Anna Askew.

Heinrich VIII. von England hatte im Jahr 1539 die sogenannten sechs Blutartikel erlassen, durch welche die Lehre von der Brodverwandlung, die Kelchentziehung, die Abhaltung der Seelenmessen, die Ohrenbeichte, die Ehelosigkeit der Priester und die Unauflöslichkeit der Keuschheits-Gelübde zum Glaubensgesetze in seinen Staaten erklärt werden. Jedes Zuwiderhandeln wurde zuerst mit Gefängniß geahndet, später durch Hinrichtung bestraft. Unter den vier Opfern, welche am 16. Juli 1546 auf dem Scheiterhaufen starben, befand sich auch die erst fünfundzwanzigjährige Anna Askew (auch Ascue geschrieben). Sie war im Jahre 1521 geboren, aus Lincoln, die Tochter einer angesehenen Familie und von ihrem Vater, welcher dabei mehr die äußeren Vortheile der Verbindung als der inneren Frieden seines Kindes im Auge hatte, frühe einem reichen Manne, Namens Lyon, zur Ehe gegeben. In dieser Ehe trat aber nur zu bald der Gegensatz der beiderseitigen religiösen Anschauungen hervor. Anna, von frommem Sinn und mit der Bibel vertraut, nach der Frauenerziehung ihrer Zeit auch wissenschaftlich gebildet, den theologischen Fragen, welche damals die Welt erschütterten, mit aufmerksamer Theilnahme zugewendet und für die lauteren Lehren der h. Schrift, welche sie in der Ursprache des N. T. zu lesen verstand, also für die reformatorische Bewegung, in deren Mitte sie lebte, gewonnen, fand an ihrem Gatten einen mißtrauischen Hüter des römischen Glaubens, einen heftigen Widersacher ihrer Stimmungen und Gefühle, man sagt sogar einen heimlichen Verräther bei der kirchlichen Obrigkeit. Jedenfalls verstieß er sie aus seiner Wohnung. Sie begab sich nach London und blieb dort eine Zeitlang durch die Verborgenheit beschützt, auch im Verkehre mit Personen, welche dem Hofe nahestanden und die Reformation begünstigten, man vermuthet sogar mit der Königin (Catharina Howard) selbst. Aber einmal entdeckt und wegen ihrer Zweifel an den römischen Lehren in’s Verhör genommen, gab sie freimüthige Antwort. Die Frage: warum sie nicht zugebe, daß der Priester aus der Hostie den Leib Christi hervorbringe, erwiderte sie dahin: sie habe wohl gelesen in der Schrift, Gott habe den Menschen hervorgebracht, nirgends aber, daß ein Mensch Gott hervorbringe. Auf die weitere Frage: was daraus entstehe, wenn eine Ratte das geweihte Brod verzehre, ließ sie sich zwar nicht ein; als aber der Lordmaire ausrief: die Ratte sei verdammt, konnte sie sich des lächelnden Seufzers nicht erwehren: arme Ratte! Dem Bischof Shaxton von Salisbury gegenüber, der sich selbst bisher zur evangelischen Wahrheit hingeneigt, aber auf Grund der sechs Artikel seinen Irrthum abgeschworen hatte, hielt sie unbefangen stand und rügte ihn sogar durch einen Hinweis auf den offenkundigen Wechsel seiner Ueberzeugungen und Bekenntnisse. Beharrlich weigerte sie sich, dem Befehl des Königs durch Nennung der Personen des Hofs, mit welchen sie in Verbindung stehe, Folge zu leisten. In den Tower geworfen, hatte sie nun die Folter zu bestehen. Als der mit Anwendung der Folter beauftragte Offizier Bedenken trug, zu den höheren Graden der Marterung aufzusteigen, riß der Kanzler des Gerichts die Henkerarbeit an sich und quälte die gelassene Dulderin so sehr, daß sie die Besinnung verlor. Aber mit dem Bewußtsein kehrte auch der starke Wille, ihrem Glauben die Ehre zu geben, zurück. Wegen ihres jämmerlich zugerichteten Befindens mußte man sie in einer Sänfte auf den Richtplatz tragen. Auch hier widerstand sie mit fester Würde dem Anerbieten der Begnadigung, das man ihr noch schriftlich darreichte, falls sie den Irrthum abwerfe und sich zum römischen Glauben bekenne. Ihre Antwort war: wie könnte ich meinen Herrn verleugnen? Die Flammen desselben Holzstoßes verzehrten das junge Weib neben drei aus demselben Grunde der Apostasie verurtheilten Männern: einem Priester, einem Handwerker und einem Offizier.

C. Grüneisen in Stuttgart.

Anna Asceya

Die sechs Blut-Artikel, welche König Heinrich VIII. im Jahre 1539 aufgestellt hatte, hatten bei seiner Härte und Grausamkeit zur Folge, daß auf beiden Seiten, Anhänger des Pabstes und Anhänger der Reformation den Tod leiden mußten. Zu den letzteren gehörte auch unsere fromme und gottselige Anna Askew.

Von ihrer Geburt und ihrem früheren Leben und Wirken wissen wir wenig. Nur, daß sie aus altem, adligen Geschlecht in der Grafschaft Lincoln abstammte, von ihren Eltern ihrem Stande und den damaligen Bildungsstufen gemäß erzogen wurde, und durch Gaben des Verstandes, Klugheit, Ueberlegung, Charakterfestigkeit und aufrichtige, herzliche Frömmigkeit sich auszeichnete. Sie hatte die englische Bibelübersetzung in die Hände bekommen, fleißig darin gelesen und geforscht und sich einen reichen Schatz evangelischer Erkenntniß angeeignet. Es war im März 1546, als sie 25 Jahre alt, den Befehl erhielt, vor der damals vom Könige eingesetzten inquisitorischen Glaubenscommission zu erscheinen. Sie hatte vor ihr zwei Verhöre zu bestehen, welche sie selbst nachher in ihrem Gefängniß für ihre Freunde und Angehörigen genau beschrieben hat, und in welchen sie die Klarheit, Gewandtheit und Sicherheit ihrer Ueberzeugung hell leuchten ließ.

In dem ersten Verhör wurde sie zunächst von einem Inquisitor Cbristophorus Daire ausgefragt nach gewissen Personen, welche in den Verdacht der Ketzerei gekommen wären. Dann wurde ihr die Frage vorgelegt, ob sie an das Sacrament in der Monstranz glaube, daß es der wahre und natürliche Leib Jesu Christi sei? Sie entgegnete: er möchte ihr erst sagen, aus welcher Ursach der heilige Stephanus sei gesteinigt worden? und da jener erwiderte: er wisse es nicht, sprach sie: dann will ich auch auf eure nichtige Frage nicht antworten. Interessant ist das weitere gegenseitige Gespräch; nirgends zeigt sie eine Spur von Verlegenheit, überall vielmehr große Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit. Der Richter: „Es hat ein Weib uns angezeigt, daß du an einem Orte gelesen hast, daß Gott nicht in Häusern von Menschenhänden gemacht seine Wohnung hätte.“ Anna berief sich auf Stephanus und Paulus Erklärung Ap. Gesch. 7,48 und 17,24. Der Richter verlangte darauf ihre Erklärung über diesen und jenen Spruch; sie antwortete: „Man muß die Perlen nicht vor die Säue werfen, sie fressen auch wohl Eicheln.“ Der Richter: „Wer hat dich also reden gelehrt, daß du lieber fünf Verse in der heiligen Bibel lesen wolltest, als in der Kirche eben so viele Messen hören?“ Anna: „Ich stelle das nicht in Abrede; doch will ich’s nicht verstanden haben von den Evangelien und Episteln, welche bei der Messe aus Gottes Wort genommen werden: aus dem Vorlesen und Betrachten der heiligen Schrift empfange ich Besserung und Erbauung, aber aus der Messe nicht, wie Paulus 1 Corinth. 14 bezeugt: „So die Posaune einen undeutlichen Ton giebt, wer will sich zum Streit rüsten?“ Richter: „Was hältst du von der Beichte?“ Anna: „Eben das, was der Apostel Jacobus davon lehrt 5,16, daß Einer dem Andern solle seine Sünde bekennen und Einer für den Andern bitten.“ Richter: „Hast du auch den Geist Gottes?“ Anna: „Wenn ich ihn nicht hätte, so wäre ich auch nicht Gottes und müßte unter die Zahl der Verworfenen gerechnet werden.“ Richter: „Ich habe einen Priester mitgebracht, der soll dich examiniren.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so trat schon der im anstoßenden Zimmer anwesende Priester herein und fragte Anna nach dem Hauptpunkt der Anklage, nach ihrer Meinung vom Sacrament des Altars. Da Anna merkte, daß er ein Papist war, bat sie ihn, daß er nicht in sie dringen möchte, ihm eine bestimmte Antwort hierüber zu geben. Da bestürmte sie der Ketzermeister mit der Frage, was sie von den Seelenmessen hielt, ob sie den abgeschiedenen Seelen einige Hülfe oder Trost bringen könnten? Anna Askew antwortete fest und bestimmt: „Wenn Einer sein Vertrauen auf die Messen mehr setzte als auf das Blut Christi des Sohnes Gottes, der für uns gestorben ist, so wäre das eine Abgötterei und schreckliche Gotteslästerung.“ – Nach diesem Verhör schleppte man sie zum Ortsvorsteher, welcher von neuem zu inquiriren anfing, insbesondere, wenn eine Maus von dem gesegneten Brode esse, ob sie dann Gott esse oder nicht? Anna konnte nur lächeln über diese thörichte Frage. Als aber vollends des Bischofs Kanzler sie mit rauhen Worten anfuhr, wie sie als Weib dazu käme, daß sie von Gottes Wort und heiliger Schrift reden wollte, da doch Paulus den Weibern von der heiligen Schrift zu reden verboten habe, gab sie zur Antwort: „Des Apostels Meinung ist mir nicht verborgen: nämlich daß die Weiber in öffentlicher Versammlung nicht reden sollen, wie die Männer, welche die Gemeinde zu lehren den Auftrag haben;“ und fragte kühn: „Wie viele Weiber er sein Lebtage hätte auf die Kanzel treten und predigen gesehen?“ und als der Kanzler bekennen mußte: nie eine, schloß sie die Verhandlung mit den bestimmten Worten: „Nun, dann verdammet doch die armen Weiber nicht mit Euerem unzeitigen Urtheil, während das Gesetz sie losspricht.“ Darauf befahl der Ortsvorsteher sie ins Gefängniß zu führen, wo innerhalb 12 Tagen sie Niemand von ihren Freunden besuchen durfte.

Am 23ten März kam einer ihrer Vetter zu ihr ins Gefängniß, sie zu besuchen, und fragte sie, ob sie nicht durch eine Bürgschaft aus ihrem Gefängniß sich möchte befreien lassen. Als sie ihre Einwilligung gegeben, begab er sich sofort zum Ortsvorsteher, sein Gesuch anzubringen. Der war auch sofort bereit, wenn der Bischof Bonet dazu die Erlaubniß geben würde. Den 2ten Tag darauf vor den Bischof geführt, wurde sie von diesem und seinen Assistenten von neuem vermahnt, Alles zu gestehen, was sie auf dem Herzen hätte. Anna erwiederte, es sei nichts in ihrem Herzen verborgen, das sie nicht offenbaren könnte; denn sie hätte ein ruhiges und gutes Gewissen und wüßte von keinem Anliegen oder nagenden Wurm im Herzen. Bonet: „Gleichwie ein erfahrener Wundarzt kein Pflaster auf eine Wunde legt, er wisse denn zuvor, wie groß und tief die Wunde sei, so kann ich auch dir keinen Rath geben, ehe denn du mir die Wunden und Krankheiten deines Gewissens geoffenbart hast.“ Anna: „Ich bin mir gottlob nichts Böses bewußt; es wäre daher sehr verkehrt gehandelt, wenn man auf eine gesunde Haut ein Pflaster legen wollte.“ Dann hielt er ihr die früheren Anklagen vor, worauf sie die früheren treffenden Antworten wiederholte. Endlich fragte er sie direct: „Was ist denn dein Glaube vom Sacrament?“ Anna: „Ich glaube, was mich die heilige Schrift davon lehret.“ Bonet: „Wie? wenn die heilige Schrift lehrete, es wäre der Leib Christi?“ Anna: „Alles, was die heilige Schrift lehret, das glaube ich!“ Bonet: „Wie? wenn dann die heilige Schrift sagte, es wäre nicht der Leib Christi?“ Anna: „Ich folge durchaus und allein der heiligen Schrift.“ Endlich fragte er, wie es denn käme, daß sie mit so wenigen Worten antwortete? Anna: „Es ist mir gegeben die Gabe des Verstandes, aber nicht die Gabe, viele Worte zu machen, und was du an mir tadelst, das lobt der König Salomo in seinen Sprüchen: daß ein vernünftig Weib, das wenig und bescheiden rede, eine besondere Gabe Gottes sei.“

Nach einigen Tagen wurde ein zweites, fünfstündiges Verhör mit ihr angestellt und sie unter andern vorzüglich nach ihrem Glauben vom Abendmahl befragt. Sie antwortete: „Ich glaube, daß, so oft ich in geistlicher Versammlung das Sacrament des Leibes und Blutes, zum Gedächtniß des Leidens und Sterbens Christi, mit Danksagung nach seiner heiligen Einsetzung brauche, ich zugleich theilhaftig werde der Frucht des heilsamen Leidens unseres Herrn.“ Der Bischof verlangte nun, sie sollte deutlicher reden und nicht viele Umschweife machen. Anna: „Ich kann kein neues Lied dem Herrn singen im fremden Lande.“ Bonet: „Du redest in Parabeln und Gleichnissen.“ Anna: „Ich muß also mit dir reden; denn wenn ich rund heraus dir meine Meinung sagte, so würdest du mir doch nicht Glauben schenken.“ Darauf nannte er sie einen Papagei, worauf sie sprach: „Ich bin bereit, nicht allein deine Scherzreden mit Geduld zu ertragen, sondern auch alles Andere, was du ferner wider mich vornehmen wirst.“ – Am andern Tage wurde das Verhör fortgesetzt. Unter andren verlangte der Bischof von Winton, sie sollte bekennen, daß das Sacrament der Leib Christi sei mit Fleisch, Blut und Beinen. Anna: „Es ist eine große Schande, daß ihr mir rathet, etwas zu sagen, was ihr selbst nicht für wahr haltet.“ Darauf sagte derselbe: er wolle freundlich und vertraulich mit ihr reden. Anna: „Ja, wie Judas, als er Christum verrathen wollte.“ Zuletzt legten sie ihr eine Schrift über das Sacrament zur Unterschrift vor, sie aber verweigerte es aufs bestimmteste. – Der folgende Tag war ein Sonntag. Anna Askew fühlte sich sehr schwach und bat, daß man ihr den Dr. Latimer zuschicke, um sich mit ihm auszusprechen; es wurde ihr abgeschlagen. Vielmehr führte man sie ins Gefängniß Newgate.

Nach jenen Verhören verkündigte man ihr, daß sie eine Ketzerin sei und nach dem Gesetz zum Tode verdammt, wenn sie halsstarrig auf ihrer Meinung beharrte, Sie antwortete: „Nein, ich bin keine Ketzerin.“ Darauf wollte man von ihr wissen, ob sie nicht läugne, daß der Leib und das Blut Christi im Sacramente sei? Anna: „Das läugne ich ganz und gar; denn der Sohn Gottes, aus Maria geboren, regiert nun nach unseres christlichen Glaubens Bekenntniß im Himmel und wird von dannen wiederkommen zum Gericht, wie Er hinauf gefahren ist. Ich läugne nicht, daß dieses Sacrament mit gebührender Ehrerbietung soll begangen werden; aber weil ihr mit eurem Aberglauben übers Ziel schreitet und es zu einem Gott machet, und ihm göttliche Ehre beweiset, sage ich dagegen: das sei nur Brod, und bekräftige solches mit diesem Wahrzeichen. Wenn ihr diesen euern Gott drei Monate lang etwa in einem Kasten aufhebet und liegen lasset, so wird er schimmlich und verfaulet, wird endlich ganz und gar zu nichte, und ist also ein Gott, der längstens drei Monate währen kann.“ Nachher boten sie ihr einen Priester zur Beichte an; sie lächelte aber und erwiederte: „Es ist genug, wenn ich Gott meine Sünde bekenne, von dem ich nicht zweifle, daß Er meine Beichte anhören könne und weil ich ein bußfertiges Herz habe, mir auch meine Sünde vergeben wolle. Was Er aber kann und will, das muß in alle Ewigkeit ungehindert bleiben.“ Alsbald wurde das Todesurtheil über sie ausgesprochen.

Vergebens protestirte sie gegen dieses Urtheil in einem Schreiben an den Kanzler, vergebens in einer Supplication an den König. Wie gewöhnlich wurde sie in den Thurm zu London gebracht, um ihre Glaubensgenossen gefragt und als sie Niemanden angab, auf die Folter wiederholt gespannt, bis alle Glieder ihres Leibes ausgerenkt und zerrissen wurden und sie in tiefe Ohnmachten fiel. Auch wurde sie immer wieder mit Drohungen und Versprechungen bestürmt, daß sie widerrufen möchte. Da sie aber fest blieb und ihre Kräfte so schwanden, daß man ihren Tod im Gefängniß besorgte, eilte man mit ihr zum öffentlichen Feuertode. Weil sie in Folge ihrer Martern weder mehr stehen noch gehen konnte, wurde sie auf einem Stuhl nach dem Roßmarkt getragen und an einen Pfahl mit eisernen Ketten angebunden. Alles war fertig. Da langten königliche Briefe an, welche ihr das Leben schenkten, wenn sie widerriefe: sie mochte sie nicht ansehen. Der Scheiterhaufen wurde angezündet, und Anna Askew starb mit drei andern evangelisch gesinnten Männern den qualvollen, aber herrlichen Märtyrertod im Jahre 1546. Im nächsten Jahre stand Heinrich VIII. schon vor seinem ewigen Richter.

 

Anna Asceya

Anna Asceya, eine edle jungkfraw in Engelland

Dise edle / gotselige und viltugentsame jungkfraw / wann ihr mehr an diser welt pracht und wollust / dann an Christo und seinem H. Evangelio were gelegen geweßt / hette auch wol für der welt in grossen ehren und würden seyn und schweben können. Aber Christus war ihr lieber / dann ihr edles geschlecht / ihrer eltern reichthumb / ja alles was die weltkinder für jre höchste güter achten. Die historia vergleichet dise jungkfrau mit der alten Märtyrin Blandina / welche von Eusebio in der Kirchenhistori so hoch gelobt wird. Dann sie schier auf eben so vil art und weise / als die liebe Blandina / ist geplaget und gemartert worden. Die sie foltern und martern liessen / die waren zugleich / wider Gott und alle billichkeit / ihre ankläger und richter. Auf der reckbanck haben sie sie bald im anfang also gezogen / daß ihr die adern zersprungen / und das blut häufig herfür geflossen ist. Und sonderlich ist ihr / umb verachtung der Bäpstlichen Messz willen / zum heftigsten zugesetzt worden.

Da sie einer / den sie für einen spötter und Epicurer ansahe / vil auß Gottes wort fragen / und wie sie disen und jenen Spruch verstünde / erforschen wolte: sagt sie zu ihm / Man solte die perlen nicht für die säw werfen / welchen besser mit eicheln gedienet were.

Da dise zu rede gestellet wart / darumb / daß sie gesagt hette / sie wolte lieber fünf verß in der H. Bibel lesen / dann in der ‚Kirchen eben so vil Messen hören: sagt sie / sie were solches nicht in abreden. Sie wolt aber solches nicht von den Evangelien und Episteln / so auß Gottes wort genomen würden / verstanden haben. Was aber sonst in gemein die H. Schrift anlangete / fühlete sie in der that / daß sie auß verlesung und betrachtung derselben / besserung und erbawung spürete / Auß der Messz aber gar nichts.

Da sie auch von einem Messzpriester gefraget wurde / Wann die genante Ostia in der Messz auf die erde fiel / und etwa von einer mauß oder hund gesssen würde / ob man auch glauben solte / daß dieselbige maß oder hund / Gott selbst gessen hette? Antwortet sie / Wie er dises sein retzel aufgegeben hette / so solte er es auch selber solviren und lösen. Dann es mir / sage sie / nicht geliebet darauf zu antworten / dieweil ich sehe / daß du nur versuchenshalben hie bist.

Da ein ander von den Geistlichen Prelaten zu ihr kommen war / und sie ungefehr ein buch in der hand hatte: hat der Prelat jr das buch auß der hand genomen / und ehe dann er noch wußte / oder gesehen hatte / was es für ein buch were / hat er zu diser Jungkfrawen Anna gesagt / Dise und dergleichen bücher haben dich in dise ungelengenheit gebracht. Darumb vermane ich dich / daß du dich hinfüro für solchen büchern hüten wollest. Dann der Scribent dises buchs selbst ist öffentlich seiner ketzerey halben geschmähet und verbrennet worden. Darauff ihn Anna gefragt / ob er auch gewiß wüßte / daß es wahr were / was er sagte? Der Prelat sagt / JA / Er wüßte gewiß / daß es Johann Fryths buch were. Da hat ihm die Jungkfraw einen guten text gelesen / und unter andern gefragt / Ob er sich nicht schämete / daß er also zuplumpete / und ein urtheil von einem buch fellete / welches er doch nicht gelesen hette. Zwar / sagt sie / solche unbesonnene gewaltsame urtheil seind eine gewisse anzeigung eines unweisen gemüts. Und thet zugleich das buch auf / und zeiget es jm / daß er erst recht zusehen solte ehe dann er ein ding durchauß verdammete. Da sagt der Prelat: Ich meynete gewiß / es were ein ander buch gewesen / dieweil er nichts darinnen zu tadeln wußte. Hierauff hat jn die jungkfraw gar ernstlich vermahnet / daß er hinfüro im richten und verdammen nit allzu sehr eylen und zuplumpen / sondern sich aller sachen zuvorn gründlich erkündigen wolte. Damit ist der Prelat davon gangen.

Da sie ein ander Priester zur beicht vermahnete / und unter andern auch dise gleichnis gebrauchte / Wie ein Wundartzt kein pflaster auf eine wunde legete / er wüßte dann zuvorn / wie groß und tief die wundt were: also könte er jr auch keinen raht geben / ehe dann sie ihm zuvorn die wunden und kranckheit ihres gewissens geoffenbaret hette. Darauf jm Anna geantwortet / Sie were ihr / Gott lob / nichts böses bewußt: Were derhalben unweißlich gethan / wan man auf eine gesunde unverletzte haut ein pflaster auflegen wolte.

Da ihr auch fürgeworffen wurd / als solte sie gesagt haben / Wann einer von einem ruchlosen unverschämten Priester das Sacrament empfienge / daß derselbige nicht Christum / sondern den Teufel empfienge: Sagt sie / Sie hette solches nit geredt / sondern also hette sie gesagt: Wasi es sich schon zutrüge / daß der Kirchendiener ein gotloser unflat were / so hinderte mich doch dasselbige gar nit: Dieweil ich dennoch mit geist und glauben Christi leib und blut empfienge. Dann ohne geist und glauben kan dises Sacrament weder würdiglich noch heilsamlich empfangen werden.

Da der Bischoff von Winton zu ihr sagte / Er wolte freundlicher und vertrawter weise mit ihr handelen: sagte sie: Ja eben wie Judas / da er Christum verrahten wolte.

Da der Bischoff sagte / Wo sie sich nicht bekehrete / so würde man sie mit fewer verbrennen: Sprach Anna / Ich habe die H. Schrift etlich vil mal durchlesen / aber nirgends drinn gefunden / daß Christus oder die Aposteln jemands getödtet haben. Nu wolan / der Herr wird euch und ewer drawen schwechen und zu schanden machen.

Ihr bekantnus / die sie in der gefangnus gestellet / hat sie mit disen worten unterschrieben / Anna Asceva / die weder den tod wünschet / noch alzusehr sich für jm fürchtet / sondern also von hertzen lustig und frölich ist / als eine solche person seyn möchte / die auf dem weg gen himmel ist.

Da man sie weiter fragte / Ob sie nicht glauben wolte / daß der natürliche wesentliche leib und blut Christi im Sacrament mündlich empfangen würde: sagt sie / Nein. Dann der sohn Gottes auß Maria geboren / nach unsers Chrstlichen Glaubens bekantnus regierte nun in der höhe im himel / und würde eben also von dannen wider kommen zum gericht / wie er hinauff gefahren were / Actor. 1. Ich leugne zwar nit / sagt sie / daß dises Sacrament mit gebürlicher reverentz und ehererbietung sol gehandelt werden: Aber dieweil ihr mit ewrem aberglauben ubers ziel schreitet / und dises Sacrament gantz und gar zu einem Gott machet / und ihm götliche ehr beweiset: so sag ich darentgegen / daß das jenige nur brot sey / das von euch als ein Gott geehret wird / und bekreftige solches mit disem wahrzeichen: Wann jr disen ewern Gott drey monat lang etwa in einem kasten aufhebet und ligen lasset / so wird er schimlich / vermodert und verfaulet / und wird endlich zu nichten / und ist also ein Gott der zum lengsten drey monat lang wären kan. Dadurch dann genugsam kan erwisen werden / daß es brot / und ein Sacrament sey / aber mit nichten Gott selbst / oder der natürliche wesentliche Leib Christi / der in ewigkeit nicht verfaulen oder verwesen wird.

Da man ihr wider vom beichten sagt / antwortet sie: Es ist gnug wann ich Gott meine Sünd bekenne / von dem ich nicht zweifele daß er meine beicht anhören könne: und dieweil ich ein bußfertiges hertz habe / mir auch meine sünde vergeben wolle. Was er aber kan und wil / das muß in alle ewigkeit unverhindert bleiben.

Da ein abtrünniger / mit namen Nicolaus Saxton / mit seinem exempel sie bewegen wolte / daß sie auch widerruffen und abfellig werden solte: sprach sie / Es were besser / daß sie nie geboren were / wann sie solches thun solte.

Da ihr der Cantzler / nach einer unmenschlichen folterung (darinn man ihr die glider schier voneinander gerissen / und sie eine zeitlang für tod gehalten hatte) widerumb sagen ließ / Wann sie ihre gefaßte meynung wolte fallen lassen / so solte es ihr hinfüro nirgend an mangeln: Hat sie jm sagen lassen: Es were kein tod so schrecklich / schwer und grawsam / welchen sie nicht etlich mal lieber leiden und außstehen wolte / dann die wahre Religion einmal verläugnen. Dieweil sie nu auf der folterbanck zu vil malen also jämmerlich zugericht war / daß sie in solcher schwachheit nicht lang leben / und in geheim auch von wegen ihrer feinde nit sterben mochte: hat man sie / dieweil sie von ihr selbst nicht konte / auf einem stul zu London auf dem pfersmarck getragen / und ist mit einer ketten an den pfal gebunden worden. Dann nu alles zur marter fertig / kamen noch Königliche briefe / die ihr das leben verhiessen / wo sie abfallen wolte. Welche briefe sie nit allein nicht annemen / sondern auch nit hat ansehen wollen. Und ist also dise edle / frome / gotselige jungkfraw nach so vilerley schmach / folterung / streit / kampf / pein und marter / endlich noch dazu neben dreyen andern manspersonen verbrennet worden / anno Christi 1546. den 16. Julii. Auf welchen tag auch so ein grosses erschreckliches donnern und blitzen sich erhaben hat / daß die anschawer dises erbärmlichen spectakels zum heftigsten darüber erschrocken seind.

Märtyrbuch:; Denckwürdige Reden und Thaten viler H. Märtyrer, Welche nach der Aposteln biß auf unsere Zeiten / hin und wider in Teutschland / Franckreich / Engelland / Schotland / Niderlanden / Italien / Hispanien / Portugall / ec umb der götlichen warheit willen jämmerlich verfolget / gemartert und endlich auf allerley weise entleibet seind worden. Alles auß den Frantzösischen Geschichten der Märtyrer trewlich außgezogen. Gedruckt zu Herborn / 1698