Königin Fritigild

(1. April)

„Die Heiden werden in deinem Lichte wandeln, und die Könige im Glanz, der über dir aufgeht.“ (Jes. 60, 3.)

Gleichwie die Weisen aus dem Morgenlande nach Bethlehem kamen, um das heilige Kind mit Gold, Weihrauch und Myrrhen zu begrüßen, und seines Anblickes froh zu werden, so erschien einst gegen Ende des vierten Jahrhunderts eine Gesandtschaft fremder Männer zu Mailand bei dem frommen Bischof Ambrosius mit königlichen Geschenken und dem Begehr, die frohe Botschaft von Christo, dem Friedefürst und Weltheiland, zu empfangen. nach einiger Rast kehrten sie, mit diesem unvergänglichen Golde beladen, aus dem schönen Italien über die Alpen wieder heimwärts in ihr Land gen Norden. Königinn Fritigild hatte diese gesendet. Sie war die Gemahlinn des Königs der Markomannen, eines deutschen Volksstammes, welcher kräftig und kriegswild, in dem jetzt Böhmen genannten Lande saß. Dies Volk kannte schier kein ander Tagewerk, als das mit Roß, Schwert und Speer gethan wird. Hierbei kam die Beschaffenheit seines Landes trefflich zu Statten. Denn dasselbe ist von Bergen als wie von riesigen Thürmen, Mauern und Wällen umschlossen. So wohnen die Markomannen gleichsam in einer wohlverwahrten Festung, aus welcher sie, so oft sie mit Beute beladen zurückkehrten, ohne daß der Feind es wagen durfte, ihnen nachzufolgen. Besonders richteten sie ihre Kriegs- und Raubzüge südwärts, wo die Donau vorüberzieht. Bis zu diesem Fluß nämlich war alles deutsche Land der römischen Botmäßigkeit unterworfen. Die Markomannen haßten die Herrschaft der Römer, und waren lüstern nach ihren Schätzen. Durch Feuer, Schwert und Blutvergießen gewann ihre trotzige Kraft den Ruhm der Tapferkeit, und ihr Name war zum Schrecken ringsumher.

Nun geschah es, daß eines Tages ein fremder Mann zur Königsburg kam. Er war weit gereist, und wußte viel aus fernen Landen zu erzählen. Fritigild, die Königinn, lauschte seiner Rede, und als er von Italien berichtete, wie dort Jesus, der gekreuzigte Heiland, gepredigt und geglaubt werde, und man ihn in schönen Kirchen verehre, und selig werde durch seine Erlösung, da ward ihr Herz wunderbar bewegt. Mehr und immer mehr begehrte sie von Jesus zu hören; aber der Fremdling wies sie an Ambrosius; der sei ein Jünger des Heilands, und Bischof zu Mailand, und es scheine in ihm hell dies wahrhaftige Licht, und er werde ihr auch alle Schätze und kündlich großen Geheimnisse dieser süßen Botschaft mittheilen.

Darauf fertigte die Königinn jene Gesandtschaft nach Mailand ab. Ambrosius, als er sah, daß Christus an das Herz einer heidnischen Fürstinn angeklopft habe, ward hocherfreut. Er gab den Gesandten einen Brief an Fritigild mit, welcher, nach Art eines Katechismus verfaßt, von Christo handelte, wie er leiden mußte, und eingehen zur Herrlichkeit seines Vaters, damit Alle das ewige Leben hätten. Auch bat er, daß sie ihres Volkes gedenke, und es bekehre von seinem bluttriefenden Heldenruhm zu der guten Ritterschaft des Glaubens an den, der sich sanftmüthig und demüthig nenne.

Fritigild bewegte alle diese treuen Worte des Briefes in ihrem Herzen. Aber es ward in ihr die Sehnsucht wach, von Angesicht zu Angesicht den Mann zu sehen, welcher ihr das geschrieben, und seine Stimme zu hören. So umgab sie sich mit fürstlichem Geleit, und zog hinab gen Italien, nicht achtend der Gefahren und Beschwerden des Weges, der durch tiefe Wälder und über wolkenhohe Berge führte. Aber der Engel des Herrn war um sie gelagert, daß ihr auf dem weiten Zuge nichts Leides geschah. Doch, als sie in Mailand einzog, und nach Ambrosius fragte, sagte man ihr: „Du kannst sein Angesicht hienieden nicht mehr schauen; er ist in die ewigen Hütten heimgegangen zu seinem Herrn, wie er geglaubt hat.“ Da hub sie vor großer Traurigkeit an zu weinen, bis der Geist, der Tröster, ihren Thränen werte durch die Vergewisserung, daß sie in Christo, dem Einen Meister, mit ihrem geliebten Lehrer verbunden sei.

Fritigild kehrte heim. Der König, ihr Gemahl, war dem Evangelium hold, so das Licht von nun an die dunkeln Wälder mild zu leuchten anfing. Und der kriegswilde Troß der Markomannen zerschmolz, wie Erz im Feuer. Denn sie hatten jetzt den Friedefürsten kennen gelernt.

Dr. Theodor Fliedner, Buch der Märtyrer, Verlag der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth, 1859