Johann Georg Müller – Noch einige Erzählungen vom Tode Protestantischer Märtyrer

Als Johann de Backer, ein 27jähriger Jüngling, dafür daß er (und er war ein Priester!) das Evangelium gepredigt, den Ablaß und den Cölibat verworfen und selbst geheirathet hatte, im Haag (1525) zum Scheiterhaufen geführt wurde, und im Vorbeigang neben dem Gefängniß seinen übrigen daselbst eingekerkerten Freunden zurufte, Muth zum Tode für das Evangelium zu fassen, stimmten diese freudigjubelnd die Hymnen an: Te Deum laudamus – O beata Martyrum solemnia! und fuhren damit fort, bis er, für seine Mörder gleich dem Stephanus betend, seinen Geist in den Flammen aufgab. Sein Tod machte so viel Eindruck auf die Zuschauer, daß die Inquisitoren es nicht rathsam fanden, das Trauerspiel an den übrigen Verhafteten zu wiederholen.

1532 wurden in Limburg sechs Personen aus Einem Hause, Vater, Mutter, zwo Töchter und ihre Männer auf einmal lebendig verbrannt. Auf ihrem Todeswege und im Feuer sangen sie einmüthig Psalmen und Lobgesänge bis auf ihren letzten Athemzug.

Als 1555 Ridley, Bischof von London, und Hugh Latimer, Bischof von Worcester, beide durch Wissenschaft und Tugend berühmt, in Oxford zusammen verbrannt wurden, rief Latimer, da er an den Pfahl gebunden wurde, Ridley zu: „Sey gutes Muthes, Bruder, wir werden dieses Tages eine Fackel für England anzünden, die, wie ich zu Gott hoffe, nie mehr auslöschen soll.

Sanders wurde in Coventry verbrannt. Die angebotene Gnade verwarf er auf die geforderten Bedingnisse, umarmte den Pfahl, und sagte: „Willkommen, Kreuz Christi! willkommen, ewiges Leben!

Hunter, ein 19jähriger Jüngling, entfloh der Verfolgung. Sein Vater wurde arretirt und mit dem Aeußersten bedroht, wenn er den Sohn nicht stellte. Dieser, da er es vernahm, stellte sich freiwillig, und wurde von dem barbarischen Ketzerrichter Bonner lebendig verbrannt.

Auch in den Schweizerischen Cantons floß das Blut der Bekenner der Evangelischen Lehre (Nachrichten hiervon s. in Ulrichs Miscell. Tigur. Vol. II. 1ff. in Füßlings Beiträgen II, 31.36.IV.56 und Hottingeri H.E. IX. 174-333.) 1528 wollte der Abbt zu S. Lucien bei Chur in Bündten durch ein allgemeines Blutbad alle Reformirten in der Stadt auf einmal umbringen, wurde aber verrathen und hingerichtet.

Doch genug. Wer wollte alle, oder auch nur die merkwürdigsten Schlachtopfer nennen, die den, vom Blut der Bekenner trunkenen, Bigotismus aufgeopfert wurden!

Geddes sah zu Lissabon einen, der Religion wegen, zum Tode führen, der seit einigen Jahren nie aus dem Gefängniß gekommen war. Als er zum erstenmal wieder die Sonne sah, rief er mit Entzückung aus: „Kann man dieses herrliche Gestirn ansehen und noch andere Wesen anbeten, als Den, der es geschaffen hat!“ Sogleich wurde ihm ein Bengel in den Mund gestoßen, damit er nicht mehr reden konnte.

Dem berühmten Marschall Schomberg nahm die Inquisition eine deutsche Bibel weg, die er als ein Geschenk seines Großvaters mit Thränen beklagte, aber ungeachtet der dringendsten Bitten nicht mehr zurückerhalten konnte.

Reliquien alter Zeiten, Sitten und Meinungen
Vierter Theil, enthaltend Denkwürdigkeiten aus der Geschichte der Reformation
Herausgegeben von Johann Georg Müller
Leipzig, bei Johann Friedrich Hartknoch
1806