffen zu können, aber mit dem Beding, daß sie der Stadt bleiben sollten, er möchte nun sterben, oder von hier wegziehen. Wir liefern hier nun noch ein Verzeichniß seiner Schriften, so viel deren uns bekant geworden.

  • Catechismus, oder Christenliche underweysung der jungen in fragsweiß von dem Glauben, Vater unser und 10. Geboten durch Conr. Sam, Fruprediger in der pfarr zu Ulm geprediget. 1528. 8. In Catal. Biblioth. Frickianae, P. II. S. 14. n. 364. wird sie zumjahr 1533. gerechnet, aber wohl unrichtig. s. auch F. D. Haeberlin ιςοξσνμ p. 18. Sehr wünschten wir diese äusserst seltene Schrift zu sehen. Eine (vermuthlich von Frecht) veränderte und vermehrte Ausgabe, Ulm, 1536. 8. ist auf unserer Stadtbibliothek.
  • Die zu Bern gehaltene Predigt.
  • Davids Eebruch: Mordt Straff und Buß. Ulm 1534. 4. Ist auf der Stadtbibliothek.
  • Fragmente aus seinen Predigten. In Sebast. Fischers Chronik, Bl. 35 ff.
  • 105. Predigten über den Matthäus. Ihrer gedenkt M. Marx Wollaib in seiner handschriftlich bey uns befindlichen Vlma litterata, der sie dem D. Löschenbrand zueignen möchte. Aber wenn man die Nachricht, die er davon giebt, mit Fischers Zeugniß in seiner Chronik vergleicht, so sieht man, sie seyn Sams Arbeit. Dieser sagt: „Ich habe mer denn „hundert seiner predigen abgeschrieben, die ich bey einander gehept hab, wie ich aber bin hinwegzogen wandern, hat es mein bruder heym in sein haus getragen. und send also verloren worden, das ich nit wayß so sy hin kommen sind.“ Wo sie jetzt seyn, ist uns unbekannt. Denn unter dem Wollaibischen Nachlaß, der noch zum Theil bey uns vorhanden ist, findet sich nichts davon. Vielleicht ist er auch Verfasser der Vertheidigungsschrift einiger evangelischen Bürger gegen Peter Huß, die wir unsern Beiträgen S. 120. ff. haben abdrucken lassen.

Die Quellen, aus denen wir die Erzählung von Sams Leben schöpften, haben wir zum Theil in den Anmerkungen angegeben. Die wichtigste ist Sebast Fischers, der ein Sohn des Stiefbruders Sams war, geschriebene Chronik, von der das Original auf unserer Stadtbibliothek aufbewahrt wird. Die übrigen in den Anmerkungen angeführten Schriften besitzen wir in unserer kleinen Sammlung bis auf die, bey welchen wir es selbst bemerkten, daß wir sie nicht haben. Diese Anmerkung soll nichts anders als eine Bitte seyn, wenn jemand uns abgehende den Sam betreffende Schriften wüßte, sie uns gefälligst zum Gebrauche mitzutheilen.

Oeffentlich angeschlagen am Ulmischen Gymnasium, am 4 April. 1795.