Margaretha Blaarer

Nicht in gleicher Weise mit der Feder, aber durch gleiche Liebestätigkeit diente Margaretha Blaarer der Reformation; sie war die Schwester des Bürgermeisters Thomas Blaarer zu Konstanz und des Ambrosius Blaarer, eines Geistlichen, der in der Reformationsgeschichte Oberdeutschlands eine ehrenvolle Stelle einnimmt. Ganz Konstanz hatte die Kirchenverbesserung angenommen; auch die Klosterpforten wurden geöffnet; seit 1528 verkündigten 23 Prediger das Wort Gottes nach evangelischer Weise. Sie alle hatten Arbeit in Menge, denn durch Missernte und Krankheiten kamen schwere Zeiten über die Stadt und die Umgegend. Vielleicht hätten Manche diese Heimsuchungen für ein Strafgericht Gottes angesehen und darin Veranlassung gefunden, wieder zur katholischen Kirche zurückzukehren, wenn nicht, so weit es durch Menschen geschehen konnte, Hilfe in der Not gekommen wäre. Es fanden sich aber christlich gesinnte Jungfrauen zusammen, welche einen Verein bildeten, um Armen und Kranken Beistand zu leisten. Margaretha Blaarer, die früher einer geistlichen Ordensschwesterschaft zur Übung barmherziger Liebe angehört hatte, stand an der Spitze dieses evangelischen Diakonissenbundes. 1541 schrieb Ambrosius an seine Schwester: „Höre nicht auf, ich bitte Dich herzlich, das Anliegen der Kirche auf Erden, der echt evangelischen, dem himmlischen Vater in heißer Fürbitte zu empfehlen! Du weißt, sie leidet übel Not von allen Seiten und wird angefochten von Gewalttätigen, geistlichen und weltlichen Standes; bitte doch mit dem stillen Hausvölklein, ich meine Deine Hauskirche, dass die Bedrängten und Verfolgten wieder zur Ruhe kommen. Grüße mir doch Deinen ganzen Haushalt, all‘ Deine Armen, Kranken, Presshaften, nach Erlösung Seufzenden, welche in Dir eine liebende Mutter finden. – O, wie freut es mich, zu sehen, wie schön Dich der Herr mit höherer Kraft stärkt, dass Du nicht unterliegst unter den Sorgen allen. Möge er Dir zeitlebens den schönsten Segen gönnen, Hungrige zu speisen, Durstige zu tränken, Nackende zu kleiden, Fremde zu beherbergen, Kranke zu laben“ usw.

Nicht lange sollte diese Jüngerin des Herrn in ihrem gesegneten Wirken fortfahren. Als sie 1541 eine Menge Pestkranke besuchte, erkrankte sie selbst und unterlag der verderblichen Krankheit.

Über ihr Ende berichtet ihr Bruder Ambrosius: „Sie gab sanft und mit heiligen Reden unter vollem Vertrauen auf Christum ihren Geist auf, dass man wohl sagen kann: Sie ist nicht gestorben, sondern zu dem Herrn heimgegangen.“ Der schon mehrmals erwähnte Bucer schrieb über sie: „O, unvergessliche Zierde, Schmuck und Segen des wiedergeschenkten Evangeliums, die mit den größten Zierden der glücklichsten Zeiten der Kirche in eine Linie gesetzt werden kann!“

Der gleichfalls erwähnte Bullinger richtete einen Trostbrief an ihren Bruder, darin lesen wir: „Von Herzen bin ich betrübt, dass der unerbittliche Tod Deine Schwester, die Hoffnung so vieler Dürftigen hienieden, und ein Edelstein vom reinsten Wasser, Margaretha, diese Perle der Jungfrauen, Dir entrissen hat.“

Solche Frauen, welche dem Evangelium nützten, indem sie Liebe in der Tat und Wahrheit bewiesen, waren gerade keine Seltenheit. Von der Gattin des Magisters Leu, Pfarrers zu St. Peter in Zürich, heißt es: „Sie trug allen Kranken und Kindbetterinnen ihrer Gemeinde zu, was sie bedurften, und teilte redlich mit ihnen. Weil aber ihre Pfründe klein und der Magister ein armer Mann war, so musste er stets anflehen, und wiewohl er keine großen Schulden machte, konnte er doch Nichts erübrigen.

Die Mutter lag Tag und Nacht dem Weben ob; damit verdiente sie viel Geld; das ließ ihr der Vater und daraus kaufte sie Bücher und Hausplunder. Sie hatte auch arme Knaben, deren etliche ihr nicht zwölf Gulden Tischgeld im Jahre gaben. Die Vertriebenen nahm sie auf und hielt manchen einen Monat, zwei oder drei und mehr. Sie hatte ein ehrliches Hausplunder, besonders on Bettgewand, aber da war nichts Köstliches, wie man jetzt hat.

Von der Frau des Oswald Myconius, früher Lehrer in Zürich, später Antistes in Basel, wird gleichfalls gerühmt, dass sie sich der Vertriebenen liebevoll angenommen und dieselben Monate lang beherbergt habe.

Anna Adlischweiler, die Gattin von Bullinger in Zürich, eine gewesene Nonne von Ortenbach, war in Zürich unter dem Titel „Frau Mutter“ und im Auslande unter dem Namen „Züricher Mutter“ bekannt.

Mitunter ermunterten Frauen zur Zeit der Verfolgung ihre Männer zur Standhaftigkeit; so die Gattin des Bartholomäus Bertlin, der, weil er das von Karl V. befohlene Augsburger Interim nicht annehmen wollte, seine Pfarrei verlassen und drei Jahre mit der bittersten Armut kämpfen musste. Als der Kaiser 1551 nach Augsburg kam, beschied er die Geistlichen der Umgegend zu sich, um sie zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Wer sich nicht fügen wollte, hatte das Schlimmste zu fürchten. Bertlins Gattin sagte beim Abschied zu demselben: „Hüte Dich, dass Du nicht um meinet- und unserer Kinder willen die Wahrheit, für welche Du zu zeugen bereit bist, verleugnest.“ Bertlin blieb standhaft und musste ein weiteres Jahr unstet und flüchtig umherirren, bis er eine Anstellung in einem Spital zu Augsburg erhielt. Nach einiger Zeit durfte er in sein früheres Amt nach Memmingen zurückkehren.

Margarethe Blarer

Während ihre Brüder Thomas von Blarer als Bürgermeister von Konstanz und Ambrosius als geistlicher Liederdichter für die Sache der Reformation wirkten, ward Margarethe, nach dem Vorbild der Diakonissen der ersten christlichen Kirche, die Dienerin der Armen und Kranken. Es befand sich damals in Konstanz ein ganzer Verein ächt christlicher Gattinnen und Jungfrauen, weit und breit bekannt durch die Hilfe, die sie einheimischen und fremden Kranken, Witwen, Waisen und von der Pest Befallenen angedeihen ließen. Margarethe war die Vorsteherin dieses Vereins. In dieser Hinsicht schrieb Ambrosius im Juli 1541 an sie: „Herzlich bitt ich dich, liebe Schwester, höre nie auf, das Anliegen der Kirche Gottes auf Erden, der ächt evangelischen, dem himmlischen Vater in heißen Fürbitten zu empfehlen. Du weißt, sie leidet übel Noth von allen Seiten und wird angefochten von Gewaltthätigen, geistlichen und weltlichen Standes, von blinden Führern der Blinden. Bitte und erbitte doch mit deinem stillen frommen Hausvölklein, ich meine deiner Hauskirche, daß die bedrängte, verfolgte, wieder zur Ruhe komme, sich erhole, stark werde, aufblühe und Früchte trage für’s ewige Leben. Ja das thust du! Ich darf dir nicht erst meine Gattin und Kinder empfehlen; jene liebst du als Schwester, diese als Mutter. Grüße mir doch deinen ganzen Haushalt, mit allen deinen Armen, Kranken, Presthaften, Nothleidenden, nach Erlösung Seufzenden, welche in dir eine liebende Mutter finden. Sage dem lieben Völklein, wenn es für dich betet, so soll es auch zugleich an mich, deinen Bruder, denken; ich treibe des HErrn Werk wie du, nur jedes auf seine Weise. O wie freut es mich zu sehen, wie schön dich der HErr mit höheren Kräften stärket, daß du nicht erliegst unter den Sorgen allen. Möge Er dir zeitlebens den schönsten Segen gönnen, Hungrige zu speisen, Dürstende zu tränken, Nackende zu kleiden, Fremde zu beherbergen, Kranke zu laben. Wir nähren, tränken, kleiden, verpflegen ja Christum selbst in unsern Kranken. Nochmals, der HErr lohne dir’s Schwester! was du an den Kranken thust in Ewigkeit!“ Aber nicht lange mehr sollte die Getreue also dem HErrn dienen. Als sie bei der verheerenden Pest im Nov. 1541 eine Menge Pestkranke unablässig besuchte, erkrankte sie selbst und entschlief. Von ihrem Heimgang berichtet ihr Bruder Ambrosius: „Sie gab so sanft unter heiligen Reden und mit vollkommenem Vertrauen auf Christum ihren Geist auf, daß man wohl sagen kann, sie ist nicht gestorben, sondern sanft zum HErrn heimgegangen, und hat ihre Seele in die Hände ihres treuen Erlösers übergeben.“

Margarethe Blarer

Johannes Huß war auf dem Scheiterhaufen, als Märtyrer, unter Lobpreisungen Christi gestorben, im Glauben, daß dessen Sache siegen werde durch größere Männer nach ihm; das Concil zu Constanz, welches ihn nebst seinem Freunde Hieronymus von Prag zum Flammentode verurtheilt hatte, hatte ohne merklichen Erfolg für eine Reformation der Kirche sich aufgelöst; allein der Geist, welcher einmal erwacht war, ließ sich nimmermehr dämpfen noch fesseln, der Fortgang der Wahrheit nimmer hemmen, und kaum war zu Wittenberg und Zürich das göttliche Wort wieder unter dem Scheffel hervorgezogen und auf den Leuchter gesetzt worden, brach auch über Constanz die Morgenröthe an, und gingen Hussens prophetische Worte in Erfüllung. Frühzeitig ward auch diese Stadt, obwohl ein Bischofssitz, von den erwärmenden Strahlen des neuen Lichtes erreicht, und begann durch die Bemühungen der Prediger Johann Danner, Bartholomäus Metzler, Johann Zwick, des Bürgermeisters Bartholomäus Blaarer u. A. ein schönes, evangelisches Leben sich zu entfalten, woran selbst der damalige Bischof Hugo von Landenberg sammt seinem Domcapitel anfangs Wohlgefallen fand. Sobald jedoch die Geistlichkeit ihr Ansehen und ihre Einkünfte gefährdet glaubte, versuchte sie jedes Mittel, um die geistige Bewegung zu unterdrücken, bis nach der Einnahme der Stadt Constanz durch die Spanier und der Einführung des Interim das neue Leben gewaltsam erstickt wurde. Zu jener Zeit blühte in Constanz das alte, angesehene, adeliche Geschlecht der Blaarer (Blaurer) von Wartensee (so zugenannt von einer Besitzung in der Nähe des Bodensees), das auch in Zürich das Bürgerrecht besaß; mehrere seiner Sprößlinge hatten auf dem bischöflichen Stuhle von Constanz gesessen, und andere geistliche und weltliche Ehrenämter bekleidet; um das Jahr 1530 waren drei Blaarer zumal Aebte, in Weingarten, St. Gallen und Einsiedeln. Daß diese Würdenträger Gegner der Reformation waren, mag uns nicht befremden. Dagegen finden wir drei Geschwister, Kinder des Rathsherrn Augustin Blaarer, deren Namen unter den Freunden und Beförderern der Kirchenverbesserung einen guten Klang haben, Ambrosius, Thomas und Margaretha, an welche sich ein Sohn des Thomas, Augustin, anreiht, der in einem benachbarten schweizerischen Dorfe als reformirter Pfarrer mit Segen wirkte.

Es ist nun Margaretha’s Bild, auf welches wir die Aufmerksamkeit der Leser zu lenken beabsichtigen; einige Nachrichten über die Brüder mögen vorangehen. Ambrosius hatte sich in seiner Jugend schon durch seine Talente und Kenntnisse solche Achtung unter seinen Mitbürgern erworben, und solche Hoffnungen erweckt, daß, als er in das würtembergische Benedictinerkloster Alberspach sich aufnehmen ließ, der Rath seine Mutter bat, sie möchte ihn zum Rücktritt vom Orden zu bewegen suchen, damit seine Vaterstadt künftig seiner Dienste sich erfreuen könnte. Alle Bitten blieben zwar umsonst; als er jedoch in seiner Zelle mit Luthers Schriften bekannt geworden, verließ er aus eigenem Antriebe und nicht ohne Gefahr das Kloster, wurde im Verfolge als Prediger in seiner Vaterstadt angestellt, und erwarb sich durch seine Verkündigung der evangelischen Wahrheit solchen Beifall, daß mehrere deutsche Reichsstädte ihn zur Einführung der Kirchenverbesserung beriefen, und ihn Herzog Ulrich von Würtemberg zu demselben Zwecke für seine Lande sich von der Stadt Constanz erbat, weshalb ihn der Straßburger Reformator Martin Bucer in seinen Briefen nicht selten „Apostel der Schwaben“ anredet. Außerdem machte er sich durch Verfertigung geistlicher Lieder verdient. Nach der Einführung des Interim war seines Bleibens im Vaterlande nicht mehr; er begab sich nach der Schweiz, predigte da in mehreren Gemeinden das Evangelium, und starb im Herrn 1564 zu Winterthur im Kreise seiner Verwandten in hohem Greisenalter. Thomas hatte auf der Universität zu Wittenberg die neue Lehre kennen und lieben gelernt, und ward, nachdem er mit Redlichkeit und Einsicht alle Stufen der Ehre bestiegen hatte, Bürgermeister zu Constanz, auch er hat geistliche Gesänge gedichtet.

Mit diesen Brüdern stritt, jedoch in ungestörter Eintracht, ihre Schwester Margaretha um alle die Vorzüge, die jene auszeichneten. Wenn von Ambrosius gemeldet wird, er habe eine gute Erziehung genossen, so dürfen wir nicht zweifeln, daß ebenfalls ihr dieses Göttergeschenk zu Theil geworden, da sie an Gelehrsamkeit ihren Brüdern nicht nachstand, gleich ihnen die alten Römer und Griechen in der Ursprache las, mit mehreren Gelehrten einen gehaltreichen Briefwechsel, meistens in lateinischer Sprache, unterhielt, auch in der Poesie wohl erfahren war, daher von Erasmus, Bullinger und Gualther hochgeehrt. Allein weder die Achtung, in welcher sie bei berühmten Zeitgenossen stand, noch ihr „Wissen blähete sie auf“; sie „bekleidete sich mit dem Schmucke der Bescheidenheit“, und machte ihrem Namen dadurch Ehre, daß sie nicht bloß im Evangelium „die gute Perle gefunden“ hatte, sondern selbst eine Perle wurde, durch den Glanz ihrer Reinheit, ihr „Vorbild guter Werke und unverfälschter Lehre eine Zierde ihrer Vaterstadt; ihr höchster Schmuck war inwendig, der verborgene Mensch des Herzens unverrückt mit sanftem und stillem Geiste, welcher köstlich vor Gott ist.“ Mit ihrer Anspruchslosigkeit verband sie eine aufopfernde Liebe, und ihr Beispiel war nicht minder anziehend und erbaulich, als ihre Worte belehrend waren; „unermüdlich im Gutes Thun, gastfrei und gütig gegen Vertriebene und Unglückliche jeder Art, erwarb sie sich ein vorzügliches Verdienst durch Unterweisung armer Kinder im Lesen, Arbeiten und im Christenthum; ihr Gottesdienst war, die Wittwen und Waisen in ihrer Trübsal besuchen, und so ward sie, belebt vom Hauche des göttlichen Geistes, mit ihren Brüdern wetteifernd, während Ambrosius das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes, führte, und Thomas im Rathe ihrer Vaterstadt die gereinigte Lehre gegen deren Feinde vertheidigte, deren Gehülfin am Reiche Gottes.“ Rudolf Gualther singt von ihr unter andern:

Der armen Kind hast vyl erneert,
Sy trulich gleert,
Gotzforcht, arbeit und läsen,
Darinn gehabt groß muy und flyß
Vff sonder weyß.
Das Christlich war jr wäsen,
Und Gottes huß
Wurd buwen vß.
Hast gmehrt sin rych,
Und bist zuoglych
Jungkfrauw vnd fruchtbar gewesen.

Am besten führen uns die Briefe, die ihr Bruder Ambrosius an sie oder über sie schrieb, in den Kreis hinein, in welchem diese treue Jüngerinn des Heilandes lebte und wirkte. Als sich, nach dem Muster der Diaconissen in der ersten christlichen Kirche, zu Constanz ein Verein christlicher Gattinnen und Jungfrauen gebildet hatte, weit und breit bekannt durch die Hülfe, die er einheimischen und fremden Armen, Kranken, Verlassenen angedeihen ließ, an seiner Spitze Margaretha, nicht nur das Amt einer Schwester, sondern die Pflichten der frömmsten Mutter übend, schrieb er ihr den 4. Juli 1540 von Hagenau: „Ich bitte Dich, daß Du die Sache der Kirche Christi dem himmlischen Vater in flehentlichen und gläubigen Gebeten anempfehlest; denn sie wird sehr zwischen den Klippen und Stürmen menschlicher Macht und Weisheit umhergetrieben. Darum, so rufe oft mit Deiner heiligen Gemeinde, die Du daheim hast, den Geber alles Friedens inbrünstig an, daß er diese Stürme stille, und uns mit seinem festen, ewig dauernden Frieden bekräftige und stärke, damit die Pforten der Hölle nichts wider uns vermögen. Ich weiß, wie schwesterlich Du für mein Weib und meine Kinder sorgst. Grüße Dein ganzes Haus sammt allen Deinen Kranken und Armen, durch deren Fürbitte bei dem Herrn ich wünsche unterstützt zu werden. Lebe wohl, beste, liebste Schwester, o mein Herz in dem Herrn! Thue, was Du thust, geflissentlich; nähre, tränke, besuche, sammle in den Hungrigen, Dürstenden, Kranken, Vertriebenen Christum, in der gewissen Zuversicht, daß Dein Lohn bei ihm im Reiche seiner Herrlichkeit Dir bereitet ist. Lebe recht wohl!“

Im Jahr 1541 wüthete die herrschende Pest auch in Constanz verheerend; doch die sich selbst vergessende Margaretha ließ sich dadurch nicht abhalten, die Kranken selber zu pflegen und zu warten, und ihnen den Trost der Religion zu bringen. In einem Schreiben vom 5. Nov. schildert Ambrosius ihr liebevolles Wesen und Walten in einem Briefe an Bullinger in folgenden schönen Zügen: „Margaretha, die beste Schwester, benimmt sich jetzt wahrhaftig wie eine Archidiaconisse unserer Kirche, indem sie ihr Leben und alles in Gefahr setzt. Täglich besucht sie jene öffentlichen Häuser, in denen die von der Pest Befallenen, jene gemeinen Knechte und Mägde und andere Leute dieser Art gepflegt werden, und das mit Muth und erhabenem Geiste. Auch hat sie jetzt ein Mädchen, welches sie schon seit ungefähr zehen Jahren unterhält, und das gegenwärtig beinahe in den letzten Zügen liegt, in ihr Haus aufgenommen. Bitte, ich beschwöre Dich, den Herrn, daß er sie, welche jetzt unser einziger Trost ist, uns nicht entreiße.“

Das heiße Flehen der Brüder und Freunde sollte nicht erfüllt werden, die Vorsehung hatte es anders beschlossen. Die Krankheit ergriff ebenfalls sie; weil „ihre Seele Gott gefiel, eilte er mit ihr aus dem bösen Leben“; sie „vollendete ihren Lauf“, ein Opfer ihrer Hingebung, den 27. Nov. in einem Alter von 47 Jahren. Rührend ist die Klage des Ambrosius über ihren Hingang, von welchem er sogleich (30. Nov.) ihrem gemeinschaftlichen Freunde Antistes Bullinger Kunde gibt. „Unter Denen, welche der Pest unterlagen, hat“, so schreibt er, „der Herr, der Geber des Lebens, auch unsere treffliche und in Wahrheit unserer Kirche getreuste Dienerin, meine leibliche Schwester Margaretha, zum großen Leidwesen Aller vom Tode zum Leben hinübergeführt, zu der für sie allerdings geeigneten, für uns jedoch ungünstigsten Zeit, was meine Seele zuweilen so sehr erschüttert, daß ich hier die heftigen Erregungen meines Herzens fühle, und durchaus fürchte, es möchte dieser Tod eine schlimme Vorbedeutung für die ganze Stadt haben, was noch viele Wohlgesinnte mit mir besorgen. – Denn jene anlangend, so sind wir völlig gewiß, daß sie nicht todt ist, sondern den Tod mit dem glücklichsten Leben vertauscht hat; sie hat auch ihren letzten Athem unter heiligen Reden ausgehaucht, im Vertrauen, sie sterbe nicht, so daß Du gesagt hättest, sie sei sanft entschlafen, und habe ihren Geist in die Hände des treuen Schöpfers übergeben. Uns aber ist ein so großer Trost und Segen entzogen, daß wir in unserer unbeschreiblichen Trauer mehr als die Hälfte unsers Lebens verloren zu haben stets empfindlicher fühlen. Bitte Du für uns, daß es uns vergönnt werde, in ihren Fußstapfen Christo nachzufolgen.“

Bullinger ehrt den gerechten Schmerz, weiß aber durch sein Zeugniß, welches er über die Heimgegangene ablegt, tröstenden Balsam in die Wunden zu gießen; er erwidert unterm 10. Dec.: „Von Herzen thut es mir leid, verehrungswürdigster Ambrosius, „daß durch den Tod Deine leibliche Schwester hinweggenommen ward, die so vielen Armen eine vorzügliche Hoffnung auf Erden war und ein Edelstein aller Unschuld. Der Herr, welcher alles nach gerechtem Urtheil thut, tröste Dich und alle, die in Wahrheit ihr größtes Vertrauen auf sie gesetzt haben. Sie genießt jetzt unvergänglicher Freude, und lobet den Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Freue Dich daher mit ihr im Herrn, und flehe, den Schmerz besiegend: Zukomme Dein Reich! Ich habe meinen Gualther, einen Jüngling von großer Gelehrsamkeit, unsers Zwingli’s Eidam, gebeten, daß er der heiligsten Jungfrau ein Leichengedicht widme.“ Und dieser, Bullingers Pflegesohn und Nachfolger in der Stelle des Antistes, in zweiter Ehe (1566) mit einer Tochter des Ambrosius Blaarer verheirathet, verfaßte „ein Klaglied vm die Christlichen Jungkfrauw Margret Blaurerin“, aus welchem auch obige Strophe entlehnt ist, und das sowohl um seines poetischen Werthes willen, als weil es alle Züge des Charakters dieser Edeln, einer der vorzüglichsten weiblichen Persönlichkeiten ihres Zeitalters berührt, der Mittheilung werth wäre; wir können es uns aber nicht versagen, zum Schlusse unserer Darstellung wenigstens Eine Strophe noch anzuführen:

Die klag ist auch nit min allain.
Das Laid ist gmain,
Hat manch fromm hertz verseret,
Din tod die ganzen kirch bedurt,
Hat hertzlich trurt,
Der zachren vil verreret.
Dins glaubens frucht,
Nno Christlich zucht
Jungkfrölich gmüt,
Mit gnad verhüt,
Hat sy an dir verehret.

Fel. Orelli in Zürich f.

Evangelisches Jahrbuch für 1856 Herausgegeben von Ferdinand Piper Siebenter Jahrgang Berlin, Verlag von Wiegandt und Grieben 1862