Olaf der Heilige.

Seit dunkler Vorzeit lebte in dem Lande, welches Norwegen genannt wird, ein zu den Germanen gehöriges Volk, die Normänner. Es war ein kraftvoller, freiheitliebender, kriegerischer Volksstamm, welcher indessen den Einen wahren Gott nicht kannte, sondern theils in heiligen Hainen, theils in Tempeln („hof“) Valhalls Götter verehrte, und ihnen, besonders am Julfeste (Neujahr), Pferde opferte, zuweilen auch Menschen. In höchstem Ansehen stand der Gott der Stärke und Kraft, Thor, dessen Name noch gegenwärtig häufig vorkommt, beides, in Menschen- und Ortsnamen. Von jeher, soweit die Geschichte zurück reicht, war Norwegen in eine Menge kleiner Staaten zertheilt, welche von Königen beherrscht wurden; aber ungefähr ein halbes Jahrhundert nach Karl dem Großen trat einer von diesen kleinen Königen hervor, Harald Schönhaar, welcher alle diese kleinen Reiche unterwarf und unter ein Haupt vereinte, und sie mit Kraft und Ansehen beherrschte. Sein Sohn, der edle Hakon, welcher im Christenglauben erzogen war, bei seinem Pflegevater, dem englischen König Adelstan, suchte vergebens seine Landsleute zum Christenthum zu bekehren. Besser glückte es einige Jahrzehende später seinem Verwandten Olaf Tryggvason, welcher das Schwert brauchte, wo das Wort nicht fruchtete. Indem jedoch dieser Held seine schwierige Aufgabe ausführte, endete er sein Leben nach einem heldenmüthigen Widerstand, in der Seeschlacht bei Svolder, im Jahr 1000. – Die Heidenschaft wähnte nunmehr völlig den Sieg zu gewinnen und die Asenverehrung verdrängte demnächst gänzlich das neugepflanzte Christenthum. Ihr Fortgang war indessen nur von kurzer Dauer. Geboren war bereits der Mann, welchen der Herr dazu erkoren hatte, mit fester Hand das Kreuz in den Gebirgen Norwegens auszupflanzen, und Olaf, nachmals Sanct Olaf oder Olaf der Heilige benannt, war sein Name. In Gudbrandsdalen, der Sage nach, in dem Gehöfte Vik, ward Olaf im Jahre 994 geboren, und als er drei Jahr alt war, ward er von seinem Verwandten Olaf Tryggvason getauft, der selber bei ihm Gevatter stand. In dem schönen Ringarike verlebte Olaf seine Jugend an seines Stiefvaters, des Unterkönigs Sigurd Syv’s Hofe; aber das stille Landleben, welches da geführt wurde, behagte nicht dem thatenlustigen und wißbegierigen Königssohn. Er folgte daher dem Hange seiner Landsleute, und unternahm in einem wohlgerüsteten Schiffe einen Seeräuber- („Vikings“) Zug, auf welchem er durch Klugheit und Tapferkeit sich Erfahrung, Reichthum und einen berühmten Namen erwarb. Nach mehrjährigem Umherstreifen auf der See bekam er Lust, sein Vaterland wiederzusehen, welches nach Olaf Tryggvasons Falle zum Theil im Lehnsverhältnisse zu dem dänischen und schwedischen Könige stand. Begleitet von einer kleinen aber auserwählten Schaar bewährter Krieger kehrte Olaf zurück in die Heimat, wo er von mächtigen Blutsfreunden und einem großen Theile des Volkes Unterstützung fand, als er, als Abkömmling Harald Schönhaars, sein Erbreich zurückforderte. Einige mächtige Häuptlinge leisteten ihm Widerstand, aber nachdem er sie in einer entscheidenden Seeschlacht im Jahre 1016 überwunden hatte, bestieg er ohne Widerstand den väterlichen Königsstuhl. Groß und schwierig war sein Beruf. Das Volk war wild, eigenmächtig und meist heidnisch, und die Häuptlinge waren mächtig und unabhängig, und fanden Aufmunterung und Anhalt bei den dänischen und schwedischen Königen, von welchen Olaf das verwaisete Land Norwegen zurückforderte. Mit klarer Bewußtheit und unerschütterlicher Festigkeit arbeitete er auf das große Ziel hin, die Einheit des Reiches und das Ansehen der Königsmacht zu bewahren, und das Christenthum einzuführen. Mit Eifer ließ er sich das Emporkommen seines Landes angelegen sein. Alte Gesetze wurden verbessert und neue gegeben. Die Landesgesetze wurden strenge gehandhabt, und selbst die mächtigen Häuptlinge des Landes mußten sich beugen unter Olaf’s gewaltigen Herrscherwillen.

Olaf kann mit Recht genannt werden: des Norwegischen Reiches zweiter Stifter, Norwegens christlicher Gesetzgeber, Ordner und Gründer der christlichen Kirche des Landes.

Es kostete ihm große Mühe, das Christenthum in seinem Vaterlande vollkommen einzuführen. Um zu diesem Ziele zu gelangen, zog Olaf selber, in Begleitung eines Bischofs und dreihundert streitbarer Männer von Ort zu Ort umher, unterwies das Volk im wahren Glauben und guten Sitten, bestrafte dagegen strenge, durch Wort oder an Gut, Gliedmaßen und Leben jeden, der nicht dem wahren Gott dienen wollte. Auf diesen Bekehrungsreisen, welche noch gegenwärtig an vielen Orten in der Volkssage leben, kam er einmal auch in das große und schöne Thal am Fuße des Dovre-Gebirges, welches Gudbrandsdalen genannt wird. Auf dem anmuthig gelegenen Gehöfte Hundstorp wohnte damals ein heidnischer Häuptling, welcher Dale – Gudbrand hieß. Als zu diesem das Gerücht kam, daß König Olaf sich nahte, um dem Volke einen neuen Glauben aufzuzwingen, da sammelten die Söhne des Thales sich um den Häuptling, mit dem Schwerte in der Hand den Glauben ihrer Vater zu vertheidigen. Die Schaar, welche unter Dale – Gudbrands Sohn dem König Olaf entgegen gesandt ward, wurde von Olafs Kriegern leicht überwunden, und der Anführer sollte aufgehängt werden. Olaf gab indessen den Jüngling frei und erbot durch ihn dessen Vater und Brüdern einen Vergleich, indem er eine Zusammenkunft („Thing“) nach Hundstorp beschied, um dort mit ihnen zu unterhandeln. Als das Ding geheget war, stund der König auf und sagte: das Volk weiter aufwärts im Thale habe das Christenthum angenommen, seine Opferstätten niedergebrannt, und glaube nunmehr an den wahren Gott, der Himmel und Erde erschaffen habe und allwissend sei. Hierauf setzte der König sich nieder, und Dale – Gudbrand antwortete: „Wir wissen nicht, von wem du redest; oder nennst du den einen Gott, den weder du, noch jemand anders sehen kann? Wir haben einen Gott, welchen man jeden Tag sehen kann, obschon er heute nicht sichtbar, weil das Wetter schlecht ist; und er würde euch furchtbar und sehr ansehnlich erscheinen; daher, meine ich, würde euch eine Angst in das Blut kommen, wenn er hier auf dem Tagedinge erschiene. Aber da du sagst, daß euer Gott so gewaltig sei, so möge er das nun dadurch beweisen, daß morgen das Wetter wolkig, doch ohne Regen ist, und laßt uns da wieder zusammenkommen.“

Hierauf fuhr der König heim zu seiner Herberge, wo er die ganze Nacht wachte und betete. Als der Tag anbrach, ging der König zur Messe, darauf zu Tische, und sodann zum Dinge. Das Wetter war so geworden, wie Gudbrand es verlangt hatte. Da erhub sich der Bischof Sigurd, der den König begleitete, in seinem Chormantel, die Bischofsmütze auf dem Haupt und den Bischofsstab in der Hand. Er vertheidigte die Sache des Glaubens vor den Bauern, erzählte ihnen manche wunderbare Dinge, welche Gott gethan hatte, und beschloß seine Rede wohl. Da antwortete der Häuptling Thord Istermage: „Mancherlei redet der gehörnte Mann mit dem Stab in der Hand, der oben zierlich gebogen ist wie ein Widderhorn; da ihr aber immer saget, daß euer Gott so manche Wunderzeichen thun kann, so sage du ihm, daß er morgen Vormittag klaren Sonnenschein werden lasse, so wollen wir wieder hier zusammenkommen, und eins von beiden thun, entweder uns über diese Sache vergleichen, oder den Streit fortsetzen.“ Damit schied man diesesmal von einander.

Der König hielt nun abermals die ganze Nacht an mit Gebet und flehte zu Gott, daß er nach seiner Gnade und Barmherzigkeit diese Verwickelung lösen möge.

Als die Messe geendet war, fuhr der König wieder zur Dingstätte, wo die versammelten Landleute sich tief beugten vor dem von Gold und Silber glänzenden Bilde ihres Gottes Thor, welches man aus dem zunächst stehenden Tempel („Kok“) auf die Dingstätte getragen hatte. Da stund Dale – Gudbrand auf und sprach: „Wo ist nun dein Gott, König? Ich meine, daß er jetzo lieber in seinem wolkenschattigen Lande weilt; und mir scheint, daß weder du, noch der gehörnte Mann, welchen ihr Bischof nennt, und der neben dir sitzt, heute so gutes Muthes seid, wie gestern. Denn nun ist unser Gott gekommen, der über alles waltet, und blickt auf euch mit scharfen Augen; und jetzo merke ich wol, daß ihr erschrocken seid, und kaum waget, eure Augen aufzuschlagen. Lasset also nunmehr allen Widerstand fahren, und glaubet an den Gott, der euer ganzes Schicksal in seiner Hand hat.“

Hierauf erhub sich der König und sprach: „Mancherlei hast du in dieser Morgenstunde zu uns geredet, und du wunderst dich höchlich darüber, daß du unsern Gott nicht sehen kannst: aber wir hoffen, daß er alsbald zu uns kommen wird. Du willst uns mit deinem Gott einschrecken, der, beides, blind und taub ist, und weder sich selbst, noch Andere schützen kann, ja nirgendwohin aus seiner Behausung zu kommen vermag. Aber nun meine ich, daß fein Unglück nahe bevorsteht: denn wendet jetzt eure Augen gen Osten, wo unser Gott mit einem großen Lichte erscheint.“

Da ging die Sonne auf, und in demselben Augenblicke sahen die Landleute, wie, auf des Königs Wink, einer seiner Kriegsmänner, genannt Kolbein der Starke, ihrem Gott einen solchen Schlag mit seiner Keule gab, daß das Bild in Stücke zersprang und Mäuse, Ottern und Würmer daraus hervorliefen. Da entsetzten sich die Landleute, und Mehre ergriffen die Flucht. Der König aber sammelte sie wieder und sprach also zu ihnen: „Ich weiß nicht, was euer Lärmen und Laufen bedeutet. Jetzo könnet ihr selber sehen, was euer Gott vermag, welchen ihr neulich mit Gold und Silber gegürtet, und ihm Speise und Trank vorgesetzt habt. Sehet nun, welche Schutzgeister dieselben verzehrt haben, Mäuse und Würmer, Nattern und Kröten; und übel thaten die, welche auf dergleichen vertrauen und nicht von ihrer Thorheit lassen wollten. Nehmet nun euer Gold und die Kostbarkeiten, welche am Boden zerstreut liegen, und gebet sie eurem Frauenvolk, behänget aber fürder nicht Stock und Stein damit. Hier ist nunmehr nur zwischen zwei Dingen zu wählen, entweder ihr nehmet das Christenthum an, oder ihr bestehet mit mir noch heute den Kampf, und da gewinne der den Steg über den Andern, welchem der Gott, an den wir glauben, ihn vergönnen will.“

Da stund Dale-Gudbrand auf und sprach: „Wir haben hier großen Schaden genommen an unserm Gott: da er jedoch uns nicht helfen will, so wollen wir nunmehr an den Gott glauben, an welchen ihr glaubet.“

Hierauf nahmen Alle das Christenthum an. Da taufte der Bischof den Dale-Gudbrand und seine Söhne. Der König und Bischof ließ Lehrer dort zurück, und Diejenigen, so zuvor Unfreunde gewesen waren, schieden als gute Freunde. Gudbrand ließ im Thale eine Kirche bauen.

Der Eifer, womit Olaf das Heidenthum auszurotten suchte, und die Strenge, womit er, ohne Ansehen der Person, auf die Beobachtung seiner Gesetze hielt, in Verbindung mit der Selbständigkeit, womit er regierte, erzeugten ihm, besonders unter den Häuptlingen, mächtige Feinde, welche sich heimlich mit Olafs altem Feinde, dem mächtigen König Knud von Dänemark und England verbanden, der nichts mehr wünschte, als Norwegen mit seinen übrigen Ländern zu vereinen. Durch Gold und große Versprechungen verführte Knud Manche, ihrem Könige abtrünnig zu werden, so daß, als Knud mit einer starken Flotte gegen Norwegen zog, Olaf von den Meisten verlassen ward, und nur begleitet von wenigen Getreuen, unter großen Gefahren und Mühseligkeiten nach Gardareich (Rußland) entfliehen mußte, wo er bei seinem Schwager König Jarisleif eine Zufluchtstätte fand. Hier war König Olaf lange ungewiß, ob er nach Jerusalem („Jorsal“) ziehen und Mönch werden, oder in Gardareich ein Landgebiet annehmen sollte zu regieren und zum Christenthum zu bekehren, als Olaf Tryggvason ihm im Traum erschien und gebot, heimzukehren und sein väterliches Erbe wieder zu gewinnen.

Unterstützt von Freunden und Verwandten und anderm kriegslustigem Volke, rückte Olaf mit einem Heere von etwa viertausend Mann in das Nordenfjeldsche Norwegen, wo ein Heer von zehntausend Bauern sich gesammelt hatte. Bevor Olaf mit seinen aufrührischen Unterthanen zusammentraf, musterte er sein Heer; da sich aber darin neunhundert Heiden befanden, gebot er, daß diese zuvor getauft werden sollten, indem er erklärte: „Wir dürfen nicht unsere Zuversicht auf des Volkes Menge setzen, auf Gott allem sollen wir uns verlassen; denn durch seine Kraft und Barmherzigkeit können wir den Sieg erhalten: aber ich will kein heidnisches Volk unter den Meinen.“ Fünfhundert wollten sich nicht taufen lassen, und verließen das Heer des Königs; vierhundert dagegen waren bereit, sich taufen zu lassen und dem Könige zu folgen, indem einer von ihren Anführern erklärte: „Soll ich an einen Gott glauben, warum dann nicht eben so gut an den heiligen Christ, als an irgend einen andern? und der König hat unsre Hülfe sehr nöthig.“

Da der König indessen wenig Unterstützung bei dem Volke fand, gab sein Freund Fine Arneson ihm den Rath, er solle auf den Gehöften rauben und brennen lassen, wovon die Folge sein werde, daß das Bauernheer sich auflöse, weil ein Jeder heimeilen werde, um das Seine zu retten.

Dieser Rath fand allgemeinen Beifall: aber der fromme König erklärte, er habe wol zuvor mit Brand und Verwüstung gegen die Landleute hart verfahren; das sei aber geschehen, weil sie den Glauben verwarfen, bei ihren Opferungen beharrten, und auf sein Wort nicht hören wollten; und da habe er Gottes Recht zu vertheidigen gehabt: gegenwärtig sei es dagegen nur ein Abfall von seiner Partei, welcher von minderer Bedeutung sei; und da es nun in seiner Macht stehe zu schonen, so wolle er gegen sein Volk sanftmüthig verfahren und keine Gewaltthat begehn. –

Bei Stiklastad in Värdalen stieß Olaf auf das Bauernheer, und hier geschah die merkwürdige und blutige Schlacht, welche ihm die Märtyrerkrone erwarb, im Jahre 1030. Mit dem Schlachtrufe: „Vorwärts, Christenmänner, Kreuzmänner und Kriegsmänner!“ griff Olaf mit seinen Kriegern muthig an, fand jedoch tapfern Widerstand von den Bauern, deren zahlreiche Menge rief: „Vorwärts, vorwärts, Landmänner!“ Der König und seine Leute stritten mannlich, mußten aber zuletzt doch der großen Uebermacht erliegen. Schwer verwundet durch einen Hieb ins Bein, lehnte der König sich an einen Stein, und indem er das Schwert von sich warf, bat er Gott um Hülfe. In dieser Stellung gab der Häuptling der Bauern Thorer Hund seinem Herrn und Könige den Todesstreich. Mit dem Könige fiel der größte Theil derer, die ihm folgten. Es war als ob der Himmel einen Trauerschleier über diese Begebenheit werfen wollte; denn mitten in der Schlacht, während das Wetter hell war und die Sonne am Himmel stand, ward es plötzlich ganz dunkel, und erst nach Olafs Tode zeigte die Sonne sich wieder. Diese merkwürdige Sonnenfinsterniß trug gewiß viel dazu bei, den Glauben zu fördern und zu beleben, der stracks nach der Schlacht sich verbreitete, daß Olaf ein heiliger Mann war.

Es wird erzählt, daß ein armer blinder Mann sein Gesicht wieder erhalten habe, indem er des Königs Leichnam berührte; und des Königs Mörder Thorer Hund erklärte, daß, als er das Blut von des erschlagenen Königs Antlitz abtrocknete und etwas davon eine Wunde, welche er selber an der Hand gehabt, berührte, sie auf der Stelle geheilt war.

Als Olafs Leiche, die sogleich nach der Schlacht heimlich begraben war, nach einem Jahre wieder ausgegraben ward, fand man den Leichnam ganz unverändert, ja seine Haare und Nägel noch gewachsen. Da erklärte und bestimmte man allgemein, auf den Rath des Freundes des Königs, des Bischofs Grimmkell, daß König Olaf ein wahrer Heiliger sei. Seine Leiche ward in einen kostbaren Schrein auf den Hochaltar der Clemenskirche in Nidaros (Throndheim) gesetzt, wo man seitdem manche Wunderzeichen von ihm berichtete. St. Olaf ward Norwegens Schutzheiliger, und sein Ansehen sehr groß im ganzen Norden. Den 29. Juli ward sein Fest fortwährend feierlich begangen, und weit umher in der Christenheit wurden zu seines Namens Ehre Kirchen erbauet, sogar in Konstantinopel.

Sein Heilthum ward nachmals in die große und prächtige Christkirche zu Nidaros versetzt, zu welchem eine Menge Pilger aus allen Ländern wallfahrteten und reiche Gaben darbrachten.

Bei Einführung der Reformation im Jahre 1539 wurde St. Olafs kostbarer Schrein mit den übrigen Kostbarkeiten geraubt und nach Dänemark geführt.

St. Olafs Schrein ist zwar verschwunden, und seine reichen Gaben sind vergessen: aber sein Name und sein Gedächtnis) ist noch heute frisch und lebendig in Norwegens Thälern, wo nicht allein der Name Ola, Ole noch der allgemeinste Mannsname ist, sondern auch noch manche Sagen leben und noch manche Spuren sich finden von St. Olafs Wunderkraft, wie auf sein Gebot ein Gespenst („trold“) in einen Stein verwandelt ward, reine Quellen hervorsprangen u. s. w. Und in den Blumen des Feldes und den Spielen der Kinder lebt heut den Tag noch St. Olafs Name

 

Andr. Faye zu Holt in Norwegen.

Olaf der Heilige

(Gest. 31. August 1030.)

„Fürchtet euch nicht, und erschrecket nicht! – Ist auch ein Gott außer mir? Es ist kein Hort, ich weiß ja keinen. Die Götzenmacher sind allzumal eitel, und ihr Köstliches ist kein Nütze. Sie sind ihre Zeugen, und sehen nichts, merken auch nichts; darum müssen sie zu Schanden werden.“ (Jes. 44, 8. 9.)

Olaf der Heilige, ist ein König und Apostel des Norweger Volkes. Zwar hatten schon vor ihm zwei königliche Männer mit dem Licht des Christenthums in ihres Landes heidnische Macht hineingeleuchtet, zuerst der edle Hakon, und darnach Olaf Tryggvason. Aber sobald sie weggestorben waren, verloren sich und verloschen wieder die Strahlen in der Finsterniß. Jedoch durch Olaf, den heiligen, sollte das wahrhaftige Licht im Lande Norwegen bleibend auf dem Leuchter stehen.

Er war in der Landschaft Gudbrandsdalen geboren. Und da das Fürstenkind 3 Jahre alt war, empfing es von jenem Olaf Tryggvason, der zur Blutsfreundschaft gehörte, die heilige Taufe. auch übernahm dieser selbst mit der Pathenschaft die Bürgschaft christlicher Erziehung, an welcher ihm viel lag. Als der Knabe zum Jüngling herangewachsen war, geduldete er sich nicht länger in dem unthätigen Stilleben am ländlichen Königshofe seines Stiefvaters Sigurd Siv. Er begehrte zur See; denn das ist von je des norwegischen Volkes Dürsten und Trachten. In brausendem Kampf mit Sturm und Meerfluth, lernte der junge Olaf die nöthige Kunst des Steuerns und den Werth der Entschlossenheit. Nach einigen Jahren kehrte er aus den Wogen heim. Mit großen, stolzen Gedanken stieg er an’s Land. Seine Seegenossen, treue rüstige Jünglinge, hielt er um sich geschaart, der mächtigen Blutsfreundschaft versicherte er sich; so trat er kräftig mit dem Plane hervor, sein in viele Herrschaften und Häuptlingsschaften zerklüftetes, und deßhalb seit dem Tod des starken Tryggvason von Dänemark und Schweden abhängig gewordenes Vaterland unter Ein Scepter zu einigen, und von der fremden Botmäßigkeit frei zu machen. Und daß seine Hand dies Scepter der Alleinherrschaft trage, das beanspruchte er als Sprosse des alten norwegischen Alleinherrschers Harald Schönhaar. Die kleinen Fürsten sträubten sich mit zähem Trotz, und fanden an den beiden Königen von Dänemark und Schweden willigste Unterstützung und Aufhetzung. Noch schwerer ward ihm seine Arbeit durch die ganz ungetheilte Anhänglichkeit des Volkes an seine Götter. Denn auch dies stand unerschütterlich fest in Olafs Plan, das Heidenthum bis zur Wurzel zu vertilgen, und das Christenthum auf norwegischer Erde heimisch und herrschend zu machen, so fest, daß er alles Andere nur als kräftiges Mittel zu diesem Zweck wollte.

Nachdem er den Widerstand der Großen gebrochen, die widerstrebenden Theile zu Einem Reich, unter Einem auf alten Grundsätzen erneuten Gesetz geeint, und mit gerechtem Gericht, aber stählernem Willen und Arm sein Regiment führte, da gedachte er, die Zeit sei reif, seinem Volk die letzte und edelste Wohlthat zu bringen, das Kreuz Christi. Dem Land ein Apostel des Herrn zu werden, schien ihm köstlicher zu seyn, als die köstliche Königskrone auf seinem Haupt. Mit Bischof Sigurd und von 850 Gewappneten begleitet, zog er von Ort zu Ort seines Reiches, brachte dem Volk die frohe Botschaft, unterrichtete es im Glauben an Christum, und wies es zur Heiligung des Lebens. Spöttisch-hochmüthigen Widerspruch ahne er mit ernsten Strafen. Wie es bei diesen apostolischen Fahrten König Olafs zuging, werden wir jetzt erzählen.

Der König kam in seine heimische Landschaft Gudbrandsdalen. In diesem schönen Gebirgstal saß ein heidnischer Häuptling, Dale-Gudbrand genannt, im Gehöfte Hundstorp. Dieser war gesinnt, seine alten werthen Götter mit dem Schwerte zu vertheidigen. Er sandte eine kampflustige Schaar unter seinem Sohne dem nahenden König entgegen. Sie ward ohne Mühe von Olafs Leuten überwunden. Der gefangene Sohn des Häuptlings sollte nach dem Gesetz sterben. Olaf aber gab ihn frei, und sandte ihn zu seinem Vater, mit dem Bescheid, er wolle auf einer öffentlichen Volksversammlung die Sache schlichten. Man versammelte sich zu Hundstorp. Als die Männer rings saßen, und es still geworden, stand der König auf, und sprach: „Das Volk im Thale aufwärts hat seine Opferstätten niedergebrannt, und glaubt an den wahren Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, allwissend ist, und seinen Sohn Christum aus dem Himmel hernieder sandte zum Heil der Welt.“ Hierauf setzte der König sich. Dale-Gudbrand stand auf, und sprach: „Wir wissen nicht, von wem Du redest; oder nennst du den einen Gott, den wieder du, noch jemand anders sehen kann? Wir haben einen Gott, welchen man jeden Tag sehen kann, obgleich er heute nicht sichtbar, weil das Wetter schlecht ist; und er würde euch furchtbar und sehr ansehnlich erscheinen; daher, meine ich, würde euch eine Angst in das Blut kommen, wenn er hier auf dem Tagedinge (Rathsversammlung) erschiene. Aber da du sagst, daß euer Gott so gewaltig sei, so möge er das nun dadurch beweisen, daß morgen das Wetter wolkig, doch ohne Regen ist, und laßt und da wieder zusammen kommen!“

Der König brach auf zu seiner Herberge, und verbrachte die Nacht im Gebet. Um die Zeit der Morgenröthe begab er sich zur Kirche. Andacht im Herzen ging er wieder zur Volksversammlung. Der Himmel war wolkig, doch ohne Regen. Bischof Sigurd, im vollen Schmuck seines Amtes, mit Chorkleid, spitzer Mütze und Hirtenstab angethan, stand feierlich auf, und sprach mit beredter Zunge vom christlichen Glauben, und pries ihn hoch den Anwesenden. Nachdem er sich gesetzt hatte, erhub sich der Häuptling Thord Istermage, und sprach: „Mancherlei redet der gehörnte Mann mit dem Stab in der Hand, der oben zierlich gebogen ist, wie ein Widderhorn. Da ihr aber immer saget, daß euer Gott so manche Wunderzeichen thun kann, so sage du ihm, daß er morgen Vormittag klaren Sonnenschein werden lasse, so wollen wir wieder hier zusammen kommen, und eins von beiden thun, entweder uns über diese Sache vergleichen, der den Streit fortsetzen.“

Man ging auseinander. Wiederum verbrachte der König die Nacht im Gebet, und die frühe Morgenstunde am Altar des Herrn.

Die Thalleute waren derweil auch andächtig gewesen. Aus einem nahen Tempel hatten sie das Standbild ihres Götzen Thor auf dem Versammlungsplatz herausgetragen. Er war mit Gold und Silber reichlich behangen, welches im dämmernden Licht der Morgenröthe schimmerte. Und die Thalleute verbeugten sich mit stummer Ehrfurcht vor ihrem Gott Thor. Nachdem aber alles Volk schweigend zur Berathung sich niedergesetzt hatte, stand Dale-Gutbrand auf, und sprach: „Wo ist nun den Gott, König? Ich meine, daß er jetzt lieber in seinem wolkenschattigen Lande weilt, und mir scheint, daß weder du, noch der gehörnte Mann, welchen ihr Bischof nennt, und der neben dir sitzt, heute so guten Muthes seid, wie gestern. Denn nun ist unser Gott gekommen, der über Alles waltet, und blickt auf euch mit scharfen Augen; und jetzo merke ich wohl, daß ihr erschrocken seid, und kaum waget, eure Augen aufzuschlagen. Lasset also nunmehr allen Widerstand fahren, und glaubet an den Gott, der euer ganzes Schicksal in seiner Hand hat!“

Der König erhub sich und sprach: „Mancherlei hast du in dieser Morgenstunde zu uns geredet, und du wunderst dich höchlich darüber, daß du unsern Gott nicht sehen kannst. – Aber wir hoffen, daß er alsbald zu uns kommen wird. Du willst uns mit deinem Gott einschüchtern, der beides, blind und taub ist, und weder sich selbst, noch Andere schützen kann, ja nirgend wohin aus seiner Behausung zu kommen vermag. Aber nun meine ich, daß sein Unglück nahe bevorsteht! Denn wendet jetzt eure Augen gen Osten, wo unser Gott mit einem großen Lichte erscheint!“

Da ging die Sonne auf. Im selben Augenblick trat, auf Olafs Wink, Kolbein, der Starke, aus des Königs Leibwache mit einer Keule hervor, und führte auf den Gott Thor einen Schlag, daß er in Stücke zerbrach. Es krochen aber Mäuse, Ottern und Gewürm aus dem zertrümmerten Götzenbild. Die Thalmänner entsetzten sich, und nicht wenige flohen von dannen. Der König aber hieß sie wieder kehren, und sprach also zu ihnen: „Ich weiß nicht, was euer Lärmen und Laufen bedeutet. Jetzt könnet ihr selber sehen, was euer Gott vermag, welchen ihr neulich mit Gold und Silber gegürtet, und ihm Speise und Trank vorgesetzt habt. Sehet nun, welche Schutzgeister dieselben verzehrt haben, Mäuse und Würmer, Nattern und Kröten; und übel thaten die, welche auf dergleichen vertrauen, und nicht von ihrer Thorheit lassen wollten. Nehmet nun euer Gold und die Kostbarkeiten, welche am Boden zerstreut liegen, und gebt sie eurem armen Volk! Behänget aber fürder nicht Stock und Stein damit! Hier ist nunmehr nur zwischen zwei Dingen zu wählen, entweder ihr nehmet das Christenthum an, oder ihr bestehet mit mir noch heute den Kampf, und da gewinne der den Sieg über den Andern, welchem der Gott, an den wir glauben, ihn vergönnen will.“

Da stand Dale-Gudbrand auf, und sprach: „Wir haben hier großen Schaden genommen an unserm Gott; da er jedoch uns nicht helfen will, so wollen wir nunmehr an den Gott glauben, an welchen ihr glaubt.“

Und Gudbrand, nachdem er sich mit seinen Söhnen und untergebenen Leuten von Bischof Sigurd hatte taufen lassen, bauete eine Kirche in seinem Thal.

Aber es naheten Unglückstage. Viele der unterworfenen Häuptlinge gehorchten nur mit Zähneknirschen. Sie verbanden sich heimlich, und verriethen ihren Herrn an den mächtigen König Knud, welcher Dänemark und England beherrschte, und vor Eifer brannte, Norwegen noch diesen seinen Reichen hinzuzufügen. er sparte nicht Gold noch List, jene Unzufriedenen aufzuhetzen. Bald erschien Knud mit einer großen Flotte an der Norwegischen Küste. Olaf, von allen bis auf wenige Treuen verlassen, entfloh nach Gardareich (Rußland) zu seinem Schwager Jarisleif. Dieser bot ihm ein Stück seines weiten Reiches an, daß er s zum Christenthum führe. Noch überlegte Olaf, ob er es annehmen, oder, was seinem weltmüden Herzen als das liebste erschien, ob er Mönch werden, und nach Jerusalem pilgern solle. Da erschien ihm der alte Olaf Tryggvason, sein Taufpathe und Ahnherr, im Träume, und wies ihn zur Heimkehr, daß er sein väterlich Erbe wieder gewinne, und seinem Beruf, Norwegens Bekehrung, vollende. Olaf gehorchte.

Mit 4000 Mann Kriegsvolk trat er in Norwegen auf den Plan; seine Feinde waren 10,000. Aber er war so wenig verzagt, daß, als er erfuhr, 900 seiner Leute seien Heiden, er deren Taufe verlangte, sprechend: Wir dürfen nicht unsere Zuversicht auf des Volkes Menge setzen; auf Gott allein sollen wir uns verlassen. Den durch seine Kraft und Barmherzigkeit können wir den Sieg erhalten; aber ich will kein heidnisches Volk unter den Meinen.“ Fünfhundert weigerten sich, die Taufe anzunehmen. Olaf entließ sie. Die übrigen 400 ließen sich taufen, gesinnt gleich einem ihrer Anführer, welcher sprach: „Soll ich an einen Gott glauben, warum denn nicht eben so gut an den heiligen Christ, als an irgend einen Andern? und der König hat unsere Hülfe sehr nöthig.“

Da des Königs Streiter so wenige waren, rieth ihm sein Freund Finc Arneson, er solle keine offene Feldschlacht wagen, sondern im Rücken des Heeres der Aufrührer, das lediglich aus Bauern bestehe, deren Gehöfte mit Brand und Raub überfallen; sie würden sich alsdann flugs auflösen, um das Ihre zu retten; mit den Vereinzelten werde man leicht fertig werden. Der Rath wurde von Allen mit Jubel aufgenommen. Nur von Olaf nicht. „Er habe freilich früher bisweilen mit Sengen und Brennen un allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln seinem Willen Gehorsam verschafft; aber damals habe es gegolten, den Götzendienst auszuwurzeln, den Abfall von dem allein wahren Gott zu züchtigen. Drum habe er nicht nach den Mühsalen, die der Kampf hinter sich zurücklassen werde, fragen dürfen. Nun aber gelte es nur den Abfall von seiner Person; und er wolle nicht, daß um seinetwillen die wehrlosen Höfe mit so viel Elend, Brand und Blut erfüllt würden.“

In der Landschaft Vaerdalen bei Stiklastad kam es im Jahr 1030 zur Schlacht. Olaf rückte vor mit dem Ruf: „Vorwärts, Christenmänner, Kreuzmänner und Kriegsmänner!“ Ihm entgegen rückten die zahlreichen Schaaren der Feinde mit dem Rufe: „Vorwärts, vorwärts, Landmänner!“ Olaf mußte der Uebermacht weichen. Ein tiefer Hieb in’s Bein machte ihn kampfunfähig. Er warf sein Schwert weg, und betete zu Gott um Hülfe. De stürmte der Anführer der Feinde, Thorer Hund, auf ihn ein, und tödtete seinen wehrlosen König mit der Waffe. Die Meisten seiner Getreuen lagen todt um ihn her. Mitten während der Schlacht, bei wolkenlosem Himmel, war plötzlich das Licht der Sonne verloschen. Erst nach des Königs Tod bekam sie ihren Schein wieder.

Und dennoch, der Besiegte war der Sieger. Gleich nach der Schlacht, noch über seiner unbeerdigten Leiche, verbreitete sich vom sieghaften Heere aus durch das ganze Land der Glaube: man habe einen heiligen Mann getödtet, und der Gott seines Glaubens habe am Schlachtentage durch Hinwegnahme des Tageslichts ein Zeichen gegeben.

Der zuerst heimlich gleich nach seinem Tode bestattete König wurde das Jahr drauf wieder ausgegraben, und noch unverwest gefunden. Nun erklärte man öffentlich, uns stellte fest durch den Spruch des Bischofs Grimmkell, König Olaf sei ein wahrer Heiliger. Sein Leichnam ward in kostbarem Schrein in der Clemenskirche zu Drontheim, welches damals Nidaros genannt wurde, beigesetzt.

Der Todestag Olafs wird von Gelehrten, aus Berechnung der während der Schlacht eingetretenen Sonnenfinsternis, als der 31. August bestimmt. Aber das Norweger Volk feiert seinen St. Olafstag von jeher am 29. Juli. So ist nun Olaf, der Heilige, in der That ein apostolischer König seines Volks, von seinem Gott und Heiland dazu ersehen, daß er um den Preis der Märtyrerkrone im Lande Norwegen auf den Trümmern der Götzenbilder das Kreuz aufrichte.

Dr. Theodor Fliedner,
Buch der Märtyrer,
Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth,
1859