Georg von Brandenburg

Georg der Fromme

Georg der Fromme, Markgraf von Brandenburg-Anspach, geb. am 4. März 1484 als Sohn des Markgrafen Friedrich des Aelteren, also Enkel des Markgrafen Albrecht Achilles, und der polnischen Prinzessin Sophia, einer Schwester des Königs Wladislaw von Böhmen und Ungarn, somit der Vetter des letzten böhmisch-ungarischen Jagellonen. Er ist der Begründer der hohenzollernschen Herrschaft in dem schlesischen Fürstenthum Jägerndorf und ein eifriger Förderer der Reformation, sowie der Größe seines Hauses. Sein Vater, der sich einer zahlreichen Familie erfreute, hatte ihn anfangs für die geistliche Laufbahn bestimmt, schickte ihn aber 1506 zum Dienst an den Hof seines Schwagers König Wladitzlaw, der meist auf seiner ungarischen Königsburg in Ofen residirte. Hier erwarb sich der junge Fürst die Gunst seines Oheims in dem Maaße, daß ihn dieser bei seinem 1516 erfolgenden Tode zum Mitgliede der für Ungarn eingesetzten vormundschaftlichen Regierung und zum Erzieher des erst zehnjährigen Thronerben Ludwig einsetzte. Der gleichzeitige böhmische Geschichtsschreiber, Bischof Dubravius von Olmütz, fällt bei dieser Gelegenheit ein sehr ungünstiges Urtheil über ihn. Hätte der Prinz Ludwig, sagt er, einen tüchtigen Erzieher erhalten, der nicht allein auf die Leibespflege, sondern auch auf die Charakterentwicklung gesehen, so wäre die gute Anlage, die der Knabe zeigte, nicht erstickt worden. . So aber wurde nach des Vaters Willen sein Erzieher und Hofmeister Markgraf G., zwar ein guter Herr, dem aber Feste, Schauspiele und Lanzenstechen, Spiel und Tanz mehr am Herzen lagen als ernste Beschäftigungen. Obwol die böhmische und ungarische Geschichtschreibung dieses Urtheil sich angeeignet hat und den Markgrafen G. für die in König Ludwig, den übrigens die Schlacht bei Mohacz schon im 20. Lebensjahre hinraffte, später hervortretende Genußsucht und Unwirthschaftlichkeit verantwortlich macht, so will doch der Vorwurf mangelnden (damit es zu dem, was wir sonst über seine ganze verständige Lebensführung erfahren, für ihn selbst in keiner Weise passen; eher dürfte eine ungerechtfertigte Nachgiebigkeit gegen daß Naturel des jungen Fürsten und die lockere Lebensweise des Hofes, von der er auch nach andern Zeugnissen nicht wohl freizusprechen scheint, ihren Grund in dem Bestreben gehabt haben, sich die ihm als Ausländer vielfach beneidete Gunst des Königs zu sichern. Auch war es den Böhmen ärgerlich genug, daß er seinen Einfluß bei beiden gutmüthigen Königen, Vater wie Sohn, zu seinem Vortheil auszunützen strebte. Obwol er durch seine freilich nur kurze Ehe (1509–10) mit Beatrix, der Wittwe des Johannes Corvins, geb. Gräfin Frangipani, in Ungarn bereits große Besitzungen erworben hatte, suchte er doch eine Belohnung für seine Dienste in den bequemer gelegenen Ländern der böhmischen Krone, namentlich in den zahlreichen schlesischen Fürstenthümern, über die dieselbe gebot. Zuerst, heißt es, habe er seine Augen auf das Fürstenthum Glogau und dann ebenso vergeblich auf daß Egerland, das freilich für seine fränkischen Besitzungen viel Anziehungskraft hatte, geworfen. Endlich gelang es ihm in Oberschlesien Fuß zu fassen, indem er 1512 zuerst zwischen Herzog Johann von Oppeln und Herzog Valentin von Ratibor einen Vertrag zu Stande brachte, in welchem sich diese beiden Fürsten gegenseitige Beerbung zusicherten; wäre Johann der Ueberlebende und stürbe er ohne Erben, so solle sein ganzes Land an Markgraf G. fallen. Für den Fall, daß Herzog Johann zuerst kinderlos sterbe, kam G. mit Herzog Valentin dahin überein, daß letzterer mit ihm schon bei seinen Lebzeiten die von ersterem hinterlassenen königlichen Lehen theilen wollte. Obwol diese Verträge dem von König Wladislaw erst 1510 gegebenen Majestätsbrief widersprachen, in welchem ausdrücklich festgesetzt war, daß kein Ausländer in den Ländern der böhmischen Krone weder durch Geschenk, noch Kauf und Verpfändung irgend welche Güter erlange, damit diese Besitzungen nicht dereinst durch einflußreiche Leute von der Krone Böhmen abgetrennt würden, trug gleichwohl derselbe König kein Bedenken sie alsbald zu bestätigen, hatte er doch inzwischen 1511 dem Herzog Johann bereits daß vollkommen freie Verfügungsrecht über seine Lande eingeräumt, was eben der Majestätsbrief verhindern sollte, was aber dem Herkommen in Schlesien entsprach. Als dann 1521 die contrahirenden Fürsten die früheren Verträge noch einmal bestätigten und im October desselben Jahres Herzog Valentin starb, seine Besitzungen also zunächst an Herzog Johann fielen, bestätigte auch König Ludwig alle diese Verträge und fügte ausdrücklich hinzu, es solle dem Markgrafen nicht zum Schaden gereichen, daß er kein Einwohner der böhmischen Krone sei. Die böhmischen Stände brachten nun allerdings bei der darauf erfolgenden Beschwörung des Majestätsbriefes durch König Ludwig ausdrücklich die Klausel hinein, daß er die beiden Fürstenthümer Oppeln und Ratibor nach Herzog Johanns Tode Niemandem, „welches Standes, Ranges und Volkes er auch sei“, verschreiben, sondern sie zu eignen Händen nehmen solle, aber demungeachtet erklärten sie doch auf dem nächsten Landtage aus Rücksicht auf „den Blutsfreund Sr. Gnaden“ ihre Einwilligung zum Anfall derselben an Markgraf G. und beschlossen denselben, sobald ihm die beiden Fürstenthümer anheimfielen, als schlesischen Fürsten anzuerkennen. Johann von Oppeln gestattet ihm hierauf den Titel eines Herzogs von Ratibor zu führen und räumt ihm Stadt und Schloß Oderberg ein; von König Ludwig erhält er noch die Herrschaft Beuthen auf zwei Leibeserben. Derselbe ertheilt ihm 1523 auch die Vollmacht Lehen und andere Güter in Schlesien an sich, seine Brüder und ihre Erben zu bringen, nur solle er von solchen Lehen ihm und der Krone gleich anderen schlesischen Fürsten verpflichtet sein. Daraufhin erkauft G. noch im selben Jahre von Georg v. Schellendorf, dem Sohne des böhmischen Kanzlers und damaligem Inhaber, daß schlesische Fürstenthum Jägerndorf mit den beiden Städten Jägerndorf und Leobschütz und erlangt die Belehnung vom Könige damit, sodaß er sich fortan Herr von Jägerndorf und Ratibor nennt. Indem er 1525 in zweiter Ehe sich noch mit Hedwig, der Tochter des Herzogs Karl von Münsterberg, vermählte, der damals an der Spitze der böhmischen Regierung stand und für den Fall der Abwesenheit des Königs Landesverweser war, während seine Schwester Sophia seit 1519 den mächtigsten der schlesischen Herzöge, Friedrich von Liegnitz und Brieg, eine andere, Anna, den Herzog Wenzel von Teschen, seit 1518 zu Männern hatten, schien G. seine Stellung in Schlesien nach Möglichkeit gesichert zu haben.

Doch sah er sich bereits im nächsten Jahre, als sein junger Vetter den Türken erlegen war, ehe er mit seiner Hülfe hatte zu ihm stoßen können, einem neuen böhmischen Herrscher gegenüber, der es mit den Rechten der Krone ernster nahm als seine Vorgänger Ludwig und Wladislaw, und der wenig geneigt war ein Mitglied eines so mächtigen Hauses wie daß der Hohenzollern im Besitze so ausgedehnter Herrschaften innerhalb des böhmischen Reiches zu dulden. In der That nöthigte Ferdinand schon 1528 den kinderlosen Johann von Qppeln ihm seine Lande als Heimfall zu verschreiben, zunächst noch mit dem Vorbehalt einer rechtlichen Entscheidung über die Gültigkeit der früheren Verschreibungen; und als der Markgraf geltend machte, daß er 183,383 Gulden auf die Fürstenthümer stehen habe, kam es 1531 zu einem Vergleich, wonach G. nur der Pfandbesitz in den beiden Fürstenthümern und den Herrschaften Oderberg und Beuthen, in dieser auf zwei, in jener auf drei Leibeserben, für die genannte Summe verblieb. Im J. 1532 nach Johanns Tode trat Markgraf G. diesen Pfandbesitz an. In Jägerndorf, daß Ferdinand keine Handhabe hatte anzutasten, behauptete er sein fürstliches Recht ungeschmälert; am 1. Juni 1532 bestätigte ihm Ferdinand die früher von Ludwig empfangene Belehnung. Bis an seinen Tod hat er diesem Besitze eine eifrige Sorgfalt zugewandt, noch heutigen Tages erinnert das Wappen an dem nicht eben stattlichen Schlosse, daß er von Grund aus neu gebaut hat, an die gerade hundertjährige brandenburgische Herrschaft daselbst (1528–1623). So lange sie dauerte, war Jägerndorf der Brennpunkt des Protestantismus in Oberschlesien, mit ihrem Aufhören im Anfang des dreißigjährigen Krieges ward auch er wieder gewaltsam beseitigt.

Als Förderer der Reformation verdient G. noch eine besondere Betrachtung. Zuerst fand er in seiner einflußreichen Stellung am böhmischen Hofe Gelegenheit sich als Beschützer der von Ludwigs Regierung verbotenen kirchlichen Neuerung zu zeigen, sein Verwenden hinderte 1522 und 1523 ein Einschreiten gegen die eigenmächtige Reformation in Schlesien, namentlich in Breslau. Seine zweite Ehe mit Hedwig von Münsterberg machte ihn zum Schwiegersohn des ersten schlesischen Fürsten, der sich offen zur neuen Lehre bekannte. Auch in seinem Erblande Franken, das er nach des Vaters erzwungenem Rücktritt von der Regierung mit seinem älteren Bruder Kasimir gemeinschaftlich beherrschte, war er es, der den religiös indifferenten, durch seine baierische Gemahlin und persönliche Beziehungen zu Ferdinand zur Zurückhaltung geneigten Bruder vorwärts trieb, sodaß bereits am 1. October 1524 ein Landtagsabschied die Predigt des reinen Evangeliums für daß brandenburgische Franken verordnete. Nach des Bruders († 1527) Tode führt er die Reformation entschlossen weiter, beseitigt die der alten Lehre anhängenden Geistlichen, hält eine Kirchenvisitation ab und führt in Verbindung mit der Stadt Nürnberg 1528 eine rein evangelische Kirchenordnung ein, die 1533 revidirt und verbessert wird. Sein jüngerer Bruder war Albrecht, der Hochmeister des deutschen Ordens in Preußen. Ihn bestärkte er in dem Vorsatz, den Ausweg aus der Zwangslage, in der er und der Orden sich befanden, durch Verwandlung desselben in eine weltliche Herrschaft zu suchen. Er reiste persönlich mit dem Gemahl ihrer beiden Schwester, dem Herzog Friedrich II. von Liegnitz, an den polnischen Hof, während Albrecht in dem obenerwähnten Beuthen blieb, und verhandelte jenen Krakauer Vertrag von 1525, in dem König Sigismund seine Zustimmung zur Errichtung eines in der brandenburgischen Familie erblichen Herzogthums Preußen gab.

In den dann folgenden Jahren der Krisis ist er stets entschieden auf der Seite Luthers. Er unterschreibt 1529 die Speirer Protestation, er geht nach dem Marburger Religionsgespräch mit Kurfürst Johann von Sachsen zusammen, auf Grund persönlicher Berathung in Schleitz, er bekennt sich zu den 17 Schwabacher Artikeln, er ist dann in Augsburg unter den Wortführern der Protestanten und erklärt dem Kaiser, ehe er von Gottes Wort abstehe, wolle er lieber auf dieser Stelle niederknieen und sich den Kopf abhauen lassen; er unterzeichnet endlich die Augsburgische Confession. Gegenüber den Bemühungen des Kaisers und dessen Bruders Ferdinand ihn bei seinen schlesischen Interessen zu fassen und dem Drängen seines kurfürstlichen Vetters Joachim I. blieb er standhaft; er antwortete auf des letzteren Frage, ob er auch bedenke, was ihm auf dem Spiele stehe: Man sagt, ich soll aus dem Lande verjagt werden, ich muß es Gott befehlen. Daß war sein Standpunkt, weiter ging er nicht, allen Beschlüssen sich gegen gewaltsame Maßregeln des Kaisers zu wehren versagte er seinen Beitritt. Der Tod des Kurfürsten Joachim I. gab ihm Gelegenheit auch auf seine Verwandten in der Mark im evangelischen Sinn zu wirken; als Joachim II. sich der Reformation geneigt zeigte, sandte er seinen Hofprediger Stratner nach Brandenburg, um an der Ausarbeitung der märkischen Kirchenverfassung mitzuwirken, und in der That sind die Lehrartikel derselben fast durchgängig aus der von ihm früher erlassenen fränkischen Kirchenordnung entnommen.

Auch für die politischen Interessen des gesammten Hauses und die Verbindung der räumlich so weit ausseinanderstrebenden einzelnen Linien unter einander bewies er fortwährend eine thätige Theilnahme. So gebührt ihm auch ein wesentlicher Antheil an jener Erbverbrüderung von 1537 zwischen der Kurlinie und dem Liegnitz-Brieger Herzog Friedrich II., seinem Schwager, bei der daß Kurhaus freilich nicht einmal soviel Glück hatte als ser in Oppeln und Ratibor, die er wenigstens als Pfandbesitz behauptet hatte. In Franken selbst lebte er mit seinem heranwachsenden Neffen Albrecht Alcibiades , dem hinterlassenen Sohne Kasimirs, allerdings nicht in Eintracht, der wüste, junge Herr beschuldigte den Qheim das Vaterland Franken zu Gunsten seiner schlesischen Besitzungen zu stark besteuert zu haben. Auf dem Regensburger Reichstage von 1541, dem letzten, den G. besuchte, theilten sie sich, wobei ihm daß untere Fürstenthum Anspach verblieb; zwei Jahre darauf, am 27. December 1548, starb er im Alter von noch nicht 50 Jahren. Nach dem Tode seiner schon erwähnten zweiten Gemahlin Hedwig von Münsterberg, deren Briefe ebenfalls ein eifriges Religionsinteresse verrathen, 1531, war er noch einmal mit Emilie, der Tochter Heinrichs von Sachsen, vermählt, der Mutter des einzigen Sohns, den er hinterließ, Georg Friedrich.